Quadriviale Kuriositäten
Dieses Buch steht in den Regalen Mathematik, Astronomie und Musik.
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Diese Einleitungsseite dient als Vermittlungsstelle zu interessanten Kuriositäten der Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik, über die in verschiedenen Büchern und Kapiteln auf Wikibooks nachgelesen werden kann. Nach kurzer Vorrede über die Bedeutung des Titels werden die entsprechenden Inhalte übersichtlich präsentiert.
Vorrede
BearbeitenNeue Erkenntnis wird häufig durch die Verknüpfung und genauere Untersuchung von bereits bekannten Sachverhalten gewonnen. Hierbei erweist sich eine unvoreingenommene Kooperation zwischen verschiedenen Forschenden sehr oft als hilfreich. Besonders förderlich ist es hierbei, wenn Beteiligte aus verschiedenen Fachgebieten interdisziplinär zusammenarbeiten. Je mehr dieses ideale Prinzip angestrebt wird, desto weniger Einschränkungen drohen durch den Hemmschuh des Not-invented-here-Syndroms. Vor diesem Hintergrund soll zunächst die Frage beantwortet werden, wofür das Attribut „quadrivial“ steht.
Quadriviale…
BearbeitenDas Adjektiv „quadrivial“ steht zum Substantiv „Quadrivium“ wie das Adjektiv „trivial“ zum Substantiv „Trivium“. Die vier freien Künste des Quadriviums und die drei freien Künste des Triviums bilden zusammen die sieben freien Künste (lateinisch: septem artes liberales) des Mittelalters. Betrachtet werden hier in erster Linie die vier freien Künste des Quadriviums, namentlich die Arithmetik, die Astronomie, die Geometrie und die Musiktheorie. Insbesondere sei darauf hingewiesen, dass viele der hier aufgeführten Kuriositäten die Themenbereiche mehrerer dieser freien Künste berühren.
Wahre Universalgelehrte waren nicht nur sprachgewandt, gebildet und beherrschten mehrere Fremdsprachen, sondern waren gerade auch in den vier Fachgebieten des Quadriviums auf dem Stand des Wissens ihrer Zeit. Diese Fähigkeiten anzustreben scheint auch heute nicht unmöglich oder abwegig und insbesondere bei gesellschaftlich verantwortungsvollen Projekten dürfte dieses Ideal immer nützlicher und wichtiger werden. Der deutsche Ethiker Peter Dabrock (* 1964) hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass bei der Gestaltung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz nicht nur die digitale Kompetenz eine Rolle spiele, sondern dass auch sämtliche klassische Bildungselemente hierfür eine sehr wichtige Voraussetzung seien. Die wesentliche Fähigkeit, sowohl Unterschiede als auch Mehrdeutigkeiten erkennen und bewerten zu können, sei umso größer, je mehr fundierte Kenntnisse aus möglichst vielfältigen Fachgebieten vorhanden sind. [1][2]
…Kuriositäten
BearbeitenDie Wörter Kuriosität oder Kuriosum sind vom lateinischen Wort curiositas abgeleitet, das Neugier bedeutet. Auch wenn Kuriositäten auf den ersten Blick oft nur absonderlich oder lustig erscheinen mögen, sind sie doch genauso häufig lehrreich und regen zu weiterführender Beschäftigung mit interessanten Themen an. Dabei spielt es selbstverständlich keine Rolle, ob diese Themen dann quadrivialer, trivialer oder philosophischer Natur sind...
Die hier aufgeführten Inhalte sollen die Neugier der Lesenden zunächst wecken. Möge der vorliegende Beitrag einen weiteren Dienst leisten und auch dabei helfen, diese Neugier zu befriedigen.
Nicht zuletzt sei erwähnt, dass Kuriositäten auch einen Unterhaltungswert haben können und es somit ermöglichen, die Freizeit sowohl lehrreich als auch kurzweilig zu gestalten.
Das Quadrivium
BearbeitenName | Lateinische Bezeichnung |
Thema | Tätigkeit |
---|---|---|---|
Arithmetik | Arithmetica | Zahlen | Rechnen |
Astronomie | Astronomia | Himmelskörper | Sehen |
Geometrie | Geometria | Formen | Zeichnen |
Musik | Musica | Klänge | Hören |
Diese vier Fachgebiete werden im Buch 3 der Enzyklopädie Etymologiae von Isidor von Sevilla (* um 560; † 636) unter der Überschrift „Von den vier mathematischen Disziplinen“ abgehandelt. Isidor von Sevilla übersetzt das altgriechische Wort „mathema“ („μάθημα“) mit „das Gelernte“ beziehungsweise mit „die Wissenschaft“ im Sinne der Lehre. Mit seiner Systematik bezieht er sich explizit auf die Pythagoräer, die im 6. Jahrhundert vor Christus in Süditalien tätig waren.
Die Philosophie und die Ethik stehen im Zentrum der sieben freien Künste. Der italienische Universalgelehrte Galileo Galilei (* 1564; † 1642), dessen Vater Vincenzo Galilei (* um 1520; † 1591) Lautenist, Musiktheoretiker und Komponist war, hat dies 1623 in seinem elementaren und methodologischen Werk Il Saggiatore (zu Deutsch: Die Goldwaage) folgendermaßen in Worte gefasst:
La filosofia è scritta in questo grandissimo libro che continuamente ci sta aperto innanzi a gli occhi (io dico l'universo),
ma non si può intendere se prima non s'impara a intender la lingua, e conoscer i caratteri, ne' quali è scritto.
Egli è scritto in lingua matematica, e i caratteri son triangoli, cerchi, ed altre figure geometriche,
senza i quali mezi è impossibile a intenderne umanamente parola;
senza questi è un aggirarsi vanamente per un oscuro laberinto.[3]
Ins Deutsche übersetzt:
Die Philosophie steht in diesem großen Buch geschrieben, das ständig vor unseren Augen aufgeschlagen ist (ich sage: das Universum),
aber sie kann nicht verstanden werden, wenn wir nicht zuerst lernen, die Sprache zu verstehen und die Schrift zu beherrschen, in der sie geschrieben ist.
