Autor: Vincent Holzhauer

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Nützliches Vorwissen: Kenntnisse zur Beschäftigungsduldung

Behandelte Themen: Erteilung und Widerruf einer Beschäftigungserlaubnis. Zur Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung (§ 19d AufenthG) siehe Fall 49: § 19d AufenthG

Zugrundeliegender Sachverhalt: Beschäftigung trotz Widerruf

Schwierigkeitsgrad: Anfänger*innen

Grundsätzlich bedarf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 4a I, IV AufenthG der Erlaubnis, wenn die erwerbstätige Person keinen Aufenthaltstitel besitzt. Fraglich ist vorliegend, ob die geplante Tätigkeit der G überhaupt einer Erlaubnis bedarf (I.) und, gegebenenfalls hilfsweise, ob mangels wirksamen Widerrufs der Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde die Tätigkeit der G bereits durch eine bestehende Beschäftigungserlaubnis erlaubt ist (II.).

Lösungsvorschlag

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I. Erfordernis der Erteilung einer neuen Beschäftigungserlaubnis

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Möglicherweise könnte G ihre Tätigkeit ohne eine Beschäftigungserlaubnis ausüben.

Dies wäre der Fall, wenn die geplante Tätigkeit nicht dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt[1] des § 4a IV AufenthG unterfiele, also insbesondere dann, wenn keine Erwerbstätigkeit vorliegt.

Die Erwerbstätigkeit ist in § 2 II AufenthG definiert. Demnach ist Erwerbstätigkeit die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des SGB IV und die Tätigkeit als Beamter. Fraglich ist also, ob die Tätigkeit der G zum relevanten Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme[2] den §§ 2 II, 4a IV AufenthG unterfallen würde. Im Falle der G kommt nur eine Beschäftigung im Sinne von § 7 des SGB IV infrage, sie soll nicht selbstständig oder als Beamtin tätig werden.

Weiterführendes Wissen

Die selbstständige Tätigkeit ist im AufenthG nicht definiert. So wird sie als jede Tätigkeit definiert, die nicht Beschäftigung ist,[3]. Zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Selbstständigkeitwird auf die arbeits- und sozialrechtlichen Kriterien zurückgegriffen, also insbesondere den Grad der persönlichen Unabhängigkeit bei der Ausübung der Tätigkeit, die freie Wahl der Art der Durchführung der Aufgabe oder die fehlende Eingliederung in einen Betrieb für eine selbstständige Arbeit sprechen.[4]

Maßgeblich für die Beurteilung ist § 7 SGB IV. Dieser definiert die Beschäftigung in § 7 I 1 SGB IV als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Als Indizien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nennt § 7 I 2 SGB IV die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Hier könnte das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abzulehnen sein, da die G als Verwandte des Betriebsinhabers in dessen Betrieb tätig werden soll und sich zur Mithilfe verpflichtet sieht. Maßgeblich zur Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familiärer Mithilfe sind die Umstände des Einzelfalls. Eine Beschäftigung ist – sofern eine Eingliederung in den Betrieb und ein (abgeschwächtes) Weisungsrecht vorliegen – anzunehmen, wenn ein Lohndienstverhältnis, also ein Abhängigkeitsverhältnis mit dem Ziel der Leistung von Arbeit gegen ein Entgelt vorliegt, das über ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht.[5] Es liegt nicht vor, wenn die Mithilfe nur auf Grund der Familienzugehörigkeit ohne Eingliederung in den Betrieb und ohne Gewährung von Arbeitsentgelt geleistet wird.[6] Letzteres ist insbesondere bei Kindern mit Hinblick auf § 1619 BGB anzunehmen.[7] Auch ist keine bloße Mithilfe anzunehmen, wenn die helfende Person mit an der Leitung des Unternehmens oder zum Beispiel als Gesellschafter*in nach §§ 705 ff. BGB am Gewinn beteiligt ist.[8]

Weiterführendes Wissen

Diese Erwägungen gelten für alle Formen der Erwerbstätigkeit nach § 2 II AufenthG: Ihr unterfallen nur solche Tätigkeiten, die auf Erzielung von Gewinn gerichtet oder für die ein Entgelt vereinbart oder den Umständen nach zu erwarten ist.[9]

