Majorantenkriterium und Minorantenkriterium – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

In diesem Kapitel wirst du mit dem Majoranten- und Minorantenkriterium ein wichtiges Konvergenzkriterium kennenlernen. Mit diesem kannst du das Konvergenzverhalten einer Reihe auf das Konvergenzverhalten einer anderen Reihe zurückführen. So ist es möglich, eine Reihe „zu vereinfachen“. Mit diesen Kriterien kann nämlich eine Reihe so geschickt nach oben oder nach unten abgeschätzt werden, dass ein Beweis zum Konvergenzverhalten möglich wird.

Außerdem kann mit dem Majoranten- und Minorantenkriterium das Quotienten- sowie das Wurzelkriterium für Reihen bewiesen werden, welche beide in Aufgaben zur Reihenkonvergenz sehr nützlich sind.

Majorantenkriterium Bearbeiten

Erklärung zur Konvergenz mit dem Majorantenkriterium. (YouTube-Video vom Kanal Quatematik)

Kommen wir zum Majorantenkriterium. Dieses lautet folgendermaßen:

Satz (Majorantenkriterium)

Sei   eine Reihe. Wenn es eine konvergente Reihe   mit   für alle   gibt, dann konvergiert   absolut.

Diesen Satz können wir mit dem vorherigen Satz beweisen. Beachte, dass aus der Ungleichung   automatisch folgt, dass   ist, denn   ist größer gleich der nicht negativen Zahl  .

Beweis (Majorantenkriterium)

Wenn   konvergiert, dann ist deren Partialsummenfolge nach oben beschränkt (siehe Satz über beschränkte Reihen). Wegen   für alle   ist dann auch die Partialsummenfolge zu   nach oben beschränkt. Es gilt nämlich

 
wegen   für alle  

Nun wächst die Partialsummenfolge von   monoton wegen  . Also muss   konvergieren. Dies gilt mit dem vorherigen Satz, weil diese Reihe monoton und beschränkt ist.

Hinweis

Es reicht beim Majorantenkriterium aus, wenn es ein   gibt, so dass   für alle   gilt.

Verständnisfrage: Warum reicht es für das Majorantenkriterium aus, dass es ein   gibt, so dass   für alle   gilt.?

Ist die Partialsummenfolge zu   nach oben beschränkt, so auch die zu  . Wegen

 

ist dann auch die Partialsummenfolge zu   nach oben beschränkt. Da die endlich vielen Reihensummanden   nichts an der Beschränktheit ändern, sind auch die Partialsummen von   nach oben beschränkt. Damit konvergiert   absolut.

Hinweis

Wie in der Einleitung schon angesprochen, möchten wir bei der Anwendung des Majorantenkriteriums eine möglichst einfach strukturierte Reihe als Majorante wählen, von der wir wissen, dass sie konvergiert. Häufig kann die konvergente Reihe   als Majorante gewählt werden. Ebenso kann jede andere verallgemeinerte harmonische Reihe   für   in Betracht gezogen werden. Eine andere Möglichkeit ist es, die konvergente geometrische Reihe   für  , also etwa  , auszuprobieren.

Minorantenkriterium Bearbeiten

Ähnlich zum Majorantenkriterium ist das Minorantenkriterium. Jedoch kann mit diesem Kriterium die Divergenz und nicht die Konvergenz einer Reihe bewiesen werden.

Satz (Minorantenkriterium)

Sei   eine Reihe mit   für alle  . Wenn es eine divergente Reihe   mit   für alle   gibt, dann divergiert auch die Reihe  .

Beweis (Minorantenkriterium)

Wegen   wächst die Partialsummenfolge von   monoton. Da nach Prämisse diese Reihe divergiert, muss diese unbeschränkt sein. Wegen   für alle   ist auch stets   für alle   und damit muss auch die Partialsummenfolge von   unbeschränkt sein. Daraus folgt, dass   divergiert (jede unbeschränkte Folge muss divergieren).

Hinweis

Analog zum Majorantenkriterium reicht es auch beim Minorantenkriterium aus, wenn die Voraussetzung   für alle  , für ein (festes)  , erfüllt ist.

Hinweis

Beim Minorantenkriterium bietet sich häufig die divergente harmonische Reihe   als Minorante an. Ansonsten kommt aber auch jede der Reihen   für   , also etwa  , als Minorante in Frage. Außerdem ist jede geometrische Reihe   mit   als Minorante geeignet.

