Autoren: Alexander Brade/Lasse Ramson

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Notwendiges Vorwissen: Grundrechtsfunktionen, Prüfungsstruktur Freiheitsgrundrecht und Schutzpflichten

Lernziel: Zusammenspiel der Grundrechtsordnungen und Prüfungsstruktur der Chartagrundrechte verstehen


Der Grundrechtsschutz in Deutschland lässt sich nicht mehr allein mit Blick auf die Grundrechte des Grundgesetzes verstehen. Er wird einerseits innerstaatlich mitgeprägt durch die Grundrechte der Landesverfassungen und andererseits durch die Eingliederung Deutschlands in inter- und supranationale Organisationen mit eigenen Grundrechtskatalogen, namentlich der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh).[1] Daher ist die Frage nach dem Verständnis dieser (überstaatlichen) Gewährleistungen und ihres Verhältnisses zu den Grundrechten des Grundgesetzes aufgeworfen. Nicht behandelt werden dabei die Europäischen Grundfreiheiten wie etwa die Warenverkehrsfreiheit, die zu den Unionsgrundrechten wesensverschieden sind, da sie sich zuvörderst an die Mitgliedstaaten richten und hauptsächlich wirtschaftlichen Allgemeininteressen dienen.[2]

Klausurtaktik

Besonders die unions- und europarechtlichen Bezüge spielen zunehmend auch in den Prüfungen des ersten Staatsexamens eine Rolle. Das Lehrbuch behandelt sie daher an dieser prominenten Stelle. Die nachstehenden Ausführungen sind grundsätzlich eher dem Examenswissen zuzuordnen. Aus unserer Sicht empfiehlt es sich aber auch für Studierende in den Anfangssemestern, sich einen Überblick zu verschaffen.


A. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh)

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Zum Primärrecht der Europäischen Union gehört neben dem Vertrag über die europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Gemäß Art. 19 I 1 EUV ist der Gerichtshof der Europäischen Union, der gegenwärtig aus dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Gericht (EuG) besteht, zur „Wahrung des Rechts“ in der Europäischen Union berufen. Aufgrund der eingeschränkten Zuständigkeit des Gerichtshofs für individuelle Verfahren (vgl. Art. 263 IV AEUV) gelangen Fragen bezüglich der Auslegung der GRCh in der Regel im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) durch Vorlage nationaler Gerichte zum EuGH.

I. Anwendungsbereich

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Vor der eigentlichen Grundrechtsprüfung ist der Frage nachzugehen, ob die Grundrechte der Charta überhaupt anwendbar sind.

1. Anwendungsbereich nach Art. 51 GRCh

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Die Grundrechte der Charta binden nach Art. 51 I 1 GRCh stets die Unionsorgane,[3] die Mitgliedstaaten dagegen nur bei der „Durchführung“ des Rechts der Union. Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH voraus, dass sich die Mitgliedstaaten im „Anwendungsbereich des Unionsrechts“ bewegen.[4] Darunter fallen zunächst die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane der EU fungieren, wobei es nicht entscheidend darauf ankommen soll, ob den nationalen Behörden beim Vollzug Ermessen eingeräumt ist oder nicht.[5] Auch die Einschränkung einer unionsrechtlich geschaffenen Rechtsposition, einschließlich der Grundfreiheiten,[6] oder sonstiger unionsrechtlicher Verpflichtungen durch einen Mitgliedstaat rechnet der EuGH dem Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte zu.[7] Dies gilt allerdings nur, sofern ein „hinreichender Zusammenhang von einem gewissen Grad“ besteht, der darüber hinausgeht, dass „die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann.“[8] Diesen Voraussetzungen entsprechen jedenfalls die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten mit der legislativen Umsetzung von Richtlinien i.S.d. Art. 288 III AEUV betraut sind. Selbst dort, wo den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ein Gestaltungsspielraum zusteht, soll nach Ansicht des EuGH eine mitgliedstaatliche Unionsgrundrechtsbindung bestehen,[9] die im Grundsatz neben die Bindung an die mitgliedstaatlichen Grundrechte – hier die Grundrechte des Grundgesetzes – treten kann (sogenannte „bedingte Doppelgeltung“[10]).[11]

Weiterführendes Wissen

Das Verständnis des EuGH zu Art. 51 I 1 GRCh geht zu weit. Der Begriff „Durchführung“ ist schon seinem Wortsinn nach restriktiver zu verstehen als der des „Anwendungsbereichs“. „Durchführung“ meint danach „Ausführung“ bzw. „Vollzug“ des Unionsrechts, und zwar (nur) in dem Umfang, den das Unionsrecht zwingend vorgibt.[12] Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus teleologischen Gesichtspunkten: Der Zweck mitgliedstaatlicher Bindung an die Grundrechtecharta besteht in der Absicherung des Anwendungsvorrangs des übrigen Unionsrechts, soweit dessen Einheitlichkeit durch konkurrierende mitgliedstaatliche Grundrechte gefährdet wäre. Überall dort, wo keine einheitliche Anwendung des Unionsrechts intendiert ist, bleibt also Raum für einen vielfältigen nationalen Grundrechtsschutz.[13] Diese Erwägungen dürfen auch nicht durch den Verweis auf die nach Art. 52 VII GRCh „gebührend“ zu berücksichtigenden Erläuterungen überspielt werden.[14] So dürfte auch der Hinweis des BVerfG zu verstehen sein, wonach Art. 51 I 1 GRCh nicht in der Art verstanden werden dürfe, dass „jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses“ ausreiche.[15]

2. Territoriale Geltung

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In räumlicher Hinsicht kommen die Chartagrundrechte im Geltungsbereich des Unionsrechts (Art. 52 EUV i.V.m. Art. 355 AEUV) zur Anwendung. Bislang ungeklärt ist die Frage nach einer extraterritorialen Geltung der EU-Grundrechte.[16] Zumindest für ihre „klassische“ Abwehrfunktion wird man aber die Bindung der nach Art. 51 I 1 GRCh Grundrechtsverpflichteten auch außerhalb des Territoriums der EU bejahen müssen.[17]

II. Die Charta-Rechte in der Rechtsprechung des BVerfG

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Das BVerfG ging zunächst – anders als der EuGH – nicht von einer parallelen Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes und der Europäischen Grundrechtecharta aus. Von dieser sogenannten Trennungsthese ist das BVerfG inzwischen aber zum Teil abgerückt, was sich auch auf die verfassungsgerichtlichen Kontrollvorbehalte auswirkt. Insgesamt haben die Chartagrundrechte für die Rechtsprechung des BVerfG enorm an Bedeutung gewonnen, und zwar einerseits dadurch, dass das Gericht sie nunmehr zum unmittelbaren Prüfungsmaßstab erklärt hat und die Grundrechte des Grundgesetzes andererseits in ihrem Licht auszulegen gedenkt.

