Die Höhlenmalerei in der Magura-Höhle

Dieser Beitrag zeigt Parallelen zwischen den Malereien in der Magura-Höhle in Bulgarien und schriftlich überlieferten Schöpfungsmythen auf. Ferner werden einige Darstellungen in archäoastronomischer Hinsicht untersucht, und es wird gezeigt, welche Elemente in Verbindung mit einer frühzeitlichen Kalenderführung stehen können.

Eingang zur Magura-Höhle.
Im Inneren der Magura-Höhle.

Hypothesen Bearbeiten

Die beschrieben Untersuchungen verfolgen zwei Haupthypothesen:

  1. Die älteren sieben ersten Szenen der Höhlenmalerei in der Magura-Höhle stehen im Zusammenhang mit einem Schöpfungsmythos.
  2. Die sieben sequenziell dargestellten Szenen zeigen eine zusammenhängende Schöpfungsgeschichte (von rechts nach links):
    1. Den Lichtbringer.
    2. Den Himmelsstier in den heutigen Sternbildern Stier, Widder und Walfisch.
    3. Sieben Gestalten, die den sieben Wandelgestirnen entsprechen.
    4. Die Trennung von Himmel und Erde mit der Schöpfung von Lebewesen.
    5. Die besondere Stellung der Menschen in der Schöpfung.
    6. Die Erschaffung des Wassers.
    7. Die Vollendung der Schöpfung.

Unabhängig von diesen unbeweisbaren Hypothesen, wird in diesem Beitrag gezeigt, dass die genannten Szenen vor Jahrtausenden als Stationen und Gedächtnisstütze für die Erzählung eines Schöpfungsmythos sowie zu dessen Illustration gedient haben können. Die Darstellungen in den Höhlenmalereien der Magura-Höhle sind demzufolge Indizien dafür, dass neolithischen Nutzer der Höhle einen Schöpfungsmythos kannten und tradierten, der zahlreiche Ähnlichkeiten zu anderen, schriftlich überlieferten Schöpfungsmythen aufweist.

Einführung Bearbeiten

Schöpfungsmythen und Kalender existieren in vielen alten Kulturen. Sie beantworten häufig einige Fragen zum Woher des Menschen und zu seiner Umwelt und können religiöse Traditionen begründen, wie das Feiern von Festen sowie das hiermit verbundene Führen von Kalendern. Über Jahrtausende wurden die Mythen mündlich tradiert, und bevor sie aufgeschrieben werden konnten, nachdem die Schrift erfunden wurde, können sie auch schon bildlich festgehalten worden sein. Dies kann als bildliche Ergänzung zu den gesprochenen oder gesungenen Erzählungen gedient haben (heute würde der Begriff „multimedial“ verwendet), kann aber auch als Gedächtnisstütze verwendet worden sein, damit wichtige Details nicht versehentlich ausgelassen oder in der falschen Reihenfolge wiedergegeben wurden.

Es gibt viele Beispiele dafür, wie sich aus ikonographischen Bildern Schriftzeichen herausgebildet haben. In der alteuropäischen Vinča-Kultur, in deren Gebiet auch die Magura-Höhle lag, wurden bereits im Neolithikum prähistorische Zeichen verwendet („Donauschrift“).

Für die nördliche Hemisphäre der Erde kann folgendes festgestellt werden: Die Schriftrichtung von rechts nach links entspricht dem langfristigen Lauf der Sonne und des Mondes entlang der Ekliptik in Bezug auf den Fixsternhimmel. Dieser Lauf kann am einfachsten beim Mond erkannt werden, da er sich innerhalb eines siderischen Monats (27,322 Tage) einmal komplett durch den Fixsternhimmel bewegt. Die alten Inder und die Beduinen haben diese in sich geschlossene und sich ewig wiederholende Strecke vor langer Zeit in 27 beziehungsweise 28 Mondhäuser eingeteilt. Die Schriftrichtung von links nach rechts entspricht dem täglichen Lauf aller Gestirne in Bezug zum Horizont vom Aufgang im Osten über die Kulmination auf dem Meridian im Süden zum Untergang im Westen.

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass sich bereits unsere Urahnen auf das am Himmel zu beobachtende Geschehen bezogen haben, den sie noch völlig ohne Lichtverschmutzung wahrnehmen konnten. Insofern scheint es unerlässlich, archäoastronomische Aspekte bei der Interpretation der alten Darstellungen zu berücksichtigen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Menschen im Altertum weniger verständig waren als in der Neuzeit, sie hatten allerdings weniger Wissen angesammelt als das, über das wir heute verfügen können. Der ewige Lauf der Sterne, der Planeten, des Mondes und der Sonne kann bei hinreichend langer Beobachtung zwar zunehmend genau beschrieben, jedoch nicht ohne weiteres erklärt werden. Für die damals unerklärlichen Vorgänge und Zusammenhänge am Himmel, insbesondere am Nachthimmel, wurden demzufolge mythische Geschichten erfunden, die danach immer weiter ausgesponnen und verbreitet wurden. Viele Religionen beziehen sich auf diese als göttlich bezeichneten Vorgänge unter anderem, um Kalender und die Termine von bestimmten Festtagen festzulegen.

In der Magura-Höhle gibt es insgesamt über eintausend bildliche Darstellungen aus verschiedenen prähistorischen Epochen.[1] Die Datierung scheint problematisch zu sein, die alten Höhlenmalereien sollen spätestens 2600 Jahre vor Christi Geburt entstanden sein, die ältesten jedoch noch früher.[2] In diesem Kontext ist es erwähnenswert, dass der südliche Stern Phakt (α Columbae) im Sternbild Taube (Columba) bedingt durch die Präzession der Erdachse vor gut 4000 Jahren zum ersten Mal vom Gipfel des Magura-Berges beobachtet werden konnte, was von damaligen Beobachtern sicherlich als spektakuläre Sensation wahrgenommen wurde:

→ Siehe auch Kapitel Die Stele vom Rocher des Doms, Abschnitt Phakt.

Dieses Wikibook beschäftigt sich vor allem mit den sieben älteren Darstellungen, die beginnend von Eingang der Höhle eine Bildergeschichte erzählen zu scheinen, und greift auch einige der tiefer in der Höhle befindlichen Darstellungen auf.

Beschreibung Bearbeiten

 
Die Lage des Magura-Komplexes südlich des Rabischa-Sees und nordwestlich des Ortes Rabischa (Рабиша).

Die Magura-Höhle liegt ungefähr zwei Kilometer nordwestlich der bulgarischen Stadt Rabischa ganz im Nordwesten des Landes.[3] Die höchste Erhebung des Bergs liegt 461 Meter über dem Meeresspiegel und zirka 170 Meter über dem Wasserspiegel des unmittelbar nördlich gelegenen Rabischa-Sees. Dieser See hat in West-Ost-Richtung eine Ausdehnung von knapp zweieinhalb Kilometer und in Nord-Süd-Richtung von gut anderthalb Kilometer. Nach Osten hin erstreckt sich auf über 20 Kilometer eine zur Donau hin leicht abfallende Ebene, so dass der Horizont im Quadranten zwischen Norden und Osten völlig unverdeckt und bei hinreichend klarer Atmosphäre alle dort aufgehenden Gestirne äußerst spektakulär zu sehen sind. Die Donau bildet hier die Staatsgrenze zu Rumänien. in gut 400 Kilometern Entfernung liegt in dieser Richtung das Schwarze Meer. Vom Magura-Gipfel aus von links nach rechts gesehen liegt zwischen dem Azimut von 335 Bogengrad in Richtung Nordnordwest bis zum Azimut von 120 Bogengrad in Richtung Ostsüdost der geographische Horizont überall unterhalb des geometrischen Horizonts, es sind also sogar negative Höhen am Himmel beobachtbar. Insbesondere die freie Sicht nach Osten macht den Magura-Berg zu einem ausgezeichneten Observatorium für aufgehende Himmelsobjekte, das auch schon von den Neolithikern benutzt werden konnte. Die Nordrichtung wird durch die Transsilvanischen Alpen (Südkarpaten) markiert, deren Gipfel wegen der Entfernung von über 160 Kilometern ebenfalls unterhalb des geometrischen Horizonts liegen. Im Süden befinden sich die westlichen Ausläufer des Balkangebirges mit seinen beiden Höhenzügen Veneza und Vedernik, der 38 Kilometer entfernte, mit 2169 Metern Höhe höchste serbische Berg Midschur ist in südlicher Richtung zu sehen. Die Grenze von Serbien verläuft in westlicher Richtung 15 Kilometer entfernt in den Bergen.