G würde hier zwar im Betrieb eines Verwandten tätig werden, sie ist aber weder nach § 1619 BGB zur Mitarbeit verpflichtet noch am Gewinn oder an der Leitung des Betriebs beteiligt. Da sie mangels anderer Hinweise in den Betrieb eingegliedert werden soll und einem Weisungsrecht unterfiele, kann auf ihr nicht unerhebliches Arbeitsentgelt abgestellt werden, das ein bloßes Taschengeld übersteigt. Somit liegt eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 7 I 1 SGB IV, § 2 II AufenthG vor. Folglich unterfällt die von G angestrebte Tätigkeit dem Erlaubnisvorbehalt des § 4a IV AufenthG.

Weiterführendes Wissen

Nach § 30 BeschV sind einige zeitlich eingeschränkte Tätigkeiten nie als Beschäftigung im Sinne des AufenthG anzusehen, so etwa Praktika zu Weiterbildungszwecken (§ 15 BeschV), die Tätigkeit als Führungskraft (§ 3 Nr. 1 BeschV) oder die Tätigkeit als Journalist*in (§ 18 BeschV).

II. Widerruf der vorigen Beschäftigungserlaubnis

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Die Beschäftigungserlaubnis der G könnte aber weiterhin fortbestehen, da sie nicht zeitlich befristet war. Es dürfte kein Widerruf durch die Ausländerbehörde vorliegen.

Zu klären ist, ob die Erlaubnis zusammen mit der Ausbildungsduldung erlischt oder einen selbstständigen Verwaltungsakt darstellt, den die Behörde gesondert zurücknehmen muss. Es ist also die Rechtsnatur der Beschäftigungserlaubnis zu bestimmen. Sie wird nach § 60c I 3 AufenthG zusammen mit der Ausbildungsduldung erteilt.

Der VGH Bayern nennt für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis §§ 4a IV, 42 II Nr. 4 AufenthG i.V.m. § 32 II Nr. 2 BeschV als Rechtsgrundlage, sollte die antragstellende Person – wie G – keinen Aufenthaltstitel besitzen.[10] Diese von § 60c I 3 AufenthG unabhängige Rechtsgrundlage könnte dafür sprechen, die Beschäftigungserlaubnis als selbstständigen Verwaltungsakt einzuordnen, der nach den § 48 beziehungsweise § 49 (Landes-) VwVfG zurückgenommen beziehungsweise widerrufen werden muss.

Andererseits könnte man davon ausgehen, dass die Beschäftigungserlaubnis aufgrund des engen Zusammenhangs mit der erlaubten Tätigkeit als Nebenbestimmung einzuordnen ist.[11] Nebenbestimmungen sind in § 36 VwVfG geregelt. Durch die strenge Akzessorietät mit dem „Haupt-Verwaltungsakt“[12] „stehen und fallen“ die Nebenbestimmungen grundsätzlich mit diesem.[13]

Weiterführendes Wissen

Streng genommen wird man die Beschäftigungserlaubnis nicht unter § 36 VwVfG fassen können, da sie keinem der dort aufgezählten Typen der Nebenbestimmung entspricht.[14] Es ist aber anerkannt, dass die Erlaubnis in einem solchen engen Zusammenhang mit der konkreten Duldung steht, dass sie mit dieser erlöschen muss. Insofern spricht man von einer „Nebenbestimmung im weiteren Sinne“.[15]

Für die bis zum 29.2.2020 geltende Fassung der Beschäftigungserlaubnis (§ 4 II 3 AufenthG a.F.) war eine Einordnung als „Nebenbestimmung im weiteren Sinne“ anerkannt.[16] Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte sich auch durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nichts an der Rechtslage ändern.[17] Weiter scheint auch das AufenthG die Beschäftigungserlaubnis ausweislich § 84 I 1 Nr. 3 AufenthG als „Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft“ einzuordnen. Dies überzeugt, da das Aufenthaltsrecht – mit Ausnahme der Erlaubnisse für Saisonarbeiter*innen in § 4a IV Hs. 1 AufenthG – keine isolierte Arbeitserlaubnis kennt.[18]

Somit ist die Beschäftigungserlaubnis der G erloschen und die Aufnahme der Tätigkeit ist nicht erlaubt.

