Majorantenkriterium und Minorantenkriterium – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“
In diesem Kapitel wirst du mit dem Majoranten- und Minorantenkriterium ein wichtiges Konvergenzkriterium kennenlernen. Mit diesem kannst du das Konvergenzverhalten einer Reihe auf das Konvergenzverhalten einer anderen Reihe zurückführen. So ist es möglich, eine Reihe „zu vereinfachen“. Mit diesen Kriterien kann nämlich eine Reihe so geschickt nach oben oder nach unten abgeschätzt werden, dass ein Beweis zum Konvergenzverhalten möglich wird.
Außerdem kann mit dem Majoranten- und Minorantenkriterium das Quotienten- sowie das Wurzelkriterium für Reihen bewiesen werden, welche beide in Aufgaben zur Reihenkonvergenz sehr nützlich sind.
Majorantenkriterium
BearbeitenKommen wir zum Majorantenkriterium. Dieses lautet folgendermaßen:
Satz (Majorantenkriterium)
Sei eine Reihe. Wenn es eine konvergente Reihe mit für alle gibt, dann konvergiert absolut.
automatisch folgt, dass ist, denn ist größer gleich der nicht negativen Zahl .
Beachte, dass aus der UngleichungBeweis (Majorantenkriterium)
Wenn konvergiert, dann ist deren Partialsummenfolge nach oben beschränkt . Wegen für alle ist dann auch die Partialsummenfolge zu nach oben beschränkt. Es gilt nämlich
Nun wächst die Partialsummenfolge von monoton wegen . Also muss konvergieren.
Hinweis
Es reicht beim Majorantenkriterium aus, wenn es ein gibt, so dass für alle gilt.
Verständnisfrage: Warum reicht es für das Majorantenkriterium aus, dass es ein gibt, so dass für alle gilt.?
Ist die Partialsummenfolge zu nach oben beschränkt, so auch die zu . Wegen
ist dann auch die Partialsummenfolge zu nach oben beschränkt. Da die endlich vielen Reihensummanden nichts an der Beschränktheit ändern, sind auch die Partialsummen von nach oben beschränkt. Damit konvergiert absolut.
Hinweis
Wie in der Einleitung schon angesprochen, möchten wir bei der Anwendung des Majorantenkriteriums eine möglichst einfach strukturierte Reihe als Majorante wählen, von der wir wissen, dass sie konvergiert. Häufig kann die konvergente Reihe als Majorante gewählt werden. Ebenso kann jede andere verallgemeinerte harmonische Reihe für in Betracht gezogen werden. Eine andere Möglichkeit ist es, die konvergente geometrische Reihe für , also etwa , auszuprobieren.
Minorantenkriterium
BearbeitenÄhnlich zum Majorantenkriterium ist das Minorantenkriterium. Jedoch kann mit diesem Kriterium die Divergenz und nicht die Konvergenz einer Reihe bewiesen werden.
Satz (Minorantenkriterium)
Sei eine Reihe mit für alle . Wenn es eine divergente Reihe mit für alle gibt, dann divergiert auch die Reihe .
Beweis (Minorantenkriterium)
Wegen wächst die Partialsummenfolge von monoton. Da nach Prämisse diese Reihe divergiert, muss diese unbeschränkt sein. Wegen für alle ist auch stets für alle und damit muss auch die Partialsummenfolge von unbeschränkt sein. Daraus folgt, dass divergiert (jede unbeschränkte Folge muss divergieren).
Hinweis
Analog zum Majorantenkriterium reicht es auch beim Minorantenkriterium aus, wenn die Voraussetzung für alle , für ein (festes) , erfüllt ist.
Hinweis
Beim Minorantenkriterium bietet sich häufig die divergente harmonische Reihe als Minorante an. Ansonsten kommt aber auch jede der Reihen für , also etwa , als Minorante in Frage. Außerdem ist jede geometrische Reihe mit als Minorante geeignet.
