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Das Buch ist konzipiert als Lehrbuch: Alle Kapitel bauen aufeinander auf; zu jedem Einzelthema gehören Beispiele und Übungen. Die abschließenden Kapitel mit den „Anwendungen“ sind vor allem für die betreffenden Fachgebiete von Bedeutung.
Wer bereits Vorkenntnisse zu den komplexen Zahlen hat, kann das Buch an die eigenen Bedürfnisse anpassen, beispielsweise die Grundlagen nur „überfliegen“ und sich auf Ergänzungen und Vertiefungen beschränken.
Die ersten Kapitel dienen der ausführlichen und vertiefenden Behandlung der komplexen Zahlen. Die „Anwendungen“ beschränken sich auf kurze Vorstellung der Zusatzthemen.
Bekannte Zahlenmengen
Die Geschichte der Mathematik zeigt, dass neue Probleme nicht nur neue Methoden hervorgebracht haben, sondern auch zu einer Erweiterung des Zahlenbereichs geführt haben.
Zuerst wurde nur mit den natürlichen Zahlen gerechnet. Diese Menge wurde aber schon bald auf die Menge der ganzen Zahlen erweitert, um auch mit negativen Zahlen zu rechnen und neue Probleme zu lösen. Die weiteren Entwicklungen sind hier tabellarisch dargestellt:
Gleichung
Lösung
Zahlenmenge
positive und negative Zahlen (einschl. Null)
rationale Zahlen
rationale und irrationale Zahlen
In den bisher bekannten Zahlenmengen gibt es keine Lösung für die letzte Gleichung: Das Quadrat einer positiven Zahl ist eine positive Zahl, und das Quadrat einer negativen Zahl ergibt ebenfalls eine positive Zahl. Somit lässt sich keine Zahl finden, deren Quadrat eine negative Zahl ist.
Die reellen Zahlen als Grundlage
Zur Behandlung des Problems gehen wir von den reellen Zahlen aus:
Die Menge der reellen Zahlen besteht aus den rationalen und den irrationalen Zahlen.
Die Menge der rationalen Zahlen umfasst alle Zahlen, die sich als gemeine Brüche ( und ganzzahlig) darstellen lassen. Dies umfasst die ganzen Zahlen, die endlichen Dezimalbrüche und die unendlichen periodischen Dezimalbrüche.
Die Menge der irrationalen Zahlen umfasst alle unendlichen nichtperiodischen Dezimalbrüche. Zu den irrationalen Zahlen gehören z. B. die Wurzeln aus positiven Zahlen, die keine Quadratzahlen sind, die Eulersche Zahl , die Zahl , fast alle Logarithmen und fast alle Werte der trigonometrischen Funktionen.
Die reellen Zahlen können umkehrbar eindeutig auf die Zahlengerade abgebildet werden, das bedeutet: Jeder reellen Zahl entspricht genau ein Punkt der Zahlengeraden und jedem Punkt der Zahlengeraden entspricht genau eine reelle Zahl.
Das System der reellen Zahlen kann insofern als vollständig und nicht weiter ergänzbar bezeichnet werden, als jedem Punkt der Zahlengeraden eine reelle Zahl zugeordnet ist. Innerhalb der Menge der reellen Zahlen sind alle vier Grundrechenarten unbeschränkt ausführbar (außer Division durch 0), und es gibt eine Kleiner-als-Relation (die sich mit Addition und Multiplikation gemäß den bekannten Gesetzen verträgt). Die Menge der reellen Zahlen ist daher ein „geordneter Zahlenkörper“.
Andererseits kann man das System der reellen Zahlen auch als unvollständig betrachten, weil es in ihm keine Lösung der obigen rein quadratischen Gleichung gibt. Das wird der Ausgangspunkt für die komplexen Zahlen.
In diesem Kapitel werden – ausgehend von der Lösbarkeit quadratischer Gleichungen – die komplexen Zahlen eingeführt.
Definitionen
Betrachten wir nochmals die Einführung der irrationalen Zahlen über die folgende quadratische Gleichung:
Zu ihrer Lösung wurde das Wurzelsymbol eingeführt, das wie eine Variable eingesetzt werden kann. Der exakte Wert von ist zwar nicht bekannt, aber wir wissen, dass genau gleich 2 ist.
In ähnlicher Weise führen wir eine Lösung für diese quadratische Gleichung ein:
Wir definieren ein Zeichen, dessen Wert wir zwar nicht kennen, von dem wir aber wissen, dass sein Quadrat gleich –1 ist. Dieses Symbol heißt imaginäre Einheit i.[1]
Definition (Imaginäre Einheit)
Die imaginäre Einheit i ist jene Zahl, deren Quadrat gleich –1 ist: [2]
Die imaginäre Einheit soll den Charakter einer Zahl haben. Wir müssen deshalb untersuchen, ob wir brauchbare, widerspruchsfreie Ergebnisse erhalten, wenn wir auf diese „Zahl“ die bekannten Rechengesetze für reelle Zahlen anwenden. Beim Rechnen mit dieser Zahl wird überall ihr Quadrat durch –1 ersetzt.
Zunächst erhalten wir die Lösungen der obigen quadratischen Gleichung:
Fügt man die Zahl i den reellen Zahlen hinzu, dann entsteht beim Rechnen eine ganze Menge neuer Zahlen, z. B.:
Die allgemeine Form dieser Zahlen führt uns zum Begriff der komplexen Zahlen (in der algebraischen Schreibweise):
Definition (Komplexe Zahlen)
Die Menge der komplexen Zahlen besteht aus allen Zahlen der Form
wird der Realteil von z und der Imaginärteil von z genannt:[3]
Im Falle von erhält man die reellen Zahlen. Die Zahlen mit heißen imaginäre Zahlen, manchmal spricht man auch von rein-imaginären Zahlen.
Aus praktischen Gründen folgen zwei weitere Begriffe:
Definition (Konjugiert-komplexe Zahl)
heißt die zu konjugiert-komplexe Zahl.
Mit konjugiert-komplexen Zahlen befassen wir uns im Abschnitt Division.
Definition (Betrag einer komplexen Zahl)
Der Betrag einer komplexen Zahl ist definiert als Wurzel aus dem Produkt der Zahl mit ihrem Konjugiert-Komplexen:
Mit dem Betrag befassen wir uns im Kapitel Darstellungsformen. Im Abschnitt zur Division steht, wie der Betrag schnell errechnet werden kann.
Rechenregeln
Mit diesen Definitionen soll jetzt gezeigt werden, dass die „üblichen“ Rechenregeln der reellen Zahlen widerspruchsfrei auf die komplexen Zahlen übertragen werden können. Weil es sich um eine Erweiterung der reellen Zahlen handelt, müssen jedenfalls für alle Regeln der reellen Zahlen – siehe unten im Abschnitt Hinweise – unverändert gelten.
Die Zahl 0 – also – muss das neutrale Element der Addition sein.
Die Zahl 1 – also – muss das neutrale Element der Multiplikation sein.
Zu jeder Zahl – also – gibt es ein inverses Element der Addition.
Zu jeder Zahl – also – gibt es ein inverses Element der Multiplikation.
Es gelten die Gesetze für Addition und Multiplikation, also Kommutativgesetze, Assoziativgesetze und Distributivgesetz.
Dabei werden folgende Bezeichnungen verwendet:
0 und 1 werden wahlweise als reelle Zahl oder als komplexe Zahl mit behandelt; die Bedeutung ergibt sich immer aus dem Zusammenhang.
Addition und Subtraktion
Beide Operationen werden mithilfe der Operationen bei den reellen Zahlen definiert:
Definition (Addition und Subtraktion)
Zwei komplexe Zahlen werden addiert und subtrahiert, indem man die Realteile und die Imaginärteile addiert bzw. subtrahiert:
Wenn man es ganz genau nimmt, muss für die Subtraktion zunächst das inverse Element bestimmt werden, indem die Vorzeichen für Realteil und Imaginärteil geändert werden; anschließend wird gezeigt, dass diese Definition den geforderten Bedingungen entspricht.
Damit sind Addition und Subtraktion auf die entsprechenden Operationen der reellen Zahlen zurückgeführt. Offensichtlich gelten also Kommutativ- und Assoziativgesetz.
Multiplikation
Dafür setzen wir einfach die üblichen Klammerregeln ein und beachten bei der letzten Umwandlung die Definition von i bzw. i2:
Diese Umrechnung verwenden wir zur Definition:
Definition (Multiplikation)
Zwei komplexe Zahlen werden multipliziert, indem man die Realteile und die Imaginärteile wie folgt „über Kreuz“ verknüpft:
Durch einfaches Nachrechnen ergibt sich schnell, dass mit dieser Definition die reelle 1 auch das neutrale Element der komplexen Multiplikation ist und das Kommutativgesetz gilt. Genauso (wenn auch langwieriger und langweiliger) wird das Assoziativgesetz bestätigt.
Division
Dafür benötigen wir noch Vorbemerkungen. Berechnen wir (wie angekündigt) den Betrag:
Daraus ergibt sich unmittelbar: Das Produkt aus einer komplexen Zahl und der dazu konjugiert-komplexen Zahl ist reell. Für den Fall (also mit oder ) ist das Produkt positiv.
Ähnlich wie bei der Multiplikation können wir damit die Division einführen. Als „Trick“ erweitern wir bei der ersten Umrechnung den Bruch mit der konjugiert-komplexen Zahl und benutzen bei der zweiten Umrechnung das Quadrat des Betrags:
Wenn wir als Zähler die Zahl einsetzen, können wir mit dieser Umrechnung das inverse Element der Multiplikation definieren:
Definition (Division)
Das inverse Element der Multiplikation einer komplexen Zahl z erhält man durch folgende Vorschrift:
Durch einfaches Nachrechnen lässt sich bestätigen:
Distributivgesetz
Weil die Multiplikation kommutativ ist, brauchen wir nicht zwischen linksdistributiv und rechtsdistributiv zu unterscheiden. Damit beschränkt sich der Beweis auf das Umrechnen der folgenden Beziehung unter Benutzung der Definition einer komplexen Zahl und der Regeln für die reellen Zahlen.
Es handelt sich wieder um einfache Umwandlungen und sei deshalb dem Leser überlassen.
Potenzen
Ohne nähere Herleitung können wir auch Potenzen mit natürlichen Exponenten benutzen, indem wir sie als mehrfache Multiplikation definieren und die Klammerregeln anwenden:
Auch die Erweiterung auf ganzzahlige Exponenten können wir von den reellen Zahlen übernehmen:
Die komplexen Zahlen bilden einen Körper
Die im Abschnitt Hinweise stehenden Regeln für die reellen Zahlen gelten also genauso für die komplexen Zahlen. Damit ist auch ein Körper (im Sinne der Algebra).
Aufgaben
Gewandtheit im Umgang mit den komplexen Zahlen bekommt man durch Übung – bitte sehr.
