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Konvexität und Stetigkeit


Differentiation der Sinusfunktion Bearbeiten

Da die Sinusfunktion üblicherweise geometrisch definiert ist, ist eine exakte Berechnung ausschließlich mit Methoden der Analysis nicht möglich. Je nachdem, welche geometrischen Eigenschaften vorausgesetzt werden, gibt es unterschiedliche Zugänge zur Differentiation der Sinusfunktion.

Berechnung der Ableitung mit Bogenlänge Bearbeiten

Setzt man den Begriff der Bogenlänge als bekannt voraus, so lässt sich die Ableitung der Sinusfunktion mit Hilfe der Definition des Sinus am Einheitskreis berechnen, wobei der Winkel zweckmäßigerweise im Bogenmaß angegeben wird.

 
Ableitung Sinus

Aus der Skizze kann man folgende Zusammenhänge erkennen.   ist das Bogenmaß zum Sinuswert. Im Einheitskreis ist

 

Ändert sich der Bogen   um das Maß  , so ergibt sich auch das Maß  . Denkt man sich   gegen Null gehend, so ergeben sich zwei ähnliche Dreiecke ABC und EDC. Setzt man diese ins Verhältnis, so erhält man

 

Da

 

ist und

 

die Ableitung ist, ergibt sich als Lösung

 .

Berechnung der Ableitung mit Flächen Bearbeiten

Obige Berechnung der Ableitung beruht auf dem nicht elementaren Begriff der Bogenlänge; es ist nicht so einfach zu zeigen, dass die Länge des Kreisbogens   einfach durch die Länge der Sehne   angenähert werden darf. Eine andere Berechnung der Ableitung der Sinusfunktion, die auf Flächenüberlegungen beruht, vermeidet dieses Problem. Für diesen Zugang interpretiert man den Winkel als doppelten Flächeninhalt des zugehörigen Sektors am Einheitskreis, analog zu den Umkehrfunktionen der Hyperbelfunktionen. Numerisch ist das zwar derselbe Wert wie das Bogenmaß, diese Interpretation vermeidet aber die Problematik der Bogenlänge.


Zunächst folgt aus  , dass

 ,

also wegen der Stetigkeit der Kosinusfunktion

 ,

es reicht also, den Grenzwert

 

zu berechnen.

 
sin x < x < tan x

Betrachtet man in nebenstehender Abbildung die Punkte   und   und ist   in Bogenmaß gegeben, so hat das Dreieck   (rote Fläche) den Flächeninhalt  , der Kreissektor   (rote plus orange Fläche) den Flächeninhalt  , und das Dreieck   (rote plus orange plus gelbe Fläche) den Flächeninhalt   Da eine Fläche jeweils die vorige umfasst, gilt erstens

 , also  ,

und zweitens

 , also  ,

insgesamt also

 

und daher

 .

Für die Ableitung der Sinusfunktion ergibt das

 .

Analytische Berechnung der Ableitung mit der Bogenlänge Bearbeiten

Mit der Bogenlänge lassen sich Sinus und Kosinus analytisch definieren: (siehe Herleitung)

 

sowie

 .

Aus der Quotientenregel und der Kettenregel folgen dann

 
 

sowie

 
 .

Berechnung der Ableitung aus den Additionstheoremen Bearbeiten

Leopold Vietoris hat im September 1956 auf dem vierten österreichischen Mathematikerkongress in Wien eine Berechnung der Ableitung der Sinusfunktion vorgestellt, die im Wesentlichen nur die Additionstheoreme und Monotonie und Stetigkeit der Sinus- und Kosinusfunktion benötigt. Sei   ein Winkel mit  . Dann folgt aus mehrmaliger Anwendung der Additionstheoreme

 .

Setzt man

 ,
  und
 ,

so lässt sich leicht zeigen, dass

 

gilt. Daher konvergiert die Folge  , und für den Grenzwert   gilt

 .

Die Folge   konvergiert somit ebenfalls und der Grenzwert   erfüllt   und  . Aus der Stetigkeit der Kosinusfunktion bei   folgt, dass   der Cauchyschen Funktionalgleichung genügt:

 
 

Da   monoton steigend ist, ist   ebenfalls monoton steigend und hat daher als monotone Lösung der Cauchyschen Funktionalgleichung notwendigerweise die Form

 ,

wobei   eine Konstante   ist. Es gilt also  . Aus   folgt   und daher

 

weil die Sinusfunktion ungerade ist. Daraus folgt

 .

Welche Bedeutung hat nun die durch den Grenzwert

 

definierte Konstante  ? Wie sich geometrisch zeigen lässt, ist

 

der Umfang des dem Einheitskreis eingeschriebenen regelmäßigen  -Ecks und

 

der Flächeninhalt. Analytisch wurde bereits gezeigt, dass diese Folgen konvergieren; geometrisch anschaulich sind die Grenzwerte Umfang bzw. Fläche des Einheitskreises. Mit der geometrischen Definition der Kreiszahl   gilt also

  sowie
 .

Es gilt also

 .

Dieser Grenzwert lässt sich als analytische Definition von   verwenden, wobei zu beachten ist, dass die dabei verwendete Folge die genaue Kenntnis der Sinusfunktion nicht voraussetzt, da sie wegen

 

mit einer einfachen Rekursionsformel darstellbar ist.

Definiert man das Winkelmaß so, dass dem gestreckten Winkel   der Wert   entspricht, misst man also im Bogenmaß, so gilt für den Sinus

Fehler beim Parsen (SVG (MathML kann über ein Browser-Plugin aktiviert werden): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „http://localhost:6011/de.wikibooks.org/v1/“:): {\displaystyle \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}x}\sin x = \cos x} .

Literatur Bearbeiten

  • Leopold Vietoris, Vom Grenzwert  . Elemente Math. 12 (1957).

Wikipedia-Verweis Bearbeiten