Pädiatrie: Kardiologie
Herzerkrankungen im Kindesalter
BearbeitenHerzerkrankungen bei Kindern sind meist angeboren. Daneben gibt es erworbene Herzfehler, entzündliche Herzerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, die Herzbeteiligung bei Systemerkrankungen und Herzerkrankungen als Folge medizinischer Behandlungen.
Herzinsuffizienz
BearbeitenKlinik: Mögliche Symptome einer unzureichenden Pumpfunktion sind permanente Tachkardie, Tachypnoe, Kardiomegalie, Hepatomegalie, Ödeme, Azidose, Trinkschwäche, Nahrungsverweigerung, Gedeihstörungen, vermehrtes Schwitzen bei Anstrengung, Unruhe und Müdigkeit.
DD.: Differentialdiagnostisch kommen Herzrhythmusstörungen (HRST), Hypertrophie, Elektrolytstörungen, Karditis, Hypothyreose und Orthostase in Betracht.
Th.: Konservativ kann die Herzinsuffizienz symptomatisch therapiert werden. Je nach Ursache (Volumenbelastung oder myokardiales Versagen) wird durch Herzentlastung mittels ACE Hemmer, Diuretika (Schleifendiuretika, Aldosteron-Antagonisten), Digitalis (nur bei NYHA 3, nicht bei Neugeborenen und Niereninsuffizienz und in niedriger Dosierung), NaCl-Restriktion, Oberkörperhochlagerung und zahlreichen kleine Mahlzeiten statt weniger große. Ggf. sind Sedierung, Behandlung einer Azidose und Behandlung einer Anämie (Eisen) vonnöten.
Indikationen zur operativen Herzfehlerkorrektur bei symptomatischen Patienten sind die Beseitigung/Überwindung lebensbedrohlicher Zustände und die Verbesserung der Lebenserwartung. Bei Patienten ohne Beschwerden kann die Operation zur Senkung der akkumulativen prozentualen Sterblichkeit, zur Rückbildung von Sekundärveränderungen an Myokard und Lunge und aus biographischen Gründen angezeigt sein.
Angeborene Herzfehler
BearbeitenPräv.: 0,8% der Neugeborenen weisen einen Herzfehler auf, wobei der Ventrikelseptumdefekt (VSD) mit 25% der häufigste ist. Der oft erst im Erwachsenenalter diagnostizierte Vorhofseptumdefekt (ASD) macht 11% der congenitalen Herzfehler aus, der persistierende Ductus arteriosus Botalli (PDA) 12% und die Fallot'sche Tetralogie ist mit 10% vertreten.
Ät.: Die Ursachen bleiben in den meisten Fällen im Dunkeln, jedoch sind einige prädisponierende Faktoren bekannt, so z.b. Chromosomenanomalien (Morbus Down), virale Infektionen wie Röteln, HIV und Cocksackie B und chemisch-physikalische Noxen wie Alkohol, Zytostatika und Röntgenstrahlung.
D.: In der Anamnese fragt man nach hypoxämischen Zeichen (Blausucht, Atemnot, Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel), Schwellungen, Gedeihstörungen, Müdigkeit, Schwitzen (Hinterkopf), Atemwegsinfekten, Husten, Hocken, Ohnmacht und Krämpfe. Bei der Inspektion beurteilt man den allgemeinen Eindruck und den Entwicklungszustand und man achtet auf äußerliche Mißbildungen, Stauungszeichen, Ödeme, Dyspnoe, Zyanose, sichtbare Herz- und Gefäßpulsationen (re. Ventrikel im epigastrischen Winkel, li. Ventrikel als Herzspitzenstoß) und Herzbuckel. Palpiert werden Pulse und Pulsdifferenzen, Pulsationen über dem Präkordium und im Jugulum, ein Schwirren über dem Präkordium, der A. carotis oder im Jugulum und tastbare Herztöne. Danach perkutiert (ungenauer Anhaltspunkt für Herzgröße und Lage) und auskultiert (Herztöne, Herzgeräusche, Rhythmus) man das Herz. Ergänzende Diagnostika sind das EKG, die Kardiophonographie, die Echokardiographie und das Röntgen.
