Autor*in: Laura Hinder, Rhea Nachtigall

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Notwendiges Vorwissen: Keines

Behandelte Themen: Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und jungen Volljährigen (§ 25a AufenthG), Titelerteilungssperre nach erfolglosem Asylantrag (§ 10 III AufenthG)

Zugrundeliegender Sachverhalt: Auszubildend - und gut integriert?

Schwierigkeitsgrad: Anfänger*innen

Fraglich ist, ob E einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG hat. Dazu müsste sie die speziellen Erteilungsvoraussetzungen des § 25a I 1 AufenthG erfüllen, es dürfte kein Versagung- oder Ausschlussgrund vorliegen (§ 25a I 3, III AufenthG), die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 5 AufenthG) müssten grundsätzlich erfüllt sein und aufgrund des zuvor abgelehnten Asylantrags dürfte keine Titelerteilungssperre nach § 10 III AufenthG greifen.

A. Erteilungsvoraussetzungen

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I. Spezielle Erteilungsvoraussetzungen, § 25a I 1 AufenthG

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E müsste die speziellen Erteilungsvoraussetzungen des § 25a I 1 AufenthG erfüllen.

1. Persönlicher Anwendungsbereich: Jugendliche und junge Volljährige

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E müsste dem persönlichen Anwendungsbereich des § 25a I 1 AufenthG unterfallen.

Gemäß § 25a I 1 AufenthG erstreckt sich der Anwendungsbereich auf Jugendliche und junge Volljährige. Nach der Gesetzesbegründung sind die Definitionen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) anwendbar.[1] Nach § 1 II JGG ist Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Junge Volljährige sind Personen zwischen 18 und 26 Jahren,[2] in Anlehnung an § 7 I Nr. 3 SGB VIII.[3] Laut Sachverhalt ist E 19 Jahre alt.

Damit ist sie eine "junge Volljährige" im Sinne der Norm und der persönliche Anwendungsbereicht des § 25a I AufenthG ist eröffnet.

2. Seit mindestens 12 Monaten im Besitz einer Duldung (oder Inhaber*in einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG)

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E müsste seit mindestens 12 Monaten im Besitz einer Duldung sein. Die (befristete) Ausnahme von dieser Erteilungsvoraussetzung für Inhaber*innen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG[4] trifft auf E, die eine solche Aufenthaltserlaubnis nicht besitzt, nicht zu.

Laut Sachverhalt besitzt E eine Ausbildungsduldung. Die Ausländerbehörde hat ihr mitgeteilt, dass Inhaber*innen einer Ausbildungsduldung nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Norm fielen, da § 19d Ia AufenthG eine abschließende Regelung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Inhaber*innen einer Ausbildungsduldung darstelle und der Besitz einer Ausbildungsduldung die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG demnach sperre.

Gegen diese Ansicht spricht bereits der Wortlaut der Norm, der nicht nach Art der Duldung differenziert. Auch bei der Ausbildungsduldung handelt es sich gemäß § 60 I 1 AufenthG um eine Duldung nach § 60a II 3 AufenthG. Sinn und Zweck der Einführung der Ausbildungsduldung war, mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe zu schaffen.[5] Es widerspräche diesem Ziel, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG und damit einen noch rechtssicheren Aufenthaltsstatus zu verweigern. Auch systematische Argumente sprechen gegen einen Ausschluss: Gemäß § 60c VIII AufenthG bleibt § 60a AufenthG im Übrigen unberührt. Demnach sperrt der Anspruch auf eine Duldung nach § 60c AufenthG den möglicherweise aus anderen Gründen bestehenden Anspruch auf eine Duldung nach § 60a AufenthG nicht.[6] Dass eine Duldung nach § 60c AufenthG, wenn sie schon die normale Duldung nicht ausschließt, einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG sperren können sollte, erscheint widersprüchlich. Zudem ergibt sich aus § 25a I 2 AufenthG, dass § 25a AufenthG gerade auch in beruflicher Ausbildung befindliche Personen erfassen will.[7]

Demnach ist E als Inhaberin einer Ausbildungsduldung im Besitz einer Duldung im Sinne der Norm.