 
Aus digitalem Geländemodell berechnetes Rundumpanorama vom Magura-Berg aus gesehen. Der Sonnenaufgang ist von hier aus zu jeder Jahreszeit sehr gut beobachtbar und findet zwischen den Azimuten 54 Bogengrad im Nordosten bei der Sommersonnenwende und bei 124 Bogengrad im Südosten bei der Wintersonnenwende statt. Zu den Tag-und-Nacht-Gleichen bei Frühlings- und Herbstbeginn geht die Sonne exakt im Osten (bei einem Azimut von 90 Bogengrad) auf.

Die Magura-Höhle ist eine vor zirka 15 Millionen Jahren durch Lösung von Kalkgestein gebildete Karsthöhle mit einer Lufttemperatur von 12 Grad Celsius. Sie verfügt eine Gesamtlänge von zweieinhalb Kilometer, ist heute mit einer elektrischen Beleuchtung versehen und kann allerdings nur in Teilen und im Rahmen einer Führung ganzjährig besichtigt werden.

Die Höhle befindet sich im östlichen Zipfel der vor rund 7000 Jahren von der Vinča-Kultur geprägten Region, in der mit Keramik gearbeitet wurde. Aus dieser Zeit sind auch prähistorische Zeichen, die Vinča-Symbole, bekannt, die offenbar religiösen Zwecken gedient hatten. Die Höhlenmalereien scheinen aus mehreren Epochen zu stammen, die bis in die Bronzezeit reichen. Die Künstler der ältesten Höhlenmalereien haben vor ungefähr 5500 Jahren mit Fledermaus-Guano gearbeitet, das aus den Exkrementen der Tiere hergestellt wird.[4] Es gibt in der Hauptgalerie insgesamt sechs verschieden große Hallen und drei weitere seitlich abgehende Galerien. Am Eingang der Höhle befindet sich mit der über 100 Meter langen und bis zu 58 breiten sowie bis zu 28 Meter hohen Triumph-Halle (auch Bogen-Halle) die größte Halle des Komplexes.

Die Magura-Höhle wurde schon in der Altsteinzeit von Menschen genutzt. Eine indoeuropäische Völkergruppe der Thraker hat sie in der Bronzezeit für mehrere Jahrhunderte bewohnt. Die Triumph-Halle wurde von zahlreichen Menschen bewohnt. Auch später wurde die Höhle genutzt, da sich keramische Artefakte aus der Eisenzeit finden ließen.[5]

1984 wurde die Höhle in die Tentativliste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.[6] Seit 2009 gibt es im Eingangsbereich eine Ausstellung mit den Höhlenmalereien.[5] Ähnliche Malereien und weitere mit Darstellungen der Sonne und von Mondsicheln gibt es in der Bailovo-Höhle in der Nähe von Sofia.[7]

Schöpfungsmythos Bearbeiten

 
Rekonstruktion des Mittelpunkts der Welt nach dem vorsokratischen griechischen Philosophen Anaximander. Beim georgischen Strom Rioni (griechisch: Φάσις = Phasis) gab es im Altertum ausgedehnte Sümpfe, die nach Norden eine natürliche Barriere für Menschen darstellten. Bereits Hesiod erwähnt den Strom in seinem Werk „Theogonie“, in dem die Entstehung der griechischen Götter und der Welt beschrieben wird.

Die Hochkulturen der Steinzeit lebten nicht nur südlich, sondern auch westlich des Schwarzen Meeres. Die Permafrostgrenze lag während der letzten Kaltzeit immer nördlich dieser Region, und die Landbrücke zwischen dem Marmarameer und dem Schwarzen Meer konnte begangen werden. Das Schwarze Meer wurde über zahlreiche Flüsse mit Süßwasser gespeist. Die gesamte Küstenregion war daher gut mit Trinkwasser und Meerestieren versorgt und stellte somit einen gut geeigneten Lebensraum für die damaligen Bewohner dar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Menschen aller angrenzenden Regionen bereits damals auf dem Landweg Handelswaren, Geschichten und Information sowie Wissen ausgetauscht haben, und dass dies in den Artefakten, Traditionen und Mythen der verschiedenen Völker gemeinsame Spuren hinterlassen hat. Es wäre also nicht überraschend, wenn sich bei der Entwicklung der Gesellschaften in allen Richtungen von den Ufern des Schwarzen Meeres zahlreiche Gemeinsamkeiten und Parallelitäten ergeben hätten. Durch die zunehmende Erwärmung der Erde und die dabei abschmelzenden Gletscher stiegen die Wasserspiegel der Ozeane und der Binnenmeere allmählich um über einhundert Meter an, und an den flachen Küstenregionen des Schwarzen Meeres verdrängte das Wasser das Ufer um mehrere hundert Kilometer ins Landesinnere. Die Landbrücke zwischen dem Marmarameer und dem Schwarzen Meer brach irgendwann vor 7500 bis 9500 Jahren auf, und das Mittelmeer und das Schwarze Meer egalisierten ihre Meeresspiegel. Die Menschen mussten fortan Boote benutzen, um zwischen den nicht mehr auf dem Landweg zu erreichenden westlichen und südlichen Küstenregionen des Schwarzen Meeres zu reisen.

Die ersten sieben Stationen mit Höhlenmalereien in der Magura-Höhle stammen offenbar aus einer früheren Periode der Malereien in der Magura-Höhle.[2] Sie lassen viele Elemente eines Schöpfungsmythos erkennen, wie zum Beispiel einen Lichtbringer, die Sieben, Himmel und Erde, Lebewesen, Mann und Frau oder Wasser.[8] In weiteren Darstellungen ist offenbar ein Kalender und sind Elemente einer Sintflut zu erkennen.

Insgesamt ergeben sich bei den Malereien in der Magura-Höhle nicht nur erstaunliche Bezüge zur Genesis (Bereschit der jüdischen Tora beziehungsweise Erstes Buch Mose des christlichen Alten Testaments), sondern auch zum sumerischen Atraḫasis-Epos beziehungsweise Gilgamesch-Epos, in denen von einem Himmelsstier und ebenfalls von einer Sintflut die Rede ist. Die Sintfluterzählung gilt als eine Ergänzung der Schöpfungserzählung. Der sumerische Urozean beziehungsweise das kosmische Wasser wurde Abzu („Uranfänglicher“) genannt. Der babylonische Schöpfungs-Mythos Enuma elisch erzählt auf sieben Tontafeln zum Beispiel von den Attributen der sieben Winde und von einer Sturmflut sowie von der Schaffung der Sternbilder durch die erstmals im dritten Jahrtausend vor Christus erwähnte sumerische Gottheit Marduk. Sehr ähnliche Motive tauchen auch in alten chinesischen, mündlich überlieferten Volksmärchen auf, wie in den Erzählungen „Die Menschwerdung der fünf Alten“ und von der Schöpfergöttin des Menschengeschlechtes „Nü Wa“.[9][10]

In der Magura-Höhle gibt es neben den hier vorgestellten Ausschnitten fast eintausend weitere Zeichnungen.[11] Es ist daher denkbar, dass diese einen längeren „Magura-Epos“ erzählen, der über die Berichte von der Schöpfung der Welt und der Sintflut deutlich hinausgeht.

Die folgenden sieben Abschnitte behandeln die ersten sieben und offenbar ältesten Stationen in der Magura-Höhle.[2] Die entsprechenden Höhlenmalereien werden hierin als ein Bericht von der Schöpfung der Welt interpretiert.

