Biochemie und Pathobiochemie: Nicotinat- und Nicotinamid-Stoffwechsel
Allgemeines
BearbeitenNikotinsäure (Niacin, Vitamin B3) ist als Bestandteil von Nicotinamid-adenin-dinucleotid(-phosphat), kurz NAD(P)+ an vielen Oxidoreduktase-Reaktionen in fast allen Stoffwechselwegen in der Zelle beteiligt. Die Ausgangsstoffe für die NAD-Synthese können z.T. aus dem Tryptophan-Stoffwechsel bezogen werden und sind damit semi-essentiell.
Biosynthese aus Tryptophan-Abbauprodukten
Bearbeiten⇓ | Subst. | ( ⇑ ) | Co. | Enzym | EC | EG | Erkr. | |||
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PRPP
CO2, PPi |
Chinolinat-Phosphoribosyltransferase (carboxylierend) | 2.4.2.19 | Tr | |||||||
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ATP
PPi |
1. 2. | AMP
H2O |
1) Nicotinamid-nucleotid-Adenylyltransferase | 2.7.7.1 | Tr | |||||
2) Nucleotid-Diphosphatase | 3.6.1.9 | Hyd | ||||||||
2) Deamino-NAD+-Nucleotidohydrolase | 3.6.1.22 | Hyd | ||||||||
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L-Glutamin, ATP, H2O
L-Glutamat, AMP, PPi |
NAD+-Synthase (Glutamin-hydrolysierend) | 6.3.5.1 | Lig | |||||||
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ATP
AMP |
1. 2. | Pi
H2O |
1) NAD+-Kinase | 2.7.1.23 | Tr | |||||
2) Phosphor-monoester-Hydrolase | 3.1.3.- | Hyd | ||||||||
oder | oder
NAD(P)+-Transhydrogenase (AB-spezifisch) |
1.6.1.2 | Ox | |||||||
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Der Nikotinsäure-Bestandteil von NAD+ wird zu 2/3 so wie oben dargestellt aus dem Tryptophan-Stoffwechsel bezogen, daher kann es nur bei einem kombinierten Niacin-Tryptophan-Mangel zu Unterversorgungserscheinungen kommen, z.B. bei sehr einseitiger Ernährung auf der Basis von Mais (Entwicklungsländer).
Biosynthese aus Niacin/Nicotinamid
BearbeitenEin zweiter Biosyntheseweg ist der so genannte 'Nicotinamide salvaging pathway', über den beim Abbau anfallendes oder auch mit der Nahrung aufgenommenes Niacin und Nicotinamid verwertet werden können. Man vermutet außerdem die Existenz einer Nicotinamid-Deaminase im menschlichen Stoffwechsel, die ein Gleichgewicht zwischen Niacin und Nicotinamid aufrechterhalten würde. Dies ist aber nicht zwingend notwendig, da beide Stoffe zum Nukleotid und anschließend zum Dinukleotid umgewandelt werden können.
⇓ | Subst. | ( ⇑ ) | Co. | Enzym | EC | EG | Erkr. | |||
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PRPP
PPi |
PRPP
PPi |
Nicotinat-Phosphoribosyltransferase | 2.4.2.11 | Tr | ||||||
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Die Biosynthese aus Nicotinamid läuft parallel zur Biosynthese aus Chinolinat und Nicotinat; der Unterschied besteht darin, dass die Amidogruppe nicht mehr hinzugefügt werden muss.
⇓ | Subst. | ( ⇑ ) | Co. | Enzym | EC | EG | Erkr. | |||
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PRPP
PPi |
PRPP
PPi |
Nicotinamid-Phosphoribosyltransferase | 2.4.2.12 | Tr | ||||||
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ATP
PPi |
1. 2. | AMP
H2O |
1) Nicotinamid-nucleotid-Adenylyltransferase | 2.7.7.1 | Tr | |||||
2) Nucleotid-Diphosphatase | 3.6.1.9 | Hyd | ||||||||
2) NAD+-Diphosphatase | 3.6.1.22 | Hyd | ||||||||
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Zum Abbau siehe: KEGG: Nicotinate and nicotinamide metabolism - Homo sapiens (human).