Weiterführendes Wissen

Einige Ausländerbehörden und Gerichte hatten in der Vergangenheit die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, wenn die Antragsteller*innen lediglich über eine sogenannte Verfahrensduldung verfügten; eine Duldung, die nur aufgrund eines anhängigen Rechtsschutzverfahrens, etwa gegen eine Abschiebung, erteilt wird. Das BVerwG hat für § 25b AufenthG klargestellt, dass es für die Erteilung unerheblich ist, welche Art von Duldung vorliegt.[8] Dies dürfte auf § 25a AufenthG übertragbar sein.[9]

Zudem hat das BVerwG in dieser Entscheidung klargestellt, dass es nicht auf die tatsächliche Erteilung der Duldung ankommt, sondern dass es ausreichend ist, wenn ein Duldungsanspruch vorliegt.[10]

Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Duldung (oder des Anspruchs darauf) ist, ebenso wie für alle anderen Erteilungsvoraussetzungen, grundsätzlich der Zeitpunkt der Erteilung, beziehungsweise im gerichtlichen Verfahren der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz.[11] Insofern ist ein „Hineinwachsen“ in den persönlichen Anwendungsbereich des § 25a AufenthG im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens möglich. Zusätzlich muss die Duldung aber auch bei Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen haben.[12] Eine weitere Besonderheit ergibt sich, wenn die Duldung beziehungsweise der Duldungsgrund im Laufe des Erteilungsverfahrens wegfällt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein*e Antragsteller*in einen Pass vorlegt, wodurch der Duldungsgrund der Passlosigkeit entfällt. Die Aufenthaltserlaubnis in diesem Fall allein aufgrund der weggefallenen Duldung abzulehnen, würde dem Sinn und Zweck des § 25a AufenthG widersprechen. In Betracht kommt die Erteilung einer sogenannten Verfahrensduldung für die Dauer des Erteilungsverfahrens.[13] Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Antragstellung auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine besitzstandswahrende Wirkung hinsichtlich des Merkmals des Geduldetseins entfaltet, sodass der Wegfall der Duldung nach Antragstellung unschädlich ist, sofern alle Erteilungsvoraussetzungen zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen der Antragstellung und dem Erreichen der Altersgrenze gleichzeitig vorlagen.[14]

Die Ausbildungsduldung wurde der E im Anschluss an das Asylverfahren, das im Februar 2022 endete, erteilt. Sie ist somit auch bereits seit mindestens 12 Monaten im Besitz der Duldung.

Weiterführendes Wissen

Mit Wirkung zum 31.12.2022 wurde der Begriff des "geduldeten Ausländers" durch das Erfordernis des "Besitzes einer Duldung" ersetzt. Teilweise wird aufgrund dieser Änderung davon ausgegangen, dass nunmehr die tatsächliche Erteilung der Duldung durch die Ausländerbehörde erforderlich ist, während ein bloßer Anspruch auf eine Duldung, ohne dass diese auch verfügt wurde, nicht mehr ausreichen soll.[15] Die Änderung erfolgte jedoch aus rein sprachlichen Gründen, so dass die oben genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 25b AufenthG,[16] nach der ein materieller Anspruch auf eine Duldung ausreicht, auch weiterhin übertragbar ist.[17]

E unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich der Norm.

3. Voraufenthaltszeit, § 25a I 1 Nr. 1 AufenthG

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E müsste weiterhin die erforderliche Voraufenthaltszeit von drei Jahren (erlaubt, geduldet oder gestattet) gemäß § 25a I 1 Nr. 1 AufenthG erfüllen. E ist im Februar 2020 nach Deutschland eingereist und hat direkt nach der Ankunft ein Asylgesuch geäußert. Die Ausländerbehörde beruft sich jedoch für den Beginn des gestatteten Aufenthalts auf den Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung im August 2020 und geht daher davon aus, dass E bislang nur eine Voraufenthaltszeit von circa zweieinhalb Jahren vorzuweisen hat.

Dagegen ist einzuwenden, dass auch die Phase zwischen Asylgesuch und der kraft Gesetzes eintretenden Aufenthaltsgestattung (§ 55 I 1 und 3 AufenthG) zu berücksichtigen ist, wenn sich die Stellung des förmlichen Asylantrages aus von der antragstellenden Person nicht zu vertretenden Gründen verzögert hat.[18]

E erfüllt demnach im März 2023 die erforderliche Voraufenthaltszeit von drei Jahren.