Weiterführendes Wissen

Im Unterschied zur Bedeutung der EMRK für die Judikatur des EuGH spielen die Chartagrundrechte für die Rechtsprechung des EGMR nur eine untergeordnete Rolle.[18] Mitunter zieht der EGMR die Grundrechte der GRCh zwar zur Auslegung der Konventionsrechte heran.[19] Der EGMR hat sich hier aber – ungeachtet eines möglichen Beitritts der EU zur EMRK – in Zurückhaltung zu üben, da die Charta nur ein Recht darstellt, das zwischen 27 der 47 Mitgliedstaaten der Konvention Verbindlichkeit beansprucht.[20]

1. Ursprüngliche „Trennungsthese“ des BVerfG

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Das BVerfG ging zunächst davon aus, dass die nationalen Grundrechte im Falle der Gewährung eines Gestaltungsspielraums, insbesondere im Rahmen der Richtlinienumsetzung, vollumfänglich anwendbar bleiben sollen.[21] Demgegenüber hielt es im Bereich der zwingenden Vorgaben des Unionsrechts allein die Chartagrundrechte für einschlägig.[22] Daraus resultierte eine Art „Trennungsthese“, die darauf abzielte, die deutsche und die unionale Grundrechtssphäre möglichst präzise voneinander zu unterscheiden.[23]

2. Kehrtwende mit „Recht auf Vergessen“ und „Europäischem Haftbefehl III“

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Das änderte sich 2019 mit den Beschlüssen „Recht auf Vergessen I und II“: Das BVerfG stellt hiermit klar, dass es eine parallele Anwendung der beiden Grundrechtskataloge prinzipiell für möglich hält.[24] Das betrifft zunächst den für die Mitgliedstaaten gestaltungsoffenen Bereich („Recht auf Vergessen I“).

Weiterführendes Wissen

Ob das europäische Recht dem deutschen Gesetzgeber und der deutschen Rechtsanwendung Gestaltungsspielraum lässt, ist anhand der konkreten unionsrechtlichen Normen zu bestimmen. In der Regel lassen die – unmittelbar Rechtswirkung erzeugenden – Verordnungen i.S.d. Art. 288 II AEUV keinen Umsetzungsspielraum in den Mitgliedsstaaten. Ausnahmsweise können sie allerdings so genannte Öffnungsklauseln enthalten, die es den Mitgliedsstaaten erlauben, eigene Akzente zu setzen. Dann kann sich auch Verordnungsrecht ausnahmsweise im gestaltungsoffenen Bereich bewegen. Die Richtlinien i.S.d. Art. 288 III AEUV lassen in der Regel ihrer Konzeption gemäß große Gestaltungsspielräume. Ausnahmsweise können sich aber auch Anforderungen aus Richtlinien so zu Details verdichten, dass die nationale Umsetzung praktisch nur in einer Wiederholung der unionsrechtlichen Regelung besteht. Dann befindet sich Richtlinienrecht ausnahmsweise nicht im gestaltungsoffenen Bereich.

Insoweit wendet das BVerfG die Grundrechte des Grundgesetzes auch dann an, wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts i.S.d. Art. 51 I 1 GRCh dient.[25] Es spricht von einer „primären Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes“, die das BVerfG auf die (berechtigte) Annahme stützt, dass das Unionsrecht dort, wo es den Mitgliedstaaten fachrechtliche Gestaltungsspielräume einräumt, regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes zielt, sondern Grundrechtsvielfalt zulässt.[26] Eine Prüfung allein am Maßstab der deutschen Grundrechte sei aber, so heißt es weiter, dann nicht ausreichend, „wenn konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass hierdurch das grundrechtliche Schutzniveau des Unionsrechts ausnahmsweise nicht gewährleistet ist.“[27] Soweit also der Grundrechtsschutz durch die Charta inhaltlich weiter reicht als der durch das Grundgesetz, sei zusätzlich eine Prüfung innerstaatlichen Rechts, das der Durchführung des Unionsrechts dient, auch unmittelbar am Maßstab der Grundrechte der Charta geboten.

Auch im Fall der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen hält sich das BVerfG selbst für zur Prüfung am Maßstab der Unionsgrundrechte berechtigt („Recht auf Vergessen II[28]). Zur Begründung stützt sich das BVerfG auf seine Integrationsverantwortung nach Art. 23 I GG[29] und darauf, dass die Unionsgrundrechte heute ein „Funktionsäquivalent“ zu den Grundrechten des Grundgesetzes bildeten.[30] Die Einbeziehung der Unionsgrundrechte verbiete, so das BVerfG, auch nicht der Wortlaut der Verfassung, insbesondere nicht Art. 93 I Nr. 4a GG, der die Zuständigkeit des BVerfG für die Verfassungsbeschwerde regelt.[31]

Weiterführendes Wissen

Die Auffassung des BVerfG überzeugt nicht. Richtigerweise steht Art. 93 I Nr. 4a GG in seiner derzeitigen Fassung einer Prüfung von Unionsgrundrechten im Verfahren der Verfassungsbeschwerde entgegen. Dem BVerfG, das den Wortlaut als „offene Formulierung“ begreift, ist entgegenzuhalten, dass Art. 93 I Nr. 4a GG zu den „grundrechtsgleichen Rechten“ wie Art. 101-103 GG explizit nur solche des Grundgesetzes zählt, was dann auch für die dort genannten „Grundrechte“ zu gelten hat. Soweit ersichtlich stellt – trotz an sich ebenfalls fehlender Klarstellung im Normtext – auch niemand infrage, dass mit der „öffentlichen Gewalt“ ausschließlich die deutsche Staatsgewalt gemeint ist. Weiter gilt es zu bedenken, dass Art. 93 I Nr. 4a GG systematisch auf den Abschnitt über die Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 1-19 GG) Bezug nimmt.[32] Dazu zählt Art. 23 GG, auf den das BVerfG zur Begründung verweist, gerade nicht. Abgesehen davon beruft sich der Erste Senat des BVerfG insoweit auf ein Verständnis des Begriffs der Integrationsverantwortung, das sein „Erfinder“ – der Zweite Senat – nicht teilt.[33] Dass die Entstehungsgeschichte des Art. 93 I Nr. 4a GG seiner Anwendung auf die Unionsgrundrechte entgegensteht, muss das BVerfG dabei selbst einräumen.[34] Abhilfe schafft schließlich auch nicht das Telos: Der Sinn und Zweck der Vorschrift liegt zwar in der Bereitstellung eines wirksamen Grundrechtsschutzes, der in der Konzeption der Unionsgrundrechte ein „Funktionsäquivalent“ finden mag, aber zugleich nicht den beschränkten Anwendungsbereich der Grundrechtecharta (Art. 51 I 1 GRCh) teilt. Dessen ungeachtet trifft das Argument, das BVerfG habe einen umfassenden Grundrechtsschutz zu gewährleisten, so nicht zu. Das BVerfG ist vielmehr auf die im Grundgesetz eingeräumten – ganz bestimmten – Zuständigkeiten beschränkt.[35]

Aus all dem folgt, dass die Unionsgrundrechte nunmehr zulässiger Prüfungsmaßstab vor dem BVerfG sein können.[36]

Klausurtaktik

Im Rahmen der Prüfung des Beschwerdegegenstandes i.S.d. § 90 I BVerfGG gilt es dann herauszuarbeiten, dass die Anwendung von Rechtsvorschriften – unabhängig davon, wie weit ihre unionsrechtliche Determinierung reicht – durch ein deutsches Fachgericht einen Akt der (deutschen) öffentlichen Gewalt darstellt. Bei der Beschwerdebefugnis ist dann zwischen dem vereinheitlichten und dem gestaltungsoffenen Bereich zu unterscheiden:[37]

  • Im gestaltungsoffenen Bereich kommen zunächst die Grundrechte des Grundgesetzes zum Tragen (ggf. ergänzt um eine zusätzliche Prüfung der Verletzung inhaltlich weitergehender Unionsgrundrechte in der Begründetheit).
  • In unionsrechtlich vollständig vereinheitlichten Materien bildet die Grundrechtecharta den (alleinigen) Prüfungsmaßstab. Insoweit kann sich die Verfassungsbeschwerde also bereits dann als zulässig erweisen, wenn sie die Geltendmachung einer Verletzung von Unionsgrundrechten zum Inhalt hat.