Biologische Funktionen
Bearbeiten- Nikotinsäure ist Bestandteil der wasserstoffübertragenden Coenzyme Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NAD+) und Nicotinamid-adenin-dinucleotid-phosphat (NADP+), die für zahlreiche Oxidoreduktasereaktionen benötigt werden. Die energiereiche Elektronen stammen überwiegend aus katabolen Prozessen wie z.B. der Glycolyse, dem Citratzyklus oder der β-Oxidation. Die Reduktionsäquivalente enthalten ebenso wie ATP chemische Energie, die für Reduktionen in Biosynthesen oder zur ATP-Regenerierung verwendet werden kann. NADH/H+ liefert seine Elektronen bevorzugt in die Atmungskette. NADPH/H+ stellt die Reduktionsäquivalente z.B. der Fettsäuren- und der Cholesterin-Biosynthese zu Verfügung. NADPH/H+ wird hauptsächlich im Hexosemonophosphatweg generiert, kann aber auch unter ATP-Verbrauch im Citrat-Malat-Pyruvat-Zyklus aus NADH/H+ gebildet werden.
NAD(P)+ kann mit seiner Nicotinsäureamid-Struktur formal zwei Wasserstoff-Atome (H) aufnehmen. Wasserstoff-Atome bestehen jeweils aus einem Proton (H+) und einem Elektron (e–). Nimmt NAD(P)+ 2 H-Atome (= 2 H+ + 2 e– = 1 Hydridion H– + H+) und damit 2 e– auf, dann entspricht dies einer Reduktion des NAD(P)+ zum NAD(P)H + H+ (und einer Oxidation und Dehydrierung des H-abgebenden Moleküls). Umgekehrt wird NAD(P)H + H+ oxidiert, wenn es seinen Wasserstoff an andere Moleküle abgibt, die dabei dann reduziert werden.
Das NAD(P)+-Molekül selbst bindet nur ein Hydridion H– (= 1 H+ + 2 e– bzw. 1 H + 1 e–), das überzählige Proton (H+) wird abgespalten. Umgekehrt gibt das NAD(P)H-Molekül ein Hydridion H– zusammen mit einem H+ aus der Umgebung ab, um 2 H-Atome zu übertragen.
⇓ | Subst. | ⇑ | Co. | Enzym | EC | EG | Erkr. | |||||
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2 H+, 2 e–
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2 H+, 2 e–
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Dehydrogenasen | 1.1.1.- | Ox | ||||||||
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Alternative Darstellung
⇓ | Subst. | ⇑ | Co. | Enzym | EC | EG | Erkr. | |||||
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2 H+, 2 e–
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2 H+, 2 e–
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Dehydrogenasen | 1.1.1.- | Ox | ||||||||
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Idem für NADP+
- Weiterhin spielt Niacin eine Rolle bei der ADP-Ribosylierung, in dem es den ADP-Ribose-Rest liefert. Einige bakterielle Toxine sind ADP-Ribosyltransferasen, z.B. das Choleratoxin.
- Weiterhin ist NAD+ der Lieferant von cyclo-ADP-Ribose, einem Aktivator des muskulären Ryanodinrezeptors.
Pathobiochemie
BearbeitenLeichtere Niacin-Mangelerkrankungen sind unspezifisch: Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen. Vollbild ist die Pellagra (pelle agra: rauhe Haut), sich durch die vier D auszeichnet: Diarrhoe, Dermatitis, Depression, Demenz. Ursachen sind einseitige Ernährung (Mais) oder Alkoholismus. Hypervitaminosen sind auch in hohen Dosen selten, Symptome sind Vasodilatation mit Hitzegefühl (Flush), Hauterscheinungen (Pruritus, Exanthem), Magen-Darm-Probleme, Leberschädigung.
Literatur
Bearbeiten- Magni G, Di Stefano M, Orsomando G, Raffaelli N, Ruggieri S. “NAD(P) biosynthesis enzymes as potential targets for selective drug design”. Curr. Med. Chem., 16:1372–90, 2009. PMID 19355893.
- Magni G, Amici A, Emanuelli M, Raffaelli N, Ruggieri S. “Enzymology of NAD+ synthesis”. Adv. Enzymol. Relat. Areas Mol. Biol., 73:135–82, xi, 1999. PMID 10218108.
- Magni G, Orsomando G, Raffelli N, Ruggieri S. “Enzymology of mammalian NAD metabolism in health and disease”. Front. Biosci., 13:6135–54, 2008. PMID 18508649.
- Ciampricotti R, el Gamal MI. “Unstable angina, myocardial infarction and sudden death after an exercise stress test”. Int. J. Cardiol., 24:211–8, August 1989. PMID 2504674.
- Bogan KL, Brenner C. “Nicotinic acid, nicotinamide, and nicotinamide riboside: a molecular evaluation of NAD+ precursor vitamins in human nutrition”. Annu. Rev. Nutr., 28:115–30, 2008. DOI:10.1146/annurev.nutr.28.061807.155443. PMID 18429699.
Weblinks
Bearbeiten- KEGG: Nicotinate and nicotinamide metabolism - Homo sapiens (human)
- reactome.org: Nicotinate metabolism
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