Bestimme die positiven ganzzahligen Potenzen von i – also – sowie die negativen ganzzahligen Potenzen von i – also . (Es genügen die Exponenten von −8 bis +8.)
Wir vergleichen Real- und Imaginärteil und erhalten:
(a ist zwangsläufig ungleich 0.) Daraus folgt:
Mögliche Lösungen sind also und . Da a reell sein soll, können wir die zweite Lösung nicht gebrauchen; also gilt . Für ergibt sich , und für erhalten wir .
Hinweise
Anmerkungen
↑In der Elektrotechnik wird der Buchstabe i für die elektrische Stromstärke benutzt. Deshalb verwendet man dort ersatzweise den Buchstaben j für die imaginäre Einheit.
↑Der Buchstabe i wird in Formeln teilweise auch kursiv geschrieben. Nach DIN 1302 ist es gerade (normal, aufrecht, nicht kursiv) zu schreiben, weil es eine Zahl darstellt und keine Variable. Deshalb verwendet dieses Buch grundsätzlich die nichtkursive Schreibweise; lediglich im fortlaufenden Text wird zwecks Hervorhebung i geschrieben.
↑Beide Schreibweisen sind möglich, die jeweils erste ist gebräuchlicher.
Regeln der reellen Zahlen
ist ein Körper im Sinne der Algebra, weil alle Bedingungen erfüllt sind:
Addition und Subtraktion
Es gibt 0 als neutrales Element, d. h. für alle gilt:
Zu jedem gibt es ein inverses Element mit der Eigenschaft – nämlich .
Die Addition ist kommutativ:
Die Addition ist assoziativ:
Multiplikation und Division
Es gibt 1 als neutrales Element, d. h. für alle gilt:
Zu jedem mit gibt es ein inverses Element mit der Eigenschaft – nämlich
Die Multiplikation ist kommutativ:
Die Multiplikation ist assoziativ:
Distributivgesetz
Eine Summe oder Differenz wird mit einem Faktor multipliziert, indem man jeden Summanden (bzw. Minuend und Subtrahend) mit diesem Faktor multipliziert und die Produktwerte addiert (bzw. subtrahiert):
Siehe auch
Bei Wikipedia finden sich die folgenden Artikel:
Körper – Bedingungen eines Körpers im Sinne der Algebra
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Formen, die komplexen Zahlen darzustellen, und weist jeweils auf Rechenverfahren hin. Auch wenn die ersten Darstellungsformen eng zusammengehören, werden sie wegen der besseren Übersichtlichkeit getrennt behandelt.
Die algebraische Form
Dabei handelt es sich um die Schreibweise aus dem vorigen Kapitel. Sie wird auch als arithmetische Form bezeichnet.
Die Grundrechenarten dafür werden jetzt als bekannt vorausgesetzt.
Die Gauß'sche Zahlenebene
Die Zahlengerade ist eine geometrische Darstellung aller reellen Zahlen. Die komplexen Zahlen sind „mehr“, können also auf ihr nicht untergebracht werden. Wir müssen also die reelle Zahlengerade zur Gauß'schen Zahlenebene[1] erweitern – auch kürzer komplexe Ebene oder Gauß'sche Ebene genannt.
Betrachten wir zunächst die (rein-)imaginären Zahlen als Produkte der reellen Zahlen mit i, also die folgenden Zahlen und alle dazwischenliegenden Werte:
Diese Zahlen können wir auf eine eigene, die „imaginäre Zahlengerade“ abbilden. Dabei ist es zweckmäßig, die „imaginäre Einheitsstrecke“ gleich der reellen Einheitsstrecke zu machen. Da die beiden Zahlengeraden die Null gemeinsam haben, müssen wir sie so anordnen, dass sie einander in 0 schneiden. Schon aus Symmetriegründen erscheint es zweckmäßig, die beiden Zahlengeraden senkrecht zueinander anzubringen.
Die horizontale Achse heißt reelle Achse, die vertikale Achse wird imaginäre Achse genannt.
Hinweis
Auch auf der imaginären Achse werden reelle Zahlen aufgezeigt – nicht, wie oft zu sehen ist, imaginäre.
Aus dieser Grafik lassen sich bereits drei Dinge herauslesen:
Komplexe Zahlen lassen sich nicht ordnen. Es existieren also keine Aussagen wie .
Die zu konjugiert-komplexe Zahl ist, geometrisch gesprochen, die Spiegelung des Punktes an der reellen Achse (ähnlich dem Beispiel mit und in dieser Grafik).
Jeder komplexen Zahl kann ein Punkt zugeordnet werden oder auch ein Vektor von zu .
Aus dieser Eigenschaft lassen sich die Rechenregeln für die Addition und Subtraktion herleiten. Vektoren können komponentenweise addiert und subtrahiert werden. Hier ein kleines Beispiel zur Erinnerung:
Wenn wir dieses Prinzip auf die komplexen Zahlen übertragen, erhalten wir die bereits bekannten Regeln:
Bei der Addition der komplexen Zahlen werden die Realteile und die Imaginärteile jeweils für sich addiert.
Bei der Subtraktion werden die Realteile und die Imaginärteile voneinander subtrahiert.
Dies legt nahe, dass wir die Addition und Subtraktion auch grafisch darstellen können und zwar ebenfalls nach den Regeln der Vektorgeometrie (siehe die nebenstehende Darstellung).
Die Illustration von Multiplikation und Division wird auf den nächsten Abschnitt verschoben, wo es leichter verständlich wird (zumal es bei Vektoren mehrere Arten der Multiplikation gibt).
Der Betrag wiederum entspricht der Länge des Vektors , was sich einfach mit dem Satz des Pythagoras erklärt.
Die Polarform
Schreibt man die komplexe Zahl nicht in kartesischen Koordinaten, sondern in Polarkoordinaten, so erhält man die Polarform einer komplexen Zahl, die sich einfach aus der Trigonometrie ergibt:
Das verwenden wir zur Definition der Polarform einer komplexen Zahl:
Definition (Polarform einer komplexen Zahl)
wird als Polarform bezeichnet.
ist eine abgekürzte Schreibweise.
ist eine weitere Schreibweise.
Der Winkel heißt Argument von .
ist der (absolute) Betrag von .
Dabei müssen die Mehrdeutigkeit und der Wertebereich des Arkustangens berücksichtigt werden:
Der Wert heißt Hauptwert von .
Oben hatten wir bereits festgestellt, dass die konjugiert-komplexe Zahl der Spiegelung an der reellen Achse entspricht. In der Polarform können wir das (unter Berücksichtigung der Symmetrien von Sinus und Kosinus) auch so formulieren.
Die folgenden Formulierungen über zwei konjugiert-komplexe Zahlen und sind also gleichbedeutend:
Die Realteile sind gleich, die Imaginärteile unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen.
Die den Zahlen entsprechenden Punkte liegen symmetrisch zur reellen Achse.
Die Beträge sind gleich, die Argumente unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen.
Zur Eindeutigkeit des Arguments
Der Bezug auf den Arkustangens macht deutlich: Bei der Berechnung des Winkels ist Vorsicht geboten! Nehmen wir zu einer komplexen Zahl mit positivem a und b sowohl die konjugiert-komplexe Zahl (also an der reellen Achse gespiegelt) als auch die Zahl (also an der imaginären Achse gespiegelt). Die Berechnung des Winkels ergibt dann:
In beiden Fällen liefert der Arkustangens denselben Wert. Aber offensichtlich liegen beide Zahlen in verschiedenen Quadranten, also handelt es sich um zwei verschiedene Winkel. liegt im vierten Quadranten, also muss zwischen 270° und 360° betragen. Für im zweiten Quadranten beträgt zwischen 90° und 180°.
Tatsächlich entspricht dies der Mehrdeutigkeit des Arkustangens, der nur innerhalb eines Bereichs – beispielsweise von –90° bis +90° – eindeutig ist.
Ebenfalls problematisch sind die Zahlen und , weil nicht definiert ist. Wegen der Lage im Koordinatensystem können wir den Winkel trotzdem genau angeben: Offensichtlich gelten und .
Man kann also aus der Lage eines Punktes in den einzelnen Quadranten oder auf den Achsen leicht entscheiden, in welchem Bereich der Winkel zu einer bestimmten Zahl liegen muss. Man kann das aber auch durch eine Fallunterscheidung ausdrücken; zusammen mit der üblichen Schreibweise, in der 180° durch ersetzt wird, ergibt sich dann:
Mit dem Arkuskosinus ergibt sich eine einfachere Fallunterscheidung. (Der Arkustangens hängt direkt mit a und b zusammen; deshalb hat er sich für die vorstehenden Überlegungen angeboten.) Der Arkuskosinus ist eindeutig im Bereich von 0 bis . Für diesen Bereich – den ersten und zweiten Quadranten, also für – können wir direkt die erste Umrechnungsformel der Polarform (zur ersten Grafik oben) verwenden.
Für nutzen wir die Symmetrie und die Periodizität des Kosinus. Die Symmetrie an der reellen Achse liefert zu jeder komplexen Zahl die konjugiert-komplexe Zahl (also mit gleichem Realteil a und Vorzeichenwechsel beim Imaginärteil b). Bezeichnen wir nun mit den gesuchten Winkel (im vierten oder dritten Quadranten) und mit den Winkel der konjugiert-komplexen Zahl (im ersten bzw. zweiten Quadranten). Für eine komplexe Zahl im vierten Quadranten ergibt sich unmittelbar . Für eine komplexe Zahl im dritten Quadranten verwenden wir die Differenz zwischen den Winkeln der zueinander konjugiert-komplexen Zahlen und der reellen Achse: Die Differenz beträgt und liefert – zusammen mit der Periode – ebenfalls:
Zusammengefasst liefert das folgende Fallunterscheidung:
Umrechnungen
Algebraische Form in Polarform umwandeln
Hierfür benutzen wir in mehreren Beispielen die Überlegungen zur Eindeutigkeit des Arguments, und zwar sowohl mit dem Arkuskosinus[2] als auch mit dem Arkustangens.
Beispiel 1
Für den Betrag ergibt sich jedenfalls:
Der Arkuskosinus liefert für den Winkel eindeutig:
Mit dem Arkustangens erhalten wir die beiden möglichen Werte:
Aus der Zeichnung ersehen wir, dass nur als Argument in Frage kommt.
Ergebnis beider Varianten:
Beispiel 2
Für den Betrag ergibt sich:
Der Arkuskosinus liefert uns:
Beim Arkustangens wird berücksichtigt, dass der Punkt im ersten Quadranten liegt (Realteil und Imaginärteil sind positiv). Berechnen wir dazu als Argument:
Es ergibt sich für z als geometrische Darstellung ein Pfeil der Länge 4 unter 60° im ersten Quadranten mit folgender Polarform:
Beispiel 3
Diese komplexe Zahl liegt mit negativem Realteil und positivem Imaginärteil im zweiten Quadranten. Durch die gleichen Berechnungen erhalten wir die Polarform:
Betrag
mit Arkuskosinus
mit Arkustangens
Polarform
Bei allen Beispielen führen beide Verfahren zum Ziel. Mal scheint die eine Variante praktischer (nämlich kürzer) zu sein, mal die andere.