Sie ist in mathematischer Sprache geschrieben, und die Schrift besteht aus Dreiecken, Kreisen und anderen geometrischen Figuren,
ohne die es nicht menschenmöglich ist, ein Wort zu verstehen;
ohne diese ist es ein aussichtsloses Herumirren in einem dunklen Labyrinth.
Der deutsche Komponist Paul Hindemith (* 1895; † 1963) schrieb in der Einleitung zu seinem musiktheoretischen Werk Unterweisung im Tonsatz über das Quadrivium, indem er darauf hinweist, dass alt bekannte und universelle Zahlenverhältnisse (ergo die Arithmetik) in verblüffend ähnlicher Weise in den Disziplinen Geometrie (Maß, Fläche, Raum), Musik (Tonsatz, Tonmaterial, Intervalle, Obertonreihe) und Astronomie (Universum, Weltall) eine wichtige Rolle spielen:
Ich weiß mich mit dieser Einstellung zum Handwerklichen des Tonsatzes einig mit den Anschauungen, die gültig waren lange vor der Zeit der großen klassischen Meister. Wir finden ihre Vertreter im frühen Altertum; weitblickende Künstler des Mittelalters und der Neuzeit bewahren die Lehre und geben sie weiter. Was war ihnen das Tonmaterial? Die Intervalle waren Zeugnisse aus den Urtagen der Weltschöpfung; geheimnisvoll wie die Zahl, gleichen Wesens mit den Grundbegriffen der Fläche und des Raumes, Richtmaß gleicherweise für die hörbare wie die sichtbare Welt; Teile des Universums, das in gleichen Verhältnissen sich ausbreitet wie die Abstände der Obertonreihe, so daß Maß, Musik und Weltall in eins verschmolzen.
Arithmetik
BearbeitenDie Arithmetik befasst sich im engeren Sinn mit ganzen Zahlen und den Grundrechenarten. Daraus abgeleitet ergeben sich dann auch die Bruchrechnung mit rationalen Zahlen und die Potenzrechnung sowie die Algebra zur rechnerischen Bestimmung von unbekannten Größen. In Deutschland gilt Adam Ries(e) (* 1492 oder 1493; † 1559) als Vater des modernen Rechnens, da er das indisch-arabische System der Ziffern einschließlich der Null einführte und mehrere deutschsprachige Bücher darüber verfasste.
Schon den Babyloniern waren im zweiten vorchristlichen Jahrtausend etliche phythagoreische Zahlentripel bekannt, wie zum Beispiel auch:
Es ist leicht zu zeigen, dass es unendlich viele Tripel von ganzen Zahlen gibt, die den Satz des Pythagoras erfüllen:
Das bekannte Tripel mit den drei kleinstmöglichen natürlichen Zahlen lautet:
Diese Gleichung ist sehr einfach zu überprüfen.
Für die folgenden, ebenfalls sehr einfachen algebraischen Gleichungen
gilt mit (das bedeutet: "die Zahl ist Element der Menge der ganzen Zahlen"):
Sowohl die drei Zahlen , und sowie als auch deren Quadratzahlen , , und sind also immer ganze Zahlen, und der Satz des Pythagoras lautet damit:
Die letzte Formelzeile bedeutet ausgeschrieben: "Das Produkt zum Quadrat mal fünfundzwanzig ist Element der Menge der ganzen Zahlen , und dies gilt für alle Zahlen , die Element der Menge der ganzen Zahlen sind." Da es unendliche viele ganze Zahlen gibt, gibt es also auch unendlich viele Lösungen mit ganzen Zahlen für den Satz des Pythagoras.
Die Mengenlehre beschäftigt sich als vergleichsweise junges Teilgebiet der Mathematik mit unterscheidbaren Objekten respektive Elementen, die gezählt und somit nummeriert werden können. Die Menge der natürlichen Zahlen ist ein Beispiel für eine abzählbare Menge. Dadurch ergeben sich starke Bezüge zwischen der Mengenlehre und der Arithmetik. Ferner sind Zahlenfolgen wie die der Primzahlen oder die der Fibonacci-Zahlen durch arithmetische Regeln festgelegt. Diese Zahlenfolgen haben weitreichende Bedeutung in zahlreichen Themengebieten, wie zum Beispiel in der Kryptographie, aber auch bei vielen natürlichen Prozessen. Primzahlen faszinieren Arithmetiker schon seit Jahrtausenden, und viele derer Eigenschaften sind selbst heute noch nicht geklärt, wie beispielsweise die Goldbachsche Vermutung, nach der mit Ausnahme der Zwei jede gerade Zahl die Summe zweier Primzahlen ist, oder die Frage, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt, deren Differenz den Betrag Zwei hat.
Die reellen Zahlen, die komplexen Zahlen oder gar die Quaternionen sowie die Vektor- und Tensor-Rechnung konnten aus der Arithmetik entwickelt werden, gehören aber selbst nicht mehr zu dieser Disziplin. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sogar irrationale Zahlen, wie die Quadratwurzel der ganzen Zahl Zwei, bereits im Altertum bekannt waren. Nichtsdestoweniger wurden bereits in der Antike mangels tieferer Erkenntnisse verschiedene arithmetische Näherungen für die transzendente Kreiszahl π verwendet. So soll beispielsweise der erste Jerusalemer Tempel Salomos mit einem großen, vollkommen runden aus Bronze gegossenen Meerbecken ausgestattet gewesen sein, das zehn Ellen von einem Rand zum andern maß und von einer Schnur von dreißig Ellen rings umspannt werden konnte.[4] Aus dem Verhältnis der angegebenen Maße für den Durchmesser und den Umfang ergibt sich eine ganzzahlige Kreiszahl mit dem Wert Drei.
