Fall 3
Autorin: Verena Kahl
Schwierigkeitsgrad: Studierende der ersten Semester/Anfänger*innen
Sachverhalt
BearbeitenSmart ohne Phone
Nachdem der Deutsche Lehrerverband die mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit der deutschen Schüler*innen sowie Störungen des Unterrichts bemängelt hat, welche auf die Verwendung von sogenannten "Smartphones" zu unterrichtsfremden Zwecken zurückzuführen sind, erteilen mehrere Schulleiter*innen im gesamten Bundesgebiet an ihren Schulen ein allgemeines Handyverbot während des Unterrichts. Die Bundesregierung sieht insbesondere aufgrund des staatlichen Bildungsauftrags und der Gefahren des Mobbings mittels sozialer Netzwerke, welche von den Schüler*innen vor allem über ihre Handys genutzt werden, besonderen Handlungsbedarf. Unter Verweis auf die erfolgreiche Einführung eines Handyverbots an französischen Schulen bringt die Bundesregierung deshalb ein Gesetz zur Verwendung digitaler Medien an Schulen auf den Weg, das Bundes-Schulmediengesetz (BSmG).
§ 3 BSmG
Verwendung mobiler Endgeräte
(1) Während des Unterrichts ist den Schüler*innen die Verwendung mobiler Endgeräte untersagt.
(2) Das Verbot des Abs. 1 gilt zudem für die Verwendung mobiler Endgeräte auf dem gesamten Schulgelände, insbesondere auch während der Pausenzeiten.
(3) Im Falle eines Verstoßes i.S.d. Abs. 1 oder 2 ist die zuständige Lehrkraft dazu befugt, das jeweilige Endgerät einzusammeln und bis zum Ende des Schulunterrichts einzubehalten.
Nach entsprechender Beteiligung des Bundesrates wird das Gesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Das Gesetz soll am 1.1.2023 in Kraft treten.
Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Bund für dieses Gesetz zuständig sei, da es sowohl die Telekommunikation betreffe als auch dem Jugendschutz als einer Form der öffentlichen Fürsorge diene. Die Gesetzgebungskompetenz liege damit klar beim Bund, sodass dieser auf Basis der Verfassung habe tätig werden dürfen. Ferner fügt die Bundesregierung an, dass das Gesetz zweifelsohne zu erheblichen Einschränkungen der Nutzung von mobilen Endgeräten durch Schüler*innen führen werde. Dies sei jedoch notwendig, um einen weitestgehend störungsfreien Schulunterricht zu gewährleisten. Darüber hinaus könnte nur eine vollständige Verbannung der mobilen Endgeräte von Schulhöfen den Gefahren des Cybermobbings auf wirksame Weise begegnen.
Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat hingegen Zweifel, ob das BSmG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Insbesondere sei fraglich, ob der Bund überhaupt für die Regelung eines solchen Verbots von mobilen Endgeräten zuständig sei. Primäres Ziel des Gesetzes sei weder die historisch begründete technische Regulierung der Telekommunikation noch der Jugendschutz. Zwar bezwecke das Gesetz am Rande auch die Bekämpfung von Cybermobbing. § 3 BSmG reguliere jedoch nicht den Inhalt der digitalen Kommunikation, sondern versuche diese aufgrund der unterrichtsstörenden Wirkung insgesamt zu unterbinden. Das Handyverbot betreffe insbesondere die Rechte und Pflichten von Schüler*innen und Lehrer*innen sowie die Modalitäten des Unterrichts. Das Gesetz verfolge mithin die Durchsetzung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schulen, welcher wiederum das Schulrecht betreffe und somit der Länderkompetenz unterfallen müsste. Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes dürfe daher nicht gegeben sein. Zudem stelle sich die Frage, was denn genau unter "mobilen Endgeräten" zu verstehen sei. Insbesondere ergebe sich nicht klar aus dem Gesetzeswortlaut, welche Art von Geräten von diesem Begriff erfasst werde. Darüber hinaus erscheine es unverhältnismäßig, den Schüler*innen die Nutzung von Smartphones und ähnlichen Geräten nicht nur während des Unterrichts, sondern auch während der Pausen auf dem gesamten Schulgelände zu untersagen.
Fallfragen
BearbeitenErstsemesterklausur
Frage 1:
Ist der Bund für den Erlass dieses Gesetzes zuständig? (25%)
Frage 2:
Genügt das BSmG dem Bestimmtheitsgebot? (15%)
Frage 3:
Ist § 3 BSmG mit Art. 2 I GG vereinbar? (35%)
Hinweis: Die formelle Verfassungsmäßigkeit des § 3 BSmG ist nicht zu erörtern.
Frage 4:
Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg möchte das Gesetz – insbesondere auch im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten – vom BVerfG überprüfen lassen.
Welches Verfahren wäre statthaft? Prüfen Sie die Zulässigkeit des entsprechenden Antrags! (25%)
Fußnoten
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