Wikijunior Europa/ Türkei
Die Türkei ist ein großes Land im Übergang von Südosteurupa und Asien. Sie grenzt an Griechenland, Bulgarien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, den Iran, den Irak und Syrien und hat lange Küsten zum Mittelmeer, zur Ägäis und zum Schwarzen Meer. Der europäische Teil wird Thrakien genannt, der asiatische Teil Anatolien und wurde früher als Kleinasien bezeichnet. Die Meeresverbindungen zwischen Ägäis und Schwarzem Meer heißen Dardanellen, Marmarameer und Bosporus.
Die Hauptstadt ist Ankara. Am größten ist Istanbul (die einzige Metropole auf zwei Kontinenten), andere Millionenstädte sind Izmir, Bursa, Adana und Gaziantep. Die Währung ist die Türkische Lira.
Die Türkei ist u.a. Mitglied der NATO, gehört aber nicht zur Europäischen Union.
Geschichte
Der Übergang zwischen Europa und Asien ist seit Urzeiten besiedelt und geschichtlich interessant. Unter anderem gab es Machtgebiete der Hethiter, Griechen, Phryger, Lyder, Assyrer und Perser. Viele Städte werden durch Griechen gegründet, unter anderem Byzanz. Durch Alexander den Großen kommt ganz Kleinasien unter griechischen Einfluss. Später gehört es zum Römischen Reich.
Das Byzantinische Reich (330 bis 1453)
Im Jahre 330 wird Byzanz zur Hauptresidenz von Kaiser Konstantin, der sie ausbaut und in Konstantinopel umbenennt. Es wird die Hauptstadt des Oströmischen Reichs nach der Reichsteilung 397, das sehr oft Byzantinisches Reich genannt wird. Dieses Reich ist das Zentrum des orthodoxen Christentums (Rom ist das Zentrum des katholischen Christentums). Es verliert im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Macht in Kämpfen mit den Nachbarn, behauptet sich aber gegen die muslimischen Araber.
Der Aufstieg des Osmanischen Reiches
Ab dem 8. Jahrhundert breiten sich türkische Stämme von ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet im heutigen Kasachstan über Mittel- und Vorderasien aus. Dabei übernehmen sie den Islam als Religion. Ab dem 11. Jahrhundert erobern sie Teile von Kleinasien und errichten zunächst ein eigenes Reich, das Sultanat der Rum-Seldschuken. Dieses zerfällt in einzelne Fürstentümer; eines davon wird ab 1299 unter Osman I. (1259–1326) zur vorherrschenden Macht, erobert 1453 Konstantinopel und wird als Osmanisches Reich eine führende Macht in Europa und Vorderasien. Der Führer des Osmanischen Reiches trägt den Titel Sultan und ist seit der Eroberung Ägyptens auch Kalif, also ein Oberhaupt des Islam. Für die Stadt Konstantinopel werden verschiedene Bezeichnungen verwendet; ab 1930 ist Istanbul der amtliche Name.
Der Niedergang des Osmanischen Reiches
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts verliert das Osmanische Reich im Kampf u.a. gegen Spanien, Österreich-Ungarn und Russland immer mehr Einfluss. Der Seeweg um Afrika oder die Entdeckung Amerikas und die Bildung von Kolonien stärken die christlichen Staaten und schwächen die Stellung des Osmanischen Reichs. Auch führen innere Probleme – Käuflichkeit von Ämtern, Versteigerung von Steuern, Korruption oder fehlende technische Entwicklung – zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rückständigkeit. Gleichzeitig streben die verschiedenen Völker nach Unabhängigkeit. Dies und wirtschaftliche Probleme führen 1909 zu einem Staatsstreich, nach dem der Sultan seine Macht weitgehend verliert und ein parlamentarisches System entsteht.
Das Ende des Osmanischen Reiches
Nach den Niederlagen in den Balkankriegen 1912/13 und den Verlusten im Vorderen Orient im Ersten Weltkrieg wird 1920 der größte Teil des Osmanischen Reiches von Briten, Franzosen, Griechen und der Sowjetunion besetzt; die Regierung des Sultans verzichtet auf die staatliche Selbständigkeit. Aber eine republikanische Regierung im nicht besetzten Ankara vertreibt unter der Führung des Generals Mustafa Kemal Pascha die Griechen aus Anatolien; Mustafa Pascha wird deshalb später Atatürk („Vater der Türken“) genannt. Vor den Verhandlungen mit den Besatzungsmächten 1923 wird der Sultan abgesetzt und das Kalifat abgeschafft. Das Osmanische Reich wird zur Türkischen Republik; im Vertrag von Lausanne werden die heutigen Grenzen der Türkei festgelegt.