Endokarditisprophylaxe: Wegen des erhöhten Risikos von Endokarditiden im Rahmen von Herzfehlern (außer ASD) durch Jet-Läsionen gibt man prophylaktisch Antibiotika vor Eingriffen, die eine Bakteriämie erzeugen (Zahnbehandlung, Tonsillektomie etc.), zB. (bei Erwachsenen) Amoxicillin 3g p.o. 1h präop. plus 1,5g p.o. 6h nach OP
Azyanotische Herzfehler
BearbeitenHerzfehler ohne Zyanose können durch einen Links-Rechts-Shunt zustande kommen. Außerdem sind Verengungen der Herzklappen und/oder Verengungen der Ausflussbahnen aus den Herzkammern angeborene Herzfehler, die per se nicht zur Zyanose führen.
Die wichtigste Komplikation bei dauerhaftem Übertritt von Blut aus dem großen Kreislauf in den Lungenkreislauf Links-Rechts Shunt) ist dabei neben der Endokarditis die (irreversible) Eisenmenger-Reaktion, bei der es zur fixierten pulmonalen Hypertonie mit Shuntumkehr (Rechts-Links-Shunt) und Minderperfusion der Lungen kommt.
Vorhofseptumdefekt (ASD II)
BearbeitenEp.: Der ASD II macht ca. 10% der Herzfehler aus, er ist der häufigste angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter.
D.: Die Diagnose wird wegen der geringen Symptomatik meist spät gestellt. Bei der Auskultation ist (durch eine relative Pulmonalstenose) ein Systolikum über der Pulmonalis zu hören, sowie eine weite fixierte Spaltung des 2. HT durch den verzögerten Pulmonalklappenschluß (Volumenbelastung rechts) und ein Trikuspidalströmungsgeräusch. Der Links-Rechts-Shunt kann im EKG zu Zeichen der Rechtsherzbelastung führen (Rechtslagetyp, P pulmonale, inkompletter Rechtsschenkelblock ohne Hypertrophie-Zeichen (rsr's') als Zeichen der rechtsventrikulären Volumenbelastung). Der ASD lässt sich echokardiographisch sichern.
Kompl.: Das Endokarditisrisiko ist nicht erhöht. Die Rechtsherzbelastung ist abhängig vom Shuntvolumen, eine pulmonale Hypertonie entwickelt sich oft erst spät. Durch die Vorhofdehnung können HRST ausgelöst werden.
Th.: Eine OP-Indikation besteht bei einem Links-Rechts-Shunt von über 30-40%. Verfahren sind der Direktverschluß oder der Verschluß mit einem Patch. Alternativ ist ein kathetertechnischer Verschluss mit einem Schirmchen möglich.
Ventrikelseptumdefekt (VSD)
BearbeitenEp.: Der VSD ist der häufigste angeborene Herzfehler
Ausk.: Beim leichten VSD auskultiert man ein lautes holosystolisches Pressstrahlgeräusch. Der mäßige VSD produziert ein spindelförmiges Systolikum mit gespaltenem 2. HT. Der schwere VSD mit labiler oder fixierter Eisenmenger-Reaktion zeichnet sich durch ein geringes Systolikum und einen paukenden Pulmonalton mit Decrescendo-Diastolikum aus.
Klinik: Der VSD führt primär zu einer Linskherzbelastung. Sie ist abhängig vom Shuntvolumen, es besteht erhöhte Endokarditisgefahr. Eine spontane Rückbildung des Herzfehlers ist abhängig vom Schweregrad und der Lage des Defektes bis zum 3. Lebensjahr möglich.