Auch die höhere Mathematik mit der Differential- und Integralrechnung ist kein Teilgebiet der Arithmetik. Das gilt also ebenfalls für trigonometrische Funktionen, die in der Analysis als Lösung von Funktionalgleichungen definiert werden. Auch die Trigonometrie hatte allerdings bereits im Altertum als Teilgebiet der Geometrie – ausgehend von der Betrachtung von Winkeln in ebenen Dreiecken – Vorläufer mit geometrisch gemessenen Funktionswerten, die in Tabellenform notiert wurden. Dennoch sind all diese Teilgebiete auch mit Hilfe arithmetischer Grundlagen weiterentwickelt worden.
Der deutsche Geologe Wolfgang Sartorius von Waltershausen (* 1809; † 1876) erwähnte im Nachruf an seinen engen Freund, den Fürsten der Mathematiker Carl Friedrich Gauß (* 1777; † 1855), welche hohe Bedeutung dieser der Arithmetik zugeschrieben hatte:
Die Mathematik hielt Gauss um seine eigenen Worte zu gebrauchen, für die Königin der Wissenschaften und die Arithmetik für die Königin der Mathematik. Diese lasse sich dann öfter herab, der Astronomie und den andern Naturwissenschaften einen Dienst zu erweisen, doch gebühre ihr unter allen Verhältnissen der erste Rang.[5]
In der folgenden Tabelle sind die arithmetischen Kuriositäten nach den vier mittelalterlichen freien Künsten des Quadriviums aufgeführt
. In der ersten Spalte steht jeweils die entsprechende Bezeichnung des Kapitels oder Buchs .Verweis | Arithmetik | Astronomie | Geometrie | Musik | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|
Zahlensymbolik | X | X | X | X | Bedeutung von Zahlen in allen Disziplinen |
Till Eulenspiegels lustige Serie | X | X | X | X | Übertragung der arithmetisch-geometrischen Verteilung von Spektrallinien astronomischer Objekte auf Musik |
Die Siebentagewoche | X | X | X | Eine besondere Zahl aus der geometrischen Beobachtung des Himmels | |
Astronomische Konjunktionen | X | X | X | Besondere zählbare Erkenntnisse bei der geometrischen Beobachtung des Himmels | |
Mondzyklen | X | X | X | Ganzzahlige Verhältnisse beim Umlauf des Mondes um die Erde | |
Die vier Evangelistensymbole | X | X | X | Astronomische und geographische Bezüge zur Zahl Vier | |
Plejaden-Schaltregeln | X | X | X | Zwei uralte und einfache Abzählregeln zur Bestimmung von Schaltmonaten | |
Osterdatum | X | X | Kalendarische Berechnung des Osterdatums | ||
Pythagoras in der Schmiede | X | X | X | Beobachtung von Zahlenverhältnissen und Abmessungen bei Klangerzeugern | |
Akustische Transmissionline | X | X | X | Funktion und Geometrie einer Schallröhre für die Wiedergabe von Klängen | |
Das Apfelmännchen | X | X | Geometrische Darstellung von Zahlenfolgen | ||
Rekursive Labyrinthe | X | X | Komplexe Geometrien aus einfachen Algorithmen | ||
Waldbrandsimulation | X | X | Komplexe Ausbreitung von Flammen mit einfachen Algorithmen | ||
Campingplatzrätsel | X | X | Ermittlung der Lage von Zelten neben Bäumen anhand von Spalten- und Zeilensummen der Zelte | ||
Stimmung von Musikinstrumenten | X | X | Zahlenverhältnisse bei der Klangerzeugung | ||
Tonsysteme | X | X | Zahlenverhältnisse bei traditionellen Tonleitern |
Siehe auch
Astronomie
BearbeitenDisziplin | Wandelgestirn | Wochentag | Metall |
---|---|---|---|
Geometrie | Saturn | Samstag | Blei |
Logik (Dialektik) | Jupiter | Donnerstag | Zinn |
Messkunst (ars metrica, zählen und vergleichen, Arithmetik) | Mars | Dienstag | Eisen |
Grammatik | Sonne | Sonntag | Gold |
Musik | Venus | Freitag | Kupfer |
Physik (Astronomie) | Merkur | Mittwoch | Quecksilber (englisch: "mercury") |
Rhetorik | Mond | Montag | Silber |
Die Astronomie entspringt der unmittelbaren und alltäglichen Betrachtung des Himmels. Hierbei konnten mit bloßem Auge schon immer sieben Himmelskörper beobachtet werden, die sich entlang der Ekliptik in Bezug zum sich selber scheinbar ebenfalls bewegenden Fixsternhimmel um die Erde bewegen. Die sieben sich bewegenden Wandelgestirne hatten zu allen Zeiten und vermutlich in den meisten Völkern Eigennamen, und sie benennen noch heute unsere sieben Wochentage. Es handelt sich um die Sonne, den Mond und die fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Der Name Ekliptik leitet sich von der lateinischen Bezeichnung linea ecliptica („Verdeckungslinie“) ab, die wiederum auf das altgriechische Wort ἐκλειπτική (ekleiptikē für „verdeckend“) zurückgeht. Alle sieben Wandelgestirne begegnen sich entlang der Ekliptiklinie bei Konjunktionen regelmäßig nach mehr oder weniger langen Zeitabschnitten. Hierbei kann es sogar zu Bedeckungen kommen, von denen Mond- und Sonnenfinsternisse besonders spektakulär sind.
Zur besseren Orientierung am Himmel und zur Wiedererkennung wurden auch besonders markante Sterne mit Namen versehen und benachbarte Sterne zu Sternkonstellationen oder Asterismen zusammengefasst und ebenfalls benannt. Die meisten dieser Bezeichnungen wurden im Altertum nur mündlich überliefert, aber auch heute finden wir in den Sternkatalogen immernoch viele alte Bezeichnungen, die auf die uralten arabischen, griechischen, chinesischen oder lateinischen Wurzeln zurückweisen.
