Quadriviale Kuriositäten/ Osterdatum
In diesem Kapitel wird beschrieben, wie das Osterdatum eines beliebigen Jahres bestimmt werden kann.
Einleitung
BearbeitenOstern findet grundsätzlich am Sonntag nach dem ersten Vollmond statt, der nach der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr auftritt.
Diese Regel geht auf die 4600 Jahre alte sumerische Plejaden-Schaltregel zurück, bei der die Sonne in normalen Jahren am 15. Tag in der Mitte des ersten Monats (Nisannu) zur Tag-und-Nacht-Gleiche neben den Plejaden im Frühlingspunkt im Sternbild Himmelsstier (Taurus und Aries) stand. An diesem Tag herrschte der Frühlingsvollmond in der der Sonne gegenüberliegenden Herbstpunkt im Sternbild Himmelsskorpion (Scorpio und Libra). Ein ähnlicher Ansatz gilt auch heute noch für die Festlegung des jüdischen Pessach-Festes, das am Seder, dem Vorabend des 15. Nisan beginnt.
→ Siehe auch Kapitel Die Plejaden, Abschnitt Die Schaltregel.
Mit dem Osterdatum sind beginnend mit dem Aschermittwoch auch alle Festtage der Fastenzeit vor Ostern (inklusive von Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag), in der auf Ostern folgenden siebenwöchigen Osterzeit mit ihren ersten acht Tagen der Osteroktav, über das Fest Christi Himmelfahrt bis zum Pfingstfest sowie der darauffolgenden Dreifaltigkeitssonntag und das Fest Fronleichnam festgelegt.
Der Tag respektive der Abend vor dem Aschermittwoch wird Fastnacht genannt. Der kirchenlateinische Begriff Quinquagesima bedeutet "fünfzigster Tag", was sich auf die fünfzig Tage vom Sonntag Quinquagesima vor Aschermittwoch bis zum Ostersonntag bezieht. Der Sonntag Quinquagesima wird in Bezug auf den dazugehörigen Introitus "Esto mihi in Deum protectorem" (vergleiche Psalm 31,3[1]), der zum Einzug beim entsprechenden Gottesdienst gesungen wird, auch "Estomihi" und in Bezug auf den Karneval auch "Tulpensonntag" oder "Karnevalssonntag" genannt.
Die sechs Sonntage in der Fastenzeit werden für die Dauer der Fastenzeit nicht mitgezählt, so dass sich von Aschermittwoch bis Karsamstag vierzig Fastentage ergeben (→ siehe hierzu auch Kapitel Zahlen, Abschnitt Zur Vierzig). In der folgenden Tabelle sind die sich auf den Ostersonntag beziehenden Tage zusammen mit den dazugehörigen Mondphasen aufgeführt. In den Jahren, bei denen der Frühlingsvollmond eine ganze Woche vor Ostern stattfindet, kommt es zu geringfügigen Abweichungen bei den für die Wochen angegebenen Mondphasen:
Da das Frühlingsäquinoktium im Gregorianischen Kalender auf den 19., 20. oder 21. März fallen kann, ergibt sich theoretisch der 20. März für den frühestmöglichen Ostersonntag, falls der Vollmond noch am Tag des Frühlingsäquinoktiums folgt. Da ein Vollmond auch erst nach fast einem synodischen Monat mit 29,5 Tagen auftreten kann, kann der Vollmond nach dem Frühlingsäquinoktium im spätesten Fall am 20. April erscheinen, falls das Frühlingsäquinoktium in der zweiten Taghälfte des 21. Märzes stattfindet. Falls dieser Tag ein Montag wäre, würde der Ostersonntag nach dieser Definition der 26. April sein. Nach der Festlegung der römisch-katholischen Kirche für den Ostersonntag werden die tatsächlichen Sonntage am 25. oder 26. April jedoch um eine Woche vorverlegt, so dass der Ostersonntag in diesen seltenen Fällen auf den 18. beziehungsweise 19. April fällt.
→ Siehe auch Kapitel Mondzyklen, Abschnitt Synodischer Monat.