Hier findet sich eine kurze einfache Nacherzählung des im Folgenden ausführlicher beschriebenen Schöpfungsmythos:

→ Nacherzählung des Schöpfungsmythos aus der Magura-Höhle

Erste Station Bearbeiten

Trennung von Licht und Finsternis

Sie geht Morgen für Morgen, für jeden wahrnehmbar, im Osten auf.

Das erste Zeichen erinnert an einen mythischen Lichtbringer, wie er in der aufgehenden Sonne gesehen werden kann, die sich auf einer Wasseroberfläche spiegelt. Der Leuchteffekt auf der Wasseroberfläche wird Glitzerpfad (englisch: „glitter path“) genannt.[12]

Durch Brechungseffekte in der Atmosphäre (astronomische Refraktion) erscheint die Sonne in vertikaler Richtung etwas gestaucht. Durch die Rayleigh-Streuung wird das kurzwellige blaue Licht der Sonne seitlich abgelenkt, so dass vor allem die langwelligen rötlichen nicht gestreuten Anteile den Beobachter auf direktem Weg erreichen.

→ Siehe hierzu auch: Wikibook „Digitale bildgebende Verfahren“, Kapitel „Beleuchtung“, Abschnitt „Streuung“.

 
Westlich des Goldenen Tors der Ekliptik (links im Bild zwischen Aldebaran und den Plejaden) liegt der astronomische Urozean in den zusammenhängenden Wassersternbildern Walfisch (Cetus), Fische (Pisces, sumerisch Aruru), Wassermann (Aquarius, sumerisch GU.LA) und Steinbock (Capricornus, babylonisch Ziegenfisch, sumerisch SUHUR.MAŠ). Aus diesem dunklen Urozean (dem sumerischen Süßwasserozean Abzu) heraus treten die sieben Wandelgestirne in Richtung Osten durch das Goldene Tor der Ekliptik.

Zur Tag-und-Nacht-Gleiche erfolgt der Sonnenaufgang genau im Osten und kann dann gut vom westlichen Zipfel des Rabischa-Sees am Fuße des Magura-Berges beobachtet werden, da dieser nach Osten hin seine größte Ausdehnung hat und sich dahinter eine sehr weite zur Donau und zum Schwarzen Meer hin abfallende Tiefebene erstreckt. Vom westlichen Ufer eines Ozeans oder eines großen Gewässers, dessen gegenüberliegendes Ufer wegen der Krümmung der Erdoberfläche nicht gesehen werden kann, wie am Schwarzen Meer, kann die aufgehende Sonne am Horizont sogar vollständig mit ihrem Spiegelbild verschmelzen.

Hierzu die ersten fünf Verse der Schöpfungsgeschichte aus dem Alten Testament nach der Einheitsübersetzung:[13]

1 Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.
2 Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis.
5 Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.

Auch das sumerische Urwasser Abzu bezieht sich auf den Sonnenaufgang.

Unter den altägyptischen Gottheiten wurde Re als die Sonnengottheit verehrt, die durch das Wirken ihrer Kraft auf der Erde das Leben ermöglichte.

Der mittelalterliche Liber Quare („Das Buch Warum“)[14] erklärt zur Frage, warum gen Osten gewandt gebet wird, damit dass Gott zwar überall und unerforschlich groß ist[15], er aber nach dem ersten Kapitel des Evangeliums nach Lukas derjenige ist, der als Glanz des ewigen Lichts die Finsternis erleuchtet hat:[16]

78 Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe,
79 um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.

Für die nordamerikanischen Indianervölker der Haida und der Tsimshian in Britisch-Kolumbien ist ein großer dunkler Rabe der Lichtbringer. Bevor das Licht in die Welt gebracht worden war, war sie nichts anderes als eine gigantische Urflut. Der Rabe wurde in der Dunkelheit geboren, war der Macher und Wandler aller Dinge sowie ein wunderbar singender Magier und Heiler. Der Rabe gilt in diesen Schöpfungsmythen als Bringer der Sterne, des Mondes und der Sonne, aber auch des Trinkwassers und des Feuers.[17]

Diese Geschichte kann auf zweierlei Art und Weise astronomisch gedeutet werden:

  1. Der Rabe als im Osten am Ende der Nacht als Sonne über einer großen Wasserfläche aufgehendes Geschöpf.
  2. Alle sieben mit bloßem Auge sichtbaren Wandelgestirne wandern entlang der Ekliptiklinie aus dem dunkeln Trichter der Thuraya durch das Goldene Tor der Ekliptik. Wird die Himmelsregion beim Goldenen Tor der Ekliptik mit den beiden sehr auffälligen Sternhaufen der Hyaden und der Plejaden in diesem Sinne interpretiert, fällt es nicht schwer, in dieser Konstellation einen Raben zu erkennen. Im nächsten Abschnitt wird diese Region in einer weiteren Interpretation dem Himmelsstier zugeordnet.

Zweite Station Bearbeiten

Schöpfung des Himmelsgewölbes

Aufmerksame und ausdauernde Beobachter sehen sie ewig durch dieses Tor ins Licht ziehen.
 
Steinzeitliches Stierornament mit langen Hörnern auf einem zirka 6000 Jahre alten Menhir in einem Dolmen aus Gavrinis und Table des Marchands am Golf von Morbihan in der südlichen Bretagne. Unter den Hörnern ist ein Zeichen zu sehen, das eine auffällige Ähnlichkeit zu Zeichen aus der Magura-Höhle aber auch zu anderen mit Rindern in Verbindung stehenden Zeichen aus dem Altertum aufweist (siehe unten).

Stiere scheinen seit jeher eine besondere Bedeutung für die Menschen gehabt zu haben und wurden schon vor rund 40000 Jahren in der El-Castillo-Höhle im spanischen Kantabrien und in der Kalksteinhöhle von Lubang Jeriji Saléh auf Borneo in Indonesien gemalt. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele: Der Auerochse in der Chauvet-Höhe an der südfranzösischen Ardèche soll zirka 31000 Jahre alt sein. Angehörige der Magdalénien-Kultur haben vor rund 16000 Jahren die Stier-Malereien in der Höhle von Lascaux in der französischen Dordogne sowie vor etwa 13000 Jahren den Wisent in der Höhle von Niaux in den französischen Pyrenäen und das Steppenbison in der Höhle von Altamira in Nordspanien (Kantabrien) gemalt. In der Schweiz wurden an verschiedenen archäologischen Ausgrabungsstätten mehrere sogenannte "Mondhörner" mit Lochreihen aus der späten Bronzezeit gefunden, die sehr an die Form eines Stierkopfes erinnern.[18] Auch in den Dolmen in Locmariaquer im Département Morbihan sowie auf der vorgelagerten Insel Gavrinis im im Golf von Morbihan in der südlichen Bretagne in Frankreich gibt es lebensgroße Darstellungen von Stieren mit langen Hörnern, die mindestens 6000 Jahre alt sind.[19][20][21][22]

Das zweite Zeichen aus Magura hat eine große Ähnlichkeit mit dem Himmelsstier.[23] Nach oben hin könnten zwei lange Hörner dargestellt sein, der Körper ist nach unten geöffnet und zeigt in der Mitte etwas wie einen Fußabdruck von etwas, dass in diesen Stier hineintritt. Die Darstellung weist die gleiche Orientierung auf wie der Asterismus Himmelsstier am westlichen Abendhimmel, durch den alle sieben mit bloßem Auge sichtbaren Wandelgestirne (die Sonne, der Mond sowie die fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) aus einem sternarmen, und somit in der Nacht besonders dunklen Himmelssegment des Trichters der Thuraya durch das Goldene Tor der Ekliptik ins Licht der helleren Objekte entlang der Ekliptik hineintreten. Dabei werden diese sieben Wesen quasi aus dem Himmelsstier heraus geboren und ziehen anschließend ihre Bahnen im Licht der Sterne entlang der Ekliptik.