III. Ergebnis

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G kann sich nicht auf eine fortbestehende Beschäftigungserlaubnis berufen. Da die von ihr gewünschte Tätigkeit den §§ 4a IV, 2 II AufenthG unterfällt, benötigt sie eine neue Beschäftigungserlaubnis.

Weiterführendes Wissen

Grundsätzlich steht die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach §§ 4a IV, 42 II Nr. 4 AufenthG i.V.m. § 32 II Nr. 2 BeschV im Ermessen der Behörde. Sofern aber die in § 60c I 1 Nr. 2 AufenthG aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung vorliegen, ist im Hinblick auf die zu erteilende Ausbildungsduldung im Regelfall auch eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen, mithin das in diesem Zusammenhang grundsätzlich bestehende Ermessen auf Null reduziert.[19]

Weiterführende Literatur

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  • Klaus, Der Begriff „Beschäftigung“ in Fällen der Erwerbsmigration – Teil I: Grundlagen und sozialversicherungsrechtliche Perspektive, ZAR 2021, 183

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • Rechtsnatur der Beschäftigungsduldung als Nebenbestimmung im weiteren Sinne.
  • Anwendungsbereich des § 4a IV AufenthG.
  • Ermessensreduzierung auf Null bei der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis.

Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Twitter oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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§ 1 Nationales Asylverfahrensrecht

§ 2 Asylverfahrensrecht im europäischen Kontext

§ 3 Materielles Asylrecht

§ 4 Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF und der Asylprozess

§ 5 Rechte und Pflichten nach Schutzzuerkennung

§ 6 Rechtsstellung nach Antragsablehnung und Aufenthaltssicherung

§ 7 Sozialleistungen im Flüchtlingskontext

§ 8 Nicht-humanitäres Aufenthaltsrecht

Fußnoten

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  1. Dies ergibt sich – anders als noch bei § 4 III 3 AufenthG a.F. – nicht direkt aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck der Regelung, so das OVG BB, Beschl. v. 9.7.2020, Az.: OVG 3 S 32/20, 3 M 120/20, Rn. 16.
  2. Und nicht schon bei Vorliegen des Arbeitsvertrages, siehe: Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, AufenthG, 14. Aufl. 2022, § 2 Rn. 22.
  3. Eichenhofer, in: BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.4.2024, AufenthG § 2 Rn. 6.
  4. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 2 Rn. 18 f.
  5. BSG, Urt. v. 23.6.1994, Az.: 12 RK 50/93BSG = NZS 1995, 31 (33).
  6. BSG, Urt. v. 5.4.1956, Az.: 3 RK 65/55 = NJW 1957, 155 (157).
  7. BSG, Urt. v. 5.4.1956, Az.: 3 RK 65/55 = NJW 1957, 155 (157).
  8. Huber, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, AufenthG § 2 Rn. 4.
  9. Eichenhofer in: BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.4.2024, AufenthG § 2 Rn. 6.
  10. VGH Bayern, Beschl. v. 29.10.2020, Az.: 10 CE 20.2240, Rn. 6.
  11. Ausführlich zu Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 2 Rn. 204 ff..
  12. So bezeichnet etwa von: Stelkens, in: Bonk/Sachs/Stelkens, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 36 Rn. 19.
  13. Schröder, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 36 Rn. 133.
  14. VGH BW, Beschl. v. 8.1.2021, Az.: 12 S 3651/20, Rn. 5.
  15. VGH Bayern, Urt. v. 18.7.2018, Az.: 19 BV 15.467, Rn. 24; Beschl. v. 29.10.2020, Az.: 10 CE 20.2240, Rn. 6; VGH BW, Beschl. v. 8.1.2021, Az.: 12 S 3651/20, Rn. 5.
  16. OVG NRW, Beschl. v. 21.7.2020, Az.: 18 B 746/19, Rn. 7 ff.; VGH Bayern, Beschl. v. 7.5.2018, Az.: 10 CE 18.464, Rn. 6; VGH BW, Beschl. v. 10.7.2017, Az.: 11 S. 695, Rn. 31.
  17. BT-Drs. 19/8285, S. 87.
  18. Maor, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.4.2024, AufenthG § 4a Rn. 22.
  19. VG München, Beschl. v. 30.11.2020, Az.: M 25 E 20.5646, Rn. 21.