Diese Terminfestlegung mit dem ersten Frühlingsvollmond korreliert mit dem jüdischen Fest Pessach, das stets mit dem Vollmond am 15. Nisan beginnt und eine Woche dauert. Der Nisan ist der erste Monat des jüdischen Lunisolarkalenders, der mit dem Frühjahr beginnt. Der Vorabend des Pessachfestes am 14. Nisan wird Sederabend genannt.
Zu Beginn des zwölften Kapitels "Pessach und Auszug aus Ägypten" des zweiten Buchs des Pentateuchs, im Buch Exodus, steht die Festlegung für diesen jüdischen Termin, und diese Stelle ist auch der Ursprung des christlichen Begriffs "Osterlamm":[2]
1 Der HERR sprach zu Mose und Aaron im Land Ägypten:
2 Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll euch als der Erste unter den Monaten des Jahres gelten.
3 Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am Zehnten dieses Monats soll jeder ein Lamm für seine Familie holen, ein Lamm für jedes Haus. ...
6 Ihr sollt es bis zum vierzehnten Tag dieses Monats aufbewahren. In der Abenddämmerung soll die ganze versammelte Gemeinde Israel es schlachten.
...
11 ... Es ist ein Pessach für den HERRN.
...
14 Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest für den HERRN! Für eure kommenden Generationen wird es eine ewige Satzung sein, das Fest zu feiern!
In vielen alten Jahreskalendern beginnt das Jahr mit diesem Monat (im Julianischen und Gregorianischen Kalender entspricht er dem März), so wie auch bei den Sumerern, wo dieser Monat später die akkadische (protosemitische) Bezeichnung Nisannu hatte. Sowohl der erste Nisannu als auch der erste Nisan liegen auf dem Tag mit dem Neulicht des Mondes, das ein bis zwei Tage nach Neumond zu sehen ist, so dass der Vollmond danach am 15. Nisan beziehungsweise am 15. Nisannu erscheint.
Um das tropische Sonnenjahr und das Frühlingsäquinoktium synchron zu halten, wird bei Solarkalendern grundsätzlich alle vier Jahre nach dem ursprünglich letzten Tag des Jahres, dem 28. Februar, ein Schalttag, der 29. Februar, eingefügt, bevor das neue Jahr mit dem 1. März beginnt. Beim Julianischen Kalender erfolgt dies, immer wenn die Jahreszahl ohne Rest durch vier teilbar ist, und beim und Gregorianischen Kalender genauso, jedoch nicht wenn die Jahreszahl ohne Rest durch 100 teilbar ist, aber doch wenn die Jahreszahl auch ohne Rest durch 400 teilbar ist. Bei den Lunisolarkalendern wird ungefähr alle drei Jahre ein ganzer synodischer Monat eingeschoben, ein sogenannter Schaltmonat. Die betreffenden Jahre werden Schaltjahre genannt. Schon bei den Sumerern war vor über 4500 Jahren die Plejaden-Schaltregel bekannt, nach der die Jahre bestimmt wurden, in denen der Schaltmonat eingefügt werden muss.
→ Siehe auch Kapitel Die Plejaden, Abschnitt Die Schaltregel.
Der muslimische Lunarkalender verwendet diese Synchronisation zwischen Mond- und Sonnenzyklen nicht, so dass das Mondjahr wegen der kürzeren Dauer von zwölf synodischen Monaten (rund 354 Tage) gegenüber dem tropischen Sonnenjahr (rund 365 Tage) in Bezug auf die Tag-und-Nacht-Gleichen beziehungsweise die Sonnenwenden im Solarkalender mit jedem neuen Jahr jeweils elf Tage früher beginnt.
→ Siehe auch Kapitel Mondzyklen.
Der Frühlingsbeginn
BearbeitenÜblicherweise ist der astronomische Frühlingsbeginn an dem Tag, an dem im Frühjahr die Tag-und-Nacht-Gleiche beziehungsweise das Frühlingsäquinoktium stattfindet. Die Sonne durchläuft auf ihrer Bahn entlang der Ekliptiklinie an diesem Tag den Frühlingspunkt, der im ekliptikalen Koordinatensystem des Jahres bei der Länge Null liegt.
