Der Wunsch nach der Gleichheit von Menschen ist so grundlegend und gleichzeitig herausfordernd, dass er die Menschheit schon lange beschäftigt. Bereits in der Antike setzten sich Aristoteles und andere „Gelehrte“ mit der Forderung nach Gleichheit auseinander und entwickelte dabei die bekannte Formel, nach der Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln sei.[1] Auch in der Französischen Revolution forderten Bürger:innen neben Freiheit (liberté) auch Gleichheit (égalité) - eine Forderung, die sich bereits 1791 in der Verfassung wiederfand.[2] Allerdings umfasste die Gleichheit nur die männlichen Bürger und von ihnen auch nicht alle (auch Schwarze und jüdische Französ:innen wurden benachteiligt). Daher forderte Olympe de Gouges in ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin eine neue, universal-egalitäre Verfassung.

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Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass Gleichheitsgewährleistungen ein wichtiger Bestandteil des Grundgesetzes und des Grundrechteschutzes sind. Sie finden sich im Grundgesetz an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Ausprägungen (außer in Art. 3 I-III GG auch in Art. 33 I-III GG oder Art. 38 I 1 GG).

Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG ist eines der tragenden Konstitutionsprinzipien der freiheitlich-demokratischen Verfassung.[3] In der Ausbildungsliteratur wird Art. 3 I GG nicht zuletzt wegen seiner Abstraktheit oftmals nur oberflächlich angeschnitten. Es gibt wenige Klausurfälle, in denen Art 3 I GG eine eigenständige Rolle spielt und nicht nur als „Anhängsel“ am Ende der Klausur mitangesprochen wird. Die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes könnte in Zukunft jedoch zunehmen. Konflikte zwischen Freiheit und Gleichheit sind insbesondere während der Covid-Pandemie deutlich geworden. Darüber hinaus beruhen diese Konflikte jedoch auf einem Verständnis von Gleichheit, das Chancengleichheit verspricht. Staatliches Eingreifen in die Freiheit zur Herstellung faktischer (Chancen-)Gleichheit, wie etwa Umverteilung durch (Vermögens-)Besteuerung sind aktuelle gesellschaftliche Debatten.[4]

Mehr Aufmerksamkeit haben in den letzten Jahren auch die speziellen Gleichheitssätze der Abs. 2 und 3 erfahren. Diese sind als Konkretisierungen von Abs. 1 vorrangig zu prüfen. Abs. 2, welcher die Gleichstellung von Frauen und Männern fordert, ist insbesondere durch Paritäts-Regelungen in der öffentlichen Wahrnehmung präsent. Auch Abs. 3 ist zunehmend in den Fokus gerückt, z.B. wenn es um die Rechtmäßigkeit von Racial Profiling geht.

Fest steht, dass Art. 3 GG in seinen Grundzügen von jedem:r angehenden Jurist:in beherrscht werden sollte.

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Inhaltsverzeichnis des Buches Bearbeiten

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Abschnitt 1 - Allgemeine Grundrechtslehren

Abschnitt 2 - Aufbau der Prüfung eines Freiheitsgrundrechts

Abschnitt 3 - Grundrechtsschutz und Dritte

Abschnitt 4 - Verfahren, Konkurrenzen, Prüfungsschemata

Abschnitt 5 - Grundrechte im Mehrebenensystem

Abschnitt 6 - Einzelgrundrechte des Grundgesetzes

Fußnoten Bearbeiten

  1. Boysen in: Münch/Kunig, GG, Art. 3, Rn. 2.
  2. Epping, Grundrechte, 2017, Rn. 765.
  3. BVerfG, Urt. v. 20.2.1957, Az.: 1 BvR 441/53, Rn. 14 (DFR) = BVerfGE 6, 257 -Teilweises gesetzgeberisches Unterlassen.
  4. Epping, Grundrechte, 2017, Rn. 766.