Pharmakologie und Toxikologie: Parasympathikus
Übersicht Acetylcholinsystem Bearbeiten
Rezeptor/Subtyp | Signal- transduktion | Wirkung | Agonist | Anwendung/Rolle | Antagonist | Anwendung/Rolle | |
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Präsynaptische ACh-Freisetzung | ACh -> Muskelkontraktion | Botulinumtoxin | Lebensmittelvergiftung, Anw.: fokale Dystonien, "Falten" | ||||
N (Muskel) | Ionenkanal | Aktionspotential Muskel | Suxamethonium
(Depol. Muskelrelaxans) |
Muskelrelaxierung | Curare und Derivate
(Nicht-depol. Muskelrelaxantien) |
Muskelrelaxierung | |
N (Ganglion) | Ionenkanal | Aktionspotential Nerv | Nikotin
Vareniclin (Partialagonist) |
Sucht
|
(Hexamethonium) | (nicht mehr verwendet) | |
Muskarin- rezeptoren | M1, M3, M5 | Gq/11 -> IP3/DAG↑ |
Parasympathikus↑ | Direkte Parasympatho- mimetika (z.B. Muskarin, Pilocarpin) | Postoperative Darmatonie, Glaukom | Parasympatholytika (z.B. Atropin, Scopolamin, Ipratropium, Biperiden, Pirenzepin, Tropicamid) | Vagusdämpfung z.B. vor Intubation, Kinetosen, Asthma bronchiale, Parkinsonsyndrom, als Mydriatikum |
M2, M4 | Gi/0 -> cAMP↓ | ||||||
ACh-Esterase | Aufhebung der ACh-Wirkung | Indirekte Parasympathomimetika (z.B. Physostigmin, Neostigmin)
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Darmatonie, Myasthenia gravis, Antidot (Decurarisierung), Glaukom.
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Cholinergika Bearbeiten
Das cholinerge System läßt sich durch Muskarinrezeptoragonisten (direkte Parasympathomimetika) und ACh-Esterase-Hemmer (indirekte Parasympathomimetika) stimulieren. Letztere erhöhen auch die ACh-Konzentration an der Muskelendplatte. Für die pharmakologische Wirkung ist das Amin verantwortlich. Moleküle mit tertiärem Amin sind ZNS-gängig, Moleküle mit quartärem Amin dagegen kaum.
Wirkungen und Anwendungen von Cholinergika:
- Auge: Miosis -> Erweiterung des Kammerwinkels, Anw.: Glaukombehandlung
- GIT: Förderung der Peristaltik, Anw.: postoperative Magendarmatonie
- Schweißdrüsen: Förderung der Schweißsekretion, Anw.: Schweißtest bei Mukoviszidose
- Skelettmuskel: Erhöhung der ACh-Konzentration an der Muskelendplatte (ACh-Esterase-Hemmer), Anw.: Myasthenia gravis
- Gehirn: Erhöhung der ACh-Konzentration (ACh-Esterase-Hemmer), Anw.: Morbus Alzheimer
- Antidot: Physostigmin antagonisiert die Wirkung von Atropin, Anw. von Neostigmin und Pyridostigmin zur Decurarisierung
Unerwünschte Nebenwirkungen:
- Bradykardie, Blutdruckabfall
- Auslösung eines Asthmaanfalls
- Diarrhoe, Ulkus
- Harndrang
- Beeinträchtigung der Fernakkomodation und des Dämmerungssehens
- Hypersalivation
- Schwitzen
Muskarinrezeptoragonisten - Direkte Parasympathomimetika Bearbeiten
Acetylcholin Bearbeiten
Wegen der kurzen Halbwertszeit nicht verwendbar.
Muskarin Bearbeiten
Vorkommen in Fliegenpilzen und als Hauptalkaloid in Rißpilzen (Inocybe).
Quartäres Amin. Keine therapeutische Bedeutung.
Arecolin Bearbeiten
Hauptalkaloid in den Samen der Betelnußpalme (Areca catechu).
Tertiäres Amin, euphorisierende Wirkung, keine therapeutische Bedeutung.
Pilocarpin Bearbeiten
Vorkommen in südamerikanischen Pilocarpus-Bäumen.
Tertiäres Amin, ZNS-Wirkungen. Besonders schweißtreibend und speichelflussanregend.
Anw.: Glaukom
Carbachol/Bethanechol Bearbeiten
Carbaminsäureester des Cholins. Resistent gegen Cholinesterasen, daher langsamer Abbau im Organismus.
