Biochemie und Pathobiochemie: Tyrosin-Stoffwechsel



Allgemeines Bearbeiten

Tyrosin (tyros (griech): Käse) ist eine proteinogene aromatische Aminosäure. Sie ist nicht essentiell, da sie aus Phenylalanin synthetisiert werden kann. Aus Tyrosin gehen die Schilddrüsenhormone, die Katecholamine und das Melanin der Haut hervor. In Proteinen kann die OH-Gruppe von Tyrosin (wie bei Serin und Threonin) phosporyliert werden.

Abbau von Tyrosin zu Acetoacetat und Fumarat Bearbeiten

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  L-Tyrosin
α-Ketoglutarat

L-Glutamat

  α-Ketoglutarat

L-Glutamat

Pyridoxal- phosphat Aspartat-Transaminase (Aspartat-Aminotransferase) (AST, ASAT, GOT) 2.6.1.1 Tr
Tyrosin-Transaminase Leber 2.6.1.5 Tyrosinämie II (Richner-Hanhart-S.)
   
4-Hydroxyphenylenolpyruvat 4-Hydroxyphenylketopyruvat
Phenylpyruvat-Tautomerase 5.3.2.1 Iso
O2

CO2

  Fe 4-Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenase 1.13.11.27 Ox Tyrosinämie III, Hawkinsinurie
  Homogentisat
O2


  Fe Homogentisat-1,2-Dioxygenase 1.13.11.5 Ox Alkaptonurie
  4-Maleylacetoacetat
  Maleylacetoacetat-Isomerase 5.2.1.2 Iso
  4-Fumarylacetoacetat
H2O


  Fumarylacetoacetase 3.7.1.2 Hyd Tyrosinämie I
  +  
Fumarat Acetoacetat

Die ersten beiden Schritte entsprechen dem alternativen Abbau von Phenylalanin zu 2-Hydroxyphenylacetat.

Acetoacetat ist ein Ketonkörper, Fumarat ist ein Intermediat des Citratzyklus.

Alternativer Abbauweg von Tyrosin zu Tyramin und 4-Hydroxyphenylacetat Bearbeiten

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  L-Tyrosin


CO2

  Pyridoxal- phosphat DOPA-Decarboxylase 4.1.1.28 Ly AADC-Defizienz
  Tyramin
H2O, O2

NH3, H2O2

  FAD Monoamino-Oxidase (MAO) 1.4.3.4 Ox MAO A: Brunner-Syndrom, Antisozialität
Cu, TPQ Diamino-Oxidase (DAO) 1.4.3.6
  4-Hydroxyphenyl- acetaldehyd
H2O, NAD(P)+

NAD(P)H/H+

  NAD(P)+, H2O

NAD(P)H/H+

Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH) (NAD(P)+) 1.2.1.5 Ox
  4-Hydroxy- phenylacetat

Diese Abbauschritte inklusive dem Enzym MAO-A finden Sie auch im alternativen Abbau von Phenylalanin zu Phenylacetat und eingestreut im Abbauweg der Katecholamine (s.u.).


Tyramin kann auch in Dopamin umgewandelt werden:

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  Tyramin
O2, NADH/H+

H2O, NAD+

  Cu Tyrosinase (Monophenol-Monooxygenase) 1.14.18.1 Ox Okulokutaner Albinismus IA, Okulokutaner Albinismus IB
  Dopamin

Pharmakologie: Reversible MAO-A-Hemmer wie Moclobemid wirken durch Steigerung der Monoaminkonzentrationen (Abbauhemmung v.a.von Noradrenalin und Serotonin) im ZNS antidepressiv und antriebssteigernd. Unspezifische irreversible MAO-Hemmer wie Tranylcypromin hemmen auch verstärkt den Abbau von Tyramin, so dass Tyramin-reiche Lebensmittel wie Käse, Bananen und Schokolade zur Tyraminakkumulation führen können. Dieses wird dann vermehrt in Dopamin umgewandelt und führt zu sympathikotonen Blutdruckkrisen („Cheese-reaction“).

