Binomialkoeffizient – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Herleitung und Definition Bearbeiten

Frage: Was ist wahrscheinlicher: Beim Lotto zu gewinnen oder vom Blitz getroffen zu werden?

Das wirst du nach Lektüre dieses Kapitels beantworten können.

Damit du diese Frage beantworten kannst, musst du erst einmal die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns wissen. Wie groß ist also die Wahrscheinlichkeit, 6 Richtige aus 49 Möglichkeiten zu raten? Zur Antwort dieser Frage benötigen wir die Anzahl der verschiedenen Möglichkeiten, 6 Zahlen aus 49 möglichen zu wählen. Hier kommt der Binomialkoeffizient ins Spiel. Er ist nämlich definiert als:

Definition (Binomialkoeffizient)

Der Binomialkoeffizient   gibt für natürliche Zahlen   und   an, wie viele Möglichkeiten es gibt,   Objekte aus   Objekten auszuwählen. Damit gibt der Binomialkoeffizient   an, wie viele  -elementige Teilmengen aus einer  -elementigen Menge gebildet werden können.

Man schreibt für den Binomialkoeffizienten  . Dieser wird „n über k“ oder „k aus n“ ausgesprochen (Die deutsche Lotterie wird auch 6 aus 49 genannt). Der Binomialkoeffizient verdankt seinen Namen der Tatsache, dass er als Koeffizient im binomischen Lehrsatz auftritt. Aber dazu im nächsten Kapitel mehr.

Unsere Aufgabe ist es, den Binomialkoeffizienten   zu bestimmen. Gehen wir dazu schrittweise vor: Zunächst ist es wichtig, dass du streng zwischen den Begriffen Anordnung und Kombination unterscheidest. Der Unterschied zwischen diesen zwei Begriffen ist der, dass bei einer Anordnung auf die Reihenfolge der Objekte geachtet wird, bei einer Kombination nicht. So sind zwar die Anordnungen   und   verschieden, die Kombinationen   und   aber gleich.

Frage: Wie viele Anordnungen von 6 Zahlen aus 49 Möglichkeiten gibt es?

An der ersten Stelle können 49 verschiedene Zahlen stehen. Wenn die erste Stelle besetzt ist, gibt es für jede dieser Besetzung 48 verschiedene Möglichkeiten, die zweite Stelle zu besetzen. Dementsprechend gibt es   verschiedene Möglichkeiten die ersten zwei Stellen zu belegen. Analog gibt es für die ersten drei Stellen   verschiedene Möglichkeiten der Belegung und so weiter. Damit gibt es für sechs Stellen   verschiedene Belegungen, also   verschiedene Anordnungen.

Jedoch ist beim Lotto die Reihenfolge der gezogenen Zahlen irrelevant. In den oben gefundenen Anordnungen gibt es viele, die zur gleichen Kombination gehören. Dementsprechend die Frage:

Frage: Wie viele Kombinationen von 6 Zahlen aus 49 Möglichkeiten gibt es?

Nimm eine beliebige Kombination von 6 Zahlen aus 49 Möglichkeiten. Wir haben bereits gesehen, dass in der bereits beschriebenen Menge aller Anordnungen diese Kombination öfter vorkommt. Wie oft ist dies? Nehmen wir eine konkrete Kombination der 6 Zahlen. Jede Anordnung dieser 6 Zahlen kommt in der obigen Menge aller Zahlen genau einmal vor. Nun gibt es nach dem Satz über die Anzahl der Anordnungen einer endlichen Menge für eine Kombination mit 6 Elementen genau   verschiedene Anordnungen. Man muss also die obige Gesamtzahl aller Anordnungen durch 720 teilen und erhält das gewünschte Ergebnis. Es gibt damit   verschiedene Kombinationen von 6 Zahlen aus 49.

Mit Hilfe des obigen Lösungswegs können wir auch eine allgemeine Formel für die Berechnung des Binomialkoeffizienten   finden. Hierzu benötigen wir eine Fallunterscheidung in   und  . Betrachten wir zunächst den Fall, dass   größer als   ist:

Frage: Was ist der Binomialkoeffizient  , wenn   ist?

Nach obiger Definition entspricht der Binomialkoeffizient   der Anzahl der verschiedenen Kombinationen von   Objekten aus   verschiedenen Objekten. Da   größer als   ist, gibt es keine Kombination von   Objekten aus   möglichen (So kannst du keine Kombination von 11 Elementen aus 4 dir zur Verfügung stehenden bilden). Damit ist für   der Binomialkoeffizient  .