3. Die verfassungsgerichtlichen Kontrollvorbehalte

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Die Nichtanwendung der deutschen Grundrechte als Kontrollmaßstab beruht auf der Anerkennung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts[38] und lässt die Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes als solche unberührt. So erklärt sich, dass der Anwendungsvorrang unter dem Vorbehalt steht, dass der Schutz des jeweiligen Grundrechts durch die stattdessen zur Anwendung kommenden Grundrechte der Union hinreichend wirksam ist (sogenannter „Solange II-Vorbehalt“).[39]

Von größerer Bedeutung sind die weiteren Vorbehalte der Ultra-vires-Kontrolle und der Wahrung der Verfassungsidentität. Bei ersterer prüft das BVerfG, ob sich das Handeln von EU-Organen im Rahmen des Zustimmungsgesetzes gemäß Art. 23 I 2 GG bewegt oder die Maßnahme aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbricht und daher am Anwendungsvorrang des Unionsrechts (ausnahmsweise) nicht teilhat.[40] Von einem solchen Fall würde das BVerfG wohl dann ausgehen, wenn der EuGH den Anwendungsbereich des Art. 51 I 1 GRCh entgegen dem oben Gesagten über Gebühr weit ausdehnen würde.[41] Im Rahmen der Identitätskontrolle prüft das BVerfG wiederum, ob die durch Art. 23 I 3 GG i.V.m. Art. 79 III GG für unantastbar erklärten Grundsätze – darunter die Menschenwürde (Art. 1 I GG) – bei der Übertragung von Hoheitsrechten durch den deutschen Gesetzgeber oder durch eine Maßnahme von EU-Organen berührt werden, was im Ergebnis ebenfalls dazu führen kann, dass Unionsrecht in Deutschland für unanwendbar erklärt wird.[42]

Dieser Fall dürfte in Zukunft aber nur noch selten auftreten, da die Grundrechtecharta, zu deren Prüfung sich das BVerfG nunmehr berufen fühlt, im Wesentlichen nicht hinter den „Mindeststandard“ des Grundgesetzes zurückfallen dürfte.[43] Dadurch, dass das BVerfG die Identitätskontrolle auf eine „absichernde Sekundärebene“[44] verlagert und den Unionsgrundrechten insoweit als Prüfungsmaßstab den Vorrang einräumt, gelingt dem Gericht zweierlei: Es signalisiert Kooperationsbereitschaft in Richtung EuGH und behauptet zugleich seinen eigenen Anspruch, innerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit das „Grundrechtsgericht“ zu sein. Dies ist für den europäischen Verfassungsgerichtsverbund freilich nicht ohne Risiko. Denn zu einem „Kooperationsverhältnis“ gehört es, Fragen zur Auslegung der Rechte der Charta dem Gerichtshof gemäß Art. 267 III AEUV vorzulegen[45] – eine Verpflichtung, die das BVerfG wegen der unmittelbaren Anwendung der Grundrechtecharta bei Art. 93 I Nr. 4a GG in Zukunft eher noch stärker als bisher treffen wird. Bedenkt man außerdem, dass die Entscheidungen des BVerfG im Fall (willkürlicher) Nichtvorlage – im Unterschied zu denen der Fachgerichte – weder mit nationalen, noch mit unionalen Rechtsmitteln angreifbar sind, erscheint die bisherige Zurückhaltung der Karlsruher Richter in Vorlagefragen umso bedenklicher.[46]

Klausurtaktik

In der Klausur wird die Vorlagepflicht des BVerfG selbst i.d.R. keine Rolle spielen. Soweit die Grundrechte der Charta im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu prüfen sind, ist vielmehr davon auszugehen, dass der EuGH die dazu maßgeblichen Fragen in seiner Rechtsprechung bereits beantwortet hat. Anders verhält es sich für die Vorlagepflicht der Fachgerichte, die weiterhin am Maßstab des gesetzlichen Richters (Art. 101 I 2 GG) zu messen sein wird.

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III. Verpflichtungsdimensionen der Charta-Rechte

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Die GRCh enthält verschiedene Typen von Bestimmungen. Dabei ist auf einer ersten Ebene zwischen Rechten und Grundsätzen zu differenzieren. Die Rechte lassen sich wiederum in bestimmte Verpflichtungsdimensionen einsortieren.

1. Unterscheidung zwischen Rechten und Grundsätzen

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Nicht alle Regelungen der GRCh enthalten tatsächlich Grundrechte im Sinne von einklagbaren Individualrechten. Deutlich wird die der GRCh eigene Unterscheidung zwischen „Rechten und Freiheiten“ (Abs. 1 S. 1) und „Grundsätzen“ (Abs. 5) in Art. 52 GRCh. Die Unterscheidung findet sich auch in Art. 51 I 2 GRCh wieder, wo davon die Rede ist, dass die Grundrechtsverpflichteten die Rechte zu „achten“ und sich an die Grundsätze zu „halten“ haben. Im Ergebnis sind die Grundsätze dadurch gekennzeichnet, dass aus ihnen keine unmittelbaren Individualrechte folgen. Rechte können nur aus den Umsetzungsakten folgen, die zur Ausfüllung der Grundsätze notwendig sind (Art. 52 V 1 GRCh).

Weiterführendes Wissen

Umsetzungsakte können Rechtsakte der Union oder mitgliedsstaatliche Rechtsakte sein. Die einschlägigen Grundsätze sind dann gemäß Art. 52 V 2 GRCh bei der Auslegung dieser Umsetzungsakte heranzuziehen und insoweit inzident zu prüfen.[47] Die Frage, ob die Grundsätze als objektive Rechtsmaßstäbe auch bei der Auslegung anderer Rechtsakte im Anwendungsbereich der GRCh gelten, ist noch nicht explizit geklärt.[48]

Weiterführendes Wissen

Insoweit ähneln die Grundsätze den Staatsstrukturprinzipien des Grundgesetzes wie etwa dem Sozialstaatsprinzip.[49] Da in den einzelnen Bestimmungen der GRCh die Begrifflichkeiten nicht immer einheitlich verwendet werden, ist die Zuordnung einer Bestimmung zur Kategorie der Rechte bzw. Grundsätze durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sind folgende Besonderheiten zu bedenken:[50]

- Wortlaut: Individualbezogene Formulierungen deuten auf Rechte, objektive Formulierungen auf Grundsätze hin. Besonders wichtig ist die Ausfüllungsbedürftigkeit, da sie auf einen Grundsatz hindeutet.

- Historie: Ist die Norm einer oder mehreren mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen entnommen, handelt es sich um eine Normierung ungeschriebener Grundrechte aus der Grundrechte-Rechtsprechung des EuGH vor Inkrafttreten der GRCh oder eine Entlehnung aus dem Völkerrecht, vor allem der EMRK?

- Als Auslegungshilfe können die amtlichen Erläuterungen zur Charta herangezogen werden, die gemäß Art. 52 VII GRCh von der Rechtsprechung bei der Auslegung der GRCh „gebührend zu berücksichtigen“ sind.