Warnung

Beim Minorantenkriterium ist die zusätzliche Bedingung   notwendig! Gilt „nur“ die zum Majorantenkriterium analoge Voraussetzung   und   beliebig, so folgt aus der Divergenz von   nicht die Divergenz von  . Es folgt lediglich, dass   nicht absolut konvergiert. Als Beispiel betrachten wir die Reihen   und   mit   und  . Es gilt  , und die harmonische Reihe   divergiert. Jedoch kann man zeigen, dass   nach dem Leibniz-Kriterium konvergiert.

Beispiele und Aufgaben Bearbeiten

Beispiel und Aufgabe zum Majorantenkriterium Bearbeiten

Beispielaufgabe mit dem Majorantenkriterium (Youtube-Videovom Youtube-Kanal Maths CA).

Beispiel (Majorantenkriterium)

Betrachten wir die Reihe  . Die Koeffizientenfolge lautet  . Klammern wir im Nenner   aus und kürzen anschließend, so erhalten wir

 

Die Reihe verhält sich also wie die Reihe   und sollte daher konvergieren. Formal begründen wir das folgendermaßen: Aus   folgt damit

 

Da nun die Reihe   konvergiert, konvergiert auch die ursprüngliche Reihe  .

Aufgabe mit dem Majorantenkriterium (Youtube-Videovom Youtube-Kanal Maths CA).

Aufgabe (Majorantenkriterium)

Untersuche, ob die Reihe   konvergiert.

Wie kommt man auf den Beweis? (Majorantenkriterium)

Wenn man noch wenig Erfahrung in solchen Konvergenzbeweisen hat, lässt sich nur schwer erraten, ob die Reihe konvergiert oder divergiert. Wenn du dir aber den Bruch   anschaust, dann erkennst du, dass der Zähler ein Polynom ersten und der Nenner ein Polynom zweiten Grades ist. Der gesamte Bruch fällt also mit einer Konvergenzgeschwindigkeit, die in der Größenordnung von   ist. Nun wird dieser Bruch im Summanden der Reihe quadriert. Damit fällt   mit der Konvergenzgeschwindigkeit wie  . Weil   konvergiert, sollte auch die Reihe   konvergieren.

Dies lässt sich so zwar kaum beweisen, gibt uns aber einen Anhaltspunkt. Mit dem Majorantenkriterium lässt sich nun die Konvergenz von   auf die Konvergenz von   zurückführen. Hierzu muss man geschickt abschätzen:

 

Das Abschätzen erfolgte hier nach einem gewissen Schema: Summanden, die den Term verkleinern, wurden gestrichen. Dann wurden Summanden, die nicht gestrichen werden konnten, so abgeschätzt, dass sie mit anderen Summanden zusammengefasst werden können. Insgesamt erhalten wir so:

 

Nun kann das Majorantenkriterium angewandt werden. Die Reihe   konvergiert und damit auch die Reihe  .

Lösung (Majorantenkriterium)

Es ist

 

und

 

Damit konvergiert die Reihe nach dem Majorantenkriterium.

Beispiel und Aufgabe zum Minorantenkriterium Bearbeiten

Beispielaufgabe mit dem Minorantenkriterium (Youtube-Videovom Youtube-Kanal Maths CA).

Beispiel (Minorantenkriterium)

Betrachten wir nun die Reihe  . Diese wächst ähnlich wie die Reihe  . Da nun die harmonische Reihe   divergiert, divergiert auch die Reihe  , und damit auch unsere ursprüngliche Reihe. Formal sauber zeigen wir das folgendermaßen: Es gilt

 

Da nun   divergiert, divergiert mit dem Minorantenkriterium auch  .


Aufgabe mit dem Minorantenkriterium (Youtube-Videovom Youtube-Kanal Maths CA).

Aufgabe (Minorantenkriterium)

Man untersuche, ob die Reihe   konvergiert oder divergiert.

Wie kommt man auf den Beweis? (Minorantenkriterium)

Hier lohnt sich ein Blick auf die Konvergenzgeschwindigkeit, mit der die Summanden gegen Null konvergieren. Das Produkt   konvergiert wie   gegen Unendlich. Damit konvergiert   wie   gegen 0. Da im Summanden noch die Wurzel gezogen wird, ist insgesamt die Konvergenzgeschwindigkeit von   gegen 0 wie bei der Folge  . Da die harmonische Reihe   bekanntermaßen divergiert, sollte auch   divergieren.

