Pathologie: Einführung


Die Pathologie

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Die Pathologie ist die „Lehre von den Leiden“ (griech. Pathos = Leiden) und erforscht die Ursachen, Entstehungsmechanismen, sichtbaren Veränderungen und Verläufe von Krankheiten mit morphologisch fassbaren Methoden.

Nach der Dimension des Untersuchungsobjektes unterscheidet man die pathologische Anatomie (mit bloßem Auge an der Leiche oder dem Organpräparat), die Histopathologie (feingewebliche Untersuchung), die Zytopathologie (Untersuchung einzelner Zellen), die ultrastrukturelle Pathologie (mittels Elektronenmikroskopie) und die Molekularpathologie (Untersuchungen auf genetischer Ebene).

Im Ggs. zur Rechtsmedizin geht es normalerweise nicht um kriminologische (polizeiliche/juristische) Fragstellungen wie Körperverletzung, Mord, Totschlag, Misshandlung, Mißbrauch, Suizid, Behandlungsfehler usw.

Geschichte

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Berufsbild des Pathologen

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Aufgaben des Pathologen:

  • Durchführung von Sektionen.
  • Verarbeitung, Untersuchung und Beurteilung von Abstrichen, Punktaten, Biopsaten, Schnellschnitten und der bei Operationen entnommenen Gewebe als Grundlage der weiteren Diagnostik und Therapie.

Arbeitsfelder:

  • Sektionssaal - Durchführung von Obduktionen
  • Zuschnitt - Präparation und makroskopische Befundung von OP-Präparaten, gezielte Probeentnahmen zur Weiterverarbeitung (Einbettung, bei Nativpräparaten auch Kryokonservierung).
  • Schnellschnitt - Direktverarbeitung von Nativmaterial aus dem OP, während der Patient in Narkose verbleibt. Nur sinnvoll, wenn die Diagnose den Operationsverlauf beeinflusst. Ablauf: Transport, Befundung und Probeentnahme am Schnellschnittplatz, Anfertigung von Gefrierschnitten, H&E-Färbung, mikroskopische Befundung, Schnellschnitt-Durchsage an den Chirurgen. Weitgehendere Untersuchungen (Sonderfärbungen, Immunhistochemie) sind in diesem Zeitfenster nicht möglich.
  • Mikroskopie - Das tägliche Brot des Pathologen
  • Ggf. Molekularpathologie - Arbeit im Labor (PCR & Co)
  • Ggf. Elektronenmikroskopie - Ultrastrukturelle Diagnostik bei ausgewählten Fragestellungen (z.B. Glomerulonephritiden)
  • Klinisch-pathologische Konferenzen - Interdisziplinärer Austausch und Besprechung von Patienten
  • Hörsaal - Vorlesungen und Studentenunterricht an Uni und Lehrkrankenhäusern
  • Forschung - Uni

Die Ausbildung zum Pathologen:

  • Reguläres Medizinstudium über mind. 6 Jahre und 3 Monate.
  • Weiterbildung zum Facharzt (FA) für Pathologie oder zum FA für Neuropathologie. Dauer jeweils mind. 6 Jahre. Die Weiterbildung wird von den Landesärztekammern geregelt und orientiert sich an der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO). Die Muster-Weiterbildungsrichtlinie 2003 sieht folgende Nachweise vor:
    • Weiterbildung zum Pathologen: 200 Obduktionen, 15.000 histologische Untersuchungen, 10.000 zytologische Untersuchungen, 500 Schnellschnittuntersuchungen.
    • Weiterbildung zum Neuropathologen: 200 Hirn-Sektionen, 1.000 histologische Untersuchungen, 1.000 histochemische, molekularbiologische o.a. Untersuchungen.