Klausurtaktik

In Klausuren werden Grundsätze nur sehr selten relevant sein, und sie können nur inzident abgefragt werden. Dann können sie wie Rechte geprüft werden, wobei begrifflich zu bedenken ist, dass die Grundsätze keine Berechtigten, sondern nur Begünstigte kennen.

2. Verpflichtungsdimensionen der GRCh-Rechte

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Die Rechte der GRCh lassen sich wie folgt in die Verpflichtungsdimensionen der Achtungs-, Schutz- und Leistungspflichten sowie der Verfahrensrechte kategorisieren.

a) Achtungspflichten
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Die prototypische Form des GRCh-Rechts ist – wie bei den Grundrechten des Grundgesetzes – das Abwehrrecht, das gegen staatliche Interventionen in den geschützten Bereich schützt und daher von den Grundrechtsverpflichteten geachtet werden muss.[51] Es lassen sich dabei freiheitsrechtliche und gleichheitsrechtliche (inkl. Diskriminierungsverboten) Gewährleistungen unterscheiden, wobei zu bedenken ist, dass aus Gleichheitsrechten auch abgeleitete Leistungspflichten resultieren können.[52]

b) Schutzpflichten
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Die Bestimmungen der GRCh können Schutzpflichten begründen, also eine Pflicht der Grundrechtsverpflichteten, die Grundrechtsberechtigten vor Gefahren und Zugriffen Dritter zu schützen. Häufig werden solche Bestimmungen allerdings als Grundsätze und nicht als Rechte zu kategorisieren sein.[53] Eine unmittelbare Schutzpflicht deutet der EuGH etwa bei der Menschenwürdeverpflichtung an.[54] Dabei ist im Unionsrecht auch eine Wirkung der Rechte in Privatrechtrechtsverhältnissen ähnlich der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte des Grundgesetzes anerkannt.[55]

c) Leistungspflichten
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Die GRCh kennt auch Leistungsrechte (und damit verbundene Gewährungspflichten). Gleichheitsrechte können abgeleitete Leistungsansprüche begründen.[56] Daneben gibt es originäre Leistungsansprüche vor allem in der Form von Teilhaberechten, die sich auf bestehende Einrichtungen der Grundrechtsverpflichteten beziehen: Bestehen solche Einrichtungen, besteht ein Anspruch auf Zugang.[57]

Beispiele: Art. 14 I GRCh enthält eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, Zugang zu Bildungseinrichtungen zu gewähren.[58]

d) Verfahrensrechte
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Daneben besteht die Verpflichtung, bestimmte justizielle Verfahrensrechte zu gewährleisten. Sie haben eine große praktische Bedeutung und gehen teilweise zumindest über die geschriebenen Gewährleistungen des GG und der EMRK hinaus.[59] Nicht alle Verfahrensrechte sind im Titel VI („Justizielle Rechte“) enthalten. So schützt etwa das Recht auf Freiheit und Sicherheit aus Art. 6 GRCh vor willkürlichen Verhaftungen.[60]

IV. Prüfung der Charta-Rechte

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Für die Prüfung von Rechten bietet sich, soweit die „klassische“ Abwehrpflicht tangiert ist, ein an das deutsche Recht angelehnter dreistufiger Aufbau aus Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung an. Dieser Aufbau kann auch für Gleichheitsrechte gewählt werden, wobei dann auf den verschiedenen Ebenen die jeweiligen Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Auch für die (selteneren) Leistungs- und Schutzrechte kann dieser Aufbau mit der Maßgabe gewählt werden, dass in der Schutzbereichsprüfung eine Erörterung der Frage zu erfolgen hat, ob und inwieweit ein Anspruch auf das begehrte Handeln besteht.

1. Schutzbereich

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a) Persönlicher Schutzbereich
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Ein Großteil der Rechte der GRCh ist menschenrechtlich ausgestaltet, es können sich im Anwendungsbereich der GRCh also alle lebenden natürlichen Personen auf sie berufen. Ausnahmsweise schützen allerdings Art. 15 II, 39, 40,[61] 45 I, 46 GRCh nur Unionsbürger:innen. Die Unionsbürgerschaft knüpft gemäß Art. 9 S. 2 EUV/Art. 20 I 2 AEUV an die Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten an. Dementsprechend kann sich auf die soeben benannten Vorschriften berufen, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates innehat. Einige wenige Rechte der GRCh (Art. 34 II, 42–44) sind zwar Menschenrechte, stehen aber nur Personen mit rechtmäßigem Wohnsitz in der EU zu. Man kann sie daher als Einwohner:innenrechte bezeichnen.

Die Anwendbarkeit der GRCh auf juristische Personen ist nicht einheitlich geregelt und eine klare Rechtsprechung existiert bislang ebenfalls nicht. Das bisweilen vorgebrachte Argument, aus dem Wortlaut der einzelnen Bestimmungen der GRCh, in denen manchmal von „Menschen“ und manchmal von „Personen“ die Rede sei, könne darauf geschlossen werden, dass die GRCh nur mit letzterer Formulierung eine Öffnung des jeweiligen Rechts für juristische Personen bezwecke,[62] ist nicht überzeugend. Grund dafür ist, dass diese sprachliche Unterscheidung nur in der deutschen Version der GRCh in dieser Form enthalten ist, aber alle Sprachfassungen der GRCh gleichermaßen verbindlich sind.

Beispiel: In Art. 6/7 GRCh steht in der deutschen Sprachfassung „Mensch“ und „Person“. In der englischen Sprachfassung ist hingegen in beiden Vorschriften von „Everyone“, in der französischen Sprachfassung von „Toute personne“ die Rede.[63]

Examenswissen: Klar ist allerdings, dass nicht alle Rechte der GRCh auf juristische Personen anwendbar sind. Da in der GRCh eine dem Art. 19 III GG vergleichbare Bestimmung fehlt, kann man sich hier nicht an allgemeinen Tatbestandsmerkmalen orientieren. Zudem sind die Erwägungen, die sich auf die Frage der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen unter dem Grundgesetz beziehen, nicht auf die GRCh übertragbar. Das liegt schon daran, dass die gesamte Unionsrechtsordnung aufgrund ihrer historischen und gegenwärtigen Funktion viel stärker auf das Wirtschaftsleben ausgerichtet ist als staatliche Rechtsordnungen. Das gilt dementsprechend auch für die Grundrechte der GRCh. Da Wirtschaftstätigkeit vielfach von juristischen Personen ausgeübt wird, muss daher auch die GRCh offener für juristische Personen sein als etwa die Grundrechte des Grundgesetzes es sind.

Deshalb ist es überzeugend, von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen: In der Regel sind juristische Personen (im grundrechtlichen Sinne, also auch teilrechtsfähige Personenvereinigungen) bezüglich der GRCh-Rechte grundrechtsfähig, solange in Bezug auf das spezifische Recht im konkreten Fall nichts dagegenspricht.[64] Für Unionsbürger:innenrechte muss die juristische Person ihren satzungsmäßigen Sitz in der EU haben.[65] Öffentlich-rechtliche oder öffentlich-rechtlich beherrschte juristische Personen können sich auf die Verfahrensrechte der GRCh berufen.[66] Ob sie auch darüber hinaus, wie unter der EMRK, grundrechtsfähig sind, soweit sie keine Hoheitsrechte ausüben, ist umstritten[67] und in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt.[68] Angesichts der Konvergenzklausel in Art. 52 III 1 GRCh ist es überzeugend, eine umfassende Grundrechtsfähigkeit von nicht hoheitlich tätigen juristischen Personen anzunehmen.