Es gibt zahlreiche Beispiele für prähistorische Himmelsobservatorien, wie zum Beispiel die Kreisgrabenanlagen von Goseck und Pömmelte in Sachsen-Anhalt, das Belchen-System in den Vogesen, den Berg Magura im Balkangebirge, den Rocher des Doms in Avignon sowie die bekannten kreisförmigen Bauwerke in Stonehenge und den Steinkreis von Avebury in England. Die früheren Zeiten erlaubten ohne die heute ubiquitäre Lichtverschmutzung der Atmosphäre einen hervorragenden Blick in den Sternenhimmel. Die beobachtende Astronomie hat in der Geschichte der Menschheit gewiss wesentlich zur Ausbildung eines arithmetischen und geometrischen Vorstellungsvermögens beigetragen.
Durch die systematische Beobachtung des Sternenhimmels über längere Zeitabschnitte konnten Kalendersysteme aufgestellt und bestimmte Konstellationen am Himmel vorhergesagt werden, die dann häufig auch mit irdischen Ereignissen in Verbindung gebracht wurden. Zwischen den der Astronomie (altgriechisch ἄστρον und νόμος, zu Deutsch: „Sterngesetz“) und der Astrologie (altgriechisch ἄστρον und λόγος, zu Deutsch „Sternlehre“) wurde im Altertum und im Mittelalter und selbst noch während der Renaissance nicht unterschieden. Diese gemutmaßten Zusammenhänge wurden erst in der Neuzeit entmystifiziert. Ohne die Niederschriften von Nikolaus Kopernikus (* 1493; † 1543) und ohne die präzisen geometrischen Beobachtungen von Tycho Brahe (* 1546; † 1601) und Johannes Kepler (* 1571; † 1630), die noch ohne Teleskope durchgeführt werden mussten, hätte Johannes Kepler die Keplerschen Gesetze nicht entdecken können. Und ohne die Kenntnis dieser Gesetze hätte Isaac Newton (* 1643; † 1727) fünf Jahrzehnte später nicht das Gravitationsgesetz formulieren können.
Der als der erste Professor der Experimentalphysik im Zeitalter der Aufklärung sowie als Begründer des Aphorismus in Deutschland geltende Georg Christoph Lichtenberg (* 1742; † 1799) hat einmal geschrieben, für wie beachtlich er die Astronomie in den Wissenschaften hält: [6]
Die Astronomie ist vielleicht diejenige Wissenschaft, worin das wenigste durch den Zufall entdeckt worden ist, wo der menschliche Verstand in seiner ganzen Größe erscheint, und wo der Mensch am besten kennen lernen kann wie klein er ist.
Nur wenige Jahre später kam Immanuel Kant (* 1724; † 1804) im Beschluss seiner "Kritik der praktischen Vernunft" zu einem ganz ähnlichen Schluss: [7]
Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.
...
Die Weltbetrachtung fing von dem herrlichsten Anblicke an, den menschliche Sinne nur immer vorlegen, und unser Verstand, in ihrem weiten Umfange zu verfolgen, nur immer vertragen kann, und endigte – mit der Sterndeutung.
In dieser Tradition wurde der Preuße Friedrich Wilhelm Bessel (* 1784; † 1846) dank der Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten sowie wegen seiner vielseitigen Begabung, Präzision, Beharrlichkeit und Ausdauer nach Einschätzung seiner Zeitgenossen zum bedeutendsten Astronomen des 19. Jahrhunderts:
- Alexander von Humboldt (* 1769; † 1859): „Größter Astronom unserer Zeit“ [8]
- Urbain Le Verrier (* 1811; † 1877): Die Entdeckung der Begleitsterne von Sirius und Prokyon ist „die bedeutendste unter allen, die in diesem Jahrhundert in der Astronomie gemacht worden sind.“
- Heinrich Ferdinand Scherk (* 1798; † 1885): „Der größte Astronom des Jahrhunderts – einige nannten ihn »Astronomischer Euler« und »Königsberger Hipparch«.“
Der deutsche Pädagoge Adolph Diesterweg (* 1790; † 1866) schrieb 1840 zu Beginn seines Vorworts im „Lehrbuch der mathematischen Geometrie und populären Himmelskunde“ folgendes: [9]
Des Menschen Antlitz ist nicht zur Erde, sondern aufwärts gerichtet; zum aufrechten Gange ist er von Natur bestimmt. Sein Blick fällt daher schon in früher Jugend auf den Himmel, und die ältesten Naturvölker kannten die allgemeinen Erscheinungen desselben. Sie zeigen ewigen Wechsel in ewigem Bestand unter unabänderlichen allgemeinen Gesetzen. Alles ist dort Regel und Gesetz. Sie zu erkennen, fordert die Würde des Menschen. Die Wissenschaft, die sich mit dem Himmel beschäftigt, ist die „erhabenste im Raume“. Aechtes Natur-Wissen oder mit einem Worte Natur-Erkenntniß ist Kenntniß der Erscheinungen, ihrer Ursachen und ihres gesetzmäßigen Verlaufs.
...
Zu allen Zeiten haben daher ruhige und stille Gemüther eine besondre Anziehung zur Kenntniß des gestirnten Himmels verspürt. Tieferen Kindern ist sie in besonderem Grade eigen. Ganz allgemein ist das Interesse für dieses Wissen. Wo es nicht gefunden wird, da ist es nicht mehr vorhanden, war also da, entspricht der Natur und der natürlichen Stellung des Menschen, ist folglich leicht wieder zu erwecken. Nur der von den Sorgen des Lebens ganz erfüllte, unter den irdischen Lasten erliegende, oder auch der von den Leidenschaften ganz unterjochte Mensch ist für ein so reines, an und für sich schon veredelndes Wissen unempfänglich. Aber, wie die Erfahrung lehrt, selbst die unglücklichsten der Wesen, abgearbeitete Fabrikkinder, freuen sich, wenn dem müden Leib nur einige Ruhe und Stärkung geworden, noch in späten Abendstunden etwas von Sonne, Mond und Sternen zu hören.
