Pharmakologie und Toxikologie: Toxikologie
Lungenreizstoffe
BearbeitenLungenreizstoffe reizen die Schleimhäute von Bindhaut, Nase, Rachen, Kehlkopf und tiefen Atemwegen. Je lipophiler die Stoffe sind, desto tiefer gelangen sie in den Respirationstrakt.
Beispiele: Ammoniak, Brom, Chlor, Chlorwasserstoff, CN, CS, Fluorgas, Formaldehyd, nitrose Gase (NOx), Ozon, Phosgen, Schwefeldioxid (SO2).
Erstickungsgase
BearbeitenEinteilung:
Substanzen: | Mechanismus: |
Äußere Erstickung: | |
N2, Methan, Ethan, Propan, Butan u.s.w. | Verdrängung von Sauerstoff aus der Luft, sinkender Luftsauerstoffgehalt |
Innere Erstickung: | |
CO | Bildung von CO-Hb |
Aromatische Amine (Anilin, Nitrobenzol), Nitrite, Nitrate, Salpetersäure, Primaquin, Sulfonamide | Bildung von MetHb |
H2S, HCN | Blockade der Cytochrom c-Oxidase |
Kohlenmonoxid (CO)
BearbeitenEigenschaften: CO ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas ohne Reizwirkung und hat etwa das spezifische Gewicht der Luft. Es entsteht bei unvollständiger, d. h. unter ungenügender O2-Zufuhr stattfindender Verbrennung kohlenstoffhaltiger Verbindungen.
Vorkommen: Autoabgase, Brände, defekte Heizanlagen, offene Feuerstellen, Eisenhüttenwerke, Gießereien, Gaswerke, Generatorenanlagen.
Aufnahme: inhalativ
W.: CO bindet mit etwa 300fach höherer Affinität an Hämoglobin als Sauerstoff -> Sauerstoffmangel, innere Erstickung! Eine lang andauernde Einwirkung kleinerer CO-Dosen kann gesundheitsschädigender sein als eine kurze Einwirkung höherer CO-Dosen. Geschädigt werden bes. O2-empfindliche Organe wie Gehirn, Herz, Leber und Nebenniere. Die Mikrozirkulation ist gestört.
- Kohlenoxidhämoglobin (COHB) von > 50 % -> Bewußtseinsverlust, Dyspnoe, Krämpfe, rascher Tod durch Hypoxie.
- COHb-Gehalt von ca. 20 - 50 % -> Kopfschmerzen, Schwindel, Brechreiz, Benommenheit, Ohrensausen, Herzklopfen, Schwäche, Apathie, evtl. Erregungszustände, Krämpfe, Bewustseinsverlust. Weiterhin Tachykardie, unregelmäßige Atmung, hellrote, gelegentlich leicht zyanotische Gesichtsfarbe. Evtl. Koma, Atemlähmung, Herzversagen.
- Folgezustände und Spätschäden (CO-Nachkrankheit): Nervöse und psychische Störungen, Herz- und Gefäßveränderungen, Verdauungsstörungen, Parkinsonoid, Erblindung, zerebrale Ausfallserscheinungen. (In der Regel keine Spätschäden nach CO-Einwirkung sind Polyneuritis, Epilepsie, Bluthochdruck und Arteriosklerose.)
- Längere CO-Einwirkung geringer Dosen („Intoxikation lente“, subakute „Angiftung“) -> Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Reizbarkeit.
Th.: Eigenschutz beachten! Bergung durch die Feuerwehr! 100% Sauerstoff, i.v.-Zugang, Überwachung, symptomatische Behandlung.
Weblink: Merkblatt zur BK Nr. 1201: Erkrankungen durch Kohlenmonoxid
Schwefelwasserstoff (H2S)
BearbeitenEigenschaften: H2S ist ein farbloses, brennbares, im Gemisch mit Sauerstoff explosionsfähiges Gas. Etwas schwerer als Luft, wasserlöslich. Geruch nach faulen Eiern, Schädigung der Geruchsempfindung! Fäulnisprodukt!