Warnung
Beim Minorantenkriterium ist die zusätzliche Bedingung notwendig! Gilt „nur“ die zum Majorantenkriterium analoge Voraussetzung und beliebig, so folgt aus der Divergenz von nicht die Divergenz von . Es folgt lediglich, dass nicht absolut konvergiert. Als Beispiel betrachten wir die Reihen und mit und . Es gilt , und die harmonische Reihe divergiert. Jedoch kann man zeigen, dass nach dem Leibniz-Kriterium konvergiert.
Beispiele und Aufgaben
BearbeitenBeispiel und Aufgabe zum Majorantenkriterium
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Beispiel (Majorantenkriterium)
Betrachten wir die Reihe . Die Koeffizientenfolge lautet . Klammern wir im Nenner aus und kürzen anschließend, so erhalten wir
Die Reihe verhält sich also wie die Reihe und sollte daher konvergieren. Formal begründen wir das folgendermaßen: Aus folgt damit
Da nun die Reihe konvergiert, konvergiert auch die ursprüngliche Reihe .
Aufgabe (Majorantenkriterium)
Untersuche, ob die Reihe konvergiert.
Wie kommt man auf den Beweis? (Majorantenkriterium)
Wenn man noch wenig Erfahrung in solchen Konvergenzbeweisen hat, lässt sich nur schwer erraten, ob die Reihe konvergiert oder divergiert. Wenn du dir aber den Bruch anschaust, dann erkennst du, dass der Zähler ein Polynom ersten und der Nenner ein Polynom zweiten Grades ist. Der gesamte Bruch fällt also mit einer Konvergenzgeschwindigkeit, die in der Größenordnung von ist. Nun wird dieser Bruch im Summanden der Reihe quadriert. Damit fällt mit der Konvergenzgeschwindigkeit wie . Weil konvergiert, sollte auch die Reihe konvergieren.
Dies lässt sich so zwar kaum beweisen, gibt uns aber einen Anhaltspunkt. Mit dem Majorantenkriterium lässt sich nun die Konvergenz von auf die Konvergenz von zurückführen. Hierzu muss man geschickt abschätzen:
Das Abschätzen erfolgte hier nach einem gewissen Schema: Summanden, die den Term verkleinern, wurden gestrichen. Dann wurden Summanden, die nicht gestrichen werden konnten, so abgeschätzt, dass sie mit anderen Summanden zusammengefasst werden können. Insgesamt erhalten wir so:
Nun kann das Majorantenkriterium angewandt werden. Die Reihe konvergiert und damit auch die Reihe .
Lösung (Majorantenkriterium)
Es ist
und
Damit konvergiert die Reihe nach dem Majorantenkriterium.
Beispiel und Aufgabe zum Minorantenkriterium
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Beispiel (Minorantenkriterium)
Betrachten wir nun die Reihe . Diese wächst ähnlich wie die Reihe . Da nun die harmonische Reihe divergiert, divergiert auch die Reihe , und damit auch unsere ursprüngliche Reihe. Formal sauber zeigen wir das folgendermaßen: Es gilt
Da nun divergiert, divergiert mit dem Minorantenkriterium auch .
Aufgabe (Minorantenkriterium)
Man untersuche, ob die Reihe konvergiert oder divergiert.
Wie kommt man auf den Beweis? (Minorantenkriterium)
Hier lohnt sich ein Blick auf die Konvergenzgeschwindigkeit, mit der die Summanden gegen Null konvergieren. Das Produkt konvergiert wie gegen Unendlich. Damit konvergiert wie gegen 0. Da im Summanden noch die Wurzel gezogen wird, ist insgesamt die Konvergenzgeschwindigkeit von gegen 0 wie bei der Folge . Da die harmonische Reihe bekanntermaßen divergiert, sollte auch divergieren.
