Pharmakologie und Toxikologie: Lösungsmittel und Pestizide
Lösungsmittel und Pestizide
BearbeitenLösungsmittel sind Substanzen, die fettlösliche Stoffe in wasserlöslichen lösen, ohne sich dabei selbst chemisch zu verändern. Sie sind meist flüchtig und besitzen lipophile und hydrophile Anteile.
Beispiele für Substanzen:
- Alkohole: Methanol, Ethanol, 2-Methoxyethanol
- Ketone: Butanon-2, 2-Hexanon
- Aliphatische Kohlenwasserstoffe: Heptan
- Aromatische Kohlenwasserstoffe: Benzol, Toluol, Xylol, Styrol
- Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe: Dichlormethan, 1,1,1-Trichlorethan, Trichlorethen, Tetrachlorethen, Trichlorethylen
- Halogenierte aromatische Kohlenwasserstoffe: TCDD, PCDD, PCDF, polychlorierte Biphenyle, DDT, PCP
- meist Gemische
Besonders wirksam/giftig sind halogenierte Kohlenwasserstoffe (bes. bei Chlorierung oder Bromierung), diese finden Verwendung als Lösungsmittel, Gefriermittel, Pestizide und als volatile Anästhetika.
Aufnahme: meist inhalativ, auch dermal (Vorsicht: „Hautschutzcremes“ erhöhen die Resorption!), akzidentell auch peroral
W.: unspezifische Membranwirkung, Rezeptorwirkung, Störung von Enzymen, Bildung von Epoxiden und ROS.
Akute Wirkungen (je nach Substanz variabel):
- neurotoxisch: Pränarkotisches Syndrom (Schwindel, Euphorie, Bewusstseinsstörungen, Rausch), das sich nach Expositionsende und Frischluftzufuhr binnen kürzester Zeit zurückbildet. Es können weiterhin Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Gedächtnisstörungen, Sehstörungen, Krämpfe und weitere schwerwiegende psychiatrische Symptome auftreten. Bei starker Exposition können Lähmungen, Koma und zentrales Atemversagen folgen.
- hepatotoxisch
- nephrotoxisch
- kardiotoxisch: Sensibilisierung gegenüber Katecholaminen -> Nicht beherrschbare HRST. Cave bei Therapie, bei V.a. auf Lösungsmittelvergiftung keine Katecholamine geben!
- dermatotoxisch: reizend, entfettend -> irritativ-toxisches Kontaktekzem
- Erfrierungen (Verdunstungskälte)
Chronische Wirkung:
- Alkoholunverträglichkeit, Wahrnehmungsstörungen
- Chronisch-toxische Enzephalopathie (CTE)
- Chronisch-toxische Polyneuropathie (meist symmetrisch sensibel)
- Multiorganschaden
Alkohole
BearbeitenMethanol
BearbeitenVorkommen: Lösungsmittel, Frostschutz
Metabolismus: Methanol -ALD-> Formaldehyd -ALDH-> Ameisensäure -Folat-> CO2, H2O
Akutwirkung: Sehstörungen bis hin zur Erblindung, Azidose (Kussmaul-Atmung), Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie
Wirkung chronisch: Sehstörungen, TEP, PNP, Parkinsonoid
Th. der akuten Intoxikation:
- Hemmung der Methanoloxidation durch Hemmung der ALD und ALDH: Gabe von Fomepizol oder Ethanol (therapeutischer Zielwert 1 Promille über mehrere Tage).
- Ausgleich von pH-Verschiebungen: Natriumhydrogencarbonat, Trispuffer
- Elimination der Ameisensäure: Folsäure hochdosiert
- Ggf. Hämodialyse
Aromatische Kohlenwasserstoffe
BearbeitenBenzol
BearbeitenVorkommen: Benzin, früher als Lösungsmittel
W.: neurotoxisch, hämatotoxisch (Knochenmarkschädigung), kanzerogen
Styrol
BearbeitenVorkommen: Lösungsmittel, Polystyrolherstellung
W.: neurotoxisch, hepatotoxisch
Toluol
BearbeitenVorkommen: Farben, Klebstoffe, Druckerei
Oft mit Benzol verunreinigt!
