Konvergenz und Divergenz einer Reihe beweisen: Konvergenzkriterien – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Wir haben geklärt, dass eine Reihe der Folge der Partialsummen entspricht. Eine Reihe konvergiert, wenn die Folge der Partialsummen konvergiert. Ansonsten divergiert die Reihe. Im Fall der Konvergenz entspricht auch dem Grenzwert der Partialsummenfolge.

Entscheidungsbaum zur Konvergenz und Divergenz von Reihen

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit der Frage, woran man erkennen kann, ob eine Reihe konvergiert oder divergiert. Zur Beantwortung dieser Frage gibt es nämlich diverse Konvergenzkriterien, die wir nun betrachten. Diese Konvergenzkriterien werden wir in den nächsten Kapiteln detaillierter besprechen.

Kriterien für Konvergenz Bearbeiten

Die Beweise der folgenden Sätze sind in den Hauptartikeln des jeweiligen Kriteriums behandelt. Gegeben sei eine Reihe  . Es gibt folgende Kriterien, um die Konvergenz dieser Reihe festzustellen:

Absolute Konvergenz Bearbeiten

Hauptartikel: Absolute Konvergenz einer Reihe

Definition (Absolute Konvergenz)

Eine Reihe   heißt absolut konvergent, falls   konvergiert.

Satz (absolute Konvergenz)

Aus absoluter Konvergenz einer Reihe folgt deren normale Konvergenz. Wenn also   konvergiert, dann konvergiert auch  .

Beispiel (absolute Konvergenz)

Die Reihe   konvergiert, weil sie absolut konvergiert. Die Reihe   ihrer Absolutbeträge konvergiert nämlich.

Cauchy-Kriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Cauchy-Kriterium für Reihen

Satz (Cauchy-Kriterium)

Gibt es für alle   ein  , so dass   für alle   ist, dann konvergiert die Reihe.

Beispiel (Cauchy-Kriterium)

Die geometrische Reihe   konvergiert nach dem Cauchy-Kriterium, denn es ist

 

Sei  . Da   ist, gibt es ein   mit   für alle  . Für dieses   ist nach der obigen Umformung auch   für alle  . Damit konvergiert die Reihe nach dem Cauchy-Kriterium.

Leibniz-Kriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Leibniz-Kriterium

Satz (Leibniz-Kriterium)

Wenn die Reihe die Form   hat und wenn   eine nichtnegative monoton fallende Nullfolge ist, dann konvergiert die Reihe.

Beispiel (Leibniz-Kriterium)

Die Reihe   konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium, weil die Folge   eine monoton fallende Nullfolge ist.

Majorantenkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Majorantenkriterium und Minorantenkriterium

Satz (Majorantenkriterium)

Sei   für alle  . Wenn   konvergiert, dann konvergiert die Reihe   absolut.

Beispiel (Majorantenkriterium)

Es ist  . Damit ist  . Weil   konvergiert (nämlich gegen 1), konvergiert die Reihe  . Weil alle Summanden positiv sind, ist die Konvergenz absolut.

Quotientenkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Quotientenkriterium

Satz (Quotientenkriterium für Konvergenz)

Sei   eine Reihe mit   für alle  . Wenn es ein   und ein   gibt, so dass   für alle   ist, dann ist die Reihe   absolut konvergent. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn   oder wenn   ist.

Beispiel (Quotientenkriterium für Konvergenz)

Die Reihe   konvergiert, denn es ist

 

Wurzelkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Wurzelkriterium

Satz (Wurzelkriterium für Konvergenz)

Wenn   ist, dann konvergiert die Reihe   absolut. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn   ist.

Beispiel (Wurzelkriterium für Konvergenz)

Die Reihe   konvergiert absolut, denn es ist

 

Verdichtungskriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Cauchysches Verdichtungskriterium

Satz (Verdichtungskriterium)

Sei   eine monoton fallende reelle Nullfolge mit   für alle  . Falls   konvergiert, so konvergiert auch  .

Beispiel (Verdichtungskriterium)

Die Reihe   konvergiert nach dem Verdichtungskriterium, da die Reihe   wegen   konvergiert.

Integralkriterium Bearbeiten

Satz (Integralkriterium)

Sei  , also   für eine Funktion  . Wenn   auf   eine monoton fallende Funktion mit nichtnegativen Funktionswerten ist und wenn   ist, dann konvergiert die Reihe absolut.

Beispiel (Integralkriterium)

Die Reihe   konvergiert absolut, denn   mit   ist eine monoton fallende Funktion mit nichtnegativen Funktionswerten, und es ist

 

Hinweis

Das Integralkriterium werden wir erst beweisen, nachdem wir auch das Integral definiert haben. Der Vollständigkeit halber ist es bereits hier aufgeführt. Beachte, dass du das Integralkriterium erst dann verwenden kannst, wenn es in deiner Vorlesung bewiesen wurde!