Anw.: Glaukom, Magendarmatonie
Cholinesterase-Hemmer - Indirekte Parasympathomimetika Bearbeiten
Übersicht:
- Nichtveresternde Inhibitoren: Edrophonium, Donepezil, Tacrin -> reversible Reaktion
- Carbamylierende Inhibitoren (Carbamate): Physostigmin, Neostigmin, Pyridostigmin -> Regeneration in wenigen Stunden
- Phosphorylierende Inhibitoren (Alkylphosphate): Parathion (E605), Fluostigmin, Kampfgase (Tabun, Sarin, VX) -> Regeneration nach Tagen
Vergiftung:
Nicht selten, da Carbamate und Alkylphosphate (mittlerweile verboten) als Insektizide breite Verwendung finden. Kombinierte Muskarin-/Nikotinvergiftung. Der Tod tritt ein durch:
- Atemstörung durch Bronchospasmus und starke Bronchialsekretion (M)
- Depolarisationsblock der muskulären Übertragung (N)
- zentrale Atemlähmung
Th.:
- Atropin bei Carbamaten und Alkylphosphaten
- Oxime (z.B. Obidoxim) bei Alkylphosphaten, diese reaktivieren die ACh-Esterase
Selbstschutz beachten, Alkylphosphate werden transkutan resorbiert.
Physostigmin Bearbeiten
Vorkommen im Samen von Physostigma venenosum (Calabarbohne).
Tertiäres Amin, ZNS-gängig.
Anw.: Glaukom, Antidot bei Atropinvergiftung.
Neostigmin, Pyridostigmin Bearbeiten
Quartäre Amine, nicht ZNS-gängig.
Anw.: Decurarisierung, postoperative Magendarmatonie.
Antidementiva Bearbeiten
Anticholinergika Bearbeiten
Syn.: Muskarinrezeptorantagonisten, Parasympatholytika
Wirkung/Nebenwirkung:
Mydriasis mit erschwertem Kammerwasserabfluss, Akkomodationsstörungen, Senkung des Tonus der glatten Muskulatur (Gallenwege, Harnwege, Bronchien) und der Sekretion (Magensäure), Harnverhalt, Mundtrockenheit, vermindertes Schwitzen (M-Rezeptoren), Herzfrequenzanstieg
Vergiftung:
- peripher: Mydriasis, Akkomodationstörungen, Haut trocken und rot, Hyperthermie, Harnverhalt, Tachykardie
- zentral: Unruhe, Erregung (Atropin) oder Sedierung (Scopolamin), Halluzinationen, Krämpfe, Atemdepression, Koma
Merke: "heiß, rot, trocken, blind und verrückt"
DD.: Sympathikusaktivierung, Unterscheidungsmerkmal: Schwitzen (sympathische cholinerge Innervation)
Pflanzliche Alkaloide Bearbeiten
Vorkommen: Tollkirsche (Atropa belladonna), Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), Stechapfel (Datura stramonium).
Bestandteile der Tollkirsche wurden früher in Form von "Asthmazigaretten" verwendet (bronchodilatatorisch). Bilsenkraut wurde im Mittelalter dem Bier zugesetzt, das Pilsner soll darüber zu seinem Namen gekommen sein.
Atropin Bearbeiten
Anw.: Sinusbradykardie, AV-Block, als Antidot bei Parasympathomimetika-Intoxikationen, konjunktival zur Augendiagnostik, Spasmolytikum für den Magen-Darm-Trakt, ferner zur Narkoseprämedikation.
Scopolamin Bearbeiten
Anw.: als Transdermales Therapeutisches System (TTS, Pflaster) bei Seekrankheit (Übelkeit)
Quartäre Verbindungen Bearbeiten
Butylscopolamin Bearbeiten
Anw.: Spasmen des Magendarmtraktes, Gallenkolik, Nierenkolik
Ipratropium Bearbeiten
Anw.: als inhalatives Bronchospasmolytikum bei Asthma, Sinusbradykardie, AV-Block
Pirenzepin Bearbeiten
Anw.: Gastritis, Magenulcus
Mydriatika Bearbeiten
Homatropin, Tropicamid, Cyclopentolat
Anw.: zur Augenspiegelung
Anticholinergika bei Parkinson und cholinergem Syndrom Bearbeiten
Benzatropin, Biperiden, Trihexylphenidyl, Metixen
Tertiäre Verbindungen
Durch den Untergang der dopaminergen nigrostriatalen Bahnen und den Dopaminmangel am hemmenden D2-Rezeptor der postsynaptischen Membran kommt es zur Enthemmung der nachgeschalteten cholinergen striatalen Neurone. Die ZNS-gängigen Anticholinergika schwächen die übermäßige ACh-Wirkung ab und bessern die cholinergen Symptome.
Ein akutes zentrales cholinerges Syndrom (Dyskinesien, Zungenschlundkrämpfe) durch D2-Rezeptorantagonisten (Neuroleptika, Metoclopramid) kann mit Biperiden antagonisiert werden.