Was bietet die Pathologie:

  • Eine spannendes, vielfältiges und sehr anschauliches Arbeitsgebiet.
  • Als interdisziplinäres Fach regelmäßiger Kontakt zu fast allen anderen medizinischen Fachrichtungen.
  • Gute berufliche Perspektive (Uni-Karriere oder Praxis).
  • Geregelte Arbeitszeiten (keine Nachtdienste, Wochenende meist frei).
  • Derzeit gute Stellensituation (Nachwuchsmangel)

Nachteile:

  • Durch Wegfall der Dienste geringeres Gehalt
  • Defizite bei den Arbeitsbedingungen, z.B. bei der Anerkennung von Überstunden, vgl.:

Arbeits- und Weiterbildungssituation für Weiterbildungsassistenten (WBA), Auszug aus den Ergebnissen der Evaluation der Weiterbildung 2009 der Bundesärztekammer:

Pathologie übrige Fachrichtungen
Rücklauf WBA n = 120 n = 18.856
Rücklaufquote WBA 47,2 % 32,8 %
Globale Bewertung (Mittelwert, Schulnotensystem 1 bis 6) 2,6 2,6
„Fallen Mehrarbeit/Überstunden bei Ihnen an?“ Antwortmöglichkeit „ja“ 88,6 % 91,5 %
„Werden Mehrarbeit/Überstunden vollständig dokumentiert?“ Antwortmöglichkeit „gar nicht“ 66,3 % 13,9 %
„Wie werden Mehrarbeit/Überstunden ausgeglichen?“ Antwortmöglichkeit „gar nicht“ 65,7 % 16,3 %

Quelle: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/2009-EVA_WB-Ausw-Pathologie1.pdf

Weblinks:

Berufsorganisationen

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Grundbegriffe

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  • Ätiologie: Ursachen
  • Pathogenese: Krankheitsentstehung
    • Kausale Pathogenese: Summe aller ätiologischen Faktoren
    • Formale Pathogenese: Summe aller morphologischen und funktionellen Veränderungen

Krankheitsverlauf

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  • akut - Plötzlicher Beginn, gute Heilungstendenz
    • akut
    • perakut
    • hyperakut
  • chronisch - Häufig schleichender Beginn, oft schlechte Heilungstendenz
    • primär chronisch
    • chronisch persistierend
    • chronisch progredient
    • chronisch rezidivierend
    • chronisch aggressiv

Krankheitsausgang

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  • Völlige Ausheilung (restitutio ad integrum)
  • Defektheilung = „Leiden“ = „Ausfall“ = dauerhafte Störung = Zustand, der nach einer Krankheit zurückbleibt
  • Exitus letalis
  • Klinischer Tod, gekennzeichnet durch die unsicheren Todeszeichen
    • Kreislaufstillstand
    • Atemstillstand
    • Irreversible Areflexie
    • Abfall der Körperkerntemperatur
  • Vita reducta oder minima - Scheintod: Zustand, der mit einem klinischen Tod verwechselt werden kann. Vorkommen bei Intoxikation, Unterkühlung, verschiedenen Erkrankungen u.a.m. Auch Bezeichnung für den Übergang in den biologischen Tod.
  • Biologischer Tod, gekennzeichnet durch sichere Todeszeichen wie
    • Totenflecken (Livores) - Nach 1/4 bis 3 h. Blau-livide Flecken durch Absinken des Blutes in den Kapillaren in den abhängigen Körperpartien unter Aussparung der Auflageflächen. (Kirschrot bei CO-Vergiftung oder Unterkühlung, Schwach bei Anämie/Blutverlust.)
    • Leichenstarre (Rigor mortis) - Nach 1 bis 2 (0,5 bis 7) h meist an Augen- und Kaumuskeln beginnend, vollständig nach 2 bis 20 h, temperaturabhängig. Entstehung durch ATP-Defizit und Fixierung der Aktin-Myosin-Bindung. Lösung nach einem bis mehreren Tagen durch Zersetzung.
    • Fäulnis, Verwesung, Mumifikation - Autolyse, chemisch, bakteriell.
    • Mit dem Leben nicht vereinbare Verletzungen
    • Nachweis des Hirntodes

Die Feststellung des Todes erfolgt anhand der sicheren Todeszeichen.