Th.: Zur Überbrückung bis zur definitiven Therapie kommt heutezutage kein Banding der Pulmonalis mehr infrage. Die operative Korrektur ist ab einem bei Links-rechts-Shunt von 30-40% angezeigt. Bei idealer Lage kann der Defekt, wie beim ASD, auch interventionell verschlossen werden. Nach der Operation können Residuen verbleiben wie ein Rest-VSD (in 10-20%), ein Rechtsschenkelblock, ein totaler AV-Block, eine persistierende pulmonale Hypertonie oder HRST.
Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA)
BearbeitenEp.: Der PDA bildet 10-12% der congenitalen Herzfehler
PP.: es besteht ein kontinuierlicher (Windkessel!) Blutstrom von der Aorta in die Pulmonalis mit Belastung des Lungenkreislaufs.
Klinik: Der Puls ist celer et altus. Durch die verminderte periphere Durchblutung sind kalte Füße möglich.
Ausk.: Man kann ein kontinuierliches, systolisch-diastolisches Geräusch im Erb'schen Punkt hören. (DD: akzidentelles Systolikum plus diastolisches "Nonnensausen" (venöser Abstrom aus der V. jugularis))
Th.: Es besteht keine grundsätzliche OP-Indikation. Die allermeisten Ductuus können heutzutage interventionell mit einem Coil verschlossen werden. Bei grossen und atypisch geformten Ductuus muss allerdings operiert werden.
Zyanotische Herzfehler
BearbeitenHerzfehler mit Rechts-Links-Shunt zeichnen sich durch die Zyanose aus, die durch die Umgehung des Lungenkreislaufs zustande kommt.
Fallot'sche Tetralogie
BearbeitenEp.: Die Fallot'sche Tetralogie ist der häufigste angeborene, zyanotische Herzfehler.
Patho.: Der Fallot stellt eine Kombination dar aus Pulmonalstenose (entscheidend für das klinische Bild), Rechtsherzhypertrophie, Ventrikelseptumdefekt und "reitender" Aorta. Gehäuft beobachtet man auch einen rechten Aortenbogen (20%) und Kollateralenbildung zur Lungenversorgung.
Klinik: Die Zyanose tritt erst einige Wochen nach der Geburt auf, da die Lunge pränatal kaum durchblutet ist und der rechte Ventrikel erst nach der Geburt belastet wird und hypertrophiert. Die Hypertrophie verstärkt im circulus vitiosus zunehmend die muskuläre Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes. Die Klinik der Obstruktion tritt dabei anfallsartig in Form "hypoxämischer Anfälle" auf. Wenn unbehandelt, nimmt das Kind später im Anfall automatisch eine typische Hockstellung ein, um den venösen Rückfluss zu hemmen und das Herz zu entlasten.
D.: Bei der körperlichen Untersuchung findet sich ein relativ kleines Herz. Auskultatorisch ist der 2. HT laut und einfach (Aortenschluß) und ein systolisches Austreibungsgeräusch ist zuhören. Der VSD erzeugt wegen dem Druckausgleich zwischen linker und rechter Kammer kaum Turbulenzen und daher kaum Geräusche. Im Labor kann eine Polyglobulie beobachtet werden, die bei einem Hkt von über 60 Vol% durch Zunahme der Viskosität evtl. zur Verschlechterung der peripherern Oxygenierung führen kann. Im epigastrischen Winkel können Pulsationen getastet werden. Im Röntgen findet man die typische Holzschuhform des Herzens.
Kompl.: Eine wichtige Komplikation ist der hypoxämische Anfall durch Spasmus der hypertrophierten Infundibulum-Muskulatur.
Th.: Im hypoxämischen Anfall gibt man einen schnellwirksamenβ-Blocker (Erweiterung der pulmonalen Einstrombahn bei muskulärer Obstruktion; Digitalis ist kontraindiziert!), Sauerstoff, Morphin und nur bei Azidose NaBicarbonat. Operativ wird ein Verschluß des VSD angestrebt und die pulmonale Obstruktion beseitigt (Homograft, plastische Erweiterung). Heutzutage keine Alternative ist die Operation nach BLALOCK-TAUSSIG, bei der die A. subclavia an die A. pulmonalis dextra End-zu-Seit-anastomosiert wird.