→ Siehe auch Kapitel Astronomische Bezugssysteme, Abschnitt Die Ekliptik.
Wenn die Sonne im Frühlingspunkt steht, geht sie überall auf der Erde morgens um 6 Uhr Ortszeit genau im Osten auf und abends um 18 Uhr Ortszeit genau im Westen unter. Aufgrund der Präzession der Erdachse durchwandert der Frühlingspunkt den Kreis der Ekliptik im Laufe von knapp 26 Jahrtausenden einmal vollständig und retrograd (rückläufig), so dass er wegen der unregelmäßigen Grenzen der Sternbilder im Mittel jeweils rund 2150 Jahre lang in einem der zwölf Ekliptiksternbilder des Zodiaks steht. Im Jahr 4541 vor Christus wechselte der Frühlingspunkt vom heutigen Sternbild Zwillinge (Gemini) in das heutige Sternbild Stier (Taurus), seit 1865 vor Christus lag im heutigen Sternbild Widder (Aries, der Frühlingspunkt wurde deswegen damals auch Widderpunkt genannt) und seit 68 vor Christus im heutigen Sternbild Fische (Pisces), wo er sich auch heute noch befindet. Im Jahr 2597 wird er in das heutige Sternbild Wassermann (Aquarius) wechseln.
Da der Vollmond von der Erde aus gesehen der Sonne immer gegenübersteht, sich also in Opposition befindet und in Bezug zur Sonne eine Elongation von 180 Bogengrad hat, steht ein Vollmond, der gleichzeitig zum Frühlingsanfang auftritt, gegenüber dem Frühlingspunkt im Herbstpunkt und geht morgens gegen 6 Uhr im Westen unter und abends gegen 18 Uhr im Osten auf. Im Gegensatz zur Sonne hat der Mond hierbei allerdings nicht unbedingt die ekliptikale Breite Null, so dass er je nach der ekliptikalen Länge seiner Knotenpunkte nicht in der Ekliptikebene, sondern bis zu gut fünf Bogengrad nördlich oder südlich der Ekliptikebene liegt.
→ Siehe auch Kapitel Astronomische Bezugssysteme, Abschnitt Der Frühlingspunkt.
Der Vollmond
BearbeitenEin Vollmond findet statt, wenn sich die ekliptikalen Längen von Sonne und Mond um genau 180 Bogengrad unterscheiden. Der Mond steht zu diesem Zeitpunkt in Opposition, und die Erde befindet sich zwischen Mond und Sonne.
→ Siehe auch Kapitel Konjunktionen.
Der Meton-Zyklus
BearbeitenDer Meton-Zyklus beschreibt die Zeitspanne von 19 Jahren, nach der Sonne und Mond an den gleichen Stellen des Fixsternhimmels, also mit der jeweils gleichen ekliptikalen Länge, erscheinen. Aufgrund dieser Definition zeigt der Mond sowohl zu Beginn als auch am Ende dieses 19-jährigen Zyklus die gleiche Mondphase beziehungsweise hat er dann das gleiche Mondalter. Dieser Zyklus kann also entweder durch 19 vollständige tropische Sonnenjahre, oder durch 254 vollständige siderische Perioden oder durch 235 vollständige synodische Perioden des Mondes beschrieben werden. Nach 19 tropischen Sonnenjahren haben alle drei Zyklen bis auf zwei Stunden genau die gleiche Dauer:
- 19 tropische Sonnenjahre = 6939,6 Tage: die Sonne erreicht die gleiche ekliptikale Länge
- 254 siderische Monate = 6939,7 Tage: der Mond erreicht die gleiche ekliptikale Länge
- 235 synodische Monate = 6939,7 Tage: der Mond zeigt die gleiche Mondphase respektive das gleiche Mondalter und hat die gleiche Elongation
→ Siehe auch Kapitel Mondzyklen: Abschnitt Synodischer Monat / Abschnitt Siderischer Monat.
