Autorin: Dana-Sophia Valentiner

Ein Text der Initiative OpenRewi. Wie du ihn verbesserst, ist hier beschrieben.

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Schwierigkeitsgrad: Anfänger:innen


Sachverhalt

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B arbeitet seit zwölf Jahren als Buchbinder in der großen Druckerei D. Seit einigen Jahren ist er Mitglied des Betriebsrats. Im vergangenen Jahr wurde er einmal abgemahnt, weil er sich in einer privaten WhatsApp-Gruppe, der insgesamt 22 der 120 Angestellten der Druckerei angehören, abfällig über die Beförderung einer Kollegin äußerte. Diese sei „völlig unfähig, außerdem noch hässlich und ja nur wegen Political Correctness befördert worden, weil die Druckerei ihr Image aufpolieren“ wolle. Zuletzt betitelte er dann im Rahmen einer hitzigen Auseinandersetzung während einer Betriebsratssitzung über den Umgang mit einem EDV-System seinen Kollegen C mehrmals mit den Worten „Ugah, Ugah!“, um ihn als Person of Colour zu provozieren. Die Druckerei erklärte dem B aufgrund dieses Vorfalls die außerordentliche Kündigung.

Der B erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Die Arbeitsgerichte erachteten die Kündigung nach umfänglicher Beweisaufnahme auch aufgrund der einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte, als rechtmäßig. Die Arbeitsgerichte stellten darauf ab, dass grobe Beleidigungen von Arbeitskolleg*innen eine erhebliche Pflichtverletzung seien, die als wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB zur Kündigung berechtigen würden. Das ergebe sich schon aus den Wertungen in §§ 104, 75 I BetrVG und §§ 1, 7, 12 AGG [Hinweis: diese Vorschriften beinhalten die Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin, ihre Mitarbeiter*innen vor Diskriminierung, insbesondere durch Kolleg*innen, zu schützen]. Die Äußerung sei eine grobe, rassistische Beleidigung, die „als Offenbarung eines Rassisten zu verstehen“ sei. Die Gesamtwürdigung auch der wirkungslosen Abmahnung in der Vergangenheit mache die Weiterbeschäftigung angesichts fortgesetzter Beleidigung von Kolleg*innen unzumutbar. Die letztinstanzliche Entscheidung vom 2.12.2020 wurde B am 28.1.2021 zugestellt.

Der B versteht die Welt nicht mehr. Er sieht sich durch die Kündigung und die Entscheidungen der Arbeitsgerichte in seinem Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG verletzt. Man dürfte ja heute überhaupt nichts mehr sagen. Das könne doch nicht angehen. Er sei auf keinen Fall ein Rassist und müsse sich auch nicht als solcher bezeichnen lassen. Er empfindet die Reaktion der Druckerei und die Bestätigung durch die Gerichte als völlig übertrieben und unverhältnismäßig. Die Arbeitsgerichte hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin überhaupt nicht vernünftig abgewogen.

Er erhebt am Montag, den 1.3.2021, schriftlich Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.

Fallfrage

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Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?

Hinweis zur Bearbeitung

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Bitte prüfen Sie ggfs. hilfsgutachterlich die Verhältnismäßigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall.

Weiterführendes als das im Sachverhalt genannte Wissen zu den §§ 104, 75 Abs. 1 BetrVG und §§ 1, 7, 12 AGG ist zur Falllösung nicht notwendig.

§ 626 BGB lautet (auszugsweise):

„(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“

Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Twitter oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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Zusatzmaterial / Weiterentwickelte Fälle

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Fußnoten

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