Polarform in algebraische Form umwandeln
Dabei müssen wir über Eindeutigkeit und Lage nicht nachdenken: Die gegebenen Werte werden einfach in die Formeln der Herleitung eingesetzt.
Zur komplexen Zahl mit und – also mit dem Winkel 300° im vierten Quadranten – ergibt sich die algebraische Form wie folgt:
Drehung
Betrachten wir die Vektoren der Länge 1 auf den vier Halbachsen:
Die Vektoren zu den Zahlen entstehen also durch aufeinanderfolgende Drehungen um jeweils . Wenn wir diese Zahlen mit i multiplizieren, erhalten wir ein zunächst überraschendes Ergebnis:
Das gilt jedenfalls für genau diese Zahlen. Wir können aber sogar allgemein beweisen:
Satz (Die Multiplikation mit i bedeutet eine positive Drehung um .)
Für eine beliebige Zahl gilt:
Beweis
Zunächst gilt jedenfalls:
Prüfen wir zunächst die Lage der Punkte in den Quadranten:
Bei im ersten Quadranten gelten . Also muss wegen im zweiten Quadranten liegen.
Bei im zweiten Quadranten gelten . Also muss wegen im dritten Quadranten liegen.
In gleicher Weise kann festgestellt werden:
Wenn im dritten Quadranten liegt, muss im vierten Quadranten liegen.
Wenn im vierten Quadranten liegt, muss im ersten Quadranten liegen.
Unter Benutzung der Polarform und trigonometrischer Umrechnungen erhalten wir außerdem:
Angenommen, das letzte Minus-Zeichen wäre zulässig, dann würde wegen
der „neue“ Punkt im selben Quadranten liegen wie der ursprüngliche. Das kann wegen der obigen Überlegung nicht gelten; also kann das Minus-Zeichen bei ± nicht zugelassen werden.
Die Grundrechenarten
Über Addition und Subtraktion machen wir uns keine weiteren Gedanken. Dafür ist die algebraische Schreibweise am praktischsten; notfalls erhalten wir ein Ergebnis durch einfache Umrechnungen.
Für die Multiplikation erhalten wir unter Benutzung trigonometrischer Formeln die folgende Feststellung:
Definition (Multiplikation)
Zwei komplexe Zahlen in Polarform werden multipliziert, indem man die Beträge multipliziert und die Argumente addiert:
Diese Festlegung entspricht widerspruchsfrei den algebraischen Regeln, wie hier zu sehen ist:
Das liefert gleichzeitig eine geometrische Interpretation der Multiplikation, nämlich als Drehstreckung, wie in der vorstehenden Grafik dargestellt: Zunächst wird der Vektor der Länge um den Faktor gestreckt. Der resultierende Vektor hat die Länge und den unveränderten Winkel . Drehen wir jetzt diesen Vektor um den Winkel , so erhalten wir durch die Drehstreckung den Vektor mit der Länge und dem Winkel .
Die Division können wir einfacher herleiten. Gesucht ist eine Zahl z mit folgender Bedingung:
Das ist gleichbedeutend damit, dass die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Wir können also analog zur Multiplikation festlegen:
Definition (Division)
Zwei komplexe Zahlen in Polarform werden dividiert, indem man die Beträge dividiert und die Argumente subtrahiert:
Beachte, dass wir bei der Division komplexer Zahlen letztlich nur zwei reelle Zahlen dividieren, nämlich die beiden Beträge.
Exponentialform
Der Vollständigkeit halber sei noch diese Darstellungsweise genannt:
Definition (Exponentialform einer komplexen Zahl)
wird als Exponentialform bezeichnet.
Dabei ist der Betrag, die Exponentialfunktion[3] und das Argument von .
(Arkus-)Tangens: Weil der Realteil negativ und der Imaginärteil positiv ist, liegt der Punkt im zweiten Quadranten. Das Argument wird wie folgt errechnet:
Wir erhalten also die folgende Polarform:
zu 2.
Der Realteil ist Null, also liegt die Zahl auf dem negativen Teil der imaginären Achse. Der Betrag ergibt sich direkt aus dem Imaginärteil, und das Argument beträgt: Der Form halber soll dies mit dem Arkuskosinus „nachgerechnet“ werden:
↑Benannt nach Carl Friedrich Gauß (1777–1855). – Zusatzbemerkung zur Schreibweise: Nach den geltenden Rechtschreibregeln (§ 62) gibt es zwei Schreibweisen: Gauß'sche Zahlenebene (Eigenname groß mit Apostroph) oder gaußsche Zahlenebene (Eigenname klein ohne Apostroph). In der Mathematik ist auch die Schreibweise „Gaußsche Zahlenebene“ (Eigenname groß ohne Apostroph) üblich.
↑Bei den Berechnungen wird mehrfach folgende Formel verwendet:
↑Ähnlich wie bei i gibt es auch für e sowohl die kursive als auch die normale Schreibweise. In diesem Buch wird es wie jede Funktion normal geschrieben.
In diesem Kapitel werden einige Umformungsregeln zusammengefasst und daraus Potenzen und Wurzeln abgeleitet.
Einfache Berechnungen
Imaginäre Zahlen
Produkt und Quotient zweier (rein-) imaginärer Zahlen sind reelle Zahlen. Für ergibt sich:
Rechnen mit Beträgen
Bei der Einführung der Polarform im vorigen Kapitel wurde für die Multiplikation folgende Formel definiert:
Daraus ergibt sich sofort:
Der Betrag des Produkts ist also gleich dem Produkt der Beträge, das Argument ist gleich der Summe der Argumente.
Man erkennt (durch wiederholte Anwendung) sofort, dass diese Aussagen auch für mehr als zwei Faktoren gelten:
Analog findet man für ungleich 0:
Setzt man darin und , so erhält man für den Kehrwert einer komplexen Zahl:
Speziell für ergibt sich noch:
Konjugiert-komplexe Zahlen
Zur Erinnerung: Aus einer komplexen Zahl z erhält man die dazu konjugiert-komplexe Zahl z, indem man das Vorzeichen des Imaginärteils umkehrt. Als Formel sieht das so aus:
Es gibt die folgenden interessanten Beziehungen mit Real- und Imaginärteil.
Für das Addieren konjugiert-komplexer Zahlen gilt eine einfache Rechenregel:
Dies wollen wir kurz nachrechnen:
Eine gleiche Regel gilt für das Multiplizieren konjugiert-komplexer Zahlen (siehe Übung 1):
Durch wiederholte Anwendung dieser Rechenregel erhält man für jede komplexe Zahl z und jede natürliche Zahl n:
Dies gilt dann auch für Polynome mit komplexen Koeffizienten:
Mit der verkürzten Schreibweise in Polarkoordinaten gibt es folgende Regel (siehe Übung 2):
Dies entspricht auch der geometrischen Interpretation: Dass sich das Vorzeichen des Imaginärteils ändert, ist gleichbedeutend mit der Spiegelung an der Realachse, also dem Vorzeichenwechsel des Winkels.
Aus der Definition des Betrags ergibt sich außerdem folgender Spezialfall für :
Ganzzahlige Potenzen
Potenzen von z mit natürlichen Zahlen als Exponenten sind eine kurze Schreibweise für das Produkt von n gleichen Faktoren:
Wie im Reellen kann diese Definition auf ganzzahlige Exponenten für erweitert werden:
Aus der Multiplikation komplexer Zahlen folgt für lauter gleiche Faktoren z:
Wie man leicht erkennt (siehe Übung 3), gilt diese Beziehung auch für negative ganzzahlige Werte von n. Zumindest für ganzzahlige Exponenten können wir also festlegen:
Grundregel: Potenzen mit ganzzahligen Exponenten
Die n-te Potenz einer komplexen Zahl erhält man, indem man den Betrag mit n potenziert und das Argument mit n multipliziert.
Als geometrische Interpretation können wir einfach die Beschreibung als Drehstreckung aus dem vorherigen Kapitel übernehmen: Der Vektor, der zu der Zahl gehört, wird beim Potenzieren so weit gestreckt, dass der Betrag potenziert wird, und so weit gedreht, dass das Argument vervielfacht wird.
Aus der Grundregel folgen (bei ganzzahligen Exponenten ) die bekannten Rechenregeln für Potenzen:
Die erste Formel leiten wir (mit trigonometrischen Umrechnungsformeln) her, die übrigen überlassen wir der Leserin (Regel 3 siehe Übung 4):
Der binomische Lehrsatz
Aus den Rechenregeln für Potenzen und den Multiplikationsregeln für zwei Klammern folgt sofort, dass der binomische Lehrsatz für positive ganzzahlige Exponenten auch für komplexe Zahlen gilt:
Moivre’sche Formeln
Die obige Formel für positive ganzzahlige Potenzen kann mit der trigonometrischen Darstellung komplexer Zahlen auch so geschrieben werden:
Für wird diese Beziehung als Moivre’scher Satz[1] bezeichnet:
Satz (Moivre’scher Satz)
Für jede komplexe Zahl mit dem Argument und jede natürliche Zahl gilt:
In der verkürzten Schreibweise lautet die Aussage so:
Anstelle eines Beweises hatten wir diesen Satz aus anderen Formeln abgeleitet. Als Übung 5 ist ein Beweis mit vollständiger Induktion vorgesehen.
Andererseits liefert der binomische Lehrsatz für positive ganzzahlige Exponenten, wobei Potenzen von i durch bzw. ersetzt wurden:
Wenn man die rechten Seiten dieser Gleichung und des Moivre’schen Satzes gleichsetzt und berücksichtigt, dass die Realteile und die Imaginärteile jeweils gleich sein müssen, erhält man die Moivre’schen Formeln:
Dabei sind die rechten Seiten so weit zu ergänzen, bis die Binomialkoeffizienten null werden.
Der Moivre’sche Satz gilt zunächst nur für natürliche Exponenten. Er kann aber problemlos auf beliebige ganzzahlige und gebrochene Exponenten erweitert werden.
Beweis (Der Moivre’sche Satz gilt auch für n = 0.)
Die linke Seite der Gleichung liefert als 0-te Potenz den Wert 1. Die rechte Seite der Gleichung liefert , also ebenfalls 1.
Beweis (Der Moivre’sche Satz gilt auch für n < 0.)
Wir ersetzen durch , also . Neben den Potenzgesetzen verwenden wir Umrechnungen für konjugiert-komplexe Zahlen sowie den Moivre’schen Satz für natürliche .
Beweis (Der Moivre’sche Satz gilt auch für gebrochene Exponenten.)