Vorkommen: Brunnenschächte, Jauchegruben, Abwasserkanäle, Schlammböden, Faulgruben von Abdeckereien und Gerbereien, Friedhofsgrüfte, Abwässer von Zuckerfabriken, Gelatinefabriken, Kohlegruben, Gips- und Schwefelbergwerke. Auftreten auch in vulkanischen Gegenden, Hochöfen, Erdölraffinerien, Gaswerken, Kokereien, Viskoseindustrie (Zellwoll-, Zellglas-, Kunstseideherstellung)
Aufnahme: inhalativ, geringfügig transkutan
W.:
- Schleimhautreizende Alkalisulfide (Augen, Nase, Rachen).
- Nach Resorption evtl. Blockade von Metalloenzymen -> Behinderung der intrazellulären Atmung.
- Oxidationsschäden im zentralen und evtl. auch peripheren Nervensystem.
Krankheitsbilder:
- Sehr hohe Konzentration -> Kurzfristig zentrale Atemlähmung (ähnl. Zyanidvergiftung). Davor evtl. noch starke Reizsymptome an Augen und Atemwegen, Atemnot und Bewußtseinsverlust.
- Geringere bis mittlere H2S-Konzentrationen -> Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Salivation, Brechreiz, Metallgeschmack, Appetitlosigkeit, Diarrhoe und Gewichtsabnahme. Ferner Konjunktivitis, Keratitis, bronchopneumonische Prozesse, Parkinsonoid, Asphyxie, Krämpfe und Bewußtlosigkeit.
Weblink: Merkblatt zur BK Nr. 1202: Erkrankungen durch Schwefelwasserstoff
Blausäure (HCN), Zyanide
BearbeitenSäuren und Laugen
BearbeitenMedikamente
BearbeitenPflanzengifte
BearbeitenRizin
BearbeitenChemie: Protein (AB-Toxin), hydrophil, stabil.
Vork.: Rizinus communis (Wunderbaum). Vergiftung durch Genuss der Samen oder Fremdbeibringung. Rizinusöl, das aus den Castor-Bohnen gewonnen wird ist ungiftig.
W.: Wirkt als RNA-N-Glycosidase und inaktiviert Ribosomen.
Krankheitsbild: Hämorrhagische Gastroenteritis, Nephritis, Hämolyse, fettige Leberzelldegeneration, MOV und Tod.
Letaldosis: Ca. 1 mg.
Bekannt geworden durch das „Regenschirmattentat“ 1978 in London am bulgarischen Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markov, vermutlich durch einen Agenten des damaligen bulgarischen Geheimdienstes. Rizin fällt unter die Biowaffen- und die Chemiewaffenkonvention.
Th.: Symptomatisch
Pilzgifte
BearbeitenBakteriengifte
BearbeitenDrogen
BearbeitenTabak (Rauchen)
BearbeitenEp.: 17 Millionen Deutsche rauchen, 140.000 Tote in Dtl. pro Jahr durch Rauchen, 1/3 der Raucherinnen raucht in der Schwangerschaft. 30% der Karzinome sind durch Rauchen bedingt.
Wirksame Inhaltsstoffe[1]: Nikotin ist für die Suchterzeugung maßgeblich, aber nicht für die organische Schädigung.
- K1 - Kanzerogen: Teer, Schwermetalle, Nitrosamine, Nickel (Ni), Hydrazin (H2N-NH2), Vinylchlorid (CH2=CHCl), Benzol, Benzypren, Polonium 210, Initiatoren (Dibenzacridin), Promotoren (s-Methylcholanthren, Furfural, Hydrochinon, Phenol, Kresol), weiterhin Benzopyren, Arsenverbindungen, Nickelkomplexe, Zinkoxid, Plutonium, Thorium, Dibenzanthrazen, Benzofluranthren, Dibenzpyren, Benzanthrazen, Chrysen, Dioxine, Indenopyren, Benzphenanthren, Methylbenzopyren, Methylchrysen, 7H-Dibenzcarbazol, Dimethylnitrosamin, N-Nitrosamine, N-Nitrosodimetylamin, 4-Aminobiphenyl, Betanaphtylamide.