Dieser Asterismus umfasst Teile der heutigen Sternbilder Stier (Taurus), Widder (Aries) und Walfisch (Cetus) beziehungsweise Teile der entsprechenden beduinischen Sternbilder „Lamm“ (arabisch: al-hamal, beim Stern Hamal (α Arietis)) mit dem „Bäuchlein“ des Lammes (arabisch: al-buṭayn, beim Stern Nair al Butain beziehungsweise Bharani (41 Arietis)) und den „vielen Kleinen“ im „fetten Schwanz“ des Lammes (arabisch: al-thurayya, der offene Sternhaufen der Plejaden beziehungsweise das Siebengestirn (M45)) sowie dem „Nachfolgender“ (arabisch: al-dabarān, der Rote Riese Aldebaran (α Tauri)) und der „amputierten Hand“ (arabisch: al-kaf al-jadhma, der Stern Kaffaljidhma beziehungsweise Kaffaljidh (γ Ceti)) mit dem Stern Menkar (α Ceti) am Trichter der Thuraya. Das Siebengestirn ist das auffälligste Himmelsobjekt in diesem Asterismus, befindet sich auf dem Rücken des Himmelsstieres und könnte als der Urquell der sieben Wandelgestirne angesehen werden (siehe hierzu auch: Plejaden - Überlieferungen).

 
Darstellung des Himmelsstiers in den fünf ersten Mondhäusern des arabischen Manazil al-Qamar mit den hellsten ekliptiknahen Sternen. Die rote Linie markiert die Lage der Ekliptik und unten sind die dazugehörigen ekliptikalen Längen zum Frühlingspunkt der Epoche J0000.0 und rechts die ekliptikalen Breiten aufgetragen.

Der Frühlingspunkt wanderte wegen der Präzession der Erdachse in den letzten Jahrtausenden vom Sternbild Zwillinge (Gemini) über den Stier (Taurus) und den Widder (Aries) bis in die Fische (Pisces), wo er sich heute befindet. Er markiert den Punkt auf der Ekliptik, an welchem die Sonne und der Neumond zur Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr aufgehen. Gleichzeitig markiert er den Punkt, an welchem der Vollmond zur Tag-und-Nacht-Gleiche im Herbst untergeht. Vor 4500 Jahren befand der Frühlingspunkt sich im Kopf des Sternbilds Stier (Taurus), direkt im Goldenen Tor der Ekliptik zwischen dem Stern Ain im offenen Sternhaufen der Hyaden und dem offenen Sternhaufen der Plejaden.

Die Schaffung des Himmelsgewölbes wird im Alten Testament in den Versen 14 und 15 zu Beginn des vierten Schöpfungstags beschrieben.[25] Es gibt einen deutlichen Hinweis auf die Kalenderfunktion der Lichter am Himmel:

14 Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen.
15 Sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über die Erde hin zu leuchten. Und so geschah es.

Die beiden Sterne Aldebaran und Ain stehen für die Augen des Stieres, und es ist interessant darauf hinzuweisen, dass Aldebaran und Ain nicht nur die astronomischen Namen α Tauri (alpha Tauri) und ε Tauri (epsilon Tauri) haben, sondern dass sie auch mit dem ersten Buchstaben Aleph   und dem Buchstaben Ain   des bereits im zweiten vorchristlichen Jahrtausend verwendeten phönizischen Alphabets in Zusammenhang gebracht werden können.[26] Im später eingeführten hebräischen Alphabet entsprechen diese dem ersten Buchstaben Aleph und dem Buchstaben Ajin (zu Deutsch "Auge"). Diese Buchstaben tauchen auch im eng verwandten paläohebräischen Alphabet als Aleph und Ayin auf.

Ferner ist bemerkenswert, dass die Sonne während eines tropischen Jahres vom Anfang bei Aldebaran (lateinisch: "A" / griechisch: "Alpha") auf der Ekliptik bis zum Ende bei Ain (lateinisch: "O" / griechisch: "Omikron") zieht, genau dort wo sich vor 4500 Jahren der Frühlingspunkt befand. Im Christentum ist das "A und O" (das Alpha und das Omega) in der Offenbarung des Johannes bezeugt:[27]

Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.

Das chinesische Schriftzeichen 牛 für Rind beziehungsweise für Ochse hat die folgende etymologische Entwicklung durchgemacht:

Dritte Station Bearbeiten

Schöpfung der Himmelskörper

Die in immerwährender Bewegung am Himmel seienden Sieben.
Wir sind die Wir-sind-da.

Dieser Figur schließt sich an der dritten Wand des Höhlengangs die Darstellung einer mythisch anmutenden Gruppe mit einer Siebengestalt an, die für die sieben aus dem Himmelsstier kommenden Wandelgestirne stehen könnten. Sie können daher als die aus dem Himmelsstier geborenen Himmelsstierkinder aufgefasst werden (vergleiche oben bei der zweiten Station „sibunstirri“ und „septemtriones“), nämlich die Sonne, der Mond sowie die fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn:

Die sieben Wandelgestirne
Name Wochentag Scheinbare Helligkeit Siderische Umlaufzeit
in Jahren
Mond Montag -13m 0,075
Planet Merkur Mittwoch -2m 0,21
Planet Venus Freitag -5m 0,62
Sonne Sonntag -27m 1,0
Planet Mars Dienstag -3m 1,9
Planet Jupiter Donnerstag -3m 12
Planet Saturn Samstag -0,5m 29,5

→ Siehe hierzu auch: Wikibook „Quadriviale Kuriositäten‎“, Kapitel „Zahlen“, Abschnitt „Zur Sieben“.

 
Der offene Sternhaufen der Plejaden (das Siebengestirn) wie er im Südwesten über dem Horizont ausgerichtet zu sehen ist mit seinen sieben hellsten Sternen Atlas, Pleione, Alkione, Merope, Maia, Electra, und Taygeta (von links nach rechts).

Vielleicht ist auch das Siebengestirn (der offene Sternhaufen der Plejaden), das Bestandteil des Himmelsstiers ist, mit diesen sieben Wesen gemeint. Diese Plejaden wurden in der griechischen Antike mit den gleichnamigen Nymphen gleichgesetzt.

Bei den Höhlenmalereien tauchen insgesamt sehr viele solcher luftgeisterartigen Figuren mit zum Himmel erhobenen Armen auf.[8]

 
Das Sternbild Orion mit den drei Gürtelsternen Alnitak (ζ Orionis), Alnilam (ε Orionis) und Mintaka (δ Orionis, von links nach rechts) sowie den vier Ecksternen Beteigeuze (α Orionis, links oben), Bellatrix (γ Orionis, rechts oben), Saiph (κ Orionis, links unten) und Rigel (β Orionis, rechts unten).

Einige Figuren der Höhlenmalereien ähneln deutlich dem heutigen Sternbild Orion mit seinen drei Gürtelsternen. Die hellsten sieben Sterne dieses bereits in der Antike genannten Sternbilds sind:

Die sieben Hauptsterne des Sternbilds Orion
Astronomische
Bezeichnung
Eigenname Lage Scheinbare
Helligkeit
α Orionis Beteigeuze links oben 0,0 bis 1,5m
β Orionis Rigel rechts unten 0,0m
γ Orionis Bellatrix rechts oben 1,5m
ε Orionis Alnilam mittlerer Gürtelstern 1,5m
ζ Orionis Alnitak linker Gürtelstern 1,5m
κ Orionis Saiph links unten 2,0m
δ Orionis Mintaka rechter Gürtelstern 2,5m

Nach der Schaffung des Himmelsgewölbes wird im Alten Testament in den Versen 16 bis 19 die Schaffung von Sonne (Herrscherin des Tages), Mond (Herrscher der Nacht) und Sternen erwähnt.[28] Die fünf mit bloßem Auge sichtbaren und gegenüber dem Fixsternhimmel ebenfalls wandelnden Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn wurden offensichtlich zu den Sternen gezählt:

16 Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne.
17 Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten,
18 über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war.
19 Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.

Vierte Station Bearbeiten

Trennung von Himmel und Erde / Schöpfung der Lebewesen

Hier die ewig Himmlischen, dort die vergänglich Irdischen.