Der Satz soll für Exponenten der Form mit natürlichen Zahlen gelten. Es geht also um den Beweis der folgenden Beziehung:
Dazu gehen wir davon aus, dass die n-te Wurzel aus einer komplexen Zahl zu berechnen ist, wobei die gesuchte Wurzel ist:
Die rechten Seiten der ersten Gleichung mit dem Exponenten als Wurzel und der letzten Gleichung liefern die folgende Beziehung. Beim Potenzieren mit wird erneut der Satz von Moivre für natürliche Exponenten angewandt, diesmal für . Mit der „Entfernung“ des Betrags auf beiden Seiten (also Division durch die Potenz von ) erhalten wir schließlich die gewünschte Gleichheit:
Berechnungen
Weil eine komplexe Zahl als Summe dargestellt werden kann, können wir den binomischen Lehrsatz[2] verwenden.
Zur Berechnung kann auch der Moivre’sche Satz genutzt werden. Dazu führen wir die gegebene Zahl zunächst mithilfe des Betrags und der Umrechnungsformeln in ihre trigonometrische Form über:
Wir erhalten nun der Reihe nach:
Das Ergebnis, das wir mit dem binomischen Satz gewonnen haben, ist exakt, während das zweite Ergebnis infolge der wiederholten Rundungen in der Regel Ungenauigkeiten aufweist und in diesem Beispiel nur „zufällig“ mit dem exakten Ergebnis übereinstimmt.
Wurzeln
Der Beweis zur Moivre’schen Formel hat bereits die Bestimmung einer Wurzel geliefert:
Bei Quadratwurzeln aus (positiven) reellen Zahlen erhält man zwei reelle Lösungen, wobei die positive Lösung als „die Quadratwurzel“ ausgezeichnet wird. Gibt es bei den komplexen Zahlen vergleichbare Feststellungen? Schauen wir uns dazu ein Beispiel an, bei dem die 2-te Wurzel einer bestimmten komplexen Zahl gesucht wird. Eine Lösung ist direkt aus dem Satz von Moivre abzuleiten:
Für eine weitere Lösung muss jedenfalls der Betrag (als positive Wurzel einer positiven reellen Zahl) übereinstimmen; also können wir uns auf das Argument beschränken, das sich um einen Wert vom Argument der ersten Lösung unterscheidet. Es muss also gelten:
Das Quadrat dieser zweiten Lösung ergibt sich aus dem Satz von Moivre:
Das Quadrat der zweiten Lösung muss mit dem Quadrat der ersten Lösung, also mit der ursprünglichen Zahl übereinstimmen. Es müssen also die Sinus- und Kosinuswerte gleich sein. Also werden Werte von gesucht, für die die folgenden Beziehungen gelten:
Bekanntlich wiederholen sich Sinus- und Kosinuswerte mit der Periode . Die Gleichheit in den letzten Gleichungen ist also dann gegeben, wenn wir für nacheinander Vielfache von einsetzen:
Wir finden also mehrere Lösungen als Quadratwurzel, nämlich:
Tatsächlich sind nur die ersten beiden Lösungen verschieden; danach wiederholen sie sich wegen der Periodizität.
Hinweis: Alle diese Feststellungen könnten mit statt kürzer beschrieben werden. Da die Umrechnungen für Sinus und Kosinus mit der Periode geläufiger sind, wurde die umständlichere Schreibweise gewählt.
Dieses Verfahren können wir nun verallgemeinern. Gesucht werden die Wurzeln der folgenden Gleichung:
Der Betrag ist wiederum die n-te reelle Wurzel von , und zwar für alle Wurzeln. Das Argument der ersten Lösung ergibt sich wie im Beispiel direkt aus dem Satz von Moivre:
Die weiteren Lösungen finden wir ebenfalls wie im Beispiel mit dem Satz von Moivre durch Vergleich der n-ten Potenz:
Mit diesem Ergebnis können wir die obige Berechnung einer Wurzel vervollständigen:
Grundregel: Wurzel einer komplexen Zahl
Die n-ten Wurzeln einer komplexen Zahl erhält man wie folgt: Aus dem (reellen) Betrag wird die n-te Wurzel gezogen. Das Argument wird mit Vielfachen von addiert und durch dividiert. Dabei gibt es immer verschiedene Lösungen:
Zu sind dies die Wurzeln:
Die Rechenregeln für Potenzen (siehe oben) galten ausdrücklich für ganzzahlige Exponenten. Die Erweiterung für gebrochene Exponenten – also für Wurzeln – gilt nicht mehr! Gleichgültig, welchen der beiden möglichen Werte oder man für festlegt, erhält man beispielsweise:
Geometrische Interpretation
Zunächst gilt jedenfalls: Der Betrag einer jeden komplexen Wurzel ist gleich, nämlich die n-te reelle Wurzel aus dem Betrag von z. Damit liegen sämtliche Wurzeln auf einem Kreis um den Ursprung O der komplexen Zahlenebene mit dem Radius . Die Argumente unterscheiden sich – unabhängig von z bzw. φ – um den festen Wert . Wir können also zusammenfassen:
Satz (Komplexe Wurzeln in der Zahlenebene)
Die Punkte der Zahlenebene, die zu den n komplexen Wurzeln gehören, liegen auf einem Kreis um den Ursprung O und sind die Ecken eines regelmäßigen n-Ecks.
Als Beispiel sehen wir uns die fünften komplexen Wurzeln der Zahl 1 an.
Wir erhalten also – wie in der nebenstehenden Grafik – die folgenden Werte:
Einheitswurzeln
Dieses Beispiel kann verallgemeinert werden und hat eine besondere Bedeutung: Die komplexen Wurzeln der reellen Einheit 1 liegen auf dem Einheitskreis (d. h. mit dem Radius 1) um den Ursprung; die erste Wurzel ist die reelle Einheit 1 selbst. Diese komplexen Wurzeln werden Einheitswurzeln genannt. Vor allem die geometrische Interpretation ist oft hilfreich.
Die Quadratwurzeln sind natürlich ±1. Die Kubikwurzeln werden im nächsten Abschnitt bestimmt, die vierten Wurzeln als Übung 8.
Als primitive Einheitswurzel wird die n-te Wurzel mit dem kleinsten Argument ungleich 0 bezeichnet – also diejenige für :
Satz (Einheitswurzeln und ihre Potenzen)
Die n-ten Einheitswurzeln erhält man als Potenzen der primitiven Einheitswurzel:
Wegen der üblichen Reihenfolge der Einheitswurzeln passt folgende Auflistung besser:
Der exakte Beweis wäre umständlicher, als es die Sache erfordert. Bei der Multiplikation werden die Argumente addiert; die Differenz der Argumente zweier benachbarter Einheitswurzeln beträgt also – wie es die Definition der Wurzeln besagt.
Satz (Beliebige Wurzeln und Einheitswurzeln)
Es sei eine (beliebige) komplexe n-te Wurzel einer Zahl z. Dann erhält man alle anderen n-ten Wurzeln von z durch wiederholte Multiplikation mit der primitiven Einheitswurzel.
Auch hier genügt die einfache Überlegung: Bei der Multiplikation werden die Beträge multipliziert und die Argumente addiert. Der Betrag der primitiven Einheitswurzel ist 1, ändert also den Betrag der „nächsten“ Wurzel nicht. Das Argument der primitiven Einheitswurzel ist – genau wie die Differenz der Argumente zweier benachbarter Wurzeln.
Wurzeln aus 1, i, –1, –i
Bestimmen wir die Wurzeln der positiven und negativen Einheiten auf den Achsen – als Beispiel die dritten Wurzeln: Der Betrag für alle Zahlen ist 1 als dritte Wurzel aus 1.
Weil 1 auf der reellen Achse liegt, ist das Argument 0. Die erste Wurzel ist also ebenfalls 1. (Weil die komplexen Zahlen eine Erweiterung der reellen Zahlen sind, darf es auch gar nicht anders sein.) Die weiteren Wurzeln sind um jeweils gedreht.
Die Darstellung von –1 unterscheidet sich von 1 nur durch das Argument, nämlich statt 0. Damit ist die erste Wurzel ebenfalls −1! Die weiteren Wurzeln sind davon ausgehend um 120° gedreht.
Untersuchen wir nun die dritte Wurzel aus i, also der imaginären Einheit. Das Argument von i ist ; das Argument der ersten Wurzel beträgt also . Die weiteren Wurzeln sind ebenso um jeweils gedreht.
Die Darstellung von unterscheidet sich von wiederum nur durch das Argument, nämlich . Auch hier sind die weiteren Wurzeln sind um 120° gedreht.
Dritte Wurzeln von 1
Dritte Wurzeln von –1
Dritte Wurzeln von i
Dritte Wurzeln von –i
Berechnung
Bestimmen wir die Lösungen – also die Wurzeln – der folgenden Gleichung.
Da der binomische Lehrsatz nur für natürliche Exponenten gilt,[3] müssen wir den Satz von Moivre benutzen. Es handelt sich um eine Gleichung 4. Grades, und wir müssen daher 4 Wurzeln erhalten. Um diese zu finden, bringen wir die rechte Seite der Gleichung wiederum auf ihre trigonometrische Form:
Wir erhalten also die folgende Gleichung:
Die „Wurzelformel“ lautet dazu:
Die Werte der vier Wurzeln erhalten wir mit den Einsetzungen , wobei die numerischen Ergebnisse wegen der wiederholten Umrechnungen zwangsläufig nur Näherungswerte sind:
Dass die einzelnen Werte mehrfach auftreten, liegt an den vierten Wurzeln, also an der Drehung um jeweils 90°.
Zusammenfassung der Rechenregeln
Die Erkenntnisse der bisherigen Kapitel können als Arbeitsanleitung zusammengefasst werden. Der Vollständigkeit halber wird dabei auch die Exponentialform genannt.
Addition und Subtraktion werden am einfachsten in der algebraischen Form komponentenweise durchgeführt.
Bei der Multiplikation kann – abhängig von der Vorgabe – jede Variante sinnvoll sein:
in algebraischer Form komponentenweise mit Klammerregeln
in Polarform oder Exponentialform durch Multiplikation der Beträge und Addition der Argumente (Winkel)
Bei der Division gibt es diese Varianten:
In algebraischer Form ist die Schreibweise als Bruch am praktischsten; er wird mit dem konjugierten Nenner erweitert.
In Polarform oder Exponentialform werden die Beträge dividiert und die Argumente (Winkel) subtrahiert.
Beim Potenzieren sind weitere Überlegungen sinnvoll:
In algebraischer Form kann für natürliche Exponenten der binomische Lehrsatz verwendet werden. – Dieser liefert ein exaktes Ergebnis, ist aber eine etwas umständlichere Art der Berechnung.
In Polarform oder Exponentialform wird für reelle Exponenten nach dem Satz von Moivre der Betrag potenziert und das Argument (der Winkel) multipliziert. – Dieses Verfahren liefert nur Näherungswerte, aber in der Praxis z. B. von Ingenieuren genügen diese vollauf.