4. Erfolgreicher Schulbesuch oder Schul-/Berufsabschluss, § 25a I 1 Nr. 2 AufenthG

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E müsste gemäß § 25a I 1 Nr. 2 AufenthG seit drei Jahren erfolgreich eine Schule besuchen (Alt. 1) oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben haben (Alt. 2). Laut Sachverhalt hat E einen Hauptschulabschluss in Deutschland erworben. Demnach ist die Voraussetzung des § 25a I 1 Nr. 2 Alt. 2 AufenthG erfüllt.

Weiterführendes Wissen

Nach der Gesetzesbegründung können die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs sowie die Versetzung in die nächste Klasse als Kriterien für die Beurteilung des „Erfolgs“ des Schulbesuchs herangezogen werden.[19] Dies darf jedoch nicht schematisch geschehen; es ist stets eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Situation und Entwicklung der antragstellenden Person erforderlich.[20]

5. Antragstellung vor Vollendung des 27. Lebensjahres, § 25a I 1 Nr. 3 AufenthG

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Der Antrag auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis müsste gemäß § 25a I 1 Nr. 3 AufenthG vor dem 27. Geburtstag von E gestellt worden sein. Laut Sachverhalt ist E 19 Jahre alt und hat den Antrag bei der Ausländerbehörde bereits gestellt. Der Antrag wurde daher rechtzeitig gestellt.

6. „Positive Integrationsprognose“, § 25a I 1 Nr. 4 AufenthG

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Es müsste gemäß § 25a I 1 Nr. 4 AufenthG gewährleistet erscheinen, dass E sich in die Lebensverhältnisse in Deutschland einfügen kann. Eine solche „positive Integrationsprognose“ kann gestellt werden, wenn die begründete Erwartung besteht, dass sich E in sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.[21] Um dies zu beurteilen, ist eine die konkreten individuellen Lebensumstände berücksichtigende Gesamtbetrachtung geboten. Dabei können Kenntnisse der deutschen Sprache, das Vorhandensein eines festen Wohnsitzes und enger persönlicher Beziehungen zu dritten Personen außerhalb der eigenen Familie, der Schulbesuch und das Bemühen um eine Berufsausbildung und Erwerbstätigkeiten, das soziale und bürgerschaftliche Engagement sowie die Akzeptanz der hiesigen Rechts- und Gesellschaftsordnung berücksichtigt werden.[22]

Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte, die gegen eine positive Integrationsprognose für E sprechen. Für eine positive Prognose spricht insbesondere ihre bisherige Bildungsbiographie mit dem erfolgreichen Hauptschulabschluss und der Aufnahme der Ausbildung als Kfz-Mechatronikerin.

7. „Verfassungstreue“, § 25a I 1 Nr. 5 AufenthG

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Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass E sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt, sodass § 25a I 1 Nr. 5 AufenthG ebenfalls erfüllt ist.

Weiterführendes Wissen

Ein aktives Bekenntnis, wie zum Beispiel die sogenannte Loyalitätserklärung, die im Rahmen von § 10 I StAG üblich ist, ist nicht erforderlich. Dies ergibt sich systematisch aus einem Vergleich mit § 25b I Nr. 2 AufenthG, der ein aktives Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung verlangt, während § 25a I 1 Nr. 5 AufenthG nur die Abwesenheit von konkreten Anhaltspunkten gegen ein Bekenntnis voraussetzt. Wenn die Ausländerbehörde im Einzelfall Anhaltspunkte für eine fehlende Verfassungstreue hat, muss sie die antragstellende Person damit zunächst konfrontieren, wenn die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis aus diesem Grund beabsichtigt ist.[23]

II. Ausschlussgrund: Aussetzung der Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben oder Identitätstäuschung, § 25a I 3 AufenthG

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Die Abschiebung von E dürfte gemäß § 25a I 3 AufenthG nicht aufgrund eigener falscher Angaben oder einer Identitätstäuschung ausgesetzt sein.