Die vierte Station ist horizontal zweigeteilt und greift im oberen Teil („Himmel“) die figürlichen Darstellungen der sieben himmlischen Gestalten mit erhobenen Händen auf. Der untere Teil zeigt Menschen sowie Landtiere und Vögel („Erde“), jedoch keine Fische. In der ersten größeren Zusammenstellung von gezeichneten Figuren sind in der oberen Hälfte also mehrere Himmelsgestalten zu erkennen, wohingegen darunter eine irdische Szene mit Menschen und Tieren („Lebewesen“) zu sehen ist. Die beiden Teile sind auf der Felsoberfläche durch eine lange horizontale Kante getrennt.

Mit dieser Darstellung wird das Motiv „Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde“ vom allerersten Vers der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament aufgegriffen. Sie beschreibt am fünften und sechsten Tag das Geschehen auf der Erde danach folgendermaßen:[29]

20 Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von Schwärmen lebendiger Wesen und Vögel sollen über der Erde am Himmelsgewölbe fliegen.
21 Und Gott erschuf die großen Wassertiere und alle Lebewesen, die sich fortbewegen nach ihrer Art, von denen das Wasser wimmelt, und alle gefiederten Vögel nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.
22 Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch! Füllt das Wasser im Meer und die Vögel sollen sich auf Erden vermehren.
23 Es wurde Abend und es wurde Morgen: fünfter Tag.
24 Dann sprach Gott: Die Erde bringe Lebewesen aller Art hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Wildtieren der Erde nach ihrer Art. Und so geschah es.
25 Gott machte die Wildtiere der Erde nach ihrer Art, das Vieh nach seiner Art und alle Kriechtiere auf dem Erdboden nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.

In den zehn Geboten des jüdischen Tanach wird folgendes geboten:[30]

4 Du sollst dir kein Kultbild machen und keine Gestalt von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.

In den Psalmen gibt es zahlreiche Bezüge zu Himmel und Erde, wie zum Beispiel die folgenden:

Psalm 8 "Die Herrlichkeit des Schöpfers – die Würde des Menschen":[31]

2 HERR, unser Herr, / wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde, der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel.

Psalm 50 "Der rechte Gottesdienst":[32]

1 Ein Psalm Asafs. Gott, ja Gott, der HERR, hat gesprochen, / er rief die Erde vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang.
2 Vom Zion her, der Krone der Schönheit, ging Gott auf in strahlendem Glanz.
3 Unser Gott möge kommen und nicht schweigen; Feuer frisst vor ihm her; um ihn stürmt es gewaltig.
4 Dem Himmel droben und der Erde ruft er zu, um sein Volk zu richten:
5 Versammelt mir all meine Frommen, die den Bund mit mir schließen beim Opfer!
6 Da taten die Himmel seine Gerechtigkeit kund; weil Gott selbst der Richter ist.

Psalm 57 "Geborgenheit im Schutze Gottes":[33]

6 Erhebe dich über den Himmel, Gott! Deine Herrlichkeit sei über der ganzen Erde!
12 Erhebe dich über den Himmel, Gott! Deine Herrlichkeit sei über der ganzen Erde!

Psalm 85 "Bitte um Frieden und Gerechtigkeit":[34]

12 Treue sprosst aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.

Psalm 89 "Verheißung an David und Klage über die Verwerfung seines Hauses":[35]

12 Dein ist der Himmel, dein auch die Erde; den Erdkreis und was ihn erfüllt hast du gegründet.

Psalm 103 "Loblied auf den barmherzigen und gerechten Gott":[36]

11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so mächtig ist seine Huld über denen, die ihn fürchten.
19 Der HERR hat seinen Thron errichtet im Himmel, seine königliche Macht beherrscht das All.

Psalm 106 "Sündenbekenntnis Israels angesichts seiner Geschichte":[37]

20 Denn herabgeschaut hat der HERR aus heiliger Höhe, vom Himmel hat er auf die Erde geblickt.

Psalm 108 "Gott, Geborgenheit und Schutz seines Volkes":[38]

6 Erhebe dich über den Himmel, Gott! Deine Herrlichkeit sei über der ganzen Erde!

Psalm 113 "Loblied auf Gottes Hoheit und Liebe zu den Geringen":[39]

5 Wer ist wie der HERR, unser Gott, der wohnt in der Höhe,
6 der hinabschaut in die Tiefe, auf Himmel und Erde?

Psalm 121 "Der Hüter Israels":[40]

2 Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde erschaffen hat.

Psalm 124 "Israels Dank für die Befreiung":[41]

8 Unsere Hilfe ist im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.

Psalm 134 "Nächtliches Loblied im Tempel":[42]

3 Es segne dich der HERR vom Zion her, er, der Himmel und Erde erschaffen hat.

Psalm 146 "Preislied auf Gott, den Helfer der Armen":[43]

6 Er ist es, der Himmel und Erde erschafft, / das Meer und alles, was in ihm ist. Er hält die Treue auf ewig.

Psalm 148 "Lobpreis auf den Herrn, den König des Kosmos":[44]

13 Loben sollen sie den Namen des HERRN,/ denn sein Name allein ist erhaben, seine Hoheit strahlt über Erde und Himmel.

Im Christentum wird die Zweiteilung zwischen Himmel und Erde im Gebet des Herrn aus dem sechsten Kapitel des Matthäusevangeliums thematisiert:[45]

9 So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name,
10 dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf der Erde.

Der Apostel Paulus greift dieses Bild im 15. Kapitel seines ersten Briefes an die Korinther auf:[46]

47 Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der zweite Mensch stammt vom Himmel.
48 Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren.
49 Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden.

Fünfte Station Bearbeiten

Menschenschöpfung

Die fortwährende Voraussetzung für die Schaffung neuen menschlichen Lebens.

Die fünfte Station zeigt zwei Figuren, die wie eine Frau und ein Mann aussehen und gleichzeitig Ähnlichkeit mit den himmlischen Wesen von den Stationen drei und vier haben.

Die Darstellung erinnert an einen Paartanz mit nach oben gestreckten Armen (in fünfter Position). Die häufig genau auf diese Weise dargestellten Sylphen beziehungsweise Sylphiden sind nach dem in der ersten Hälfte der 15. Jahrhunderts tätigen Naturphilosophen Paracelsus mythische Luftgeister und gelten als ein Beispiel für die Spiritualisierung von Materie.

Die Schöpfungsgeschichte im Alten Testament beschreibt am sechsten Tag die Schaffung des Menschen:[47]

26 Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.
27 Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.
28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!
29 Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.
30 Allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, das Lebensatem in sich hat, gebe ich alles grüne Gewächs zur Nahrung. Und so geschah es.
31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.

Sechste Station Bearbeiten

Erschaffung des Wassers

Im Wasser ist himmlische Kraft, durch das Wasser ist irdisches Leben.

Die horizontal ausgerichteten Zickzacklinien im sechsten Teil erinnern an Wasserwellen. Die Urflut bestand aus Wasser. Wasser ist eine wesentliche Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen. In Schöpfungsmythen wird häufiger erwähnt, dass das ursprüngliche Wasser in das Wasser am Himmel und das Wasser in den Flüssen, Seen und Meeren aufgeteilt wird. Die Zickzacklinien der Höhlenmalereien von Magura tauchen sowohl in den oberen als auch in den unteren Bereichen der Darstellungen auf.

Die Schöpfungsgeschichte im Alten Testament beschreibt die Urflut und das Wasser bereits vor der Schaffung des Menschen:[48]

6 Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser.
7 Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. Und so geschah es.
8 Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag.
9 Dann sprach Gott: Es sammle sich das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort und das Trockene werde sichtbar. Und so geschah es.
10 Und Gott nannte das Trockene Land und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war.
11 Dann sprach Gott: Die Erde lasse junges Grün sprießen, Gewächs, das Samen bildet, Fruchtbäume, die nach ihrer Art Früchte tragen mit Samen darin auf der Erde. Und so geschah es.
12 Die Erde brachte junges Grün hervor, Gewächs, das Samen nach seiner Art bildet, und Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.
13 Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.

 
Meereswellen bei leichtem Wind im Sonnenlicht.