W.: neurotoxisch
Xylol
BearbeitenVorkommen: Maler, Druckerei, Labor
W.: neurotoxisch
Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe
BearbeitenDichlormethan
BearbeitenVorkommen: Abbeizer
W.: neurotoxisch, HRST, intrinsische CO-Bildung (Metabolisierung)
Trichlorethylen (TRI)
BearbeitenVorkommen: Metallentfettung, Extraktionsmittel
W.: neurotoxisch -> Seh- und Hörstörungen, Korsakow-ähnliches Syndrom, Hirnnervenentzündung. TRI-Sucht. Nierenkarzinome.
Vinylchlorid (Monochlorethen)
BearbeitenVorkommen: PVC-Herstellung (PVC ist ungiftig, nur das gasförmige Monomer ist toxisch!)
Krankheitsbilder:
- Hirn- und Nervenschäden
- Sklerodermie, sekundäres Raynaud-Syndrom, Akroosteolysen
- Splenomegalie, Hypersplenismus mit Thrombozytopenie
- Leberfibrose, Leberzirrhose, HCC, Hämangiosarkom der Leber (Signaltumor!)
γ-Hexachlorcyclohexan (HCH, Lindan)
BearbeitenZyklisch, aber nicht aromatisch. Vorkommen u.a. in Holzschutzmitteln.
W.: neurotoxisch, K4, chronisch auch leber- und nierenschädigend.
Halogenierte aromatische Kohlenwasserstoffe
BearbeitenTrias: Chlorakne (2 bis 4 Wochen nach Exposition), Hepatitis, neurologische Symptome!
2,3,7,8 TCDD (Tetrachlordibenzodioxin)
BearbeitenVorkommen: Keine gezielte Herstellung. Auftreten als Verunreinigung in der Industrie und bei der unvollständigen Verbrennung chlorhaltiger Stoffe.
Verwandte Substanzen: Andere PCDD (polychlorierte Dibenzo-p-dioxine) und PCDF (polychlorierte Dibenzofurane).
Eigenschaften: Fettlöslich, reaktionsträge und umweltstabil, Akkumulation in der Nahrungskette und im Fettgewebe. 2,3,7,8 TCDD ist die giftigste organische Verbindung.
W. akut: Mucositis, Chlorakne, Bronchitis und Lungenödem, Fieber und Allgemeinsymptome, Leberversagen, epileptische Anfälle, Koma, Exitus letalis
W. chronisch: Chlorakne, Transaminasenerhöhung, Immundefekte, PNP, TEP, erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, Schilddrüsenunterfunktion, teratogen, Tumorpromotion (K4)
Umweltkatastrophen: Seveso (1976), im Vietnamkrieg als Verunreinigung im Agent Orange (Herbizid).
PCB (Polychlorierte Biphenyle)
BearbeitenDioxin-ähnliche Substanzen, gezielt hergestellt, lipophil, Anreicherung im Fettgewebe und in der Nahrungskette, gering toxisch (hohe LD50), 1989 in Deutschland verboten.
W. ähnlich den Dioxinen: Schädigung von Hirn, Leber, Bronchien, Chlorakne, Pigmentverschiebungen und Haarausfall, hormonelle Störungen, teratotoxisch, nur gering kanzerogen (K3b).
DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan)
BearbeitenAnreicherung im Organismus und in der Nahrungskette. Anwendung als Anti-Mückenmittel (Besprühen der Hausinnenwände) in Malariegebieten.
PCP (Pentachlorophenol)
BearbeitenVorkommen: Fungizid in Holzschutzmittel. Anreicherung im Organismus und in der Nahrungskette.
W.: Störung von Phosphorylierungsprzessen -> Stoffwechselentgleisung.
Hinweis: Nicht identisch mit der Droge PCP (Phencyclidin).
Organophosphate
BearbeitenPestizide: Parathion (E605), Dichlorvos, Chlorpyriphos
W.: Irreversible Hemmung der Acetylcholinesterase -> Cholinerges Syndrom, Muskelkrämpfe
Antidot: Atropin!
Weblinks
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