Beim Radizieren (Wurzelziehen) ist man auf den Moivre’schen Satz allein angewiesen. Dazu wird bei einem reellen Exponenten der Betrag radiziert und das Argument (der Winkel) durch den Exponenten dividiert; dies liefert die erste Lösung. Bei einer n-ten Wurzel entstehen n Lösungen, die im Winkel von um den Ursprung der gaußschen Ebene verteilt sind.
Potenzen mit reellen Exponenten
Die Moivre’schen Formeln ermöglichen es auf überraschend einfache Art, die Definition von Potenzen auf beliebige reelle Exponenten zu erweitern.
Zu berücksichtigen ist, dass die Polarform einer komplexen Zahl nur im Bereich eindeutig ist. Für eine beliebige, von 0 verschiedene komplexe Zahl z gilt deshalb:
Das führt zu folgender Festlegung:
Definition (Potenzen mit beliebigen reellen Exponenten)
Für eine komplexe Zahl ungleich Null (mit dem Betrag und dem Argument ) soll unter jede der folgenden komplexen Zahlen mit verstanden werden:
Hinweise:
Bei einer Potenz mit (beliebigen) reellen Exponenten handelt es sich damit um eine mehrdeutige Funktion.
Die Grundregeln für das Rechnen mit Potenzen gelten bei den so definierten Potenzen nicht mehr.
Genauer (und einfacher) kann das mit der Exponentialdarstellung besprochen werden.
Berechne die vierte Potenz der komplexen Zahl mit dem Betrag 1,5 und dem Argument sowohl nach der Moivre’schen Formel als auch mit dem binomischen Lehrsatz. Begründe, unter welchen Umständen beide Verfahren zum exakt (!) gleichen Ergebnis führen.
Für irgendeine natürliche Zahl soll Folgendes gezeigt werden:
Induktionsanfang: Diese Gleichung gilt offensichtlich für .
Induktionsannahme: Wir nehmen an, dass die Gleichung für ein bestimmtes positives ganzes k gilt:
Induktionsschritt: Die Gleichung soll auch für gelten. Für den Beweis betrachten wir die Terme in Klammern als komplexe Zahlen mit dem Betrag 1 und beachten die Grundregel zur Multiplikation komplexer Zahlen (Multiplikation der Beträge, Addition der Argumente). Den Faktor 1 schreiben wir nicht; daraus ergibt sich:
Die Gleichung gilt also – wie behauptet – auch für , also für alle natürlichen Zahlen.
Überlegung: Die erste Einheitswurzel ist die reelle Einheit selbst. Die weiteren Wurzeln sind jeweils um gedreht, nämlich um 90°. Sie liegen also auf dem Einheitskreis auf den Achsen und entsprechen den Zahlen 1, i, −1, −i.
Die beiden Quadratwurzeln liegen auf einem Kreis um den Ursprung der komplexen Zahlenebene, haben also den gleichen Betrag. Als Quadratwurzeln unterscheiden sich ihre Argumente um . Die beiden Zahlen liegen also punktsymmetrisch zueinander: Sowohl Realteil als auch Imaginärteil unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen. Damit gelten:
Siehe auch
↑Benannt nach Abraham de Moivre (1667–1754). – Auch hier ist auf § 62 der Rechtschreibregeln hinzuweisen.
↑Die Faktoren (gelesen: „n über 0“, „n über 1“ usw.) heißen Binomialkoeffizienten. Es handelt sich um Brüche, in denen Zähler und Nenner bestimmte Produkte mit der gleichen Anzahl Faktoren sind. Für Einzelheiten siehe Mathe für Nicht-Freaks, darunter auch das erste Beispiel.
↑Als binomische Reihe kann der Satz auch auf beliebige reelle und sogar komplexe Exponenten erweitert werden. Aber das hilft bei der „einfachen“ Berechnung einer komplexen Wurzel nicht weiter.
↑Eine Kurzanleitung zum Beweisverfahren der vollständigen Induktion gibt es im Buch Lineare Algebra, eine ausführliche Einführung bei Mathe für Nicht-Freaks und eine vertiefende Erläuterung bei Wikipedia.
Zur Einführung der komplexen Zahlen hatten wir eine Lösung der folgenden Gleichung konstruiert:
Aufbauend auf den Grundrechenarten für komplexe Zahlen befassen wir uns jetzt grundsätzlicher mit quadratischen Gleichungen.
Allgemeine Form
Die allgemeine Form der quadratischen Gleichung lautet:
Dafür werden folgende Bezeichnungen verwendet:
werden Koeffizienten genannt.
heißt quadratisches Glied.
ist das lineare Glied und
das konstante Glied oder auch Absolutglied der Gleichung.
Die Gleichung ist in Normalform, wenn gilt, also wenn das quadratische Glied den Koeffizienten 1 hat. Aus der allgemeinen Form lässt sich die Normalform gewinnen, indem durch dividiert wird. Damit lässt sich die Normalform (mit den üblichen Variablen) so schreiben:
Im Folgenden gehen wir der Einfachheit halber von aus, behandeln quadratische Gleichungen also immer in der Normalform.
Eine andere Formulierung für die Suche nach den Lösungen einer quadratischen Gleichung lautet: Gesucht werden die Nullstellen für ein (normiertes) Polynom zweiten Grades:
Reelle Koeffizienten
Beginnen wir mit reellen Zahlen als Koeffizienten, also . Mit den bekannten Gleichungsumformungen (Subtraktion, quadratische Ergänzung, binomische Formel, Wurzel, erneute Subtraktion) erhalten wir die Lösungen der quadratischen Gleichung in Normalform:
Das ist die bekannte Lösungsformel (genauer: eine der üblichen Schreibweisen) für quadratische Gleichungen; der Term unter der Wurzel wird Diskriminante D genannt. Der Wert von D entscheidet über Anzahl und Art der Lösungen:
Diskriminante positiv: In diesem Fall gibt es zwei verschiedene (reelle) Werte für die Wurzel und folglich zwei verschiedene Lösungen .
Diskriminante gleich Null: In diesem Fall liefert auch die Wurzel den Wert Null, es gibt also nur eine Lösung . Man sagt jedoch aus Gründen der Symmetrie (auch der späteren Anwendungen wegen), dass die Gleichung zwei gleiche Wurzeln oder eine Doppelwurzel habe.
Diskriminante negativ: In diesem Fall gibt es keine reellen Lösungen. Lässt man aber komplexe Zahlen als Grundmenge für die Lösungen zu, erhält man zwei verschiedene komplexe Lösungen. Diese sind zueinander konjugiert, das heißt, sie haben den gleichen Realteil und ihre Imaginärteile unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen.
Für die letzte Aussage können wir einfach die Lösungsformel ergänzen:
Komplexe Koeffizienten
Betrachtet man die Normalform der quadratischen Gleichung mit , also mit komplexen Koeffizienten, kann man die Lösungen in der gleichen Weise mit Gleichungsumformungen (vor allem der quadratischen Ergänzung) finden: Sämtliche Umformungen benutzen Rechenregeln, die bei den komplexen Zahlen genauso gelten. Damit gilt die bekannte Lösungsformel auch im Bereich der komplexen Zahlen:
Im Einzelfall erhält man auf diese Weise die Lösungen. Allerdings bleiben Unklarheiten:
Es wird meistens die Quadratwurzel aus einer komplexen Zahl (der Diskriminante) benötigt; die Grundrechenarten genügen also nicht.
Weil sich die komplexen Zahlen nicht anordnen lassen, sind Aussagen wie „Diskriminante positiv“ nicht möglich.
Im vorigen Kapitel (siehe auch Übung 9) wurde festgestellt, dass es zu einer komplexen Zahl (ungleich Null) immer zwei Quadratwurzeln gibt, wobei sich Realteile und Imaginärteile nur durch die Vorzeichen unterscheiden. Daraus ergibt sich, dass eine quadratische Gleichung mit komplexen Koeffizienten immer zwei komplexe Lösungen hat. Falls die Diskriminante gleich Null ist, fallen diese Lösungen zusammen.
Beispiel: Gegeben ist die komplexe Gleichung
Nach der Formel erhält man folgende Lösungen:
Um hier die Wurzel zu ziehen, müssen wir (eine Zahl im 4. Quadranten) zunächst in die Polarform umwandeln und erhalten nach den Umrechnungsregeln:
Nach Moivre ergeben sich für die erste Quadratwurzel folgende Werte:
Jetzt können wir die Lösungsformel weiter auswerten:
Warum die zweite Quadratwurzel von d nicht benötigt wird, wird als Übung 3 besprochen.
Hinweis: Die wiederholten Näherungswerte führen zu deutlichen Ungenauigkeiten. Die Lösungen sollten eigentlich lauten, wie im folgenden Abschnitt erwähnt wird.
Linearfaktoren
Mit den Nullstellen eines Polynoms zweiten Grades (also den Lösungen einer quadratischen Gleichung) kann man es in seine Linearfaktoren zerlegen:
Der Beweis erfolgt einfach durch Einsetzen der Lösungsformel (siehe Übung).
Multiplizieren wir außerdem die Klammern in der vorstehenden Beziehung aus:
Durch Koeffizientenvergleich erhält man die folgenden Beziehungen, die als Satz von Vieta[1] bekannt sind:
Diese Beziehungen haben drei wichtige Anwendungen:
Im Reellen kann man bei ganzzahligen Koeffizienten unter Umständen durch „scharfes Hinsehen“ die Lösungen einfach bestimmen.[2]
Es können Gleichungssysteme der folgenden Form gelöst werden:
Es können quadratische Gleichungen zu vorgegebenen Lösungen konstruiert werden. Auf diese Weise ist das oben berechnete Beispiel erstellt worden. Die Lösungen liefern folgende Gleichung:
Bei der Lösungsformel für eine quadratische Gleichung mit komplexen Koeffizienten heißt es: „Es wird meistens die Quadratwurzel aus einer komplexen Zahl (der Diskriminante) benötigt.“ Unter welcher Voraussetzung wird eine solche Quadratwurzel nicht benötigt?
Beim obigen Beispiel für eine quadratische Gleichung mit komplexen Koeffizienten wird nur die erste komplexe Quadratwurzel verwendet. Warum wird die zweite Wurzel nicht benötigt?
Wenn die Diskriminante gleich Null ist, ist auch die Wurzel gleich Null; beide Lösungen fallen also zusammen. Wenn die Diskriminante eine reelle Zahl und positiv ist, sind auch die komplexen Quadratwurzeln reelle Zahlen. In allen anderen Fällen werden komplexe Quadratwurzeln benötigt.
Die erste Lösung der Gleichung erhält man, indem die erste Quadratwurzel mit dem positiven Vorzeichen bei verknüpft wird.
Die zweite Lösung der Gleichung erhält man, indem die erste Quadratwurzel mit dem negativen Vorzeichen bei verknüpft wird.