Die Astronomie wurde in der Folgezeit immer vielfältiger. Während der industriellen Revolution wurden die optischen Instrumente ständig verbessert, so dass zahllose astronomische Gegenstände immer genauer untersucht und neue astronomische Sachverhalte entdeckt werden konnten. Die astronomische Forschung wurde zunehmend komplex und erforderte immer speziellere sowie aufwendigere Werkzeuge und Methoden.
Heute kann der wegen der unzähligen künstlichen Lichtquellen stark verschmutzte Nachthimmel nur noch in Lichtschutzgebieten in seiner vollen Sternenpracht bewundert werden, so dass es schwierig ist, die Geschehnisse am Sternenhimmel über die eigene und regelmäßige Anschauung zu verinnerlichen.
Ganz im Gegensatz dazu versucht die kognitive Archäologie, anhand der Artefakte unserer Vorfahren auf deren Denkvermögen und deren geistige Fähigkeiten zu schließen. Dies dürfte besonders fruchtbar in Bezug auf die kognitive Archäoastronomie sein, was allerdings voraussetzt, dass für entsprechende Überlegungen alles astronomische Wissen berücksichtigt wird, das sich auch schon vor Jahrtausenden aus der Betrachtung des Nachthimmels durch vernunftbegabte Menschen ergab. Dieses Wissen ist auch in Anbetracht des heutigen Wissens über Astronomie keineswegs als ein geringer Wissensschatz abzutun. Möglicherweise wussten gebildete Menschen im Altertum durch ihre eigene und sich beständig wiederholende Beschäftigung mit dem Himmelsgeschehen sogar deutlich mehr über Astronomie als die meisten als gebildet geltenden modernen Menschen durch ihr meist nur angelerntes und oberflächliches Wissen – sofern dieses überhaupt vorhanden ist. Zur Verdeutlichung der großartigen astronomischen Leistungen in der Frühzeit sei beispielhaft auf die zahlreichen entsprechenden Verweise in der untenstehenden Tabelle hingewiesen.
In der folgenden Tabelle sind die astronomischen Kuriositäten nach den vier mittelalterlichen freien Künsten des Quadriviums aufgeführt
. In der ersten Spalte steht jeweils die entsprechende Bezeichnung des Kapitels oder Buchs .Verweis | Arithmetik | Astronomie | Geometrie | Musik | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|
Zahlensymbolik | X | X | X | X | Bedeutung von Zahlen in allen Disziplinen |
Till Eulenspiegels lustige Serie | X | X | X | X | Übertragung der arithmetisch-geometrischen Verteilung von Spektrallinien astronomischer Objekte auf Musik |
Die Siebentagewoche | X | X | X | Eine besondere Zahl aus der geometrischen Beobachtung des Himmels | |
Astronomische Konjunktionen | X | X | X | Besondere zählbare Erkenntnisse bei der geometrischen Beobachtung des Himmels | |
Mondzyklen | X | X | X | Ganzzahlige Verhältnisse beim Umlauf des Mondes um die Erde | |
Die vier Evangelistensymbole | X | X | X | Astronomische und geographische Bezüge zur Zahl Vier | |
Plejaden-Schaltregeln | X | X | X | Zwei uralte und einfache Abzählregeln zur Bestimmung von Schaltmonaten | |
Osterdatum | X | X | Kalendarische Berechnung des Osterdatums | ||
Das Mirakelkreuz zu Elspe | X | X | Geometrische Messungen an astronomischen Objekten | ||
Die Himmelstafel von Tal-Qadi | X | X | Astronomische Interpretation geometrisch angeordneter Symbole | ||
Canopus – der Stern der Stadt Eridu | X | X | Über einen neuen Stern | ||
Das Belchen-System | X | X | Astronomische Interpretation der geographischen Anordnung von Bergen | ||
Die Höhlenmalerei in der Magura-Höhle | X | X | Interpretation geometrischer Darstellungen in Bezug auf Mythen | ||
Der Stern von Bethlehem | X | X | Besondere geometrische Beobachtungen in der Astronomie | ||
Ochs und Esel | X | X | Archäoastronomisch-geometrische Bezüge zur Weihnachtskrippe | ||
Die Stele vom Rocher des Doms | X | X | Der von einem steinzeitlichen Felsenobservatorium zu sehende neue Stern | ||
Stabdolche | X | X | Astronomisch-geometrische Anwendung von Stabdolchen |
Siehe auch
- Einführung in die Astronomie
- Astronomische Berechnungen für Amateure
- Das Mehrkörperproblem in der Astronomie
- Himmelsgesetze der Bewegung
- Astronomie
Geometrie
BearbeitenDie euklidische Geometrie beschäftigt sich mit Punkten und Linien sowie mit von Linien begrenzten Flächen in der Ebene und mit von ebenen Oberflächen begrenzten Körpern im Raum.
Zu den besonderen Körpern zählen die fünf nach dem griechischen Philosophen Platon (zirka 427 bis 347 vor Christus) platonischen Körper, deren ebene Oberflächen aus gleichgroßen und gleichseitigen Flächen gebildet werden:
-
Tetraeder aus vier Dreiecken.
-
Hexaeder aus sechs Quadraten.
-
Oktaeder aus acht Dreiecken.
-
Dodekaeder aus zwölf Fünfecken.
-
Ikosaeder aus zwanzig Dreiecken.
