Autorin: Pia Lotta Storf

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Schwierigkeitsgrad: Fortgeschrittene

Lösung: Gleichgeschlechtliche Liebe


Sachverhalt

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Ammar (A) wurde 1991 geboren und hat die irakische Staatsbürgerschaft. Für A wurde zwar der männliche Personenstand eingetragen, A identifiziert sich aber als weibliche Person, bzw. als Person ohne eindeutige Geschlechtszuordnung. Im Herbst 2019 ist A nach Deutschland eingereist.

In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) trug A folgendes vor:

  • A habe zuletzt in Bagdad gelebt. Die Entscheidung zu fliehen hätte A getroffen, nachdem in unmittelbarer Nachbarschaft ein A entfernt bekannter Mann wegen seiner langen Haare und vermeintlichen Homosexualität von Unbekannten mitten am Tag brutal ermordet wurde. Im Nachgang der Tat hätte A gesehen, dass die Polizei keinerlei Anstrengungen unternommen habe, um die Täter zu finden. A hätte Angst gehabt, als nächstes „dran“ zu sein.
  • A wisse schon seit der Jugend, selbst kein Mann zu sein. A gab an, als Kind innerhalb der Familie geschlagen worden zu sein, wenn A sich nach Auffassung der Eltern „feminin“ verhalten habe. A fühle sich nicht als Mann, sondern eher als Frau - am wohlsten fühlt sich A jedoch meistens ohne eindeutige Geschlechtszuordnung. A gibt an, die eigene Geschlechtszuordnung sei nicht-binär [1]. A trägt lange Haare und ist glattrasiert, nutzt Make-up, um möglichst androgyn zu wirken und kleidet sich entsprechend androgyn. Zudem hat A ein Stimmtraining im Internet absolviert, um die Stimmlage zu verändern. In Deutschland habe sich A einen Termin für eine Beratung zur Hormontherapie geben lassen, der bald anstehe. A strebt zum Zeitpunkt der Anhörung keine geschlechtsangleichenden Operationen an. A hatte in der Vergangenheit ausschließlich romantische Beziehungen zu Frauen und war mit einer Frau, Z, verheiratet. A gibt die eigene sexuelle Orientierung als homosexuell an.

Die Herkunftslandinformationen ergeben folgendes Bild zur Lage im Irak.

  • Im Irak wird Homosexualität nicht direkt kriminalisiert. Jedoch nutzen Behörden andere Straftatbestände wie Erregung öffentlichen Ärgernis oder Prostitution überproportional häufig, um Personen zu verhaften, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen eingehen. Eine einheitliche Verfolgungspraxis sei jedoch nicht auszumachen.[2]
  • Mitglieder der LGBTIQ-Gemeinschaft und Personen, die als solche wahrgenommen werden, sind schwerer Diskriminierung, Drohungen, körperlichen Angriffen, Entführungen und in manchen Fällen auch der Gefahr der Ermordung ausgesetzt.[3] Die irakische Regierung sei auch selbst direkt an Menschenrechtsverletzungen gegenüber LGBTIQ-Personen beteiligt gewesen.[4]
  • Transgeschlechtliche Personen seien im gesamten Irak bereits aufgrund ihrer Existenz einer hohen Gefahr ausgesetzt, insbesondere diejenigen, die sich einer Hormontherapie unterziehen und bei denen körperliche Veränderungen erkennbar sind. Entsprechende Hormonbehandlungen und geschlechtsangleichende Operationen sind im Irak nicht legal. Personen, die sich außerhalb des Irak einer solchen Operation unterziehen würden, hätten Schwierigkeiten, bei ihrer Rückkehr Dokumente ausgestellt zu bekommen, die ihr Geschlecht nach der Operation wiedergeben würden. Diese lebensbedrohlichen Umstände für Transpersonen würden von der Polizei, Familien, Nachbarn und selbst Unbekannten ausgehen.[5]

Mit Bescheid vom 02.02.2021 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag von A ab. Es erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu und stellte fest, dass auch Abschiebungsverbote nach § 60 V und VII AufenthG nicht vorliegen.

Zur Begründung der Ablehnung des Antrags von A führte es im Wesentlichen aus:

  • Zwar habe A ein Auftreten, was von typischen Geschlechterrollen abweiche, doch könne “er“ dieses Aussehen leicht verändern.
  • Ein bloßes Fühlen als Frau ohne äußere Erkennbarkeit löse noch keine begründete Furcht vor flüchtlingsrelevanter Verfolgung aus.
  • As Personenstandseintrag sei männlich, daher sei As Ehe zu Z heterosexuell. Insgesamt ergebe der Vortrag zu As sexueller Orientierung, dass A heterosexuell sei.
  • Zudem gebe es keine Verfolgungshandlung, die sich individuell gegen A richtete, sondern A stütze sich nur auf allgemeine Befürchtungen.

Bearbeiter*innenvermerk

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Zu prüfen ist die materielle Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Flüchtlingsschutzes für A.

Bearbeitungshinweis: Der Bescheid des BAMF ist formell rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des subsidiären Schutzes und der Feststellung von Abschiebungsverboten ist nicht zu prüfen.




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Inhaltsverzeichnis des Buches

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§ 1 Nationales Asylverfahrensrecht

§ 2 Asylverfahrensrecht im europäischen Kontext

§ 3 Materielles Asylrecht

§ 4 Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF und der Asylprozess

§ 5 Rechte und Pflichten nach Schutzzuerkennung

§ 6 Rechtsstellung nach Antragsablehnung und Aufenthaltssicherung

§ 7 Sozialleistungen im Flüchtlingskontext

§ 8 Nicht-humanitäres Aufenthaltsrecht

Fußnoten

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  1. https://queer-lexikon.net/uebersichtsseiten/trans/; https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtbin%C3%A4re_Geschlechtsidentit%C3%A4t
  2. EUAA, Query response on Iraq: Situation of LGBTI persons, 13.10.2021, ecoi.net: ID 2062153; VG Hannover, Urt. v. 18.11.2019, Az.: 6 A 4557/17, Rn. 34.
  3. UNAMI/OHCHR, Report on Human Rights in Iraq; July to December 2017, 8.7.2018, S. 16, ecoi.net: ID 1457698; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von LGBTIQ+-Personen, 1.12.2021, ecoi.net: ID 2064702; EASO, Country of Origin Information Report, Iraq: Targeting of Individuals, März 2019, S. 78; BFA, Länderinformationsblatt Irak, S. 91.
  4. IraQueer, Fighting for the Right to Live, The State of LGBT + Human Rights in Iraq, 2018, S. 13.
  5. IraQueer, Fighting for the Right to Live, The State of LGBT + Human Rights in Iraq, 2018, S. 10.