Die zweite Quadratwurzel ergibt sich aus der ersten Quadratwurzel durch Vorzeichenwechsel. Die Verknüpfung mit dem positiven Vorzeichen ist also gleichbedeutend mit der zweiten Lösung; die Verknüpfung mit dem negativen Vorzeichen entspricht der ersten Lösung.
Kubische Gleichungen (Gleichungen 3. Grades) können zunächst reduziert werden zu einer speziellen Variante, der Normalform. Lösungen dieser Normalform werden mit den cardanischen Formeln bestimmt. Damit werden alle Nullstellen eines gegebenen kubischen Polynoms berechnet.
Einführung
Die Formeln wurden, zusammen mit Lösungsformeln für quartische Gleichungen (Gleichungen 4. Grades), erstmals 1545 von dem Mathematiker Gerolamo Cardano[1] in seinem Buch Ars magna veröffentlicht. Entdeckt wurde die Lösungsformel für die reduzierten kubischen Gleichungen von Niccolò Tartaglia,[2] laut Cardano sogar noch früher durch Scipione del Ferro.[3] Von Cardano selbst stammt die Methode zur Reduzierung der allgemeinen Gleichung dritten Grades auf diesen Spezialfall.
Die cardanischen Formeln waren eine wichtige Motivation für die Einführung der komplexen Zahlen, da man im Fall des casus irreducibilis (lat. für „nicht zurückführbarer Fall“) durch das Ziehen einer Quadratwurzel aus einer negativen Zahl zu reellen Lösungen gelangen kann. Diesen Fall zu lösen schaffte erst François Viète (Vieta) um 1600 mittels der Trigonometrie.
Die cardanischen Formeln besitzen heute für eine rein numerische, d. h. angenäherte Lösung kubischer Gleichungen kaum noch eine praktische Bedeutung, da sich die Lösungen näherungsweise bequemer durch das Newton-Verfahren mittels elektronischer Rechner bestimmen lassen. Sie sind dagegen für eine exakte Berechnung der Lösungen in Radikalen von erheblicher Bedeutung.
Reduzierung der allgemeinen Gleichung
Die allgemeine Gleichung dritten Grades lautet:
Sie kann durch Division durch A zunächst in die Normalform gebracht werden:
Wie bei den quadratischen Gleichungen behandeln wir auch kubische Gleichungen immer in dieser Normalform.
Mit Hilfe der Substitution[4] wird in der Normalform das quadratische Glied beseitigt und man erhält die reduzierte Form:
Das quadratische Glied entfällt; man kann die Gleichung in der reduzierten Form schreiben:
Die reduzierte Form wird mithilfe der Cardanischen Formel aufgelöst; anschließend werden durch Rücksubstitution die Lösungen der ursprünglichen Gleichung bestimmt.
Einfache Sonderfälle
Bei erhält man die Lösungen als (komplexe) dritte Wurzeln:
Bei ist bereits eine Lösung. Die beiden anderen Lösungen erhält man durch die quadratische Gleichung .
Die Cardanische Formel für die reduzierte Form
Wegen der Sonderfälle kann sowie vorausgesetzt werden (auch wenn es unten im Fall A nochmals angesprochen wird).
Im Unterschied zur quadratischen Gleichung ist es bei der kubischen Gleichung erforderlich, komplexe Zahlen zu betrachten – sogar dann, wenn alle drei Lösungen reell sind.
Beginnen wir mit der Substitution :
Durch Koeffizientenvergleich mit der reduzierten Form ergeben sich daraus folgende Beziehungen:
Dies wird wie folgt entwickelt:
Dabei wird D als Diskriminante bezeichnet. Wenn wir nun die Gleichungen (2) und (3) addieren sowie subtrahieren und durch 2 teilen, erhalten wir:
Auf diesem Weg erhalten wir je drei komplexe dritte Wurzeln von und , die sich jeweils um den Faktor unterscheiden, wobei die primitive dritte Einheitswurzel[5] ist. Dies liefert insgesamt neun mögliche Kombinationen für die Lösungen der kubischen Gleichung. Wegen der Zusatzbedingung ergeben tatsächlich nur drei dieser Paare die Lösungen der kubischen Gleichung.
Beispielsweise ist die Kombination keine Lösung, wie die Probe zeigt:
Wegen gilt diese Gleichheit nur für oder – beides wurde für diesen Abschnitt ausgeschlossen.
Auf diesem Weg stellt man fest, dass folgende Kombinationen (mit als weiterer Einheitswurzel) die drei Lösungen der reduzierten Form liefern:
Das Lösungsverhalten hängt entscheidend vom Vorzeichen der Diskriminante ab:
: Es gibt entweder eine doppelte reelle Lösung und eine einfache reelle Lösung (Fall C) oder eine dreifache reelle Lösung (Fall A).
: Es gibt genau eine reelle Lösung und zwei imaginäre Lösungen (Grafik: Fall B).
: Es gibt drei verschiedene reelle Lösungen (Fall D).
Für gibt es für den Verlauf des zugehörigen Graphen zwei Möglichkeiten: entweder Fall B oder streng monoton wachsend (nicht im Bild dargestellt).
Diskriminante gleich Null
Fall A mit ist bereits durch die einfachen Sonderfälle erledigt. Dabei ist die einzige (dreifache) Lösung, und es gilt:
Sofern Fall C mit nicht als einfacher Sonderfall erledigt ist, wählt man reell. Nach den obigen Formeln gibt es dann eine einfache reelle und eine doppelte reelle Lösung für z:
Die jeweils letzte Gleichheit ergibt sich aus folgender Umstellung der reduzierten Form der Gleichung:
Daraus folgen die gesuchten Lösungen für x so:
Positive Diskriminante
Man wählt für und jeweils die reellen Wurzeln.
Es gibt genau eine reelle und zwei konjugiert komplexe Lösungen, die sich nach den obigen Formeln so ergeben:
Somit erhält man als Lösungen der kubischen Gleichung:
Allerdings ist das Ausziehen der Kubikwurzeln nicht immer einfach. Cardano führt als Beispiel an: . Hierbei wählen wir und reell. Somit ergeben sich und . Für die Techniken zum Ausziehen von verschachtelten Wurzeln sei auf die Fachliteratur verwiesen.
Negative Diskriminante
Man wählt und jeweils konjugiert-komplex zueinander, so ergeben sich dann durch drei verschiedene reelle Lösungen.
Bei der Bestimmung von müssen jedoch dritte Wurzeln aus echt komplexen Zahlen berechnet werden. Deshalb wird dieser Fall casus irreducibilis genannt. Mithilfe der trigonometrischen Funktionen können die Lösungen jedoch auch reell berechnet werden: Nach den Additionstheoremen der Trigonometrie gilt für alle diese Beziehung:
Schreibt man die Gleichung in der reduzierten Form mit Hilfe des Ansatzes um, ergibt sich:
Dabei wurde gewählt, sodass der Klammerausdruck in (2) verschwindet. Es ergibt sich:
Einsetzen in liefert mit und zunächst den Lösungsansatz und daraus folgend die drei Lösungen:
Die Gleichung hat also die folgenden drei Lösungen:
Komplexe Koeffizienten
Lässt man für eine kubische Gleichung in Normalform komplexe Koeffizienten zu, so kann man Real- und Imaginärteil der linken Seite der Gleichung gesondert betrachten und erhält zwei Gleichungen nur mit reellen Koeffizienten.
Man kann aber auch direkt mit komplexen Koeffizienten arbeiten. Das Vorgehen dafür entspricht weitgehend dem vorstehenden Abschnitt, es gibt aber nur zwei Fälle:
: Dies ist auch im Komplexen das Kriterium für mehrfache Nullstellen. Die oben für diesen Fall angegebenen Formeln gelten unverändert.
: Die oben für den Fall angegebenen Formeln gelten analog; die beiden dritten Wurzeln sind dabei wegen der Zusatzbedingung so zu wählen, dass ihr Produkt ergibt. Das Ausziehen der komplexen dritten Wurzeln auf trigonometrischem Weg führt zu einem Lösungsweg, der dem für den Fall , den casus irreducibilis, angegebenen entspricht. Dabei ist der Winkel an die komplexen Radikanden anzupassen.
Beispiel
Bestimme die Lösungen der Gleichung
Zunächst reduzieren wir mit der Substitution die gegebene Gleichung:
Die Diskriminante lautet also:
Wir haben jetzt die Hilfsgrößen u und v zu bestimmen. Dafür ergeben sich diese Werte:
Als reelle Lösung erhalten wir:
Nun sind noch die beiden konjugiert-komplexen Wurzeln zu bestimmen:
Ausblick
Gleichungen höheren Grades
Heute wissen wir, dass quadratische, kubische und quartische (biquadratische) Gleichungen algebraisch auflösbar sind, d. h. es gibt für sie Lösungsformeln, die nur algebraische Operationen (Grundrechenarten und Wurzelziehen) enthalten.
Alle Bemühungen, algebraische Gleichungen höheren als vierten Grades algebraisch aufzulösen, blieben allerdings ohne Erfolg. Von 1824 bis 1826 bewies Abel,[6] dass eine algebraische Gleichung, deren Grad größer als 4 ist, im allgemeinen nicht algebraisch lösbar ist; es gibt also für derartige Gleichungen keine Lösungsformeln. (Lediglich für spezielle Gleichungen gibt es algebraische Lösungen.)
Der Nachweis, dass es keine entsprechenden Formeln für Gleichungen fünften und höheren Grades geben kann, hat allerdings die Entwicklung der Algebra entscheidend beeinflusst.
Die Tatsache, dass jede algebraische Gleichung n-ten Grades genau n komplexzahlige (oder auch reelle, nicht notwendig verschiedene) Lösungen besitzt, hat Gauß 1799 in seiner Doktorarbeit bewiesen. Damit war allerdings keine Methode angegeben, wie diese Lösungen zu finden wären.
Satz von Vieta
Wir hatten ihn nur in einer speziellen Variante für quadratische Gleichungen benutzt. Für kubische Gleichungen in der Normalform liefert er folgende Eigenschaften der Wurzeln:
Darüberhinaus stellt der Satz[7] Aussagen über Polynome beliebigen Grades zur Verfügung.
Fundamentalsatz der Algebra
Dieser Satz besagt, dass jedes nicht konstante Polynom im Bereich der komplexen Zahlen mindestens eine Nullstelle besitzt. Der Körper wird als algebraisch abgeschlossen bezeichnet. Dagegen sind die reellen Zahlen nicht algebraisch abgeschlossen; schließlich gibt es für das Polynom keine reelle Nullstelle.
Bei der Herleitung ging es um neun mögliche Kombinationen für die Lösungen der kubischen Gleichung in der reduzierten Form. Untersuche, ob die folgenden Kombinationen Lösungen liefern; dabei soll die primitive dritte Einheitswurzel sein.
Wir setzen die möglichen Lösungen in die Gleichung ein und machen die Probe. Wiederholt wird verwendet.