Der Grieche Euklid hat vermutlich im dritten vorchristlichen Jahrhundert gelebt und wurde möglicherweise an der Platonischen Akademie ausgebildet. Er verfasste mit seinem Werk Elemente ein äußerst wichtiges und nachhaltiges Lehrbuch, das nicht nur die Arithmetik und die mathematische Beweisführung auf dem damaligen Stand des Wissens weitgehend darstellt, sondern auch die Geometrie umfassend abhandelt.
In der Geometrie werden Winkel, Längen, Abstände sowie Flächen- und Volumeninhalte bestimmt. Ausgehend von den Betrachtungen der Winkel in rechtwinkligen Dreiecken wurde die Trigonometrie entwickelt. Der Satz des Pythagoras ist ein fundamentaler Satz für die Seitenlängen rechtwinklige Dreiecke. Er dürfte an Bekanntheit kaum von einem anderen Satz in der Geometrie erreicht werden und hat im Übrigen enge Bezüge zum Kepler-Dreieck und somit auch zum Goldenen Schnitt:
Der Satz des Pythagoras ist ein Grenzfall des Satzes von Ptolemäus, und dieser wiederum ist ein Grenzfall des Satzes von Casey:
-
Nach dem Satz von Casey gilt für die sechs Tangenten von vier Kreisen , , und , die einen Hauptkreis berühren, die Bedingung .
-
Grenzfall, wenn alle Radien der Kreise , , und den Wert Null annehmen und deren Mittelpunkte somit auf dem Hauptkreis liegen:
In einem Sehnenviereck, deren Eckpunkte A, B, C und D auf einem Kreis liegen, gilt nach dem Satz von Ptolemäus . -
Grenzfall, wenn das Viereck ABCD ein Rechteck ist und die Strecke somit identisch mit dem Durchmesser vom Hauptkreis beziehungsweise gleichlang wie die beiden Strecken und ist:
In einem rechtwinkligen Dreieck ABC gilt nach dem Satz von Pythagoras .
Zur Geometrie gehören nicht nur Aspekte der Winkel- und Richtungsmessung am Himmel, sondern auch auf der Erde. Daher sind bei dieser freien Kunst auch geographische Themengebiete eingeschlossen. Der deutsche Astronom Johannes Kepler (* 1571; † 1630) hat in der Mitte seines Lebens in seiner lateinischsprachigen Abhandlung Über die zuverlässigeren Grundlagen der Astrologie von 1602 festgestellt, für wie wesentlich er die Geometrie in diesem Kontext hält:
Mihi Alteritas, in creatis nulla aliunde esse videtur, quam ex materiae, aut occasione materiae; at ubi materia, ibi Geometria.[12]
Ins Deutsche übersetzt:
Mir scheint es anders, in der Erschaffung kann nichts anderswoher gesehen werden, als aus der Materie, oder anlässlich der Materie; wo aber Materie ist, da ist Geometrie.
Zahllose Aufgaben der Geometrie beschäftigen sich mit der Konstruktion von geometrischen Objekten mit Hilfe eines Lineals und eines Zirkels. Viele Probleme hierzu wurden bereits in der Antike formuliert und auch gelöst. Es war allerdings bis in die Neuzeit nicht geklärt, dass es zum Beispiel keine allgemeinen geometrischen Lösungen für die Dreiteilung eines Winkels (Winkeltrisektion), die Quadratur des Kreises oder die Verdopplung des Würfelvolumens gibt.
Die Strahlenoptik basiert auf der geometrischen Untersuchung und Beschreibung von Lichtstrahlen. Dies führte unmittelbar zum Reflexionsgesetz und letztlich auch zum Brechungsgesetz. Abweichungen der Lichtstrahlen von der strengen Geometrie optischer Strahlengänge führten zur Wellenoptik und damit zur Entdeckung der elektromagnetischen Strahlung.
Komplizierter als in der euklidischen Geometrie wird es beispielsweise in der sphärischen Geometrie, bei der die Geometrie auf der Kugel untersucht und beschrieben wird. Die Linien und Flächen sind hierbei gekrümmt und liegen also nicht in einer Ebene. Aus diesem Grund hat ein Kugeldreieck stets eine größere Winkelsumme als ein Dreieck in der Ebene, wo diese Winkelsumme immer 180 Bogengrad beträgt. Ähnlich wie bei der Arithmetik wurde auch die elementare Geometrie zu Disziplinen wie zum Beispiel der algebraischen, der algorithmischen oder der diskreten Geometrie sowie der Differentialgeometrie weiterentwickelt.