Kriterien für Divergenz Bearbeiten

Gegeben sei eine Reihe  . Es gibt folgende Kriterien, um die Divergenz dieser Reihe festzustellen:

Trivialkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Trivialkriterium, Nullfolgenkriterium, Divergenzkriterium

Satz (Trivialkriterium)

Wenn   divergiert oder   ist, dann ist die Reihe divergent.

Beispiel (Trivialkriterium)

Die Reihe   divergiert, denn es ist

 

Damit kann   keine Nullfolge sein, was beweist, dass   divergiert.

Cauchy-Kriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Cauchy-Kriterium für Reihen

Satz (Cauchy-Kriterium)

Gibt es ein  , so dass es für alle   natürliche Zahlen   mit   gibt, dann divergiert die Reihe.

Beispiel (Cauchy-Kriterium)

Die Reihe   divergiert nach dem Cauchy-Kriterium. Setzen wir nämlich  , so können für jedes   die Zahlen   und   gewählt werden. Es ist dann

 

Minorantenkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Majorantenkriterium und Minorantenkriterium

Satz (Minorantenkriterium)

Sei   für fast alle  . Wenn   divergiert, dann divergiert auch die Reihe  .

Beispiel (Minorantenkriterium)

Die Reihe   divergiert. Es ist nämlich   für alle  , und die harmonische Reihe   divergiert. In einer Gleichung aufgeschrieben:

 

Quotientenkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Quotientenkriterium

Satz (Quotientenkriterium für Divergenz)

Wenn   für fast alle   ist (also für alle   für ein festes  ), dann ist die Reihe   divergent. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn   ist.

Beispiel (Quotientenkriterium für Divergenz)

Die Reihe   divergiert. Es ist nämlich:

 

Wurzelkriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Wurzelkriterium

Satz (Wurzelkriterium für Divergenz)

Wenn   ist, dann divergiert die Reihe   absolut. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn   ist.

Beispiel (Wurzelkriterium für Divergenz)

Die Reihe   divergiert, denn es ist

 

Verdichtungskriterium Bearbeiten

Hauptartikel: Cauchysches Verdichtungskriterium

Satz (Verdichtungskriterium)

Sei   eine monoton fallende reelle Nullfolge mit   für alle  . Falls   divergiert, so divergiert auch  .

Beispiel (Verdichtungskriterium)

Die Reihe   divergiert nach dem Verdichtungskriterium, da die Reihe   divergiert.

Integral-Kriterium Bearbeiten

Satz (Integral-Kriterium)

Sei  , also   für eine Funktion  . Wenn   auf   eine monoton fallende Funktion mit nichtnegativen Funktionswerten ist und wenn   ist, dann divergiert die Reihe.

Beispiel (Integral-Kriterium)

Die Reihe   divergiert, denn   mit   ist eine monoton fallende Funktion mit nichtnegativen Funktionswerten, und es ist

 

Hinweis

Das Integralkriterium werden wir erst beweisen, nachdem wir auch das Integral definiert haben. Der Vollständigkeit halber ist es bereits hier aufgeführt. Beachte, dass du das Integralkriterium erst dann verwenden kannst, wenn es in deiner Vorlesung bewiesen wurde!

Hinweis

Weitere Beispiele zur Anwendung der Konvergenzkriterien befinden sich in den Einzelkapiteln zu den Konvergenzkriterien, im Kapitel Anwendung der Konvergenzkriterien und in den Aufgaben zu Konvergenzkriterien für Reihen.

Anfangswert des Laufindex ist für Konvergenzverhalten egal Bearbeiten

Im Abschnitt zum Cauchy-Kriterium haben wir festgestellt, dass es für die Frage der Konvergenz egal ist, ab welchem Anfangswert der Laufindex startet. Wenn wir also eine Reihe der Form   haben, dann können wir auch die Reihen   oder   betrachten. Alle diese Reihen haben dasselbe Konvergenzverhalten. Merke dir also:

„Für die Konvergenz einer Reihe können endlich viele Summanden weggelassen oder verändert werden, das Konvergenzverhalten wird dabei nicht geändert.“

Durch das Ändern von endlich vielen Summanden änderst du zwar den Wert der Reihe, das Konvergenzverhalten bleibt aber erhalten. Dieser Umstand ist nützlich, und du solltest dies immer im Hinterkopf haben. Es kann insbesondere in solchen Fällen hilfreich sein, in denen du dich nur für das Konvergenzverhalten einer Reihe interessierst, nicht aber für ihren Wert.

Beispiel

Sei   definiert durch

 

Fast alle Glieder der Folge   sind identisch mit der Folge   (es gibt nur endlich viele Ausnahmen). Da nun die Reihe   konvergiert, konvergiert auch die Reihe  , jedoch ist der Grenzwert beider Reihen unterschiedlich.