Klausurtaktik

Gedanklich hilfreich ist es, die Rechte der GRCh in drei Gruppen einzuteilen:[69]

  • Rechte, die prinzipiell nicht auf juristische Personen anwendbar sind, da sie an Eigenschaften anknüpfen, die nur natürliche Personen aufweisen, oder Tätigkeiten betreffen, die nur natürliche Personen ausüben können. Das sind etwa die Menschenwürde (Art. 1 GRCh), das Recht auf Leben (Art. 2 I GRCh) oder das Ehe- und Familienrecht (Art. 6 GRCh).[70]
  • Rechte, die prinzipiell auf alle (teil-)rechtsfähigen Entitäten anwendbar sind, weil sie unterschiedslos juristische und natürliche Personen betreffen. Das betrifft vor allem die justiziellen Rechte des VI. Titels der GRCh.
  • Rechte, die näherer Auslegung entsprechend der oben ausgeführten Grundsätze bedürfen.

b) Sachlicher Schutzbereich
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Hier kann nicht auf die einzelnen Schutzgehalte der GRCh eingegangen werden. Allerdings sind bei der Ermittlung der Schutzbereiche der GRCh-Rechte einige Besonderheiten zu beachten, die sich aus der Einfügung der GRCh in das Umfeld grundrechtsgewährleistender Bestimmungen der Mitgliedsstaaten und der EMRK ergeben. Im Verhältnis der Rechte der GRCh zu denen der EMRK ist Art. 52 III 1 GRCh von Bedeutung, der die EMRK-Rechte – inklusive der Zusatzprotokolle[71] – als Mindeststandard des Grundrechtsschutzes in die GRCh einbindet. Das bedeutet, dass einem GRCh-Recht, dem ein EMRK-Recht entspricht, die gleiche Bedeutung und Tragweite beizumessen ist wie dem EMRK-Recht in seiner Auslegung durch den EGMR.[72] Da der EuGH diese Bestimmung ernst nimmt und in Reaktion auf EGMR-Rechtsprechung in Einzelfällen sogar bereits seine Rechtsprechung geändert hat,[73] kommt es im Ergebnis zu einem Gleichlauf der sachlichen Schutzbereiche der GRCh und der EMRK,[74] wobei ein weitergehender Schutz durch die GRCh gemäß Art. 52 III 2 GRCh nicht auf ein eventuell niedrigeres Schutzniveau der EMRK abgesenkt wird.

Weiterführendes Wissen

Die Erläuterungen zur Charta[75] gehen davon aus, dass folgende Rechte jeweils die gleiche Bedeutung und Tragweite haben:

GRChEMRK
Art. 2Art. 2
Art. 4Art. 3
Art. 5 I, IIArt. 4
Art. 6Art. 5
Art. 7Art. 8
Art. 10 IArt. 9
Art. 11Art. 10 (z.T.)
Art. 17Art. 1 1. ZP
Art. 19 IArt. 4 4. ZP
Art. 19 IIArt. 3
Art. 48Art. 6 II, III
Art. 49 I 1, 2, IIArt. 7

Die Erläuterungen gehen daneben davon aus, dass folgende Bestimmungen der GRCh bzw. des AEUV über die Reichweite der parallelen EMRK-Rechte hinausgehen:

GRCh/AEUVEMRK
Art. 9Art. 12
Art. 12 IArt. 11
Art. 14 I, IIIArt. 2 1. ZP
Art. 47 II, IIIArt. 6 I
Art. 50Art. 4 7. ZP
Art. 18 I AEUVArt. 16
Weiterführendes Wissen

Eine ähnliche Bestimmung trifft Art. 52 IV GRCh bezüglich der „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten“. Anders als Art. 52 III 1 GRCh handelt es sich insoweit aber schon dem Wortlaut nach nicht um eine Berücksichtigungspflicht, sondern um eine Auslegungsregel.[76] Der Begriff der „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ entspricht dabei dem Art. 6 III EUV. Art. 52 IV GRCh knüpft methodisch an die Vorgehensweise des EuGH aus der Zeit vor Inkrafttreten der GRCh an, Grundrechte im Wege der „wertenden Rechtsvergleichung“ aus den Verfassungsordnungen der Mitgliedsstaaten zu schöpfen.[77] Wichtig ist dabei, dass es nicht zu einer Reduktion des Grundrechtsschutzes auf einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ kommen darf, sondern ein insgesamt hohes Schutzniveau bezweckt ist.[78] Die Bedeutung der Vorschrift in der Rechtsprechung des EuGH ist bisher gering,[79] und in Klausuren lässt sich eine Auslegung gemäß Art. 52 IV GRCh kaum leisten, sodass auch die Prüfungsrelevanz als gering einzustufen ist.

2. Eingriff

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Ein Eingriff im Sinne der GRCh ist eine Einwirkung von Grundrechtsverpflichteten, die eine zurechenbare belastende oder nachteilige Wirkung bei Grundrechtsträgern hat.[80] Es handelt sich also um einen materiellen Eingriffsbegriff. Allerdings müssen mittelbar-faktische Auswirkungen eine gewisse Bedeutungsschwelle überschreiten,[81] sodass mittelbare Bagatelleingriffe schon auf der Eingriffsschwelle auszusortieren sind. Auch Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen können als Eingriff im Sinne des ansonsten eher freiheitsrechtlich konstruierten Art. 52 I 1 GRCh behandelt werden.[82]

3. Rechtfertigung

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Die GRCh enthält, anders als das Grundgesetz oder die EMRK, in Art. 52 I 1 GRCh einen einheitlichen Einschränkungsvorbehalt. Demnach muss jede Einschränkung der Rechte der GRCh „gesetzlich vorgesehen sein“. Es handelt sich bei Art. 52 I 1 GRCh daher um einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Dem Wortlaut folgend („Jede Einschränkung“) scheint der Vorbehalt für alle in der GRCh normierten Rechte zu gelten. Nach der Rechtsprechung des EuGH unterliegen allerdings bestimmte Rechte, vor allem die Menschenwürde aus Art. 1 I GRCh, keinem Einschränkungsvorbehalt, sodass Eingriffe in sie nicht zu rechtfertigen sind.[83] Spezielle Einschränkungsvorbehalte, wie sie in Art. 8 II und Art. 17 I 2, 3 GRCh normiert sind, treten neben den einheitlichen Einschränkungsvorbehalt, wobei das höhere Schutzniveau maßgeblich ist.[84]

a) Schranke: „Gesetzlich vorbehalten“
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Der Begriff des Gesetzes ist materiell zu verstehen und bezieht sich sowohl auf die Unionsrechtsordnung als auch auf die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, soweit die GRCh auf sie anwendbar ist. Dieses materielle Verständnis bedeutet, dass aus dem Unionsrecht auch Verordnungen des Rates[85] oder der Kommission[86] und nach Art. 216 II AEUV für die Union und die Mitgliedsstaaten verbindliche völkerrechtliche Verträge[87] im Sinne des Art. 52 I 1 GRCh gesetzliche Regelungen darstellen. Der Begriff ist also weiter als der des Gesetzgebungsakts aus Art. 289 III AEUV. Aus dem deutschen Regelungsinstrumentarium sind Verordnungs- oder Satzungsregelungen ausreichend. Alle in Frage kommenden gesetzlichen Regelungen müssen außerdem hinreichend „klar und genau“ sein,[88] also dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen.