In der folgenden Tabelle sind die geometrischen Kuriositäten nach den vier mittelalterlichen freien Künsten des Quadriviums aufgeführt
. In der ersten Spalte steht jeweils die entsprechende Bezeichnung des Kapitels oder Buchs .Verweis | Arithmetik | Astronomie | Geometrie | Musik | Bemerkungen |
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Zahlensymbolik | X | X | X | X | Bedeutung von Zahlen in allen Disziplinen |
Till Eulenspiegels lustige Serie | X | X | X | X | Übertragung der arithmetisch-geometrischen Verteilung von Spektrallinien astronomischer Objekte auf Musik |
Die Siebentagewoche | X | X | X | Eine besondere Zahl aus der geometrischen Beobachtung des Himmels | |
Astronomische Konjunktionen | X | X | X | Besondere zählbare Erkenntnisse bei der geometrischen Beobachtung des Himmels | |
Mondzyklen | X | X | X | Ganzzahlige Verhältnisse beim Umlauf des Mondes um die Erde | |
Die vier Evangelistensymbole | X | X | X | Astronomische und geographische Bezüge zur Zahl Vier | |
Plejaden-Schaltregeln | X | X | X | Zwei uralte und einfache Abzählregeln zur Bestimmung von Schaltmonaten | |
Pythagoras in der Schmiede | X | X | X | Beobachtung von Zahlenverhältnissen und Abmessungen bei Klangerzeugern | |
Akustische Transmissionline | X | X | X | Funktion und Geometrie einer Schallröhre für die Wiedergabe von Klängen | |
Das Apfelmännchen | X | X | Geometrische Darstellung von Zahlenfolgen | ||
Rekursive Labyrinthe | X | X | Komplexe Geometrien aus einfachen Algorithmen | ||
Waldbrandsimulation | X | X | Komplexe Ausbreitung von Flammen mit einfachen Algorithmen | ||
Campingplatzrätsel | X | X | Ermittlung der Lage von Zelten neben Bäumen anhand von Spalten- und Zeilensummen der Zelte | ||
Das Mirakelkreuz zu Elspe | X | X | Geometrische Messungen an astronomischen Objekten | ||
Die Höhlenmalerei in der Magura-Höhle | X | X | Interpretation geometrischer Darstellungen in Bezug auf Mythen | ||
Die Himmelstafel von Tal-Qadi | X | X | Astronomische Interpretation geometrisch angeordneter Symbole | ||
Canopus – der Stern der Stadt Eridu | X | X | Über einen neuen Stern | ||
Das Belchen-System | X | X | Astronomische Interpretation der geographischen Anordnung von Bergen | ||
Der Stern von Bethlehem | X | X | Besondere geometrische Beobachtungen in der Astronomie | ||
Ochs und Esel | X | X | Archäoastronomisch-geometrische Bezüge zur Weihnachtskrippe | ||
Die Stele vom Rocher des Doms | X | X | Der von einem steinzeitlichen Felsenobservatorium zu sehende neue Stern | ||
Stabdolche | X | X | Astronomisch-geometrische Anwendung von Stabdolchen | ||
Hybridlied | X | X | Übertragung geometrischer Verhältnisse auf Klänge |
Siehe auch
Musik
BearbeitenHier geht es nicht um das musikalische Praktizieren, sondern um Musiktheorie. Der mittelalterliche Benediktinermönch Guido von Arezzo (* um 992; † 1050), der Verfasser des um 1025 entstandenen Micrologus Guidonis de disciplina artis musicae, hat diesen Unterschied in einem lateinischsprachigen, scherzhaften Reim einmal folgendermaßen auf den Punkt gebracht: [13]
Musicorum et cantorum magna est distantia.
Isti dicunt, illi sciunt, quae componit musica.
Nam qui facit, quod non sapit, diffinitur bestia.
Caeterum tonantis vocis si laudent acumina,
Superabit philomelam vel vocalis asina.
Frei ins Deutsche übertragen:
Zwischen Musikern und Sängern ist ein großer Unterschied.
Letztere tun kund, erstere wissen, was die Musik zusammensetzt.
Wer nämlich macht, was er nicht weiß, wird abgegrenzt als wildes Tier.
Im Übrigen werden donnernde Stimmen, wenn sie ihren Scharfsinn loben,
genauso wie eine stimmvolle Eselin eine Nachtigall übertreffen.
Dass konsonante Klänge mit ganzzahligen – also arithmetisch beschreibbaren – Verhältnissen bei Schwingungen im Zusammenhang stehen, und dass solche Konsonanzen akustisch als harmonisch wahrgenommen und empfunden werden, war bereits in der Antike bekannt. bei Bei der Beschreibung dieser Verhältnisse handelt es sich um die erste mathematische Formulierung eines physikalischen Sachverhalts, der durch experimentelle Beobachtungen überprüft werden konnte.[14] Diese Entdeckung – von wem auch immer sie tatsächlich gemacht wurde – ist seit über zweitausend Jahren in der Legende von Pythagoras in der Schmiede überliefert.
Die auf der Arithmetik ganzer Zahlen beruhende Naturtonreihe konnte seit jeher und also auch schon im Neolithikum durch die Erhöhung des Drucks (Überblasen) an der Anblaskante (Labium) auf Knochenflöten, durch die Erhöhung der Lippenspannung am Trichtermundstück auf Widderhörnern oder durch die Berührung mit einem Finger an den Schwingungsknoten einer Saite (Flageoletttöne), wie zum Beispiel auf Leiern, erzeugt werden. Der in sechster Generation von Adam und Eva abstammende Jubal gilt als Urvater aller Leier- und Flötenspieler. [15] In Psalm 81 wird im vierten Vers darauf aufmerksam gemacht, dass im Altertum bei astronomischen Ereignissen regelmäßig ins Widderhorn zu stoßen sei:[16]
Stoßt am Neumond ins Widderhorn, am Vollmond, zum Tag unsres Festes!
Bis ins Mittelalter wurde in Chören der Regel einstimmig und in den acht Kirchentonarten gesungen, die aus sieben diatonischen Grundtönen bestanden. Hierbei konnten tiefe und hohe Stimmen unisono im Oktavabstand erklingen, ab dem 9. Jahrhundert wurden beim Quint- und dem Quartorganum dann auch Quinten und Quarten als Intervalle für die parallele Stimmführung gewählt. Die frühen Vertreter der Notre-Dame-Schule in Paris komponierten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dann sogar komplexere vierstimmige Organa, die ein einheitliches Tempo und ein Metrum voraussetzen, damit alle Stimmen immer zu den richtigen Zählzeiten erklingen können. In der Renaissance und in der Barockzeit entwickelten sich dann schließlich immer neue Kompositionstechniken mit polyphonen Klängen und Kontrapunkten. Die Tonfolgen wurden mit chromatischen Elementen auf insgesamt zwölf Grundtöne erweitert, und in der Harmonik wurden Kadenzen und schließlich auch Modulationen in andere Tonarten eingeführt. Die beiden Tongeschlechter Dur und moll etablierten sich zunehmend anstelle der alten Kirchentonarten.
Der große deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (* 1646; † 1716) hat im Alter die Bezüge zwischen Arithmetik und Musik sehr poetisch ausgedrückt:
Musica est exercitium arithmeticae occultum nescientis se numerare animae.[17]
Ins Deutsche übertragen:
Musik ist die verborgene arithmetische Übung der nicht verstehenden Seele, dass sie zählt.