Der Meton-Zyklus kann auch auf das Frühlingäquinoktium und einen dort zeitnah auftretenden Vollmond bezogen werden. Die Sonne befindet sich dann im Frühlingspunkt, und der Mond in Opposition, also im Herbstpunkt. Da sich dieses Szenario nach 19 Jahren wiederholt, liegt es nahe, den Meton-Zyklus bei der Berechnung des variablen Osterdatums zu berücksichtigen.
→ Siehe auch Kapitel Mondzyklen, Abschnitt Der Meton-Zyklus.
Jeder Jahreszahl im Gregorianischen Kalender kann der Dauer eines Meton-Zyklus in Jahren entsprechend eine Goldene Zahl zugeordnet werden (der um eins erhöhte ganzzahlige Rest der ganzzahligen Division von durch ):
Für das Jahr 2022 ergibt sich danach zum Beispiel die Goldene Zahl 8 (der um eins erhöhte ganzzahlige Rest der ganzzahligen Division von 2022 durch 19):
Berechnung des Osterdatums
BearbeitenIm Mittelalter
BearbeitenIm Mittelalter wurde zur Berechnung des Osterdatums im Julianischen Kalender der computus pascalis (lateinisch, zu Deutsch "Berechnung des Osterns") eingesetzt. Abweichend von der am Vollmond orientierten Regel für die Festlegung des jüdischen Pessachfestes, das immer am 15. Nisan gefeiert wird und somit sowohl nach dem Julianischen als auch nach dem Gregorianischen Kalender wechselnde Wochentage hat, hat das Erste Konzil von Nicäa im Jahr 325 festgelegt, dass Ostern stets auf einen Sonntag nach dem Pessachfest und nach der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling zu legen sei.
Für den Julianischen Kalender entspricht die Epakte nach dem Werk De Temporum Ratione von Beda Venerabilis aus dem Jahr 725 dem Mondalter am 22. März des entsprechenden Jahres. Für jedes Jahr ergibt sich die Epakte aus der folgenden Formel:
Für das Jahr 2022 ergibt sich danach zum Beispiel die Epakte 17:
→ Siehe Wikipedia-Artikel Computus (Osterrechnung).
Nach Carl Friedrich Gauß
BearbeitenCarl Friedrich Gauß (1777–1855) hatte in seinem Beitrag "Berechnung des Osterfestes" im August 1800 einen Rechenweg veröffentlicht, mit dem das Datum des Ostersonntags berechnet werden kann. [3] Sechzehn Jahre später hat er die Formeln noch einmal ein wenig modifiziert und verbessert. Auch in beiden Varianten der Gaußschen Osterformeln wird der Meton-Zyklus bei der Bestimmung des ganzzahligen Mondparameters für ein bestimmtes Jahr berücksichtigt:
Für das Jahr 2022 ergibt sich danach zum Beispiel der Mondparameter 8:
→ Siehe Wikipedia-Artikel Gaußsche Osterformel.
Nach Harold Spencer Jones
BearbeitenDer Mondparameter spielt auch in dem nach dem Londoner Astronomen Harold Spencer Jones (* 1890; † 1960) benannten Algorithmus eine zentrale Rolle, die dieser 1922 in seinem Buch "General Astronomy" veröffentlicht hatte.[4] Diese Rechenvorschrift stammt aus einer anonymen Quelle, die bereits 1876 bei der Zeitschrift "Nature" eingereicht worden war.[5]
→ Siehe Wikipedia-Artikel Spencers Osterformel.
Siehe auch
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Psalm 31,3, bibleserver.com, Einheitsübersetzung, 2016
- ↑ Exodus 12,1-20, Einheitsübersetzung 2016
- ↑ Carl Friedrich Gauß: Berechnung des Osterfestes, in: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, Kapitel XV., Seiten 121 bis 130, August 1800
- ↑ Harold Spencer Jones: General Astronomy, Longmans, Green & Co, New York, Edward Arnold & Co, London, 1922
- ↑ Sir Norman Lockyer (Herausgeber): To Find Easter, Nature, Band 13, Seite 487, Verlag Macmillan Journals Limited, London und New York, 20. April 1876