Autor: Julian Seidl

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Notwendiges Vorwissen: Keines

Behandelte Themen: Sozialrecht, Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme, AsylbLG, Analogleistungen, SGB II, SGB XII

Zugrundeliegender Sachverhalt: Die Existenzsicherungssysteme im Überblick

Schwierigkeitsgrad: Anfänger*innen


Fraglich ist, nach welchem Existenzsicherungssystem A, I, S, N und E jeweils leistungsberechtigt sind.

A. Leistungsberechtigung der A

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Für A kommen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Betracht. Hierzu müsste A zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 AsylbLG zählen.

Vorliegend hat A einen Asylantrag gestellt und verfügt über eine Aufenthaltsgestattung im Sinne des § 55 AsylG. Als Inhaberin einer Aufenthaltsgestattung ist sie nach § 1 I Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt.

A ist erst kürzlich im Februar 2021 ins Bundesgebiet eingereist und erfüllt daher nicht die notwendige Voraufenthaltszeit für Analogleistungen nach § 2 AsylbLG (siehe dazu B.). In den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts erhält sie Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

B. Leistungsberechtigung der I

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I könnte ebenfalls als Inhaberin einer Aufenthaltsgestattung nach § 1 I Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt sein.

Dies setzt voraus, dass ihre Aufenthaltsgestattung nicht infolge der Ablehnung des Asylantrags erloschen ist.

Gemäß § 67 I Nr. 6 AsylG erlischt die Aufenthaltsgestattung erst dann, wenn die Entscheidung des Bundesamtes unanfechtbar geworden ist. Vorliegend hat I Klage gegen die Ablehnung ihres Asylantrags erhoben. Ihre Aufenthaltsgestattung besteht für die Dauer des Klageverfahrens fort. I ist nach § 1 I Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt.

Nach § 2 I 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechungen im Bundesgebiet aufhalten und ihre Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben, Leistungen nach dem SGB XII entsprechend (sogenante Analogleistungen).

Weiterführendes Wissen

Bei § 2 AsylbLG handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung.[1] Wer Analogleistungen bezieht, wird nicht nach dem SGB XII leistungsberechtigt, sondern bleibt im System des AsylbLG. Die Normen des SGB XII finden lediglich entsprechende Anwendung. In der Praxis bedeutet das für die Betroffenen höhere Regelleistungen sowie eine dem Niveau des SGB XII entsprechende Gesundheitsversorgung nach einem Aufenthalt von 18 Monaten.

Vorliegend hält sich I seit Oktober 2018 im Bundesgebiet auf und erreicht damit die nach § 2 I 1 AsylbLG erforderliche Voraufenthaltsdauer von 18 Monaten. Sie erhält damit Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.

C. Leistungsberechtigung des S

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Man könnte hier zunächst an eine Leistungsberechtigung als Inhaber einer Aufenthaltsgestattung nach § 1 I Nr. 1 AsylbLG denken, denn durch die von S erhobene Klage ist die Bestandskraft des Bescheids noch nicht eingetreten und die Aufenthaltsgestattung des S nicht nach § 67 I 1 Nr. 6 AsylG erloschen.

Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes könnte jedoch zur Folge haben, dass S bereits während des Klageverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 II 1 Alt. 2 AufenthG erhält und hierdurch nicht mehr dem AsylbLG, sondern dem allgemeinen Existenzsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) unterliegt.