In diesem Kontext fallen zwei Punkte auf, die eine Abweichung zwischen der Reihenfolge der Höhlenmalereien und der biblischen Schöpfungsgeschichte darstellen:

  • Dieser Block mit dem zweiten und dritten Schöpfungstag erscheint erst nach dem sechsten Schöpfungstag, ansonsten ist die Reihenfolge identisch.
  • Von allen Versen des ersten Kapitels der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament spiegeln sich nur die Verse 11 bis 13, in denen es um die auf das Licht und das Wasser angewiesenen Pflanzen geht, nicht in den bildlichen Darstellungen der ersten sieben Stationen der Magura-Höhle wider.

Große Wassermassen stellen später die Menschen während der Sintflut auf die Probe, die in einer späteren Station offenbar thematisiert wird. Siehe unten: Sintflut.

Siebente Station Bearbeiten

 
Sieben Symbole bei der siebenten Station der Höhlenmalereien.

Besinnung auf die Zahl Sieben

Die Sieben steht für eine mystische Vollkommenheit.

Die siebente Station befindet sich etwas verborgen hinter einer Wand und zeigt sieben unterscheidbare Symbole mit Kreisen, Bögen und Kreuzen.

In diesem Zusammenhang sei ebenfalls auf sehr deutliche Ähnlichkeiten dieser Symbole aus der Magura-Höhle zu einigen Buchstaben des ältesten bekannten Alphabets in der 4000 Jahre alten protosinaitischen Schrift hingewiesen, aus der das phönizische Alphabet und somit noch später auch das aramäische, das hebräische und das griechische Alphabet hervorgegangenen sind:

Protosinaitische Schriftzeichen
Name Symbol Anmerkung Ägyptische Hieroglyphe Phönizischer Buchstabe Griechischer Buchstabe Lateinischer Buchstabe
alp   Ochse, Stier, erstes Zeichen des Alphabets
F1
  (alf)   (alpha) a, A
haw   Fenster, Anbeter, Lobpreisung
A28
  (hē)   (epsilon) e, E
waw   Haken
G43
  (wau)   (ypsilon) y, Y
en   Auge
D4
  (ain)   (omikron) o, O
taw   Markierung, Siegel, letztes Zeichen des Alphabets
Z9
  (tau)   (tau) t, T

Nach der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament wurde am siebenten Tag das Werk der Schöpfung vollendet. Dies ist zu Beginn des zweiten Kapitels nachzulesen:[49]

1 So wurden Himmel und Erde und ihr ganzes Heer vollendet.
2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte.
3 Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.

 
Die sieben den gegenüber dem Fixsternhimmel beweglichen Himmelskörper und deren Zuordnungen zu den Wochentagen in der Darstellung eines Heptagramms, das mit dem Mond beginnend entgegen dem Uhrzeigersinn und aufsteigend nach den siderischen Umlaufzeiten angeordnet ist. Die Sonne befindet sich oben.

Die Zahl Sieben ist eine besondere Zahl, da sie als einzige Zahl der Zahlen von Zwei bis Zehn teilerfremd mit sämtlichen anderen Zahlen ist. Am siebenten Schöpfungstag ist die Weltordnung hergestellt und die mythische Schöpfung vollendet. Die sieben Tage einer Woche entsprechen einem Mondviertel, die Schöpfungsgeschichte beginnt im Deutschen, im Lateinischen (Vulgata) und im Hebräischen (Bereschit) mit diesen sieben Worten:

Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.

Es gibt sieben mit bloßem Auge sichtbare ewig entlang der Ekliptik durch den Fixsternhimmel ziehende Wandelgestirne. Weitere astronomische Objekte mit Bezug zur Zahl Sieben sind die jeweils sieben hellsten Sterne der Asterismen Orion, Großer Wagen, Kleiner Wagen, Kopf des Stieres oder Siebengestirn (Plejaden) beziehungsweise die sieben hellsten Objekte des Fixsternhimmels in der Nähe der Ekliptik.

→ Siehe hierzu auch: Wikibook „Quadriviale Kuriositäten“, Kapitel „Zahlen“, Abschnitt „Zur Sieben“.

Die sieben Symbole der Höhlenzeichnung bei der siebenten Station erinnern in ihrer Form sowohl an die sieben himmlischen Gestalten der dritten Station als auch teilweise an noch heute gebräuchliche astronomische Symbole.

Astronomische Symbole und Planetenmetalle
Name Symbol Planetenmetall Wochentag
Mond           Silber Montag
Planet Merkur   Quecksilber Mittwoch
Planet Venus   Kupfer Freitag
Sonne   Gold Sonntag
Planet Mars   Eisen Dienstag
Planet Jupiter   Zinn Donnerstag
Planet Saturn   Blei Samstag
Astronomische Symbole von Sternbildern
Name Symbol Anmerkung
Sternbild Wassermann (Aquarius)   Dunkle, sternenarme Region im Trichter der Thuraya
Sternbild Fische (Pisces)   Heutiger Frühlingspunkt, dunkle, sternenarme Region im Trichter der Thuraya
Sternbild Widder (Aries)   Frühlingspunkt vor 2000 Jahren, beduinisches Sternbild Lamm mit Schwanz in den Plejaden, Bestandteil des Himmelsstieres
Sternbild Stier (Taurus)   Frühlingspunkt vor 4500 Jahren, mit Hörnern und Kopf des Himmelsstieres sowie inklusive der Plejaden, Goldenes Tor der Ekliptik

Im Himmelssegment dieser vier Lebewesenkreiszeichen (siehe auch Trichter der Thuraya) gibt es gemessen vom Stern Deneb Algedi (δ Capricorni) im Sternbild Steinbock (Capricornus), dem „Schwanz des Ziegenböckchens“, keine ekliptiknahen Sterne mit einer Größenklasse 3,5m oder heller. Erst im Goldenen Tor der Ekliptik im Sternbild Stier (Taurus) übertreffen die Plejaden, die Hyaden sowie Aldebaran diese Helligkeit, und zwar erheblich. Dies bedeutet, dass alle in diesem Quadranten in der Nähe der Ekliptik liegenden Fixsterne in der Helligkeit von mehreren hundert anderen Sternen des Nachthimmels sowie sehr deutlich von den sieben Wandelgestirnen übertroffen werden.

Nachdem der Mond das Sternbild Steinbock (Capricornus) verlassen hat, zieht er Monat für Monat sieben Tage lang durch die drei entlang seines Pfades an der Ekliptiklinie dunklen und unauffälligen Sternbilder Wassermann (Aquarius), Fische (Pisces) und Widder (Aries), bevor er ins Licht des Goldenen Tors der Ekliptik im Sternbild Stier (Taurus) tritt.

Sintflut Bearbeiten

Die bei der sechsten Station sichtbaren Zickzacklinien werden im weiteren Verlauf der Höhlenmalereien mehrfach aufgegriffen, wo sie eventuell im Zusammenhang mit der Darstellung der Sintflut stehen könnten. Unmittelbar vor den kalenderartigen Darstellungen (→ siehe hierzu auch unten: „Kalender“), die im Zusammenhang mit einer Neuordnung der Welt gesehen werden können, gibt es im oberen Bereich der Zeichnung beispielsweise eine kräftige horizontal ausgerichtete Zickzacklinie, die alle Bäume, Felder und Wesen sintflutartig zu überspülen scheint. Unterhalb dieser Flutwelle ist auch eine quadratisch angeordnete Matrix mit vierzig Punkten dargestellt – die Sintflut soll nach der schriftlichen Überlieferung im Alten Testament vierzig Tage lang gedauert haben.

 
Darstellung mit verschiedenen Elementen einer Sintflut: Wellen, Bäume, Felder und eine Matrix mit vierzig Punkten. Oben in der Bildmitte ein himmlisches Wesen, das die Katastrophe verursacht.

Im sechsten Kapitel der Genesis wird wegen des verdorbenen und gewalttätigen Verhaltens der Menschen eine gravierende Maßnahme angekündigt:[50]

11 Die Erde aber war vor Gott verdorben, die Erde war voller Gewalttat.
12 Gott sah sich die Erde an und siehe, sie war verdorben; denn alle Wesen aus Fleisch auf der Erde lebten verdorben.
13 Da sprach Gott zu Noach: Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist gekommen; denn durch sie ist die Erde voller Gewalttat. Siehe, ich will sie zugleich mit der Erde verderben.