Weitere Begriffe:

  • Hirntod (Individualtod) - Irreversibler Ausfall der Hirnfunktion
    • Pathologisch: Nekrose von Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm.
    • Klinisch: Koma, Areflexie, Apnoe.
    • Apparativ: Null-Linien-EEG, sistierender Hirnkreislauf (Hirngefäß-Szintigraphie, Doppler-Sonographie), Ausfall der evozierten Potentiale.
  • Intermediäres Leben: Phase vom Individualtod bis zum Absterben der letzten Körperzelle. Supravitale, d.h. langlebige Gewebe sind besonders Knorpel und Hornhaut (72 h). Supravitale Reaktionen zeigen aber auch Spermien und Muskeln.

Todesart

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Juristischer Begriff:

  • Natürlicher Tod: Tod durch innere Ursachen bzw. Erkrankung. -> Domäne der Pathologie.
  • Nicht-natürlicher Tod: Tod durch äußere Einwirkung, selbst beigebracht (z.B. Suizid, Tod durch Alkoholvergiftung, Unfall) oder durch Fremdeinwirkung oder Tod infolge der vorgenannten Gründe. -> Domäne der Rechtsmedizin.

Todesursache

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Medizinischer Begriff: Erkrankungen und Veränderungen des Körpers, die zum Tode geführt haben.

Sterbetypen

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  • linear
  • divergierend
  • konvergierend
  • komplex

Äußere Leichenschau

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Voraussetzungen:

  • Ärztliche Tätigkeit
  • Sorgfältig
  • an der vollständig entkleideten Leiche
  • einschl. Inspektion der Körperöffnungen und der behaarten Kopfhaut.

Ziele:

  • Ausschluß des Scheintodes.
  • Erkennung infektiöser Todesursachen.
  • Rechtssicherheit.
  • Todesursachenstatistik.

Todesbescheinigung:

  • Todesfeststellung - Sichere Todeszeichen. Falls nicht vorhanden -> Reanimation!
  • Todesursache - Grunderkrankungen, Folgeerkrankungen, todesursächliche Erkrankung.
  • Todesart - natürlich (innere Ursache), nicht-natürlich (Unfall, Suizid, Fremdeinwirkung), ungeklärt. Es zählt die Kausalität unabhängig von der zeitlichen Latenz!
  • Todeszeitpunkt/Auffindezeitpunkt.

Weblinks:

Innere Leichenschau

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Obduktion durch den Pathologen oder Rechtsmediziner.

Krankheitsstatistik

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  • Morbidität: Anzahl Erkrankter pro Zeit und Bevölkerung
  • Mortalität: Anzahl an einer bestimmten Krankheit Verstorbenen pro Zeit und Bevölkerung
  • Letalität: Prozentsatz derer, die an einer bestimmten Krankheit verstirbt bezogen auf die Zahl der Erkrankten
  • Inzidenz: Neuerkrankungen pro Jahr
  • Prävalenz: Morbidität an einem Stichtag

Klassifikation von Krankheiten

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Man kann Erkrankungen verschiedentlich klassifizieren, z.B. nach ihrer bevorzugten Organmanifestation und nach ihrer Ätiologie oder Pathogenese. Für den Alltagsgebrauch und differentialdiagnostische Überlegungen bietet sich als Eselsbrücke bzw. Merkhilfe die 5-Finger-Regel an, um keine wesentlichen DDs zu vergessen:

  • Daumen: Kongenital - Genetische Schäden, Fehlbildung, Perinatalschädigung
  • Zeigefinger: Exogen - Trauma, Strahlung, Toxine
  • Mittelfinger: -itis - Entzündung (1. infektiös, 2. immunopathisch)
  • Ringfinger: -ose - Chronisch-degenerative Erkrankungen
  • Kleiner Finger: -om - Tumor

Eine offizielle Klassifikation für Erkrankungen ist die   International Classification of Diseases and Related Health Problems der WHO, aktuell der ICD-10.