Die Erteilung einer Ausbildungsduldung ist gemäß § 60c II Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, wenn ein Ausschlussgrund nach § 60a VI AufenthG vorliegt. Ein solcher liegt gemäß § 60a VI 1 Nr. 2 S. 2 AufenthG vor, wenn die Abschiebung aus selbst zu vertretenen Gründen nicht durchgeführt werden kann, insbesondere bei einer Täuschung über die eigene Identität oder Staatsangehörigkeit oder bei falschen Angaben.

Da E in Besitz einer Ausbildungsduldung ist, kann davon ausgegangen werden, dass bei ihr kein Ausschlussgrund nach § 60a VI AufenthG vorliegt, sie also die Aussetzung ihrer Abschiebung nicht durch entsprechende Falschangaben oder Täuschung selbst verursacht hat.

Weiterführendes Wissen

Täuschungshandlungen der Eltern dürfen Minderjährigen im Rahmen des § 25a I 3 AufenthG nicht zugerechnet werden, auch wenn diese ihre gesetzlichen Vertreter*innen sind. Es entsteht auch keine automatische Aufklärungspflicht bei Eintritt der Volljährigkeit, insofern stellt das bloße Fortwirkenlassen einer Täuschung oder falscher Angaben keinen zwingenden Ausschlussgrund dar, es kann lediglich im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Erteilung berücksichtigt werden.[24] Schädlich ist im Hinblick auf den Ausschlussgrund nur ein aktives Verhalten nach Eintritt der Volljährigkeit.[25]

III. Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, §§ 5, 10 III AufenthG

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Neben den speziellen Erteilungsvoraussetzungen des § 25a AufenthG müssten grundsätzlich auch im Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen – soweit diese nicht durch § 25a AufenthG als Spezielregelung modifiziert werden – und es dürfte keine Titelerteilungssperre nach § 10 III AufenthG greifen.

1. § 5 AufenthG

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Weiterführendes Wissen

Von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 I AufenthG kann gemäß § 5 III AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden. Für ein Absehen etwa von der Passpflicht kann sprechen, dass ein Nationalpass bereits beantragt und alle zumutbaren Handlungen für die Beschaffung des Passes vorgenommen wurden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die antragstellende Person selbst noch minderjährig ist und die fehlende Passbeschaffung somit nicht ihr, sondern den Eltern anzulasten ist.[26]

a. Lebensunterhaltssicherung, § 5 I Nr. 1 i.V.m. 25a I 2 AufenthG
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E müsste gemäß § 5 I Nr. 1 AufenthG ihren Lebensunterhalt sichern können. Diese allgemeine Erteilungsvoraussetzung wird durch § 25a I 2 AufenthG dahingehend modifiziert, dass während einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht ausschließt. Der Sachverhalt macht keine näheren Angaben zu der Lebensunterhaltssicherung der E. Das Gehalt in der Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin richtet sich in der Regel nach den tarifgebundenen Vereinbarungen, anderenfalls gilt der gesetzliche Mindestlohn. Es ist davon auszugehen, dass E ihren Lebensunterhalt durch die Ausbildungsvergütung bestreiten kann. Sofern sie zusätzlich öffentliche Leistungen in Anspruch nimmt, ist dies gemäß § 25a I 2 AufenthG unschädlich. Die Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung ist mithin erfüllt.

b. Geklärte Identität und Erfüllung der Passpflicht, § 5 I Nr. 1a und 4 AufenthG
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Die Voraussetzungen der geklärten Identität und Erfüllung der Passpflicht werden von E, die laut Sachverhalt einen gültigen und anerkannten Nationalpass bei der Ausländerbehörde vorgelegt hat, erfüllt.

c. Kein Ausweisungsinteresse und keine Beeinträchtigung oder Gefährdung sonstiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland, § 5 I Nr. 2 und 3 AufenthG
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Dem Sachverhalt lassen sich keine Informationen entnehmen, die ein Ausweisungsinteresse gemäß § 54 AufenthG oder eine Beeinträchtigung oder Gefährdung sonstiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch E begründen könnten.