Biosynthese von Triiodthyronin (T3) und L-Thyroxin (T4) Bearbeiten

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  L-Tyrosin
Iodid, H2O2

2 H2O

  Häm Thyreoperoxidase (TPO) Schilddrüse 1.11.1.8 Ox Thyroiddyshormonogenesis 2A
  3-Iod-L-Tyrosin
Iodid, H2O2

2 H2O

  Häm Thyreoperoxidase (TPO) Schilddrüse 1.11.1.8 Ox Thyroiddyshormonogenesis 2A
  3,5-Diiod-L-Tyrosin
 
L-Thyroxin (T4).
 
Das Thyroxin-bindende Globulin (türkis) dient Schilddrüsenhormonen wie Thyroxin (magenta) im Blut als Transportmittel und Zwischenspeicher.

Die zum Thyreoglobulin gehörenden Tyrosylreste werden zuerst von der Thyreoperoxidase zum Mono- oder Diiodtyrosin jodiert. Diese Reaktion findet an den Mikrovilli am apikalen Teil der Plasmamembran der Schilddrüsenepithelzellen statt. Eines dieser Moleküle wird dann auf ein anderes übertragen, so dass Triiodthyronin (T3) oder Tetraiodthyronin (L-Thyroxin, T4) entsteht. Das Thyreoglobulin mit den T3- und T4-Resten wird extrazellulär in den Schilddrüsenfollikeln (Kolloid) gespeichert. Die Schilddrüse sezerniert zum größeren Teil das biologisch weniger aktive T4 (HWZ: 7 Tage, höhere Bindung an das Thyroxin-bindende Globulin (TBG)) und zum kleineren Teil das wirksamere T3 (HWZ: 1 Tag). Peripher wird ein Teil des T4 von der Thyroxin-5'-Deiodinase (EC 1.97.1.10) in T3 umgewandelt. Biologisch aktiv ist wie bei allen Hormonen nur der freie, nicht-proteingebundene Anteil, d.h. hier fT3 und fT4.

Die Schilddrüsenhormone können von der Thyroxin-5'-Deiodinase (EC 1.97.1.11) inaktiviert werden oder sie werden in der Leber mit Glucuronat oder Sulfat konjugiert und mit der Galle ausgeschieden. Eine dritte Möglichkeit besteht in der oxidativen Deaminierung und Decarboxylierung der Alanylseitenkette, so dass Tri- und Tetrajodthyreoacetat entsteht, das nach Deiodierung ausgeschieden wird.

Stimuliert wird die Hormonsekretion durch TSH, das von der Adenohypophyse ins Blut sezerniert wird, gesteuert vom TRH des Hypothalamus.

Pathophysiologie: Eine Hyperthyreose supprimiert den Regelkreis und die TSH-Bildung, eine Hypothyreose stimuliert ihn. Daher ist der TSH-Spiegel (neben fT3 und fT4) ein wichtiger Parameter in der Schilddrüsendiagnostik.

Pharmakologie: Bei der Behandlung der Hypothyreose substituiert man üblicherweise mit T4, da dieses die günstigere Pharmakokinetik aufweist (lange Halbwertszeit) und vom Körper nach Bedarf zu T3 umgesetzt wird.

Biosynthese von Melanin Bearbeiten

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  L-Tyrosin
  L-Dopa, O2

L-Dopa, H2O

  Cu Tyrosinase (Monophenol-Monooxygenase) 1.14.18.1 Ox Okulokutaner Albinismus IA, Okulokutaner Albinismus IB
  Dopachinon
Ox. Akzeptor

Red. Akzeptor

 
  Leucodopachrom
Dopachinon

L-Dopa

 
  Dopachrom


CO2

  Cu Tyrosinase (Monophenol-Monooxygenase) 1.14.18.1 Ox Okulokutaner Albinismus IA, Okulokutaner Albinismus IB
  5,6-Dihydroxyindol (DHI)
O2, DHI

2 H2O, Indol-5,6-chinon

  Cu Tyrosinase (Monophenol-Monooxygenase) 1.14.18.1 Ox Okulokutaner Albinismus IA, Okulokutaner Albinismus IB
  Indol-5,6-chinon
O2

H2O

 
  (Poly-)Melanin


2. Möglichkeit von Dopachrom ausgehend:

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  Dopachrom
  Zn L-Dopachrom-Isomerase 5.3.3.12 Iso
  5,6-Dihydroxyindol-2-carboxylat (DHICA)
2 Ox. Akz.