Nachdem wir eine Vermutung über das Konvergenzverhalten aufgestellt haben, müssen wir diese Vermutung noch durch einen Beweis untermauern. Hier können wir das Minorantenkriterium benutzen, wobei wir zunächst geschickt nach unten abschätzen müssen:
Hier folgten wir einem gewissen Schema: Summanden, die den Term vergrößern, werden gestrichen. Danach haben wir die Summanden, die nicht gestrichen werden konnten, so abgeschätzt, dass sie mit anderen Summanden zusammengefasst werden konnten. Nun divergiert . Also muss nach dem Minorantenkriterium auch divergieren.
Beweis (Minorantenkriterium)
Es ist
Außerdem divergiert . Damit muss nach dem Minorantenkriterium divergieren.
Folgerung: Grenzwertkriterium
BearbeitenAus dem Majorantenkriterium können wir für Reihen mit positiven Gliedern das folgende Grenzwertkriterium oder auch Vergleichskriterium herleiten:
Satz (Grenzwertkriterium für Reihen)
Sind und zwei Reihen mit positiven Gliedern, und existiert mit , dann konvergiert die Reihe genau dann, wenn die Reihe konvergiert. Damit gilt auch: Die Reihe divergiert genau dann, wenn divergiert.
Beweis (Grenzwertkriterium für Reihen)
Wegen gibt es ein , so dass für alle . Dies folgt aus der Epsilon-Definition des Grenzwerts mit . Damit gilt für alle :
Wenn konvergiert, dann konvergiert auch nach dem Majorantenkriterium wegen der Ungleichung für alle . Dann konvergiert auch die Reihe nach der Faktorregel konvergenter Reihen. Es ist nämlich .
Wenn auf der anderen Seite konvergiert, dann konvergiert auch nach der Faktorregel konvergenter Reihen. Nach der Ungleichung für alle konvergiert nach dem Majorantenkriterium.
Verständnisfrage: Was können wir, unter denselben Voraussetzungen wie im obigen Satz, aus folgern?
Es lässt sich aus der Konvergenz von , die Konvergenz von folgern. Gilt nämlich , so gibt es ein mit für alle . Konvergiert , so konvergiert nach dem Majorantenkriterium auch .
Umgekehrt folgt aus der Konvergenz von in diesem Fall nicht die Konvergenz von . Als Beispiel betrachten wir die Reihen und . Hier gilt
Allerdings ist konvergent und divergent.
Beispiel (Konvergenz mit Grenzwertkriterium zeigen)
Betrachten wir die Reihe . Es gilt
Mit folgt damit
Da die Reihe konvergiert, konvergiert nach dem Grenzwertkriterium auch die Reihe .
Hinweis
Wie wir an diesem Beispiel gesehen haben, bietet das Grenzwertkriterium eine praktische Möglichkeit, die Konvergenz einer Reihe zu beweisen. Oftmals ist die Grenzwertberechnung einfacher als das Finden einer passenden Majorante. Jedoch kannst du das Grenzwertkriterium nur dann anwenden, wenn dies auch in deiner Vorlesung behandelt wird. In vielen Vorlesungen ist dies aber nicht der Fall. Es besteht jedoch die Möglichkeit den Grenzwert für das Majorantenkriterium zu verwenden, indem wir analog zum Beweis des Grenzwertkriteriums argumentieren:
Für und haben wir gezeigt. Daher gibt es ein mit für alle . Dies ist äquivalent zu für alle . Da konvergiert, konvergiert auch . Nach dem Majorantenkriterium konvergiert damit .
Aufgabe (Grenzwertkriterizum)
Untersuche für welche die Reihe konvergiert.
Hinweis: Betrachte die verallgemeinerte harmonische Reihe .
Lösung (Grenzwertkriterizum)
Fall 1:
Hier ist keine Nullfolge, denn
Fall 2:
Auf Grund des Hinweises setzen wir und . Damit gilt
Wegen und wegen der Grenzwertsätze folgt . Mit dem Grenzwertkriterium konvergiert unsere Reihe genau dann, wenn die Reihe konvergiert. Sie ist also im Fall konvergent und im Fall divergent.
Fassen wir beide Fälle zusammen, so konvergiert unsere Reihe, falls ist, und divergiert, falls ist.