b) Grenzen der Einschränkbarkeit (Schranken-Schranken)
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aa) Verhältnismäßigkeit
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Die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ähnelt im Ausgangspunkt der aus dem deutschen Recht bekannten Prüfungsfolge: „Nach diesem Grundsatz hängt die Rechtmäßigkeit […] davon ab, daß die [Maßnahmen] zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.“[89] Auch hier sind also die Elemente Legitimes Ziel – Geeignetheit – Erforderlichkeit – Angemessenheit vorhanden. Allerdings liegt in der Prüfung des EuGH der Schwerpunkt tendenziell in der Erforderlichkeitsprüfung, während die Angemessenheitsprüfung häufig als ein Teil derselben gesehen wird.[90] Bei alledem gesteht der EuGH gesetzgebenden Organen tendenziell einen weiteren Spielraum zu als das BVerfG im deutschen Verfassungsrecht.

(1) Legitimes Ziel
Als legitimes Ziel kommen ausweislich des Art. 52 I 2 GRCh gemeinwohldienliche Zielsetzungen, die von der Union anerkannt sind, und kollidierende Rechte anderer in Frage. Dies umfasst die als solche benannten Ziele der Union aus Art. 3 EUV, aber auch alle anderen primärrechtlich besonders anerkannten Interessen.[91]

(2) Geeignetheit
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine Regelung zur Zielerreichung geeignet, soweit sie „tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen“.[92] Damit ist in der Regel kein strengerer Maßstab verbunden als in der Geeignetheitsprüfung im deutschen Recht. Allerdings können im Einzelfall Regelungen schon deshalb ungeeignet sein, weil innerhalb einer Rechtsordnung dauerhaft in Bezug auf das verfolgte Ziel widersprüchliche oder das Ziel konterkarierende Regelungen bestehen.[93]

(3) Erforderlichkeit und Angemessenheit
Die Erforderlichkeitsprüfung (i.e.S.) erfolgt nicht immer einheitlich. Gerade der EuGH greift in einigen Urteilen die aus der deutschen Grundrechtsprüfung bekannte Formel, dass zur Erforderlichkeit kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung stehen darf, auf.[94] Es ist sinnvoll, diese Formel in der Prüfung zu übernehmen. Die Angemessenheitsprüfung als Teil der Erforderlichkeitsprüfung wird im Rahmen der GRCh-Prüfung tendenziell dem nationalen Recht immer ähnlicher vorgenommen.[95] Es kommt also zu einer umfassenden Ziel-Mittel-Abwägung, die an die deutsche Angemessenheitsprüfung angelehnt werden kann.

bb) Wesensgehaltsgarantie
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Neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht die Wesensgehaltsgarantie des Art. 52 I 1 GRCh. Ihr zufolge darf ein Recht nicht als solches infrage gestellt werden.[96] Wie beim grundgesetzlichen Wesensgehalt ist fraglich, ob der Wesensgehaltsgarantie neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein eigener Anwendungsbereich zukommt. Sie wird sich darauf beschränken müssen, einen unantastbaren Kernbereich der Rechte vor jeglichem Zugriff zu schützen,[97] worin dann auch der Würdegehalt der Rechte aufgeht.[98]

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V. Gegenüberstellung der Charta-Rechte und der Grundrechte des Grundgesetzes

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Zwischen den Rechten der GRCh und den Grundrechten des GG gibt es weitreichende Überschneidungen, was auch daran liegt, dass sich die GRCh teilweise, etwa bei der Menschenwürde, erkennbar das GG zum Vorbild nimmt. Einige GRCh-Rechte bleiben allerdings hinter denen des Grundgesetzes zurück, andere gehen über sie hinaus. Auf Schrankenebene ist nochmals daran zu erinnern, dass vorbehaltlos gewährleistete Rechte in der GRCh ungewöhnlich sind. Im Folgenden geht es daher nur um einen Vergleich der Schutzbereiche.

1. Rechte der GRCh, deren Schutzbereich enger ist als im GG

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Im Gegensatz zum Art. 2 I GG fehlt es in der GRCh an einer Bestimmung zur allgemeinen Handlungsfreiheit. Insbesondere lässt sich eine solche nicht dem Recht auf Freiheit (und Sicherheit) des Art. 6 GRCh entnehmen.[99] Verschiedene GRCh-Bestimmungen verweisen in erster Linie auf die Bestimmungen der Mitgliedsstaaten. In der Regel werden sie als Grundsätze zu qualifizieren sein.

2. Rechte der GRCh, deren Schutzbereich weiter ist als im GG

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Einige Rechte der GRCh haben im Ergebnis einen vergleichbaren Schutzbereich wie die GG-Grundrechte, gestalten diesen aber präziser aus.

Beispiele: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 3 GRCh) ist insbesondere in Hinblick auf bestimmte bioethische Fragen deutlich gegenüber Art. 2 II 1 GG präzisiert und kann in Einzelfragen über dessen Schutzniveau hinausgehen.[100]

Die durch das BVerfG nur richterrechtlich entwickelten Rechte zum Schutz personenbezogener Daten, d.h. das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“[101] sowie das Recht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“[102], welche das Gericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 2 I GG ableitet, sind durch Art. 8 GRCh explizit unter Schutz gestellt.

Das Eigentumsrecht schützt in Art. 17 II GRCh explizit auch geistiges Eigentum, welches von Art. 14 I 1 GG nur implizit erfasst ist.[103]

Die justiziellen Rechte der Art. 47–50 GRCh sind insgesamt detaillierter ausgestaltet als im Grundgesetz, ohne dass damit der Sache nach ein höheres Schutzniveau verbunden wäre.

Andere Rechte sind ebenfalls präziser ausgestaltet als im Grundgesetz, fügen aber zusätzlich neue Schutzdimensionen hinzu.

Beispiele: Detailliert ausgestaltet ist das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41 GRCh), dass in Deutschland nur in Ansätzen durch das Rechtsstaatsprinzip abgebildet ist.[104]

Da die verbotenen Diskriminierungskategorien des Art. 3 III 1 GG abschließend sind,[105] geht Art. 21 I GRCh schon deshalb darüber hinaus, da mit der „sozialen Herkunft“, dem „Alter“ und der „sexuellen Ausrichtung“ Diskriminierungskategorien enthalten sind, die in Art. 3 III 1 GG nicht vorkommen. Die weiteren in Art. 21 I GRCh enthaltenen Begriffe dürften in den Diskriminierungskategorien des Art. 3 III 1 GG enthalten sein, präzisieren diese aber. Während Art. 3 II 2 GG nur die Bevorzugung von Frauen zugunsten der Beseitigungen struktureller Diskriminierungen erlaubt,[106] enthält Art. 32 II GRCh eine Ausnahme, die auf das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht abstellt. Auch die Regelung des Art. 26 GRCh zu Menschen mit Behinderung geht über die Regelung in Art. 3 III 2 GG hinaus.

Bestimmte Rechte haben keine explizite Entsprechung im Grundgesetz.

Beispiele: Eine Art. 19 GRCh vergleichbare Regelung fehlt im GG völlig, wenngleich ihre einzelnen Gehalte durch die Grundrechte ebenfalls gewährleistet sind.