Im siebenten Kapitel wird dann erzählt, wie die hierfür verursachte Sintflut vonstatten ging:[51]

4 Denn noch sieben Tage dauert es, dann lasse ich es vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde regnen und tilge vom Erdboden alle Wesen, die ich gemacht habe.
...
10 Als die sieben Tage vorbei waren, kam das Wasser der Flut über die Erde.
11 Im sechshundertsten Lebensjahr Noachs, am siebzehnten Tag des zweiten Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der gewaltigen Urflut auf und die Schleusen des Himmels öffneten sich.
12 Der Regen ergoss sich vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde.

Der offene Sternhaufen der Plejaden hatte auf Grund seines ungewöhnlichen und beeindruckenden Anblicks in vielen Kulturen eine besondere Bedeutung. Er wurde auch als Kalendergestirn verwendet, nach dessen Auf- und Untergängen landwirtschaftliche und seefahrerische Tätigkeiten ausgerichtet wurden, wie es zum Beispiel schon bei den griechischen Dichtern   Hesiod um 700 vor Christus[52][53] oder   Aratos von Soloi (* zirka 310 vor Christus; † 245 vor Christus) belegt ist. Hesiod erwähnt in seinem Text auch, dass die Plejaden im Frühjahr regelmäßig vierzig Tage und Nächte lang nicht zu sehen sind, da sie dann vom Licht der vorbeiziehenden Sonne überstrahlt werden. Auch der Begriff Quarantäne (vom Französischen „quarantaine (de jours)“ = „vierzig Tage“) soll auf diese Weise mit den Plejaden beziehungsweise mit der Dauer der Sintflut zusammenhängen.

Am Ende des achten Kapitels der Genesis folgen beim Bericht vom Ende der Sintflut mehrere Hinweise darauf, welche zentrale und elementare Rolle ein Kalender für die überlebenden Menschen fortan haben wird:[54]

Niemals, so lange die Erde besteht, werden Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht aufhören.

Kalender Bearbeiten

Sonnenkalender Bearbeiten

Im hinteren Teil der Höhle gibt es eine komplexe Darstellung mit diversen Attributen, in denen Bezüge zu einem Sonnenkalender festgestellt werden konnten.[55]

 
Neolithische Malereien in der Höhle von Magura - im rechten Drittel befindet sich der Sonnenkalender.

Links oben befindet sich ein sonnähnliches Symbol. Halb links ober befindet sich eine Matrix mit neunzehn Punkten. Der Meton-Zyklus hat eine Dauer von neunzehn Sonnenjahren. Im rechten Bereich befindet sich eine weitere Matrix mit 27 Punkten. Der siderische Mondzyklus dauert etwas mehr als 27 Tage.

 
Detail mit Elementen eines Sonnenkalenders.[55]

Mondkalender Bearbeiten

Aber auch bezüglich einer lunaren Kalenderführung gibt es mehrere Hinweise.[55] Im folgenden werden noch einige weitere Befunde dargestellt:

 
Erste Hälfte des synodischen Monats in einer Darstellung der Höhlenmalerei von Magura. Rechts ist die schmale, liegende Mondsichel des Altlichts beim Morgenletzt zu sehen. Ein bis zwei Tage später ist Neumond, danach nimmt der Mond wieder zu, und nach insgesamt sechzehn Tagen wird der Vollmond erreicht (links).
 
Dicht über dem Horizont befindlicher Vollmond mit den Spiegelungen des Glitzerpfads auf einer großen Wasserfläche.
 
Über dem südöstlichen Horizont beim Morgenletzt gerade noch sichtbares Altlicht des abnehmenden Mondes 53 Stunden vor Neumond mit der vom Erdschein beleuchteten Nachtseite des Mondes zum Herbstbeginn.

Insbesondere gibt es eine Darstellung des Altlichts beim Morgenletzt des Mondes mit einer liegenden Mondsichel, an das sich nach links fünfzehn strichförmige Markierungen und eine sechzehnte kreisförmige Figur mit einer Ausbuchtung nach unten anschließen, die den Vollmond mit darunterliegendem Glitzerpfad symbolisieren könnte. Vom Altlicht des Mondes über Neumond und zunehmenden Mond bis zum Vollmond sind es sechzehn Tage.

Auf der bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra sind drei verschiedene Darstellungen einer kreisförmigen Grundstruktur vorhanden, die nach dem österreichischen Ur- und Frühgeschichtler Paul Gleirscher[56] mit den drei Mondphasen des Altlichts, des ersten Viertels und des Vollmonds in Zusammenhang gebracht werden können, so wie sie auch in der Sequenz der Höhlenmalerei von Magura dargestellt sein könnten:

Auch im altägyptischen Mondkalender, der bereits im Neolithikum in Verwendung war, begann der Monat nicht mit dem unsichtbaren Neumond, sondern bereits mit dem gerade noch sichtbaren Altlicht des Morgenletztes des Mondes.[57]

Im weiter hinten liegenden Abschnitt der Magura-Höhle mit der Darstellung des Sonnenkalenders sind Felder mit 27 oder 28 Punkten zu sehen, die darauf hindeuten, dass die Menschen bereits damals die Länge des siderischen Monats gezählt und gekannt haben. Nach dieser Zeit steht der Mond erneut im selben Mondhaus (arabisch: „manazil al-qamar“), beziehungsweise bei der gleichen ekliptikalen Länge oder beim selben Stern des Fixsternhimmels.

Ferner tauchen bei den Höhlenmalereien Felder mit 19 und mit 25 Punkten auf.[58]. Diese könnten wie beim Kalenderstein von Mnajdra auf den Meton-Zyklus sowie die Anzahl der Siebentagewochen innerhalb synodischer Perioden beziehungsweise die vollendeten Mondviertel zwischen den Tag-und-Nacht-Gleichen beziehungsweise zwischen den Sonnenwenden hindeuten.

→ Siehe hierzu auch:

Schlusswort Bearbeiten

Wenn unseren Urahnen die gleiche Kreativität wie uns heute unterstellt werden darf, ist es nicht überraschend, dass auf Basis des damaligen zunächst ausschließlich mündlich tradierten Wissens Mond- und Sonnenkalender sowie Schöpfungsmythen entstanden sind. Die künstlerisch begabten Zeitgenossen konnten mit den damals verfügbaren Werkzeugen entsprechende bildliche Darstellungen erzeugen und hinterlassen. Durch die Dokumentation von astronomischen Beobachtungen und Ereignissen beispielsweise in Form von Strichlisten, Tabellen, Listen oder auch Zeichnungen konnte im Laufe der Jahrtausende immer mehr Wissen gesammelt werden, das mit Hilfe menschlicher Kognition ausgewertet und für die Vorhersage zukünftiger Ereignisse verwendet werden konnte.

Es ist sicherlich sehr schwierig, diese frühen Dokumente heute zu interpretieren, und noch schwieriger nachgewiesene Korrelationen zu beweisen, aber dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass es auffällige und bemerkenswerte Parallelen in verschiedenen Traditionen und Darstellungsformen gibt.

Es wäre wünschenswert, wenn in der prähistorischen und archäologischen Forschung in stärkerem Maße auch das zweifellos vorhandene und nicht triviale astronomische Wissen der damals Agierenden berücksichtigt werden könnte. Hierzu ist ein gründliches Verständnis der astronomischen Sachverhalte und Zusammenhänge erforderlich, welches eine entsprechende Bildung zur Voraussetzung hat.

→ Siehe hierzu auch: Wikibook „Quadriviale Kuriositäten“, Abschnitt „Astronomie“.