d. Einreise mit dem erforderlichen Visum, § 5 II AufenthG
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Gemäß § 5 II AufenthG müsste E mit dem erforderlichen Visum eingereist sein. Dies ist nicht der Fall. Von dem Visumerfordernis ist aber regelmäßig nach § 5 III 2 AufenthG im Ermessenswege abzusehen. Es ist zwar eine umfassende und grundsätzlich offene Abwägung zwischen den hinter dem Visumserfordernis stehenden öffentlichen Interessen und den privaten Interessen der antragstellenden Person zu treffen; zugunsten der E ist aber die gesetzgeberische Intention des § 25a AufenthG angemessen zu berücksichtigen, gut integrierten Jugendlichen bzw. Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive einzuräumen, indem eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Damit existiert ein öffentliches Interesse an der Regularisierung des Aufenthalts, das – bei Erfüllung der Voraussetzungen des Soll-Anspruchs aus § 25a AufenthG und sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Visumverfahren bewusst umgangen wurde – schwerer wiegt, als das Interesse an der Einhaltung der Visumspflicht.[27]

2. Keine Titelerteilungssperre, § 10 III AufenthG

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E dürfte keiner sogenannten Titelerteilungssperre gemäß § 10 III AufenthG für abgelehnte Asylsuchende unterliegen. Gemäß § 10 III 1 AufenthG darf einer ausländischen Person, deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, oder die ihren Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) erteilt werden. Sofern der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, darf gemäß § 10 III 2 AufenthG vor der Ausreise überhaupt kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Eine Titelerteilungssperre besteht gemäß § 10 III 3 AufenthG dann nicht, wenn ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Da es sich bei „Soll-Regelungen“, wie der des § 25a AufenthG, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht um einen gesetzlichen Anspruch handelt,[28] ist § 10 III 3 AufenthG nicht anwendbar. Entscheidend ist daher, ob der Asylantrag der E als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, oder ob eine „einfach“ unbegründete Ablehnung vorliegt. Mangels anderslautender Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der Asylantrag der E „einfach“ unbegründet abgelehnt wurde. Gemäß § 10 III 1 AufenthG darf ihr in diesem Fall ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG handelt es sich um einen Aufenthaltstitel aus dem Abschnitt 5 des AufenthG. Demnach unterliegt E vorliegend keiner Titelerteilungssperre aus § 10 III AufenthG.

Weiterführendes Wissen

Eine Titelerteilungssperre kann auch die Folge eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 I AufenthG) sein. Wenn die Erteilungsvoraussetzungen für § 25a AufenthG vorliegen, soll dieses jedoch gemäß § 11 IV 2 AufenthG aufgehoben werden.

B. Rechtsfolge

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Bei Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen besteht gemäß § 25a I 1 AufenthG kein strikter Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis; die Erteilung ist aber der gesetzlich vorgesehene Regelfall („soll...erteilt werden“). Eine Versagung kommt danach allenfalls in besonders gelagerten atypischen Konstellationen in Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich, sodass E eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a I 1 AufenthG erhält.

Weiterführendes Wissen

Eine für die Praxis besonders relevante Streitfrage ist, ob es sich um einen rechtsmissbräuchlichen Fall handelt, wenn eine Duldung aufgrund der Rücknahme eines Asylantrags erteilt wurde. In dieser Konstellation wird ein Asylantrag zurückgenommen, um den für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Duldungsstatus zu erhalten. Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg[29] und der hiesigen Auffassung handelt sich dabei nicht um einen atypischen, weil rechtsmissbräuchlichen Fall, sodass der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25a AufenthG nichts im Wege steht – für die Beurteilung dieser Frage sollte dennoch anwaltlicher Rat eingeholt werden. Zu beachten ist, dass der Antrag auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch gestellt werden kann, ohne dass bereits eine Duldung vorhanden ist. Zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der erforderlichen Duldung, siehe oben.

C. Abwandlung

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Fraglich ist, ob auch die Eltern von E eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können. Gemäß § 25a II 1 AufenthG kann den Eltern einer minderjährigen Person, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a I AufenthG besitzt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ihre Abschiebung nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird (Nr. 1) und der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist (Nr. 2). Laut Sachverhalt ist E 17 Jahre alt und damit minderjährig. Ihre Eltern können den Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Eltern Mitwirkungspflichten verletzt oder über ihre Identität getäuscht hätten. Damit steht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a II 1 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde ("kann [...] erteilt werden").