Die Entwicklung der modernen Türkei
Atatürk, seine Berater und seine Nachfolger wollen die Türkei zu einem modernen, nichtreligiösen Staat mit Orientierung nach Europa machen. Anstelle des islamischen Rechts werden das Schweizer Zivilrecht, das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht übernommen. 1926 wird die islamische Zeitrechnung durch den Gregorianischen Kalender ersetzt. Statt der arabischen Schrift wird das lateinische Alphabet benutzt, für viele arabische Fremdwörter werden türkische Begriffe verwendet. Verbindlich werden Nachnamen eingeführt. Das gesamte System wird als Kemalismus bezeichnet; das Militär fühlt sich als „Hüter“ des Systems.
Mehrfach (1960, 1970, 1980) setzen die führenden Militärs zivile Regierungen ab, wenn die Militärs glauben, dass die Regierung nicht genügend den Grundlagen des Kemalismus folgt oder das Wohl des Volkes missachtet. Die Machtverteilung zwischen Regierung und Militärs ist lange nicht geregelt. Ebenso gibt es Auseinandersetzungen über den Einfluss der Religion auf die Politik und das tägliche Leben. Beispiel: In Schulen und Universitäten sind Kopftücher erst seit 2010 erlaubt. Auch führt der türkische Nationalismus nach wie vor zu Einschränkungen der kurdischen Minderheit oder der Christen.
Bereits seit den 1960er Jahren strebt die Türkei die Mitgliedschaft in der Europäischen Union an. Seit 2005 wird darüber verhandelt, wobei die EU die eindeutige Hinwendung zu Europa fordert – unter anderem klare Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung auch der christlichen Religion. Es ist aber nicht sicher, ob die Verhandlungen zu einer Mitgliedschaft führen; unter anderem lehnen viele deutsche Politiker die Aufnahme der Türkei in die EU ab.
Am 15. Juli 2016 kommt es zu einem Putschversuch von Teilen des Militärs, in dessen Verlauf rund 250 Menschen sterben. Dieser wird innerhalb weniger Stunden niedergeschlagen. Präsident Erdoğan nutzt die aufgewühlte Stimmung zu einem offenbar bereits vorbereiteten Gegenputsch, in dessen Zuge mehr als 15 000 Personen verhaftet und mehr als 160 000 Personen aus dem Staatsapparat (Richter, Staatsanwälte, Gouverneur, Polizisten) und der akademischen Welt (Lehrer und Dozenten) entlassen werden. Die Verfolgung und Verhaftung AKP-kritischer und unabhängiger Journalisten wird weiter verstärkt. Darüber hinaus werden viele Institutionen (u. a. Universitäten, Stiftungen, Gewerkschaften, Zeitungen) geschlossen oder verboten. Allen wird vorgeworfen, in Verbindung mit dem islamischen Prediger und Erdoğans ehemaligem Weggefährten Fethullah Gülen zu stehen. – Mit einer neuen Verfassung 2017 und der Neuwahl 2018 erhält Präsident Erdoğan umfangreiche Macht; er wird seitdem oft als „Autokrat“ bezeichnet (Autokratie: Selbstherrschaft ohne wirkliche Kontrolle durch das Parlament).
Landschaft und Klima
Die Türkei ist insgesamt 814.578 km² groß. Der asiatische Teil Anatolien umfasst ungefähr 97 %, der europäische Teil Thrakien etwa 3 %.
Die Küstengebiete sind hügelig und werden landwirtschaftlich genutzt; außerdem gibt es viele Sträucher und Wälder. Das Klima ist eher feucht und warm. Das Innere des Landes ist gebirgig und sehr trocken; Landwirtschaft gibt es nur in der Nähe der Flüsse. Zur Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzung sollen an Euphrat und Tigris eine Reihe von Staudämmen gebaut werden.
In den gebirgigen Teilen schwanken die Temperaturen zwischen Sommer und Winter sehr stark.
Der höchste Berg ist der Ararat (5.137 m) im Osten des Landes; er wird bereits in der Bibel als Landeplatz der Arche Noah erwähnt. Es gibt mehrere weitere Berge mit mehr als 3000 m Höhe. Neben Euphrat und Tigris ist der Kızılırmak der längste Fluss in der Türkei (oft falsch geschrieben als Kizilirmak, in der Antike hieß er Halys), der in das Schwarze Meer mündet. Außerdem gibt es viele Seen; der größte ist der Vansee (Van Gölü) im Osten mit etwa 3.755 km² Größe auf einer Höhe von 1.719 m über dem Meeresspiegel.
Die Türkei gehört zu den Gebieten der Erde, die am stärksten erdbebengefährdet sind, weil sie an mehrere Platten der Erdkruste grenzt. Aus dem gleichen Grund sind viele Berge durch vulkanische Tätigkeit entstanden.
Bevölkerung
In der Türkei leben über 72 Millionen Menschen; die Zahl steigt weiterhin (zeitweise um eine Million pro Jahr).