2 Red. Akz., CO2

  tyrosinase-related protein 1 1.14.18.- Ox
  (Poly-)Melanin

Melanin wird u.a. von den Melanozyten der Haut synthetisiert und über Zellfortsätze an die Keratinozyten abgegeben. Es schützt die Haut vor UV-Licht. Auch die Iris enthält Melanin.

Pathobiochemie: Melanin-Biosynthesestörungen z.B. bei einem Tyrosinase-Mangel führen zum Albinismus.

Biosynthese der Katecholamine Bearbeiten

Subst. ( ⇑ ) Co. Enzym EC EG Erkr.
  L-Tyrosin (3-Hydroxyphenylalanin)
Tetrahydrobiopterin, O2

4a-Hydroxytetrahydrobiopterin

  Fe Tyrosin-Hydroxylase (Tyrosin-3-Monooxygenase) 1.14.16.2 Ox Segawa-Syndrom
  L-DOPA (3,4-Dihydroxyphenylalanin)


CO2

  Pyridoxal- phosphat DOPA-Decarboxylase 4.1.1.28 Ly AADC-Defizienz
  Dopamin
Ascorbat, O2

Dehydroascorbat, H2O

  Cu Dopamin-β-Monooxygenase (Dopamin-β-Hydroxylase) 1.14.17.1 Ox DBH-Defizienz
  Noradrenalin
S-Adenosylmethionin

S-Adenosylhomocystein

  Noradrenalin-N-Methyltransferase 2.1.1.28 Tr
  Adrenalin
 
Carbidopa, ein DOPA-Decarboxylase-Hemmer.

Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter im ZNS. Noradrenalin (Norepinephrin) spielt als Neurotransmitter im ZNS und an den sympathischen Nervenenden eine große Rolle. Adrenalin (Epinephrin) wird v.a. im Nebennierenmark gebildet und bei Stress ins Blut sezerniert.

Pathophysiologie und Pharmakologie: Dopaminmangel im Corpus striatum durch Untergang dopaminerger Neurone in der Substantia nigra führt zum Morbus Parkinson. Der progrediente Dopaminmangel kann u.a. durch Gabe von L-DOPA (,das im Ggs. zum Dopamin die Blut-Hirn-Schranke passieren kann) günstig beeinflusst werden. L-DOPA-Präparate enthalten fast immer einen DOPA-Decarboxylase-Hemmer (z.B. Carbidopa oder Benserazid) in fixer Kombination. Dieser kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und verhindert in der Peripherie, dass L-DOPA zum Dopamin decarboxyliert wird und damit im ZNS nicht mehr ankommt. Dadurch können die L-DOPA-Dosis reduziert und periphere dopaminerge Nebenwirkungen vermindert werden.

Adrenalin wirkt v.a. auf das Herz und wird in der Reanimation und beim anaphylaktischen Schock eingesetzt, Noradrenalin wirkt v.a. vasokonstriktorisch und bietet sich z.B. zur Therapie des (nicht-kardiogenen) Schocks an. Der kardiogene Schock wird mit dem synthetischen Katecholamin Dobutamin behandelt.

Abbau der Katecholamine Bearbeiten

Subst. Enz./EG Erkr.
  Dopamin   Noradrenalin   Adrenalin   Noradrenalin   Adrenalin
SAM

SAH

      COMT 2.1.1.6 Tr
  3-Methoxytyramin   L-Normetanephrin   L-Metanephrin
H2O, O2

H2O2, NH3/ Methylamin

            MAO (Co: FAD) 1.4.3.4 Ox Brunner-Syndrom, Antisozialität
  3-Methoxy- 4-hydroxyphenyl- acetaldehyd   3,4-Dihydroxy- phenyl- acetaldehyd   3-Methoxy-4-hydroxyphenyl- glycolaldehyd   3,4-Dihydroxymandelaldehyd
H2O, NAD(P)+

NAD(P)H/H+

        ALDH (NAD(P)+) 1.2.1.5 Ox
  3,4-Dihydroxy- phenylacetat   3,4-Dihydroxy- mandelat
NAD(P)H/H+

NAD(P)+

  ADH (Co: Zn/Fe)

1.1.1.1 Ox

  3,4-Dihydroxy- phenylethylenglycol
SAM

SAH

      COMT 2.1.1.6 Tr
  Homovanillat

 

3-Methoxy-4-hydroxymandelat (Vanillinmandelsäure)
  3-Methoxy- 4-hydroxy- phenylethylenglycol
 
Der COMT-Hemmer Entacapon wird beim Morbus Parkinson eingesetzt.
 