(a) ist eine mögliche Lösung:
(b) ist keine mögliche Lösung:
Der Klammerausdruck ist ungleich 0, wie bei der Herleitung festgestellt wurde. Für die Cardanische Formel hatten wir die Voraussetzungen gesetzt, also gilt auch . Damit erfüllt diese Kombination nicht die Gleichung.
↑Diese Substitution und auch Umwandlungen für die Cardanische Formel sehen sehr konstruiert und unmotiviert aus. Eine schöne Erläuterung für solche Beweisschritte gibt es unter „Wenn Beweise vom Himmel fallen“.
Dieses Kapitel enthält – mit nur kurzen Erläuterungen – Hinweise zu mathematischen Anwendungen, bei denen die komplexen Zahlen relevant sind. Über Verweise auf Wikipedia-Artikel sind ausführliche Erklärungen und in der Regel auch Literaturhinweise zu finden.
Die Beispiele beziehen sich auf verschiedene Gebiete der Mathematik und zeigen die universelle Bedeutung der komplexen Zahlen:
Analysis
Topologie
Zahlentheorie
Chaosforschung
Exponentialdarstellung
Euler’sche Formeln
In der reellen Analysis definiert man die sogenannte e-Funktion (= natürliche Exponentialfunktion exp) mit durch die unendliche (Taylor-) Reihe (mit Nutzung der Fakultät ):
Ersetzen wir in der Reihe für formal durch , so erhalten wir:
Die Zusammenfassung der Realteile und der Imaginärteile liefert dann:
Der Vergleich dieser Formel mit Taylor-Reihen zeigt: Der Realteil ist die Taylor-Reihe für Cosinus, der Imaginärteil diejenige für Sinus. Wir erhalten damit die 1. Euler’sche Formel:[1]
In gleicher Weise erhält man die 2. Euler’sche Formel mit statt :
Durch Addition bzw. Subtraktion der Euler’schen Formeln erhält man zwei nützliche Beziehungen;
Für mit ergibt sich die folgende Darstellung:
Polarform und Exponentialform
Die Exponentialform einer komplexen Zahl ergibt sich unmittelbar aus dem Vergleich der 1. Euler’schen Formel mit der Polarform:
Die Exponentialform kann also auch als Verkürzung der Polarform angesehen werden. Es gelten die gleichen Beziehungen wie bei der Definition der Polarform:
Rechenregeln
Einige Rechenregeln für komplexe Zahlen vereinfachen sich bei Verwendung der Exponentialform. Dies ergibt sich aus den Rechenregeln für Potenzen mit e als Basis:
Die komplexen Zahlen lassen sich durch die Punkte einer Ebene (mit einem rechtwinkligen Koordinatensystem) darstellen, der Gauß-Ebene oder komplexen Zahlenebene. Jeder komplexen Zahl z entspricht genau ein Punkt der Ebene und umgekehrt. Der Abstand eines Punktes z vom Nullpunkt ist die reelle Zahl .
Das Innere des Kreises um einen Punkt mit dem Radius wird durch bezeichnet. Demgegenüber meint denjenigen Teil der Gauß’schen Ebene, der außerhalb des Kreises liegt. Das Äußere eines Kreises bezeichnet man auch als eine Umgebung des uneigentlichen Punktes . (Dabei wird „Umgebung“ als Verallgemeinerung des üblichen Begriffs verstanden; das ist ein Thema der Topologie.)
Wenn man einen solchen Punkt in der Unendlichkeit zur komplexen Ebene hinzunimmt, erhält man die riemannsche Zahlenkugel.[2]
Anschaulich handelt es sich um eine Kugel vom Radius 1, deren Nordpol auf (0,0,1) liegt (man darf die Kugel beliebig wählen, solange ihr Nordpol (0,0,1) ist). Dem unendlich fernen Punkt wird dieser Nordpol der Kugel zugeordnet und jedem Punkt der komplexen Zahlenebene der von verschiedene Schnittpunkt der Kugeloberfläche mit der Geraden durch (stereografische Projektion).
Die gaußschen Zahlen[3] sind eine Verallgemeinerung der ganzen Zahlen in den komplexen Zahlen. Eine gaußsche Zahl g ist definiert durch:
In der gaußschen Zahlenebene entsprechen die gaußschen Zahlen den Punkten mit ganzzahligen Koordinaten. Sie bilden ein zweidimensionales Gitter.
Die gaußschen Zahlen werden mit bezeichnet. Sie bilden einen Ring (im Sinne der Algebra) bezüglich Addition und Multiplikation, und zwar mit den Zahlen als Einheiten.
Primelemente
Auf dieser Grundlage lassen sich Primelemente als Verallgemeinerung des Begriffs Primzahl definieren (wir befassen uns bei der Verallgemeinerung nur mit ):
Definition (Primelement der gaußschen Zahlen)
Ein Element heißt Primelement, falls weder 0 noch eine Einheit ist und für alle Elemente gilt: Ist ein Teiler des Produkts , so ist stets ein Teiler von oder von .
Für Primelemente gelten u. a. folgende Sätze:
Ist ein Primelement und eine Einheit, so ist ebenfalls ein Primelement. – Dies lässt sich in der Darstellung rechts ablesen: Durch Multiplikation mit den Einheiten entsteht die Rotationssymmetrie um 90°. Weil mit auch Primelement ist, liegen die Primelemente zusätzlich symmetrisch zu den Diagonalen.
Die Eindeutigkeit der Primfaktordarstellung gilt (abgesehen von der Multiplikation mit Einheiten) auch für die gaußschen Zahlen.
Ein „kleinstes“ Primelement kann nicht angegeben werden, weil die komplexen Zahlen nicht angeordnet werden können. Wir können aber den Betrag prüfen: Abgesehen von den Einheiten hat jede gaußsche Zahl einen Betrag von mindestens , nämlich für . Also hat (nach den Multiplikationsregeln) jedes Produkt zweier gaußschen Zahlen, die keine Einheiten sind, einen Betrag von mindestens 2. Die einzige gaußsche Zahl im ersten Quadranten mit einem Betrag kleiner als 2 ist gerade und ist also ein Primelement. Durch Multiplikation mit den Einheiten erhält man als weitere Primelemente . Siehe dazu beispielsweise die folgenden Beziehungen:
Primzahlen und Primelemente
Die Primelemente im Ring der gaußschen Zahlen haben einen engen Bezug zu den gewöhnlichen Primzahlen. Die Primzahlen (betrachtet als gaußsche Zahlen, also als komplexe Zahlen) zerfallen in drei Klassen:
Der doppelte Primfaktor von 2
Die Zahl 2 kann als Produkt der Primelemente und geschrieben werden, die sich aber eben nur um eine Einheit unterscheiden (das wird als „verzweigt“ bezeichnet):
Diese Primfaktorzerlegung der Zahl 2 im Ring der gaußschen Zahlen ist im Wesentlichen eindeutig, aber es kann keiner Darstellung der Vorzug gegeben werden, da die komplexen Zahlen und damit auch die gaußschen Zahlen und deren Einheiten nicht angeordnet werden können.
Faktoren von Primzahlen der Form 4k + 1
Ist eine Primzahl, die die Form mit hat, so kann man zeigen, dass sich auf im Wesentlichen eindeutige Weise als Summe zweier Quadratzahlen schreiben lässt:
Dann ist dies die Primfaktorzerlegung von p:
p selbst ist also kein Primelement im Ring der gaußschen Zahlen, sondern Produkt von zwei zueinander konjugierten Primelementen (p wird als „zerlegt“ bezeichnet). Beispielsweise ist kein Primelement, aber und sind zwei Primelemente.
Primzahlen der Form 4k + 3
Ist p eine Primzahl der Form mit , so ist p auch im Ring der gaußschen Zahlen ein Primelement (p bleibt prim, es wird als „träge“ bezeichnet).
Folgerungen
In der Zahlentheorie wird gezeigt, dass jedes Primelement von genau eine Primzahl teilt. Dadurch erhält man auch eine Zerlegung der Primelemente von :
den Teiler der verzweigten Primzahl sowie dessen Produkte mit den Einheiten
die Teiler der zerlegten Primzahlen sowie deren Produkte mit den Einheiten
die trägen Primzahlen selbst sowie ihre Produkte mit den Einheiten (diese Primzahlen haben außer sich selbst ja nur Einheiten als Teiler)
Die Mandelbrot-Menge[4] ist eine fraktal erscheinende Menge, die eine bedeutende Rolle in der Chaosforschung spielt. Die Visualisierung der Menge wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft Apfelmännchen genannt.
Die Mandelbrot-Menge ist die Menge aller komplexen Zahlen c, für welche die rekursiv definierte Folge komplexer Zahlen mit dem Bildungsgesetz
und dem Anfangsglied
beschränkt bleibt, das heißt, der Betrag der Folgenglieder wächst nicht über alle Grenzen. Die grafische Darstellung dieser Menge erfolgt in der komplexen Ebene. Die Punkte der Menge werden dabei in der Regel schwarz dargestellt und der Rest farbig, wobei die Farbe eines Punktes den Grad der Divergenz der zugehörigen Folge widerspiegelt.
Das Bildungsgesetz, das der Folge zugrundeliegt, ist die einfachste nichtlineare Gleichung, anhand der sich der Übergang von Ordnung zu Chaos durch Variation eines Parameters provozieren lässt.
Die grafische Darstellung der Mandelbrot-Menge und ihrer Strukturen im Randbereich ist nur mittels Computer durch sogenannte Fraktalgeneratoren möglich. Der Computer ermittelt für jeden Bildpunkt, ob die zugehörige Folge divergiert oder nicht. Sobald der Betrag eines Folgengliedes den Wert überschreitet, divergiert die Folge. Die Zahl der Iterationsschritte N gemäß obiger Rekursionsformel, nach denen das erfolgt, kann als Maß für den Divergenzgrad herangezogen werden. Über eine zuvor festgelegte Farbtabelle, die jedem Wert N eine Farbe zuordnet, wird in diesem Fall dem Bildpunkt eine Farbe zugewiesen.
Im Wikipedia-Artikel Mandelbrot-Menge finden sich grafische Darstellungen über die Iteration. Eine animierte Darstellung der Entwicklung bietet Wolfgang Beyer.
Dieses Kapitel enthält – mit nur kurzen Erläuterungen – Hinweise zu Anwendungen in Physik und Technik, bei denen die komplexen Zahlen relevant sind. Über Verweise auf Wikipedia-Artikel gibt es ausführliche Erklärungen und in der Regel auch Literaturhinweise.
Beschreibung von Schwingungen
Die Tatsache, dass die komplexwertige Lösung der Schwingungsgleichung des harmonischen Oszillators darstellt, wird in der (technischen) Physik gern dafür genutzt, Schwingungen mit Hilfe komplexer Zahlen zu beschreiben:
Die Kreisbahn kann man mit und darstellen.