Nach § 25 II 1 Alt. 2 AufenthG ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das BAMF den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat. Hierbei handelt es sich um einen strikten Anspruch, sodass die Titelerteilungssperre des § 10 I AufenthG der Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis vor bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht entgegensteht. Mithin können subsidiär Schutzberechtigte bei einer auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten "Aufstockungsklage" bereits während des noch laufenden Klageverfahrens die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 II 1 Alt. 2 AufenthG erhalten. Mit Ablauf des Monats, in welchem der Bescheid über die Zuerkennung des Schutzstatus bekanntgegeben wurde, endet die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG. Mit Beginn des Folgemonats sind die Betroffenen nach dem SGB II leistungsberechtigt, auch wenn ihnen die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 II 1 Alt. 2 AufenthG noch nicht ausgestellt worden ist.[2]

Weiterführendes Wissen

Anders liegt es, wenn das BAMF lediglich ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 V oder VII AufenthG festgestellt hat. Nach § 25 III 1 AufenthG soll in diesen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Es besteht jedoch kein strikter gesetzlicher Anspruch. Daher steht die Titelerteilungssperre des § 10 I AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 III 1 AufenthG bis zum bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens entgegen.[3] Für die Betroffenen mit nationalem Abschiebungsverbot bedeutet dies, dass sie während des Klageverfahrens keine Aufenthaltserlaubnis erhalten und im Existenzsicherungssystem des AsylbLG verbleiben.

Mithin ist S mit Beginn des Folgemonats, nachdem der subsidiäre Schutz per Bescheid zuerkannt wurde, das heißt ab dem 1.8.2019, nicht mehr nach § 7 I 2 Nr. 3 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgeschlossen. Bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. § 7 I 1 Nr. 1-4 SGB II) ist S nach dem SGB II anspruchsberechtigt.

D. Leistungsberechtigung der N

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N könnte als Inhaberin einer Duldung nach § 1 I Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt sein.

Mit dem Widerruf ihrer Aufenthaltserlaubnis wurde N ausreisepflichtig (§§ 51 I Nr. 4, 50 I AufenthG). Im März 2021 wurde ihr eine Duldung ausgestellt. Als Inhaberin einer Duldung ist N nach § 1 I Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt.

Weiterführendes Wissen

Man könnte hier auch eine Leistungsberechtigung der N als vollziehbar ausreisepflichtige Person nach § 1 I Nr. 5 AsylbLG in Erwägung ziehen. Allerdings wird die Ausreisepflicht nach § 58 II 2 AufenthG erst vollziehbar, wenn der Widerruf als zugrundeliegender aufenthaltsbeendender Verwaltungsakt seinerseits vollziehbar ist. Im Einzelnen ist die Abgrenzung zwischen § 1 I Nr. 4 AsylbLG (Besitz einer Duldung) und § 1 I Nr. 5 AsylbLG (Vollziehbare Ausreisepflicht) schwierig, kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, da N zeitgleich mit Entstehen der Ausreisepflicht eine Duldung erteilt wurde.

Die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG beginnt mit dem Tag, an dem der einschlägige Tatbestand des § 1 AsylbLG erfüllt wird, im vorliegenden Fall also mit dem ersten Tag der Duldung.

Fraglich ist, ob N bereits zum Bezug von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG berechtigt ist. Auf dem ersten Blick ließe sich hieran zweifeln, da N erst seit kurzem ausreisepflichtig ist und damit in den Anwendungsbereich des AsylbLG fällt.

§ 2 I 1 AsylbLG knüpft lediglich daran an, dass eine Person sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhält. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kommt es nur auf den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet an. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Betroffenen seit 18 Monaten nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sind oder 18 Monate lang Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben.

N hält sich seit April 2011 ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet auf. Sie erhält daher mit Beginn ihrer Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG Analogleistungen, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

Weiterführendes Wissen

Da N ihr Studium bereits abgebrochen hat, kommt es im vorliegenden Fall nicht auf das Verhältnis der Existenzsicherung zum BAföG an. Die sozialrechtliche Situation der N wäre komplizierter, wenn N ihr Studium fortführen würde, aber ihre Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen erlischt und N fortan geduldet ist.

