Autorin: Mailin Loock

Ein Text der Initiative OpenRewi. Wie du ihn verbesserst, ist hier beschrieben.

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Schwierigkeitsgrad: Anfänger*innen

Lösungsvorschlag: Vorbereitung ist die halbe Miete

Sachverhalt

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Mohammad Ahmadi (31 Jahre alt) kommt in die offene Sprechstunde einer Refugee Law Clinic. Er kommt ursprünglich aus Herat in Afghanistan, hat lange im Iran gelebt und ist schließlich, als sich die Situation afghanischer Menschen im Iran zuspitzte, über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen. Er erzählt, dass er im Iran keine Rechte gehabt habe und versucht worden sei, ihn nach Syrien in den Krieg zu schicken. In Bulgarien sei er vom Grenzschutz aufgegriffen, mit Fingerabdrücken registriert und inhaftiert worden. Um aus der Haft entlassen zu werden, habe er einen Asylantrag gestellt. Den Ausgang des Verfahrens habe er nicht abgewartet, sondern Bulgarien umgehend nach seiner Freilassung in Richtung Deutschland verlassen.

Nachdem er in Deutschland ankam, äußerte er gegenüber Polizist*innen am Bahnhof in München den Wunsch, Asyl zu beantragen. Diese verwiesen ihn an die nächstgelegene Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in einem AnkER-Zentrum[1]. Dort wurde er registriert und untergebracht; er hat auch einen Ankunftsnachweis bekommen, den er mitgebracht hat. Kurze Zeit später stellte er bei einem persönlichen Termin einen Asylantrag.

Auf Nachfrage der Berater*innen schildert Mohammad, dass er übermorgen sein erstes Interview beim Bundesamt habe. Er fragt sich, ob er in Deutschland bleiben könne und was er in dem anstehenden Interview gefragt werde. Außerdem möchte er wissen, was es für Konsequenzen habe, dass er in Bulgarien registriert worden sei und einen Asylantrag gestellt habe. Auf weitere Nachfrage bringt er vor, dass er unter keinen Umständen zurück nach Bulgarien wolle, weil er dort von Beamt*innen des Grenzschutzes bedroht und geschlagen worden sei und die Zeit in Haft ihn schwer traumatisiert habe. Auch von Bekannten wisse er, dass Geflüchtete in Bulgarien sehr schlecht behandelt würden. Er habe nie vorgehabt, in Bulgarien zu bleiben. Sein Ziel sei von vornherein Deutschland gewesen, da er hier Familie habe, die ihn unterstütze. Bei den Verwandten handele es sich um erwachsene Geschwister sowie eine Tante und ihre Familie. Er fürchtet in Bulgarien entweder erneut inhaftiert oder obdachlos zu werden, falls er zurückmüsste.

Fallfragen

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Bereite Mohammad Ahmadi bestmöglich auf sein bevorstehendes Interview vor!

1. Um welches Interview dürfte es sich hierbei handeln?

2. Welche Zuständigkeitskriterien, welches Verfahren und welche Rechte und Pflichten sieht die Dublin-III-VO vor?

3. Welcher EU-Mitgliedstaat dürfte zunächst nach der Dublin-III-VO für seinen Asylantrag zuständig sein?

4. Welche Möglichkeiten, eine Zuständigkeit Deutschlands zu begründen, gibt es?



Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Bluesky oder X oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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§ 1 Nationales Asylverfahrensrecht

§ 2 Asylverfahrensrecht im europäischen Kontext

§ 3 Materielles Asylrecht

§ 4 Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF und der Asylprozess

§ 5 Rechte und Pflichten nach Schutzzuerkennung

§ 6 Rechtsstellung nach Antragsablehnung und Aufenthaltssicherung

§ 7 Sozialleistungen im Flüchtlingskontext

§ 8 Nicht-humanitäres Aufenthaltsrecht

Fußnoten

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  1. AnKER ist ein Akronym für „Zentrum für Ankunft, Entscheidung, Rückführung“. Diese Form der Aufnahmeeinrichtung soll möglichst alle Schritte des Verfahrens unter einem Dach bündeln - bis zur Verteilung auf die Kommunen, im Falle eines positiven Verfahrensausganges, oder der Abschiebung, im Falle einer Asylantragsablehnung. Die Zivilgesellschaft kritisiert AnkER-Zentren als Orte der Isolation, Entrechtung und Ausgrenzung.