In elektromagnetischen Wellen verhalten sich aufgrund der Maxwell-Gleichungen das normierte elektrische und das magnetische Feld wie .
In der Elektrotechnik kann man den Zusammenhang von Schein-, Wirk- und Blindleistung leicht darstellen.
Der harmonische Oszillator ist auch deswegen von zentraler Bedeutung in verschiedenen Bereichen der Physik, weil man damit zumeist auch näherungsweise Schwingungen nicht harmonischer Oszillatoren mit einer einfachen analytischen Lösung beschreiben kann, sofern nur die Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage klein genug sind. Bei vielen praktischen Anwendungen von Schwingungen und Wellen handelt es sich um solche Systeme, die so betrieben werden, dass der harmonische Oszillator eine brauchbare Näherung ist.
Wir können die Position eines Masse-Punktes, der sich auf einer Kreisbahn bewegt, in jedem Augenblick t durch den „Vektor“ angeben. Ist die Bewegung gleichförmig, so ist die Winkelgeschwindigkeit ω konstant:
Der in der Zeit t überstrichene Winkel ist dann gegeben durch , wobei der Winkel zur Zeit ist. Diese Kreisbewegung wird dann vollständig beschrieben durch:
Die momentane Position ist also das Produkt zweier komplexer Zahlen:
Natürlich gilt außerdem:
Man nennt die komplexe Amplitude, sie gibt die Position zur Zeit an.
Man kann die Kreisbewegung als Überlagerung der beiden Schwingungen auffassen:
(Ob man eine Schwingung durch Cosinus oder Sinus darstellt, ist Geschmackssache, denn mit kann man leicht von einer Darstellung zur anderen übergehen. Wir entscheiden uns für Cosinus, weil dies dem Realteil der zugehörigen komplexen Zahl entspricht.)
Für ergibt sich eine rechtszirkulare Bewegung, für erhalten wir den Fall einer linkszirkularen Bewegung. Um das einzusehen, rechnen wir die Formeln einfach aus.
δ = π/2
Dafür ergibt sich:
Dies ist eine rechtszirkulare Bewegung mit .
δ = 3π/2
Wegen können wir direkt schreiben:
Dies ist der Fall einer linkszirkularen Bewegung.
Überlagerung von Schwingungen
Der Vorteil der komplexen Beschreibung von Bewegungsvorgängen zeigt sich vor allem bei der Überlagerung von Bewegungen (Schwingungen), da man dann die umständlichen Additionstheoreme umgeht. Wir wollen uns davon jetzt überzeugen.
Um die Rechenvorteile der komplexen Rechnung auszunutzen, schreibt man auch lineare Schwingungen wie in komplexer Form. Dazu ergänzt man sie mit zu einer linkszirkularen Schwingung:
Alle Rechnungen werden komplex durchgeführt, die resultierende Schwingung ist der Realteil des komplexen Resultats. (Meist überlagert man Schwingungen gleicher Frequenz. Es ist dann unnötig, stets den Zeitfaktor hinzuschreiben. Man rechnet demnach meist nur mit .)
Hier ist ein Beispiel:
Für erhält man:
Die durch dargestellte Schwingung lautet also:
Die Phase muss stets im Bogenmaß angegeben werden, da dimensionslos ist.
Den wirklichen Vorteil der komplexen Rechnung werden wir jetzt sehen, wenn wir zwei Schwingungen von gleicher Frequenz und gleicher Richtung überlagern. Die beiden Schwingungen lauten:
Die Summe werden wir jetzt nicht umständlich mit Hilfe von Additionstheoremen berechnen. Wir rechnen komplex.
Die resultierende Schwingung lautet:
Hier ist , was man auch sofort hätte anschreiben können. Nun gelten:
Und das bedeutet:
Die Amplitude der resultierenden Schwingung lautet:
Hierin bedeuten (C für cos-Terme, S für sin-Terme):
Die Phase ergibt sich aus .
Die resultierende Schwingung hat dieselbe Richtung und dieselbe Frequenz wie die Ausgangsschwingungen.
In diesem Buch wird die imaginäre Einheit mit i bezeichnet, weil es sich um ein Buch der Mathematik handelt. In der Technik werden i und I üblicherweise für die Stromstärke und ersatzweise j für die imaginäre Einheit verwendet, wie schon bei der Definition erwähnt wurde. In diesem Abschnitt stehen j und J für die Stromstärke.
In der Wechselstromtechnik ist die Verwendung komplexer Größen zur Berechnung von linearen zeitinvarianten Wechselstromnetzwerken im stationären („eingeschwungenen“) Zustand schon sehr lange von besonderer Bedeutung.
Schauen wir uns den Fall der komplexen Widerstände an.
Eine Wechselspannung hat den reellen Momentanwert
Um die reellen von den komplexen Größen zu unterscheiden, bezeichnen wir letztere mit einem Vektorpfeil usw. Die komplexe Form der Spannung ist also:
Ein Wechselstrom hat den reellen Momentanwert
Der komplexe Momentanwert ist
Wegen der Existenz der Phasen und ist der Quotient im Allgemeinen zeitabhängig:
Das Ohm’sche Gesetz des Gleichstroms gilt also nicht mehr. Nur im Falle von gilt:
Ein Widerstand, der auch bei Wechselstrom dem Ohm’schen Gesetz genügt, heißt reeller Widerstand oder Ohm’scher Widerstand.
Bei Wechselstrom definiert man analog zum Ohm’schen Gesetz des Gleichstroms einen komplexen Widerstand, der Impedanz genannt wird. Er ist definiert durch:
Der Quotient der Scheitelwerte heißt Scheinwiderstand.
Offenbar gilt:
Das fasst man zusammen in der Schreibweise , dabei bedeuten:
Falls die Phasen übereinstimmen, wenn es also keine Phasenverschiebung gibt, gilt .
Der Betrag des Wechselstromwiderstandes ist gegeben durch:
Für den Tangens der Phasenverschiebung ergibt sich:
In einer idealen Spule eilt die Spannung dem Strom um voraus, d. h. .
Bei einem idealen Kondensator hinkt die Spannung dem Strom um hinterher, d. h. .
Bei einer realen Spule wird auch etwas Leistung umgesetzt, daher ist nicht gleich , es gilt vielmehr . Man nennt den Verlustwinkel (er wird gewöhnlich mit einer speziellen Wechselstrombrücke gemessen).
Die Grundgleichung für Resonanzprobleme in den verschiedensten Bereichen der Physik können wir von einem einfachen mechanischen Modell ableiten.
Wir sehen in der Abbildung eine Masse m, die von einer äußeren Kraft zu erzwungenen Schwingungen angeregt wird.
Ohne die äußere Kraft liegt eine harmonische Schwingung mit Reibung vor.
Die Reibungskraft ist proportional zur Geschwindigkeit , der Proportionalitätsfaktor b heißt Dämpfungskoeffizient.
Der Faktor k ist die Federkonstante.
Wendet man das 2. Newton’sche Gesetz auf den Oszillator an, so kann man schreiben:
(1)
Für und
identifiziert man leicht entsprechend obigen Ausführungen zum harmonischen Oszillator
die Eigenfrequenz des Oszillators.
Gesucht ist eine Funktion , die diese Gleichung (1) erfüllt.
Der hier anzuwendende Trick besteht darin, zunächst anstelle von eine komplexe Funktion einzuführen.
Das bedeutet, wir benutzen eine Hilfsgleichung mit , multiplizieren sie mit i und addieren sie zur Gleichung (1). Also:
(2)
Das führt uns zur folgenden Gleichung für :
(3)
Wir werden also zunächst nicht (1) lösen, sondern (3), was im Allgemeinen leichter ist. Zum Schluss nehmen wir dann den Realteil der gefundenen Lösung, denn der ist das, was uns interessiert.
(Wenn die Kraft in der Form gegeben ist, haben wir auf der rechten Seite von (3) zu schreiben: , worin die komplexe Amplitude durch gegeben ist.)
Wir nehmen jetzt an, was, wie man zeigen kann, ein vernünftiger Ansatz ist, dass die Lösung von (3) folgendermaßen aussieht:
(4)
Die Ableitungen von (4) lauten:
Den Ansatz (4) setzen wir in (3) ein, benutzen dabei die Ableitungen und erhalten:
(5)
Den Nenner von können wir wie jede komplexe Größe in Exponentialform ausdrücken:
(6)
Wir erhalten damit die Amplitude
(7)
Ohne Reibung wird die Angelegenheit offenbar dramatisch, wenn – die Amplitude geht gegen unendlich. Bei realen Systemen bedeutet dies einfach, dass das System zerstört wird. Bei wenig Reibung gibt es ebenfalls sehr große Auslenkungen, welche das System zerstören können.
Reale Systeme reagieren bei großen Auslenkungen allerdings anders, die Gleichungen für einen harmonischen Oszillator gelten dann einfach nicht mehr.
Mit dem Resultat für die Amplitude können wir dann schreiben:
(8)
Die Gleichung (4) wird zu:
(9)
Die Lösung, an der wir interessiert sind, ist der Realteil von (9):
(10)
Um die allgemeine Lösung von Gleichung (1) zu finden, müssen wir zu Gleichung (10) die allgemeine Lösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung
hinzufügen. An dieser Lösung ist man im Allgemeinen jedoch nicht interessiert, denn mit ihrer Hilfe beschreibt man einen Einschwingvorgang, der meist schnell vorübergeht. Die von Gleichung (10) dargestellte Schwingung beschreibt den sogenannten stationären Schwingungszustand, d. h. die Schwingung, die übrig bleibt, wenn der Einschwingvorgang abgeklungen ist.
Speziell zu kubischen Gleichungen und den Cardanischen Formeln
Jörg Bewersdorff: Algebra für Einsteiger: Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie, Wiesbaden 2004, ISBN 3528131926, Einführung (PDF; 319 kB)
Heinrich Dörrie: Kubische und biquadratische Gleichungen, München 1948
Ludwig Matthiessen: Grundzüge der antiken und modernen Algebra der litteralen Gleichungen, Leipzig 1896, Dokumenten-Server
Peter Pesic: Abels Beweis, Springer 2005, ISBN 3-540-22285-5. Die Geschichte rund um die Lösungsformeln vom Grad 2 bis 4 und der komplette Beweis von Abel.
K. Strubecker, Einführung in die höhere Mathematik, 1. Band, R. Oldenbourg Verlag München, 1956
Wikipedia-Artikel
Komplexe Zahl ist eine grundlegende Einführung mit vielen weiteren Links.
Bei den einzelnen Kapiteln des Buchs wird auch auf spezielle Artikel verwiesen.
Weitere Links
Reseka: Komplexe Zahlen (zuletzt aktualisiert am 20.09.2015, abgerufen am 26.11.2015)
Einführung (Video 6:48 Minuten) Einführung in die komplexen Zahlen
Komplexe Zahlen, leicht verständliche Einführung (abgerufen am 24.03.2023)
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