Spezifisch auf Kinder zugeschnittene Rechte gibt es im GG praktisch (noch[107]) nicht. Insofern ist Art. 24 GRCh ohne Entsprechung im Grundgesetz. Gleiches gilt für die „Rechte älterer Menschen“ des Art. 25 GRCh.

Das Recht auf Dokumentenzugang (Art. 42 GRCh) hat ebensowenig im deutschen Bundesrecht eine Entsprechung wie das Recht auf Zugang zu einem Bürgerbeauftragten (Art. 43 GRCh) oder das Recht auf konsularischen Schutz (Art. 46 GRCh).

Die GRCh hebt zudem verschiedene Rechte, die in Deutschland nur einfachgesetzlich gewährleistet sind, auf grundrechtliche Ebene.

Beispiele: Das gilt etwa für die Rechte auf kostenlose Arbeitsvermittlung (Art. 29 GRCh), Urlaub (Art. 31 GRCh), Mutterschutz und Elternzeit (Art. 33 GRCh) und Teilnahme an sozialen Sicherungssystemen (Art. 34 GRCh).

Weiterführende Studienliteratur

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  • Honer, Die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta, JA 2021, 219 ff.
  • Michl, Die Neuausrichtung des Bundesverfassungsgerichts in der digitalisierten Grundrechtelandschaft, Jura 2020, 479 ff.
  • Otto/Hein, Fortgeschrittenenklausur – Öffentliches Recht: Europarecht – Jetzt geht’s um die Wurst!, JuS 2014, 529 ff. (mit einem Teil zur GRCh)

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • Die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta bestimmt sich nach der Vorschrift des Art. 51 I 1 GRCh.
  • Seit „Recht auf Vergessen“ wendet das BVerfG die GRCh-Rechte im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch unmittelbar an.
  • Der Prüfungsaufbau der Chartagrundrechte entspricht im Wesentlichen jenem der Grundrechte des GG.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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Abschnitt 1 - Allgemeine Grundrechtslehren