Daneben kommt für die Eltern gegebenenfalls auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG in Betracht, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.


Weiterführende Literatur

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  • Deibel, Die neue Aufenthaltserlaubnis für Jugendliche und Heranwachsende in § 25a AufenthG, ZAR 2011, 241.

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a I AufenthG kann auch dann erteilt werden, wenn die antragstellende Person eine Ausbildungsduldung hat.
  • Es besteht ein Regelerteilungsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a I AufenthG, sodass der Antrag nur in atypischen Fällen abgelehnt werden darf.
  • § 25a II AufenthG enthält auch die Möglichkeit abgeleiteter Aufenthaltserlaubnisse für bestimmte Familienangehörige.

Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Bluesky oder X oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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§ 1 Nationales Asylverfahrensrecht

§ 2 Asylverfahrensrecht im europäischen Kontext

§ 3 Materielles Asylrecht

§ 4 Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF und der Asylprozess

§ 5 Rechte und Pflichten nach Schutzzuerkennung

§ 6 Rechtsstellung nach Antragsablehnung und Aufenthaltssicherung

§ 7 Sozialleistungen im Flüchtlingskontext

§ 8 Nicht-humanitäres Aufenthaltsrecht

Fußnoten

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  1. BT-Drs. 18/4097, S. 42; dies gilt auch nach der Änderung der Norm zum 31.12.2022 weiterhin, Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.01.2023, AufenthG § 25a Rn. 4.
  2. BT-Drs. 20/3717, S. 36
  3. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.01.2023, AufenthG § 25a Rn. 4.
  4. Röder, in: BeckOK MigR, AufenthG § 25a, 14. Edition 15.01.2023, Rn. 6.
  5. BT-Drs. 18/8616, S. 26.
  6. Siehe auch Breidenbach, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, 35. Ed. 1.7.2021, AufenthG § 60c Rn. 40.
  7. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed. 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 9.
  8. BVerwG, Urt. v. 18.12.2019, Az.: 1 C 34/18, Rn. 28.
  9. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 7.
  10. BVerwG, Urt. v. 18.12.2019, Az.: 1 C 34/18, Rn. 24.
  11. BVerwG, Urt. v. 18.12.2019, Az.: 1 C 34/18, Rn. 23.
  12. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 7, 28
  13. so zum Beispiel OVG SA, Beschl. v. 22.12.2021, Az.: 2 M 113/21, Rn. 37
  14. Wittmann, in: GK-AufenthG § 25a Rn. 134; Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 28.
  15. OVG Nds, Beschl. v. 6.1.2023, Az.: 13 ME 283/22, Nr. 2a.
  16. BVerwG, Urt. v. 18.12.2019, Az.: 1 C 34/18.
  17. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 7, 10.
  18. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 20; näher dazu auch Röder, §§ 25a und b AufenthG – Hiergeblieben!? Die neuen Bleiberechte bei gelungener Integration, Asylmagazin 2016, 108 (110f).
  19. BT-Drs. 18/4097, S. 42.
  20. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 26.
  21. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.1.2023, AufenthG § 25a Rn. 29.
  22. OVG Nds, Urt. v. 19.3.2012, Az.: 8 LB 5/11; VGH BW, Beschl. v. 3.6.2020, Az.: 11 S 427/20, Rn. 43.
  23. Röder, in: BeckOK MigR, 14. Ed., Stand 15.01.2023, AufenthG § 25a Rn. 32.
  24. BVerwG, Urt. v. 14.5.2013, Az.: 1 C 17.12, Rn. 16.
  25. Fränkel, in: NK-Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 25a Rn. 11.
  26. OVG SA, Beschl. v. 14.12.2021, Az.: 2 M 117/21, Rn. 30 ff.
  27. VGH BW, Beschl. v. 3.6.2020, Az.: 11 S 427/20, Rn. 48.
  28. BVerwG, Urt. v. 12.7.2018, Az.: 1 C 16/17, Rn. 27; BVerwG, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 1 C 31/14; BVerwG, Urt. v. 16.12.2008, Az.: 1 C 37/07.
  29. VGH BW, Beschl. v. 3.6.2020, Az.: 11 S 427/20, Rn. 49.