In der folgenden Tabelle sind die musikalischen Kuriositäten nach den vier mittelalterlichen freien Künsten des Quadriviums aufgeführt
. In der ersten Spalte steht jeweils die entsprechende Bezeichnung des Kapitels oder Buchs .Verweis | Arithmetik | Astronomie | Geometrie | Musik | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|
Zahlensymbolik | X | X | X | X | Bedeutung von Zahlen in allen Disziplinen |
Till Eulenspiegels lustige Serie | X | X | X | X | Übertragung der arithmetisch-geometrischen Verteilung von Spektrallinien astronomischer Objekte auf Musik |
Pythagoras in der Schmiede | X | X | X | Beobachtung von Zahlenverhältnissen und Abmessungen bei Klangerzeugern | |
Akustische Transmissionline | X | X | X | Funktion und Geometrie einer Schallröhre für die Wiedergabe von Klängen | |
Stimmung von Musikinstrumenten | X | X | Zahlenverhältnisse bei der Klangerzeugung | ||
Tonsysteme | X | X | Zahlenverhältnisse bei traditionellen Tonleitern | ||
Hybridlied | X | X | Übertragung geometrischer Verhältnisse auf Klänge |
Siehe auch
Das Trivium
BearbeitenZur Vervollständigung werden in der folgenden Tabelle auch noch die drei freien Künste des Triviums aufgeführt:
Name | Lateinische Bezeichnung |
Thema | Tätigkeit |
---|---|---|---|
Dialektik | Dialectica | Diskurs | Argumentieren |
Grammatik | Grammatica | Textform | Formulieren |
Rhetorik | Rhetorica | Redekunst | Überzeugen |
Die Grammatik wird in Buch 1 und die Dialektik sowie die Rhetorik werden in Buch 2 der oben genannten Enzyklopädie Etymologiae von Isidor von Sevilla behandelt.
Siehe auch
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Peter Dabrock: Wir sollten auf klassische Bildung setzen. In: Aufbruch Künstliche Intelligenz – Was sie bedeutet und wie sie unser Leben verändert, Google LLC, SZ Scala GmbH, 2018, Seite 34
- ↑ Ethikratsvorsitzender plädiert für klassische Bildung, Evangelischer Pressedienst (epd), Bildung, Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), Frankfurt am Main, 20. März 2019
- ↑ Galileo Galilei: Capitolo VI, in: Il Saggiatore, 1623
- ↑ Ausstattung des Tempels, Vers 23, 7. Kapitel, Erstes Buch der Könige, Einheitsübersetzung 2016
- ↑ Wolfgang Sartorius von Waltershausen: Gauss zum Gedächtniss, Seite 79, Verlag Salomon Hirzel, Leipzig, 1856
- ↑ Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbuch C, Seite 56, Göttingen, 1772-1773
- ↑ Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft - Beschluß, 1781
- ↑ Alexander von Humboldt: Kosmos, Dritter Band, α. Astrognosie (Fixsternhimmel), Kapitel V.: Eine wichtige Untersuchung über die »Veränderlichkeit der eigenen Bewegungen von Procyon und Sirius« hat Bessel, dem größten Astronomen unserer Zeit, im Jahr 1844, also kurz vor dem Beginnen seiner tödtlichen, schmerzhaften Krankheit, die Ueberzeugung aufgedrängt: »daß Sterne, deren veränderliche Bewegungen in den vervollkommnetsten Instrumenten bemerkbar werden, Theile von Systemen sind, welche, vergleichungsweise mit den großen Entfernungen der Sterne von einander, auf kleine Räume beschränkt sind.«
- ↑ : Lehrbuch der mathematischen Geometrie und populären Himmelskunde, Verlag Theodor Christian Friedrich Enslin, Berlin, 1840
- ↑ Otto Keller: Zur lateinischen Sprachgeschichte - Meridies, Seite 72, Verlag Teubner, 1893
- ↑ Vergleiche: Johann Karl Friedrich Zöllner: Über die Natur der Cometen. Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss - Zur Erinnerung an Johannes Kepler, Abschnitt III: John Tyndall's Cometen-Theorie. - Studien im Gebiete der Psychologie und Erkenntnisstheorie, Einleitung auf Seite 164, Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1872
- ↑ Johannes Kepler: De fundamentis astrologiae certioribus, Thesis XX, 1602
- ↑ Guido (d'Arezzo.): Micrologus Guidonis de disciplina Artis Musicae. Commissionsverlag J. B. Grach (Micrologus Guidonis de disciplina Artis, in: Michael Hermesdorff: Micrologus Guidonis de disciplina artis musicae: d. i. Kurze Abhandlung Guido's über die Regeln der musikalischen Kunst).
- ↑ Leonid Zhmud: Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus, Berlin 1997, S. 193–196; vgl. Károly Simonyi: Kulturgeschichte der Physik. 3. Auflage. Frankfurt am Main 2001, S. 62.
- ↑ Genesis, 4. Kapitel, Vers 21, bibleserver.com, Einheitsübersetzung, 2016
- ↑ Psalm 81, Vers 4, bibleserver.com, Einheitsübersetzung, 2016
- ↑ Gottfried Wilhelm Leibniz: „Brief an Christian Goldbach“, 27. April 1712
Zusammenfassung des Projekts
BearbeitenDieses Projekt wird hoffentlich nie fertig.
- Zielgruppe: Interessierte und Wissbegierige
- Lernziele: Erkennen fachübergreifender Aspekte in der Arithmetik, Astronomie, Geometrie und Musik
- Buchpatenschaft/Ansprechperson: Benutzer:Bautsch
- Sind Co-Autoren gegenwärtig erwünscht? Ja, sehr gerne. Korrekturen von offensichtlichen Fehlern und Ergänzungen direkt im Text; Inhaltliches bitte per Diskussion.
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