Weblinks Bearbeiten

  Commons: Pictographs in Magura Cave – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kiril Lyubchov Kirilov: The complete catalog of all Magura cave paintings – creation, use and perspectives., magnaaura.wordpress.com, 23. Juni 2016
  2. 2,0 2,1 2,2 Kiril Lyubchov Kirilov: Consecutive animal species and appearance of previously unseen conceptions determine two stages of creation of Magura cave paintings. Continuation of the painting’s style and meaning over a large time span, magnaaura.wordpress.com, 25. Juni 2016
  3. Andrea Arcà: Magura Cave paintings, Bulgarian rock art
  4. Enrico Sassoni, Elisa Franzoni, Milyana Stefanova, Zdravko Kamenarov, Paolo Scopece, Emanuele Verga Falzacappa: Comparative Study Between Ammonium Phosphate and Ethyl Silicate Towards Conservation of Prehistoric Paintings in the Magura Cave (Bulgaria), in: Coatings, 10, 250, 9. März 2020
  5. 5,0 5,1 Peštera Magura - Rabiša - Magura Cave, showcaves.com
  6. The Magoura cave with drawings from the bronze age, World Heritage Convention, UNESCO
  7. Alexey Dimitrov Stoev, Penka Vlaykova Muglova (Stoeva): Archaeoastronomical Investigations of the Prehistoric Anthropogenic Influences on the Karst Near the Village of Bailovo, Sofia District
  8. 8,0 8,1 Kiril Lyubchov Kirilov: The origin of civilizations according to the prehistoric paintings of Magura cave, magnaaura.wordpress.com, 29. Juni 2017
  9. Die Menschwerdung der fünf Alten, Wikisource
  10. Nü Wa, Wikisource
  11. Kiril Lyubchov Kirilov: The complete map of all Magura cave paintings – creation, use and perspectives., magnaaura.wordpress.com, 21. Juni 2016
  12. Richard Fleet: Sea Glitter Path, Optical Effects in Air, Water and Ice, 2004-2008
  13. Genesis 1, Vers 1 bis 5, Einheitsübersetzung, 2016
  14. Liber Quare / Das Buch Warum, Zur Liturgie im 11./12. Jahrhundert, Einleitung, Übersetzungen und Anmerkungen von Lorenz Weinrich, Zusatz 54, mit Bezug auf Psalm 145,3 und Lukas 1,78+79. Verlag Brepols&Publishers, 2020, ISBN 978-2-503-58686-1
  15. Psalm 145, Vers 3, Einheitsübersetzung, 2016
  16. Lukas 1, Vers 78 und 79, Einheitsübersetzung, 2016
  17. Jarich Oosten, Frédéric Laugrand: The bringer of light: the raven in Inuit tradition, Polar Record 42 (222), 187–204, United Kingdom, Juli 2006
  18. Fund ohne Funktion? Das rätselhafte Boswiler Mondhorn, Departement Bildung, Kultur und Sport, Abteilung Kultur, Kantonsarchäologie Aargau, Archäologische Sammlung
  19. Charles-Tanguy Le Roux, Jean-Paul Gisserot, Philippe Laplace: Gavrinis, Editions Jean-Paul Gisserot, 1995, ISBN 9782877471459
  20. Charles-Tanguy Le Roux: A propos des fouilles de Gavrinis (Morbihan) : nouvelles données sur l'art mégalithique armoricain, Bulletin de la Société préhistorique française, 81-8, 1984, Seiten 240 bis 245
  21. Éric Gaumé: Cornes d'aurochs (supplique pour le réexamen d'une gravure néolithique de bovidé dans l'île morbihannaise de Gavrinis, Bretagne), Bulletin de la Société préhistorique française, 104-1, März 2007, Seiten 81 bis 88
  22. Jean-Pierre Mohen: Le menhir au taureau brisé de Gavrinis (Morbihan), in: Pierres vives de la préhistoire: Dolmens et menhirs, Odile Jacob, 2009, Seiten 133 ff, ISBN 9782738123077
  23. Andrea Arcà: Magura Cave, a unique (?) horned figure, a schematic bovid (AA)
  24. Magura cave photogallery number 16, TRACCE, Online Rock Art Bulletin, Nummer 33, 19. November 2014
  25. Genesis 1, Vers 14 bis 15, Einheitsübersetzung, 2016
  26. Ernst von Bunsen: Die Plejaden und der Thierkreis oder: Das Geheimnis der Symbole, Verlag von Mitscher und Röstell, Berlin, 1879
  27. Offenbarung des Johannes, Kapitel 22, Vers 13, bibleserver.com, Einheitsübersetzung, 2016
  28. Genesis 1, Vers 16 bis 19, Einheitsübersetzung, 2016
  29. Genesis 1, Verse 20 bis 25, Einheitsübersetzung, 2016
  30. Exodus 20,4, Einheitsübersetzung, 2016
  31. Psalm 8, Vers 2, Einheitsübersetzung, 2016
  32. Psalm 50, Verse 1 bis 5, Einheitsübersetzung, 2016
  33. Psalm 57, Verse 6 und 12, Einheitsübersetzung, 2016
  34. Psalm 85, Vers 12, Einheitsübersetzung, 2016
  35. Psalm 89, Vers 12, Einheitsübersetzung, 2016
  36. Psalm 103, Verse 11 und 19, Einheitsübersetzung, 2016
  37. Psalm 106, Vers 20, Einheitsübersetzung, 2016
  38. Psalm 108, Vers 6, Einheitsübersetzung, 2016
  39. Psalm 113, Verse 5 und 6, Einheitsübersetzung, 2016
  40. Psalm 121, Vers 2, Einheitsübersetzung, 2016
  41. Psalm 124, Vers 8, Einheitsübersetzung, 2016
  42. Psalm 134, Vers 3, Einheitsübersetzung, 2016
  43. Psalm 146, Vers 6, Einheitsübersetzung, 2016
  44. Psalm 148, Vers 13, Einheitsübersetzung, 2016
  45. Matthäus 6, Verse 9 uns 10, Einheitsübersetzung, 2016
  46. 1. Korinther 15,47 bis 49, Einheitsübersetzung, 2016
  47. Genesis 1, Verse 26 bis 31, Einheitsübersetzung, 2016
  48. Genesis 1, Verse 6 bis 13, Einheitsübersetzung, 2016
  49. Genesis 2, Vers 1 bis 3, Einheitsübersetzung, 2016
  50. Genesis 6, Verse 11 bis 13, Einheitsübersetzung, 2016
  51. Genesis 7, Verse 4 bis 12, Einheitsübersetzung, 2016
  52. Hesiodos: Werke und Tage (ΕΡΓΑ ΚΑΙ ΗΜΕΡΑΙ), Egon und Gisela Gottwein, 13. Juni 2019
  53. Hesiod: Hauslehren II. (’Έργα καὶ ‛ημέραι), Projekt Gutenberg.de, übersetzt von Johann Heinrich Voß
  54. Genesis 8, Vers 22, Einheitsübersetzung, 2016
  55. 55,0 55,1 55,2 Kiril Lyubchov Kirilov: The Solar-Lunar-Earth calendar of Magura cave. A very sophisticated calendar created some 14000 years ago. Part 1, magnaaura.wordpress.com, 17. Oktober 2016
  56. Paul Gleirscher: Zum Bildprogramm der Himmelsscheibe von Nebra: Schiff oder Sichel?, Germania: Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, Band 85, Nummer 1, ISSN 0016-8874, Seiten 23-33, 2007
  57. Joachim Friedrich Quack: Zwischen Sonne und Mond - Zeitrechnung im Alten Ägypten, Seite 38, in: Harry Falk (Herausgeber), Vom Herrscher zur Dynastie. Zum Wesen kontinuierlicher Zeitrechnung in Antike und Gegenwart, Bremen 2002
  58. Alexey Stoev, Penka Maglova: Astronomy in the Bulgarian Neolithic, in: Clive L. N. Ruggles (Herausgeber): Handbook of Archaeoastronomy and Ethnoastronomy, Springer, New York, 7. Juli 2014, ISBN 978-1-4614-6141-8

Zusammenfassung des Projekts Bearbeiten

  „Die Höhlenmalerei in der Magura-Höhle“ ist nach Einschätzung seiner Autoren zu 100 % fertig

  • Zielgruppe: Interessierte und Wissbegierige
  • Lernziele: Archäoastronomsiche Ursprünge mit Bezug zu Schöpfungsmythen
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