Nachdem wir eine Vermutung über das Konvergenzverhalten aufgestellt haben, müssen wir diese Vermutung noch durch einen Beweis untermauern. Hier können wir das Minorantenkriterium benutzen, wobei wir zunächst geschickt nach unten abschätzen müssen:

 

Hier folgten wir einem gewissen Schema: Summanden, die den Term vergrößern, werden gestrichen. Danach haben wir die Summanden, die nicht gestrichen werden konnten, so abgeschätzt, dass sie mit anderen Summanden zusammengefasst werden konnten. Nun divergiert  . Also muss nach dem Minorantenkriterium auch   divergieren.

Beweis (Minorantenkriterium)

Es ist

 

Außerdem divergiert  . Damit muss   nach dem Minorantenkriterium divergieren.

Folgerung: Grenzwertkriterium Bearbeiten

Aus dem Majorantenkriterium können wir für Reihen mit positiven Gliedern das folgende Grenzwertkriterium oder auch Vergleichskriterium herleiten:

Satz (Grenzwertkriterium für Reihen)

Sind   und   zwei Reihen mit positiven Gliedern, und existiert   mit  , dann konvergiert die Reihe   genau dann, wenn die Reihe   konvergiert. Damit gilt auch: Die Reihe   divergiert genau dann, wenn   divergiert.

Beweis (Grenzwertkriterium für Reihen)

Wegen   gibt es ein  , so dass   für alle  . Dies folgt aus der Epsilon-Definition des Grenzwerts mit  . Damit gilt für alle  :

 

Wenn   konvergiert, dann konvergiert auch   nach dem Majorantenkriterium wegen der Ungleichung   für alle  . Dann konvergiert auch die Reihe   nach der Faktorregel konvergenter Reihen. Es ist nämlich  .

Wenn auf der anderen Seite   konvergiert, dann konvergiert auch   nach der Faktorregel konvergenter Reihen. Nach der Ungleichung   für alle   konvergiert   nach dem Majorantenkriterium.

Verständnisfrage: Was können wir, unter denselben Voraussetzungen wie im obigen Satz, aus   folgern?

Es lässt sich aus der Konvergenz von  , die Konvergenz von   folgern. Gilt nämlich  , so gibt es ein   mit   für alle  . Konvergiert  , so konvergiert nach dem Majorantenkriterium auch  .

Umgekehrt folgt aus der Konvergenz von   in diesem Fall nicht die Konvergenz von  . Als Beispiel betrachten wir die Reihen   und   . Hier gilt

 

Allerdings ist   konvergent und   divergent.

Beispiel (Konvergenz mit Grenzwertkriterium zeigen)

Betrachten wir die Reihe  . Es gilt

 

Mit   folgt damit

 

Da die Reihe   konvergiert, konvergiert nach dem Grenzwertkriterium auch die Reihe  .

Hinweis

Wie wir an diesem Beispiel gesehen haben, bietet das Grenzwertkriterium eine praktische Möglichkeit, die Konvergenz einer Reihe zu beweisen. Oftmals ist die Grenzwertberechnung   einfacher als das Finden einer passenden Majorante. Jedoch kannst du das Grenzwertkriterium nur dann anwenden, wenn dies auch in deiner Vorlesung behandelt wird. In vielen Vorlesungen ist dies aber nicht der Fall. Es besteht jedoch die Möglichkeit den Grenzwert für das Majorantenkriterium zu verwenden, indem wir analog zum Beweis des Grenzwertkriteriums argumentieren:

Für   und   haben wir   gezeigt. Daher gibt es ein   mit   für alle  . Dies ist äquivalent zu   für alle  . Da   konvergiert, konvergiert auch  . Nach dem Majorantenkriterium konvergiert damit  .

Aufgabe (Grenzwertkriterizum)

Untersuche für welche   die Reihe   konvergiert.

Hinweis: Betrachte die verallgemeinerte harmonische Reihe  .

Lösung (Grenzwertkriterizum)

Fall 1:  

Hier ist   keine Nullfolge, denn

 

Fall 2:  

Auf Grund des Hinweises setzen wir   und  . Damit gilt

 

Wegen   und wegen der Grenzwertsätze folgt  . Mit dem Grenzwertkriterium konvergiert unsere Reihe genau dann, wenn die Reihe   konvergiert. Sie ist also im Fall   konvergent und im Fall   divergent.

Fassen wir beide Fälle zusammen, so konvergiert unsere Reihe, falls   ist, und divergiert, falls   ist.