- K2 - Kanzerogen-verdächtig: Formaldehyd (HCHO), Anilin (C6H5NH2), Blei (Pb), Cadmiumchlorid (CdCl2), Akrolein, Cadmiumverbindungen, N-Nitrosonornikotin, N-Nitrosopyrrolidin. Weiterhin Dimethylnitrosamin, N-Dimethylamin, Methylnitrosamin, N-Ethyl-N-Methylnitrosamin, N-Diethylnitrosamin, N-Dimethylnitrosamin.
- K3 - Giftig: Nikotin (C10H14N2), Kohlenmonoxid (CO), Toluol (C6H5-CH3), Acetaldehyd (CH3CHO), Blausäure (HCN), Cyanid (CN-), Zink (Zn), Pyridin, Phenole.
- K4 - Reizend: Ammoniak (NH3), Stickoxide
- K5 - Sonstige: Kohlendioxid, Zucker, Stäube, ...
- Weitere (K?) - Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs), 4-(N-Methyl-N-Nitrosamin)-1-(3-pyridil)-1-Butanon, N-Nitrosoanatabin, Chinolin
Risiken und Folgeerkrankungen (viele auch durch Passivrauchen!):
- Reduzierte Lebenserwartung (im Schnitt 10 Jahre), vorzeitige Erkrankungen und Invalidität
- Atemwegserkrankungen: Chronische Sinusitis, Otitis media, Pharyngitis, Laryngitis, Tracheitis, COPD, Emphysem, Bronchiolitis, Verstärkung eines Asthma bronchiale. Verminderte Lungenfunktion. Mehr Infekte. Auch und bes. bei passivrauchenden Kindern.
- Atherosklerose und Herzkreislauferkrankungen: Impotenz, KHK und Herzinfarkt, Arrhythmien und plötzlicher Herztod (PHT), Schlaganfall, pAVK („Raucherbein“)
- Karzinome: Mundhöhlen-, Pharynx-, Larynx-, Trachea-, Bronchialkarzinome, Ösophagus-, Magenkarzinome. Auch erhöhtes Risiko für Pankreas-, Harnblasen-, Nieren-, Zervixkarzinome und Leukämie.
- Schwangerschaft: Minderversorgung des Kindes (Gefäßkontraktion Plazenta), Wachstumsretardierung, erhöhtes Mißbildungs-, Frühgeburt- und Abortrisiko, postnatales Entzugssysndrom, Verdopplung des Risikos für plötzlichen Kindstod (SIDS), die Kinder werden später eher zu RaucherInnen[2], verzögerte körperliche und geistige Entwicklung, erhöhtes Krebsrisiko im späteren Leben.
- Infektanfälligkeit, Störung der Wundheilung: Nach operativen Eingriffen und Zahnextraktion mehr Nachblutungen, Wundinfektionen und andere Störungen der Wundheilung.
- Bei einer Strahlentherapie verschlechtert Rauchen den Behandlungserfolg (mehr COHb -> weniger O2 im Tumor -> weniger ROS-Bildung im Tumor -> geringere Schädigung der Tumorzellen).
- Sonstiges: Vorzeitige Hautalterung (neben UV-Licht (Solarium, Sonnenbaden)), Parodontose, Sodbrennen, Gastritis und Magenulzera, Störung von Geruchs- und Geschmackssinn, Wechselwirkungen mit Medikamenten, Vitaminen, Alkohol, Giftstoffen (Asbest!), Fertilitätsstörungen.
Akute Vergiftung: Nikotin ist ein starkes Nervengift, Kinder können nach dem Verzehr von wenigen Zigaretten sterben. Nikotin wird auch über die Haut aufgenommen, daher ist das Herstellen von Nikotinextrakten (z.B. als Insektenvertilger) keinesfalls empfehlenswert.
Quellen
Bearbeiten- ↑ http://www.sprechzimmer.ch/sprechzimmer/Fokus/Nikotinsucht/Fakten/Inhaltsstoffe_einer_Zigarette.php
- ↑ Al Mamun A et al. “Does maternal smoking during pregnancy predict the smoking patterns of young adult offspring? A birth cohort study”. Tobacco Control, 15:452-457, 2006. DOI:10.1136/tc.2006.016790.
Weblinks
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