Abschnitt 2 - Aufbau der Prüfung eines Freiheitsgrundrechts

Abschnitt 3 - Grundrechtsschutz und Dritte

Abschnitt 4 - Verfahren, Konkurrenzen, Prüfungsschemata

Abschnitt 5 - Grundrechte im Mehrebenensystem

Abschnitt 6 - Einzelgrundrechte des Grundgesetzes

Fußnoten

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  1. Manssen, Staatsrecht II: Grundrechte, 17. Aufl. 2020, § 1 Rn. 27.
  2. Vgl. Manger-Nestler/Noack, JuS 2013, 503 (506 f.). Näher zum Verhältnis zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten: Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 22 ff.
  3. Im Einzelnen zu den Verpflichteten Schwerdtfeger, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union 5. Aufl. 2019, Art. 51 Rn. 29 f.
  4. EuGH, Urt. v. 29.5.1997, Rs. C-299/95, Rn. 15 - Kremzow; EuGH, Urt. v. 26.2.2013, Rs. C-617/10, Rn. 20 – Åkerberg Fransson. Zur Übertragbarkeit der vor dem Inkrafttreten der Charta ergangenen Rechtsprechung auf Art. 51 I 1 GRCh: Honer, JuS 2017, 409 (412 f.).
  5. S. bereits EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. C-5/88, Rn. 22 - Wachauf.
  6. EuGH, Urt. v. 18.6.1991, Rs. C-260/89, Rn. 42 - ERT.
  7. Vgl. EuGH, Urt. v. 10.4.2003, Rs. C-276/01, Rn. 71 - Steffensen; EuGH, Urt. v. 26.2.2013, Rs. C-617/10, Rn. 24 ff. - Åkerberg Fransson (mitgliedstaatliche Verpflichtung einer ordnungsgemäßen Steuererhebung).
  8. EuGH, Urt. v. 6.3.2014, Rs. C-206/13, Rn. 24 - Siragusa; Urt. v. 22.1.2010, Rs. C-177/18, Rn. 58 – Almudena.
  9. EuGH, Urt. v. 27.6.2006, Rs. C-540/03, Rn. 104 f.
  10. Thym, JZ 2015, 53 (55).
  11. EuGH, Urt. v. 26.2.2013, Rs. C-617/10, Rn. 29 - Åkerberg Fransson.
  12. Einschränkend wegen der verschiedenen Sprachfassungen der Charta und der Schwierigkeit zwischen vollständiger und teilweiser Determination zu unterscheiden: Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 22, 26.
  13. Vgl. Masing, JZ 2015, 477 (483). M.N. zur Gegenauffassung Honer, JuS 2017, 409 (411).
  14. Maßgeblich darauf abstellend aber EuGH, Urt. v. 26.2.2013, Rs. C-617/10, Rn. 20 - Åkerberg Fransson. Allgemein zum Charakter der Erläuterungen zum Text der Charta: Jarass/Kment, EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 30.
  15. BVerfG, Urt. v. 24.4.2013, Az.: 1 BvR 1215/07 = BVerfGE 133, 277 (316); im Anschluss daran BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 16/13, Rn. 43.
  16. Hierzu für die Grundrechte des Grundgesetzes nur BVerfG, Urt. v. 19.5.2020, Az.: 1 BvR 2835/17.
  17. Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 44 m.w.N.
  18. Vgl. aber Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385 (392).
  19. Vgl. etwa EGMR, Urt. v. 10.2.2009, Zolotukhin v. Russia, Nr. 14939/03 Rn. 79 f.; Urt. v. 29.1.2013, S.H.H. v. the United Kingdom, Nr. 60367/10, Rn. 35.
  20. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 5 Rn. 13.
  21. Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 2.3.2010, Az.: 1 BvR 256 u.a. = BVerfGE 125, 260 (306 f.).
  22. Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385 (390).
  23. Vgl. Michl, Jura 2020, 479 (480 f.); Thym, NVwZ 2013, 889 (892).
  24. Neumann/Eichberger, JuS 2020, 502.
  25. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 16/13, Rn. 41 ff.
  26. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 16/13, Rn. 49 ff.
  27. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 16/13, Rn. 63.
  28. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 276/17.
  29. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 276/17, Rn. 53 ff. (Erster Senat).
  30. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 276/17, Rn. 59 (Erster Senat); ebenso BVerfG, Beschl. v. 1.12.2020, Az.: 2 BvR 1845/18 u.a., Rn. 37 - Europäischer Haftbefehl III (Zweiter Senat), vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 27.04.2021, Az.: 2 BvR 206/14 – Ökotox (Zweiter Senat).
  31. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Rs. 1 BvR 276/17, Rn. 67.
  32. Edenharter, DÖV 2020, 349 (353).
  33. Brade/Gentzsch, DÖV 2021, 327 (329 f.). Vgl. aber BVerfG, Beschl. v. 27.04.2021, Az.: 2 BvR 206/14 – Ökotox (Zweiter Senat), Rn. 71.
  34. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Rs. 1 BvR 276/17, Rn. 67; instruktiv zur Historie: Michl, Jura 2020, 479 (483 f.).
  35. Klein, DÖV 2020, 341 (343 f.).
  36. Offen ist, ob dies neben dem Verfahren der Verfassungsbeschwerde auch für die die Konstellation der abstrakten bzw. konkreten Normenkontrolle gilt. Dazu: Klein, DÖV 2020, 341 (346 f.).
  37. Vgl. auch zum Folgenden Neumann/Eichberger, JuS 2020, 502 (505 f.) (mit angehängtem Prüfungsschema).
  38. Darüber besteht im Grundsatz Einigkeit, nur die Begründungen variieren: Während der EuGH mit der Einheitlichkeit und Effektivität des Unionsrechts argumentiert (s. bereits EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 (1269 f.) – Costa; speziell für den Grundrechtsbereich EuGH, Urt. v. 26.2.2013, Rs. C-399/11, Rn. 58 ff. – Melloni.), stellt das BVerfG maßgeblich auf die in Art. 23 I 2 GG enthaltene Ermächtigung ab, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, mit der das Grundgesetz die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts billige (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 15.12.2015, Az.: 2 BvR 2735/14 = BVerfGE 140, 317 (335) m.w.N.).
  39. BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, Az.: 2 BvR 197/83 = BVerfGE 73, 339 (376, 387).
  40. BVerfG, Urt. v. 21.6.2016, Az.: 2 BvE 13/13 u.a. = BVerfGE 142, 123 (203) m.w.N.
  41. Vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.2013, Az.: 1 BvR 1215/07 = BVerfGE 133, 277 (316).
  42. Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 15.12.2015, Az.: 2 BvR 2735/14 = BVerfGE 140, 317 (336 f.). Näher Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385 (389).
  43. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.12.2020, Az.: 2 BvR 1845/18 u.a., Rn. 40 - Europäischer Haftbefehl III.
  44. Wendel, VerfBlog, 2021/1/01.
  45. Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019, Az.: 1 BvR 276/17, Rn. 68 ff.; BVerfG, Beschl. v. 1.12.2020, Rs. 2 BvR 1845/18 u.a., Rn. 39. Zur Kooperation mit dem EuGH etwa Michl, Jura 2020, 479 (486 f.)
  46. Näher Brade/Seyller, EuZW 2021 (i.E.) m.w.N.
  47. Vgl. Becker, in: Schwarze/Becker/Hatje/Hoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 52 GRCh Rn. 11.
  48. Ladenburger, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 52 Rn. 107 m.w.N.
  49. Ladenburger, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 52 Rn. 101.
  50. Vgl. Ladenburger, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 52 Rn. 114.
  51. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 41.
  52. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 42.
  53. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 45.
  54. Vgl. EuGH, Urt. v. 14.10.2004, Rs. C-36/02, Rn. 34 f. – Omega.
  55. Vgl. BVerfG, Urt. v. 06.11.2019, Az.: 1 BvR 267/17, Rn. 96 f. – Recht auf Vergessen II.
  56. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 42.
  57. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 44.
  58. Thiele, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 14 GRCh Rn. 11.
  59. Vgl. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 47 f.
  60. Vgl. Wolff, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 23 ff.
  61. Siehe dazu auch Art. 28 I 3 GG.
  62. Vgl. etwa Ruffert/Schramm, JuS 2020, 1022 (1025).
  63. Sprachvergleich auf EUR-lex.
  64. Vgl. Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22 (25).
  65. Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 59.
  66. EuGH, Urt. v. 18.2.2016, Rs. C-176/13 P, Rn. 49 – Mellat.
  67. Dagegen Pache, in Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 51 GRCh Rn. 9; dafür Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 61.
  68. Beachte aber die Andeutung in EuGH, Urt. v. 18.2.2016, Rs. C-176/13 P, Rn. 49 – Mellat, auf die EMRK-Rechtsprechung zurückgreifen zu wollen.
  69. Diese Einteilung folgt Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22 (24).
  70. Weitere Beispiele bei Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22 (24).
  71. Erläuterungen zur GRCh, Art. 52.
  72. EuGH, Urt. v. 5.10.2010, Rs. C-400/10 PPU, Rn. 53 – McB.
  73. Vgl. nur EuGH, Urt. v. 22.10.2002, Rs. C-94/00, v.a. Rn. 29 – Roquette Frères.
  74. Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385 (392).
  75. Erläuterungen zur GRCh, Art. 52.
  76. Ladenburger, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 52 Rn. 94.
  77. Becker, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 52 GRCh Rn. 17.
  78. Explizit Erläuterungen zur GRCh, Art. 52.
  79. Ladenburger, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 52 Rn. 94; das BVerfG betont in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings die Bedeutung der Klausel: BVerfG, Beschl. v. 1.12.2020, Az.: 2 BvR 1845/18 u.a., Ls. 2 - Europäischer Haftbefehl III.
  80. Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 52 Rn. 11.
  81. Vgl. EuGH, Beschl. v. 23.9.2004, Rs. C-435/02 u.a., Rn. 49 – Axel Springer.
  82. Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 52 Rn. 10.
  83. Vgl. EuGH, Urt. v. 16.2.2017, Rs. C-578/16 PPU, Rn. 59 – C.K. u.a.
  84. Schwerdtfeger, in: Meyer/Hölscheidt, GRCh, 5. Aufl. 2019, Art. 52 Rn. 28.
  85. EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-291/12, Rn. 35 – Schwarz.
  86. EuGH, Urt. v. 9.11.2010, Rs. C‑92/09 u.a., Rn. 66 – Schecke/Eifert.
  87. GA Mengozzi, Schlussanträge v. 8.9.2016, Gutachten 1/15, Rn. 192 – Fluggastdatenabkommen (Kanada).
  88. EuGH, Urt. v. 17.12.2015, Rs. C-419/14, Rn. 81 – WebMindLicenses.
  89. EuGH, Urt. v. 13.11.1990, C-331/88, Rn. 13 – Fedesa u.a.
  90. Vgl. EuGH, Urt. v. 18.3.2010, Rs. C-317/08 u.a., Rn. 65 – Alassini u.a.
  91. Erläuterungen zur GRCh, Art. 52.
  92. EuGH, Urt. v. 21.7.2011, Rs. C-159/10 u.a., Rn. 85 – Fuchs/Köhler m.w.N.
  93. Vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.2014, Rs. C‑156/13, Rn. 36 – Digibet.
  94. Nur EuGH, Urt. v. 27.9.2017, Rs. C-73/16, Rn. 68 – Puškár.
  95. Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 52 GRCh Rn. 29.
  96. Nur EuGH, Urt. v. 27.9.2017, Rs. C-73/16, Rn. 64 – Puškár.
  97. Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 52 Rn. 28.
  98. Vgl. zum Würdegehalt der GRCh-Rechte Erläuterungen zur GRCh, Art. 1.
  99. Ogorek, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 6 Rn. 4 m.w.N.
  100. Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar, Art. 3 GRCh Rn. 7.
  101. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, Az.: 1 BvR 209 u.a. = BVerfGE 65, 1 (43) – Volkszählung.
  102. BVerfG, Urt. v. 27.2.2008, Az.: 1 BvR 370/07, Ls. 1.
  103. Vgl. Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Werkstand: 83. EL April 2018, Art. 14 Rn. 314.
  104. Vgl. Galetta/Grzeszick, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 41 Rn. 6.
  105. Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 45. Ed. 15.11.2020, Art. 3 Rn. 231.
  106. Vgl. BVerfG, Urt. v. 24.1.1995, Az.: 1 BvL 18/93 = BVerfGE 92, 91 (109).
  107. Die Bundesregierung plant eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Art. 6 II GG. Der Entwurf sieht folgenden Wortlaut vor: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“