Autorin: Ivanka Goldmaier

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Schwierigkeitsgrad: Fortgeschrittene

Lösungsvorschlag: Familie Nkrumah 2

Sachverhalt

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Die Familie Nkrumah aus Ghana, bestehend aus Mutter M, Vater V und ihrer gemeinsamen Tochter T, kam 2019 nach Deutschland und stellte am 14.7.2019 einen Asylantrag.

In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 2.3.2020 gab V zur Begründung seines Asylantrages an, vor seiner Ausreise in Ghana illegal in einer Mine in der Nähe des Ortes Konongo gearbeitet zu haben. Im April bzw. Mai 2018 wurde behauptet, dass ein Dieb in die Stadt gekommen sei. Die Leute hätten diesen gefangen genommen, geschlagen und schließlich getötet. Davon habe V - wie viele andere Anwesende - ein Video gemacht. Zwei Tage später habe sich herausgestellt, dass dieser Mann kein Dieb, sondern ein Soldat gewesen sei. Daraufhin seien bewaffnete Soldaten in die Stadt gekommen und hätten beabsichtigt, alle Leute zu töten. Es seien auch tatsächlich Leute durch die Soldaten zu Tode gebracht worden. V habe das Video, welches er von dem Mord gemacht habe, über sein Handy an einige Leute versendet, die das Video wiederum über die sozialen Medien verbreitet hätten. Es sei behauptet worden, dass er selbst das Video verbreitet habe, um auf die Betreiber der Mine aufmerksam zu machen. Daraufhin hätten auch die Mitglieder einer mit seiner Minenarbeitergruppe konkurrierenden Gruppe von Minenarbeitern nach ihm gesucht. Er habe daraufhin die Stadt verlassen und sich nach Sewfi in die Western Region geflüchtet. Dort habe er sich bei Verwandten aufgehalten und diesen bei der Feldarbeit geholfen. Nach etwa sechs Monaten seien seine Frau und seine Tochter, die zunächst in Konongo geblieben waren, nachgekommen. Gemeinsam seien sie dann im Sommer 2019 ausgereist. Er könne seine aktuelle Bedrohungssituation in Ghana nicht beurteilen. Er habe jedoch in den sozialen Medien gelesen, dass nach wie vor nach den Tätern gesucht werde. Auch die Mitglieder der konkurrierenden Gruppe würden behaupten, dass weiterhin nach ihm gesucht werde. Sein Name selbst werde in den sozialen Medien aber nicht erwähnt. M und T machten keine darüber hinausgehenden Fluchtgründe für sich geltend.

Mit Bescheid vom 5.6.2020 lehnte das BAMF die Asylanträge der Familie Nkrumah als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Ghanas nicht vorlägen, forderte die Familie zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche auf und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Ghana an. Die Ausreisefrist setzte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für den Lauf der Klage- bzw. Antragsfrist und für den Fall der Stellung eines Eilantrages bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Eilantrag aus.

Weiterführendes Wissen

Diese Formulierung ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, Urt. v. 19.6.2018, Az.: C-181/16 geschuldet, wonach die Mitgliedsstaaten zu gewährleisten haben, dass bei dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gemäß Art. 6 I Rückführungs-RL[1], die sich gegen einen Drittstaatsangehörigen richtet, der internationalen Schutz beantragt hat, und die gleich nach der Ablehnung dieses Antrags durch die zuständige Behörde oder zusammen mit ihr in einer einzigen behördlichen Entscheidung und somit vor der Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ergeht, alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ausgesetzt werden, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums in den Genuss der Rechte aus der Aufnahmerichtline[2] kommen kann und dass er sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen kann, die im Hinblick auf die Rückführungsrichtline (insbesondere Art. 5) erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seiner Situation haben kann. Folglich steht diese Rechtsprechung dem - zuvor üblicherweise festgesetzten - Beginn des Laufs der Ausreisefrist mit Bekanntgabe des Bescheids entgegen. Ausführlich hierzu: VG Minden, Beschl. v. 26.3.2019, Az.: 10 L 1297/18.A .

Fallfrage

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1. Die Familie Nkrumah möchte gegen den Bescheid, der ihnen am 10.6.2020 (Mittwoch) in der Aufnahmeeinrichtung Spandau übergeben wurde, vorgehen und kommt daher am 15.6.2020 (Montag) zu Ihnen in die Beratung. Worauf ist die Familie besonders hinzuweisen?

2. Nach welcher Vorschrift hat das BAMF die Asylanträge von V, M und T als offensichtlich unbegründet abgelehnt?

3. Liegen die Voraussetzungen hierfür vor?

Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Bluesky oder X oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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§ 1 Nationales Asylverfahrensrecht

§ 2 Asylverfahrensrecht im europäischen Kontext

§ 3 Materielles Asylrecht

§ 4 Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF und der Asylprozess

§ 5 Rechte und Pflichten nach Schutzzuerkennung

§ 6 Rechtsstellung nach Antragsablehnung und Aufenthaltssicherung

§ 7 Sozialleistungen im Flüchtlingskontext

§ 8 Nicht-humanitäres Aufenthaltsrecht

Fußnoten

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  1. Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. EU Nr. L 348/98.
  2. Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, ABl. EU Nr. L 031.