Die Zugehörigkeit zu Volksgruppen ist nicht genau zu bestimmen, weil die Türkei sich als einheitlicher Nationalstaat der Türken versteht, das Türkische bevorzugt und Minderheiten teilweise auch als Türken ansieht. Es gibt etwa 80 % Türken, etwa 15 % Kurden, etwa 4 % Zaza sowie vor allem Tscherkessen, Bosniaken, Araber und Albaner. Von den großen Minderheiten von Armeniern und Griechen sind nach dem Völkermord an den Armeniern (1915–1917) und Vertreibungen um 1923 nur noch kleine Reste geblieben. Erst in den letzten Jahren werden die Rechte der Minderheiten besser beachtet (z.B. mit Fernsehsendungen in kurdischer Sprache).
Die Amtssprache Türkisch sprechen 80 % der Bevölkerung als Muttersprache und weitere 10 bis 15 % als Zweitsprache. Die wichtigsten Minderheitensprachen sind Kurmandschi (Nordkurdisch), Zazaki, Arabisch, Aserbaidschanisch und Kabardinisch (Ost-Tscherkessisch).
Die wichtigste Religion ist der Islam, zu dem etwa 99 % der Bevölkerung gehören sollen. Diese Zahl stimmt aber nicht wirklich, weil es keinen Austritt aus dem Islam gibt, sondern höchstens eine Erklärung, dass sich jemand zu einer anderen Religion bekennt. Offiziell ist die Türkei kein religiöses Land (man nennt das „laizistisch“, siehe das Kopftuchverbot). Aber die meisten islamischen Einrichtungen (Moscheen, Koran-Kurse, Ausbildung von Imamen usw.) werden von einer staatlichen Behörde, dem Präsidium für Religionsangelegenheiten, verwaltet.
Die Menschen leben inzwischen überwiegend in Städten; vor allem der Nordosten und der Südosten sind sehr dünn besiedelt. In der Provinz Istanbul leben allein etwa 13 Mio. Menschen, in den Provinzen Ankara 4 Mio. und Izmir 3,5 Mio. Der europäische Teil hat (ohne Istanbul) etwa 1,5 Mio. Einwohner, der asiatische Teil etwa 57,5 Mio.
Sehenswürdigkeiten
Die Türkei ist ein faszinierendes Reiseland. Am interessantesten ist natürlich Istanbul mit Zeugnissen aus fast drei Jahrtausenden von den Griechen und Römern (Hippodrom) über die Byzantiner (mehrere Kilometer Stadtmauer, Hagia Sophia und andere Kirchen) bis zu den Osmanen (viele Paläste, vor allem den Sultanspalast Topkapı Sarayı, und Moscheen). Außerdem ist es eine orientalische Stadt mit vielen Basaren und eine moderne Stadt (z.B. mit den Brücken über den Bosporus).
Vor allem im westlichen Teil Kleinasiens gibt es viele historische Stätten aus der griechischen Zeit: z.B. Troja, Izmir (griech. Smyrna), Ephesus, Pamukkale (dazu Hierapolis). Vor Istanbul war Bursa die Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Auch die Landschaft bietet viel Sehenswertes: Kappadokien (mit Höhlenwohnungen) oder den Osten mit dem Vansee und dem Ararat.
Außerdem gibt es die „üblichen“ Ziele zur Erholung, vor allem am Mittelmeer und an der Ägäis.
-
Istanbul: Yedikule als Teil der Stadtmauer (4. Jahrhundert).
-
Istanbul: Die Galata-Brücke am Goldenen Horn.
-
Istanbul: Der „Versunkene Palast“ Yerebatan Sarnıcı, eine spätantike Zisterne.
-
Istanbul: Die zweite Brücke (1988) über den Bosporus.
-
Blick auf Bursa vom Uludağ aus.
-
Der Berg Ararat.
-
Der Wasserfall von Manavgat (75 km von Antalya entfernt).
-
Die unterirdische Stadt von Derinkuyu in Kappadokien.
Siehe auch
Mit Hilfe von Wikipedia gibt es weitere Informationen über die Türkei, beispielsweise:
- Portal: Türkei – viele weitere Hinweise
- Thrakien – Anatolien – Kleinasien
- Atlas der Türkei – Karten zur Geschichte und Geografie (teilweise Englisch)
- Bilder, Videos, Audiodateien
Zur Geschichte
- Atlas des Osmanischen Reiches – (ebenfalls Englisch)
- Geschichte der Türkei
- Byzantinisches Reich
- Völkermord an den Armeniern
Zu Politik und Gesellschaft
- Kurden in der Türkei
- Kemalismus – eine politische Einstellung, die sich um Atatürks Erbe kümmert
- Diyanet İşleri Başkanlığı (DIB) – das Präsidium für Religionsangelegenheiten
- Religion in der Türkei, Christen in der Türkei, Türkische Juden
Sonstiges
- UNESCO-Welterbestätten in Europa und Asien
- Südostanatolien-Projekt – die Planung von Staudämmen an Euphrat und Tigris mit Diskussion der Probleme, die dies für die Dörfer, die Umwelt und international bringt