Der reversible MAO-A-Hemmer Moclobemid hemmt v.a. den Noradrenalin- und Serotonin-Abbau und findet als Antidepressivum eine Anwendung.
 
Selegilin wirkt in Gliazellen als irreversibler MAO-B-Hemmer und hemmt v.a. den Dopamin-Abbau, Einsatz als Parkinson-Medikament.
 
Tranylcypromin hemmt MAO A und B irreversibel, Einsatz als Reservemittel bei Depressionen.

Für den Abbau der Katecholamine sind besonders zwei Enzyme von Bedeutung: Die in der äußeren Mitochondrienmembran lokalisierte Monoamino-Oxidase (MAO) und die Catechol-O-Methyltransferase (COMT). Daneben sind die Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH) und die Alkohol-Dehydrogenase (ADH) am Abbau beteiligt.

Aus der Tabelle werden 3 Abbauwege ersichtlich:

a) Dopamin, Noradrenlin und Adrenalin: 1. Methylierung, 2. Oxidative Deaminierung zum Aldehyd, 3. Oxidation zur Säure.

b) Dopamin, Noradrenlin und Adrenalin: 1. Oxidative Deaminierung zum Aldehyd, 2. Oxidation zur Säure, 3. Methylierung.

c) Noradrenalin und Adrenalin: 1. Oxidative Deaminierung zum Aldehyd, 2. Reduktion zum Alkohol, 3. Methylierung.

a) und b) unterscheiden sich nur in der Reihenfolge. In beiden Fällen resultiert aus der Oxidation des Aldehyds (CHO) eine Säure (COOH), in c) ergibt sich aus der Reduktion ein Alkohol (OH).

Der Dopaminabbau führt über a) oder b) zum Homovanillat, der Abbau von Noradrenalin und Adrenalin führt über a) oder b) zur Vanilinmandelsäure oder über c) zum 3-Methoxy-4-hydroxy-phenylethylenglycol.

Klinik: Der Verdacht auf ein Phäochromozytom, ein Katecholaminproduzierender Tumor des Nebennierenmarks, lässt sich durch Bestimmung der Metanephrine im Serum (erhöht), ggf. auch durch Nachweis einer gesteigerten Vanilinmandelsäureausscheidung im 24-Stunden-Urin erhärten.

Pharmakologie: Der Katecholaminabbau kann mit MAO- und COMT-Hemmern gebremst werden. Therapeutisch eingesetzt werden COMT-Hemmer (z.B. Entacapon) und MAO-B-Hemmer (z.B. Selegilin) beim Morbus Parkinson. MAO-A-Hemmer (z.B. Moclobemid) und unspezifische MAO-Hemmer (z.B. Tranylcypromin) wirken antidepressiv und antriebssteigernd, indem sie das Transmitterangebot an den Synapsen erhöhen.

Weblinks Bearbeiten



Allgemeine Hintergrundfarbe für Substrate Hintergrundfarbe Reaktionspfeile „Schlüsselenzyme“
Energiereiche Phosphate Reduktionsäquivalente CO2 / HCO3 C1-Reste Stickstoff

Abk.: Tr.: Transkriptionelle Regulation, Tl.: Regulation der Translation, Lok.: Regulation über die Enzymlokalisation, Kov.: Regulation durch kovalente Modifikation, All.: Allosterische Regulation, Koop.: Kooperativer Effekt, Co.: Cofaktoren, EC: Enzymklassifikation, EG: Enzymgruppe (Oxidoreductase, Transferase, Hydrolase, Lyase, Isomerase, Ligase), Erkr.: Assoziierte Erkrankungen.



 

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