Grundsätzlich gilt, dass Studierende und Auszubildende von Leistungen des Existenzsicherungsrechts ausgeschlossen sind, da die speziellen Voraussetzungen des BAföG nicht unterlaufen werden sollen (vgl. § 7 V und VI SGB II, § 22 SGB XII). Dabei kommt es lediglich darauf an, dass die jeweilige Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist. Unerheblich ist es, ob die Betroffenen tatsächlich auch BAföG beziehen.

Das AsylbLG enthält keinen solchen Leistungsausschluss für Personen, die sich in einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung befinden. Leistungsberechtigte, die ein Studium aufgenommen haben, erhalten daher in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts uneingeschränkt Leistungen nach § 3 AsylbLG. Anders lag es beim Bezug von Analogleistungen. Der in § 2 AsylbLG enthaltene Rechtsfolgenverweis auf das SGB XII hatte lange Zeit zur Folge, dass der in § 22 SGB XII enthaltene Leistungsausschluss auf die Empfänger*innen von Analogleistungen anzuwenden war. Es entstand eine integrationspolitisch kontraproduktive Förderungslücke.[4] Diese Auswirkung hat der Gesetzgeber durch den neu eingeführten § 2 I 3 AsylbLG abgemildert. Nunmehr gewährt die zuständige Behörde in derartigen Fällen Leistungen des Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII als Beihilfe oder als Darlehen.

E. Leistungsberechtigung des E

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Als anerkannter Flüchtling zählt E nicht mehr zu dem nach § 1 AsylbLG erfassten Personenkreis, sondern ist nach dem allgemeinen Existenzsicherungsrecht des SGB II/SGB XII leistungsberechtigt.

Die Abgrenzung von SGB II und SGB XII richtet sich nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit (vgl. § 7 I 1 Nr. 2, § 8 SGB II, § 43 SGB XII). Zudem ist für die Abgrenzung zwischen dem SGB II und der Grundsicherung im Alter (§§ 41 ff. SGB XII) das Erreichen der Altersgrenze maßgeblich (vgl. § 7a SGB II, § 41 II SGB XII).

Vorliegend hat E mit einem Alter von 71 Jahren die für das SGB II maßgebliche Altersgrenze bereits deutlich überschritten. Stattdessen ist E im Rahmen der Grundsicherung im Alter nach § 41 II SGB XII leistungsberechtigt.

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • Personen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus (zum Beispiel Asylsuchende, Geduldete und ausreisepflichtige Personen) erhalten keine Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII, sondern sind lediglich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigt.
  • Gegenüber dem SGB II und SGB XII weist das AsylbLG ein abgesenktes Leistungsniveau auf.
  • Nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland erhalten die nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personen Leistungen auf dem Niveau des SGB XII (sogenannte Analogleistungen), sofern sie die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtmissbräuchlich beeinflusst haben.
  • Wird den Betroffenen ein Schutzstatus im Asylverfahren zuerkannt, so sind sie fortan nach dem SGB II oder SGB XII leistungsberechtigt.
  • Die Zuordnung zwischen den Leistungssystemen des SGB II und des SGB XII bestimmt sich nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit und der Altersgrenze.

Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Bluesky oder X oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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§ 1 Nationales Asylverfahrensrecht

§ 2 Asylverfahrensrecht im europäischen Kontext

§ 3 Materielles Asylrecht

§ 4 Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF und der Asylprozess

§ 5 Rechte und Pflichten nach Schutzzuerkennung

§ 6 Rechtsstellung nach Antragsablehnung und Aufenthaltssicherung

§ 7 Sozialleistungen im Flüchtlingskontext

§ 8 Nicht-humanitäres Aufenthaltsrecht

Fußnoten

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  1. Leopold, in: Grube/Wahrendorf/Flint, AsylbLG, 7. Aufl. 2020, § 2 Rn. 38.
  2. Vgl. Ziffer 7.58 der fachlichen Weisungen der BA zu § 7 SGB II, Stand: 2.1.2020.
  3. BVerwG, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 1 C 31/14.
  4. Werdermann, Asylmagazin 2018, 233.