Und nun zum Fall, dass   und   ist:

Aufgabe: Berechne allgemein   für   und  , indem du analog zur obigen Herleitung für   vorgehst.

Die Anzahl der verschiedenen Anordnungen von   Elementen aus einer  -elementigen Menge entspricht nach obiger Herleitung dem Produkt  . Dieses Produkt kann auch in der Produktschreibweise als   geschrieben werden. Dieses Produkt muss noch durch die Anzahl der verschiedenen Anordnungen einer Kombination geteilt werden, die   ist (siehe Anordnungssatz aus dem Kapitel „Fakultät“). Damit erhalten wir:

 

Wenn wir dieses Ergebnis mit   erweitern, erhalten wir die in Lehrbüchern übliche Definition des Binomialkoeffizienten:

 

Frage: Der letzte Fall: Wie sieht es im Fall   aus?

Es gibt nur eine 0-elementige Menge, die leere Menge  . Per Definition ist die leere Menge Teilmenge jeder Menge, insbesondere jeder  -elementigen Menge. Damit ist Anzahl der 0-elementigen Kombinationen einer  -elementigen Menge gleich 1 (es gibt nur die leere Kombination  ). Es ist also   für alle  . Dies erhält man auch, wenn man   mit der obigen Definition   ausrechnet (siehe Binomialkoeffizient - Rechenregeln).

Zusammengefasst erhalten wir folgende alternative Definition des Binomialkoeffizienten:

Definition (Lehrbuchdefinition des Binomialkoeffizienten)

Für zwei natürliche Zahlen   mit   ist der Binomialkoeffizient definiert durch:

 

Für   ist  

Hier einige Beispiele:

Beispiel (Beispiele zum Binomialkoeffizienten)

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Hinweis

Es gibt auch eine verallgemeinerte Definition des Binomialkoeffizienten. Mit diesem wirst du aber am Anfang des Studiums kaum in Berührung kommen, weswegen ich ihn weglasse.

Und was ist nun wahrscheinlicher: Blitzschlag oder Lottogewinn? Bearbeiten

Wie oben berechnet, gibt es   verschiedene Kombinationen von 6 Zahlen beim Lottospiel.

Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit beim Lottospielen 6 Richtige zu bekommen?

Die Wahrscheinlichkeit, beim Lotto zu gewinnen, ist  

Und wie hoch ist nun die Wahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir sie konkretisieren: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit in Deutschland innerhalb eines Jahres vom Blitz getroffen zu werden?. Nach dem Wikipedia-Artikel gibt es durchschnittlich 3 bis 7 Todesfälle durch Blitzschlag in Deutschland pro Jahr. In diesem Artikel ist die Rede von 4 bis 5 Todesfällen und Herr Krämer nennt so um die 10 Todesfälle jährlich (Leider konnte ich nur Angaben zu den jährlichen Todesfällen finden. Es wird sicherlich mehrere Menschen geben, die vom Blitz getroffen, aber nicht gestorben sind). Bei gut 82 Millionen Einwohner in Deutschland ergibt dies mit durchschnittlich 5 Todesfällen im Jahr eine Wahrscheinlichkeit von  , in Deutschland innerhalb eines Jahres vom Blitz tödlich getroffen zu werden, also ungefähr die Wahrscheinlichkeit im Lotto zu gewinnen. Wenn man noch annimmt, dass die Anzahl der nicht-tödlichen Blitzschläge auf Menschen mindestens genauso hoch ist wie die Anzahl der jährlichen Todesfälle, ergibt dies eine Wahrscheinlichkeit von mindestens  , im Jahr vom Blitz getroffen zu werden. Dementsprechend ist es wahrscheinlicher, in Deutschland innerhalb eines Jahres vom Blitz getroffen zu werden, als bei einem einzigen Tipp 6 Richtige im Lotto zu haben. Beachte, dass wir in der obigen Rechnung nur die Wahrscheinlichkeit eines einzigen Lottotipps berechnet haben. Wenn jemand im Jahr öfter Lotto spielt oder mehr Lottotipps bei einer Ziehung einreicht, dann ist seine Gesamtgewinnwahrscheinlichkeit, mit mindestens einem Tipp zu gewinnen, größer als  .