Transposition der großen Gefäße (TGA)
BearbeitenKlinik: Man beobachtet eine Zyanose, es ist allerdings kein Herzgeräusch auszukultieren. Im Röntgen-Thorax fallen ein verschmälertes Gefäßband durch Parallelität von Pulmonalis und Aorta und die liegende Eiform des Herzens auf.
D.: Die Diagnose wird mit dem Herzecho gestellt.
Th.: Um eine völlige Trennung der weitgehend parallelgeschalteten Körper- und Lungenkreisläufe zu verhindern (Verschluss von Foramen ovale und Ductus arteriosus) bietet sich im akuten Notfall die interventionelle Ballonatrioseptostomie nach RASHKIND an, bei der das Foramen ovale künstlich mit einem Ballon aufgerissen wird. Die operative Korrektur ist der Arterial-switch mit separaratem Umpflanzen der Coronararterien (die tief am Klappenring abgehenden Coronarien können nicht am Stück mit den großen Arterien verpflanzt werden). Die Korrektur sollte innerhalb von etwa zwei Wochen erfolgen, da das linke Herz sonst mit der abrupten Mehrbelastung (systemischer Kreislauf) nicht mehr zurechtkommt. Die Frist kann durch Anlage eines Pulmonalis-Bandings etwas verlängert werden. Die künstlich erzeugte Pulmonalstenose trainiert das linke Herz.
Sonstige Herzfehler
BearbeitenPumonalstenose
BearbeitenAusk.: Über der Pulmonalarterie ist systolisch ein Stenosegeräusch zu hören (DD: akzidentelles Herzgeräusch)
Th.: Die Valvulotomie mittels Ballondilatation ist das Behandlungsverfahren der Wahl.
Pulmonalatresie
BearbeitenTh.: Bei einer Unterentwicklung des pulmonalen Ausflusstraktes steht bei den OP-Verfahren die Verbesserung der Lungendurchblutung im Vordergrund. In Betracht kommen die OP nach BLALOCK-TAUSSIG mit Anastomosierung von A. subclavia und A. pulmonalis dextra, sowie die OP nach WATERSTON, bei der eine Anastomose zwischen Aorta ascendens und A. pulmonalis dextra angelegt wird.
Aortenisthmusstenose
BearbeitenDie Aortenisthmusstenose des Kindes liegt proximal, präduktal (supraduktal) vor dem Ductus arteriosus. Das Blut fließt z.T. von der A. pulmonalis über den offenen Ductus arteriosus in die Aorta deszendens und führt zur Zyanose der unteren Körperhälfte (Differentialzyanose).
Klinik: Die Kinder sind bei Geburt typischerweise "gesund" (und passieren oft auch unbemerkt die U2), da die Stenose durch den offenen Ductus arteriosus umgangen wird und auskultatorisch kaum etwas zu hören ist. Die Femoralispulse sind allerdings häufig schon abgeschwächt und ihre Palpation ist die wichtigste diagnostische Maßnahme! Nach etwa 10 bis 14 Tagen entwickeln die Kinder durch den Verschluß des Ductus arteriosus unspezifische Symptome der Linksherzinsuffizienz wie Tachypnoe, Gewichtszunahme (kaum sicht- oder hörbare Ödeme) und Symptome der peripheren Minderperfusion wie Oligurie/Anurie, Trinkschwäche, Verlängerung der Rekapillarisierungszeit, kühle untere Extremitäten. Die Kinder können dann sehr rasch am - im Grunde vermeidbaren - Herzversagen sterben.
D.: Femoralispulse, Echokardiographie
Th.: Operativ in den ersten Lebenswochen. Der Ductus kann mit Prostaglandinen etwas länger offen gehalten werden, um Zeit zu gewinnen. Im Stadium der kardialen Dekompensation erkannte Kinder müssen notfallmässig behandelt werden .