Eigenschaften Linearer Abbildungen – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Wir betrachten einige Eigenschaften linearer Abbildungen zwischen Vektorräumen.

Zusammenfassung Bearbeiten

Eine lineare Abbildung bzw. ein Vektorraumhomomorphismus erhält die Struktur des Vektorraums beim Abbilden. Dies zeigt sich in folgenden Eigenschaften einer linearen Abbildung  :

  • Nullvektor wird auf Nullvektor abgebildet:  
  • Inverse werden auf Inverse abgebildet:  
  • Linearkombinationen werden auf Linearkombinationen abgebildet
  • Kompositionen linearer Abbildungen sind linear
  • Bilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume
  • Urbilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume
  • Das Bild eines Spanns ist der Spann der einzelnen Bildvektoren:   (  ist eine beliebige Menge)

Nullvektor wird auf Nullvektor abgebildet Bearbeiten

Der Ursprung hat in unserer Anschauung von Vektorräumen eine zentrale Bedeutung. Deshalb sollte der Ursprung durch eine lineare Abbildung auf den Ursprung geschickt werden. Was wir anschaulich mit dem Ursprung bezeichnen, ist formal das neutrale Element   der Addition. Wir zeigen also folgenden Satz:

Satz (Nullvektor wird auf Nullvektor abgebildet)

Jede lineare Abbildung   zwischen zwei  -Vektorräumen bildet das neutrale Element von   auf das neutrale Element in   ab. Formal bedeutet das  .

Wie kommt man auf den Beweis? (Nullvektor wird auf Nullvektor abgebildet)

Wir beginnen zunächst mit dem Vektor  , der das neutrale Element der Addition des Vektorraumes   ist. Er ändert also den Vektor, zu dem er addiert wird, nicht. Deshalb gilt insbesondere  .

Wir benötigen die Additivität einer linearen Abbildung. Damit folgt  .

Verwenden wir diese beiden Eigenschaften, erhalten wir  . Diese Gleichung wird nur von   erfüllt. Wir können auf beiden Seiten   abziehen und bekommen  .

Beweis (Nullvektor wird auf Nullvektor abgebildet)

Es ist

 

Wir haben also

 

Nun addieren wir   zu beiden Seiten:

 

Somit gilt  .

Inverse werden auf Inverse abgebildet Bearbeiten

Eine weitere wichtige Struktur des Vektorraums ist, dass es zu jedem Element ein additives Inverses gibt. Wir wollen nun zeigen, dass Inverse durch lineare Abbildungen erhalten bleiben.

Satz (Inverses wird auf Inverses abgebildet)

Jede lineare Abbildung bildet das Inverse eines Elements auf das Inverse des Bildes von dem Element ab. Formal bedeutet das, dass für alle   in   gilt  .

Wie kommt man auf den Beweis? (Inverses wird auf Inverses abgebildet)

Es ist unser Ziel ist zu zeigen, dass  . Wir wissen bereits, dass im Vektorraum   das Inverse eines beliebigen Vektors   durch   gegeben ist. Genauso gilt für einen beliebigen Vektor  , dass  . Damit vereinfacht sich die Aussage, die wir zeigen sollen, zu  .

Wir können den Ausdruck   mit Hilfe der Homogenität der linearen Abbildung   in den Ausdruck   umformen.

Beweis (Inverses wird auf Inverses abgebildet)

Sei   ein beliebiges Element des Vektorraums  .

 

Somit gilt nun  .

Wir haben hier benutzt, dass   für   und   für alle  . Dieser Zusammenhang gilt in jedem Vektorraum. Den Beweis findest du hier.

Alternativer Beweis (Inverses wird auf Inverses abgebildet)

Sei   wieder ein beliebiges Element des Vektorraums  . Unser Ziel ist es zu zeigen, dass   gilt. Beginnen wir mit einer Aussage, von der wir wissen, dass sie wahr ist:  .

Die Addition von einem Element mit seinem Inversen ergibt immer  . Also gilt   auf jeden Fall, und wir wollen nun zeigen, dass auch   gilt. Da wir mit Abbildungen arbeiten, sollten wir ihre Eigenschaften nutzen. Wir können es mit der Additivität ausprobieren.

Es gilt

 

Wir sehen damit, dass   gilt. Daraus folgt, dass   das additive Inverse zu   bezüglich   ist. Es gilt also  .

Die Aussage dieses Satzes gilt auch allgemeiner in abelschen Gruppen. Dort existiert allerdings keine Skalarmultiplikation. Daher muss in diesem Fall die alternative Version des Beweises benutzt werden.

Linearkombinationen werden auf Linearkombinationen abgebildet Bearbeiten

Lineare Abbildungen erhalten die Struktur einer Linearkombination und bilden damit Linearkombinationen im Definitionsbereich auf Ihre korrespondierenden Linearkombinationen im Wertebereich ab:

Satz (Linearkombinationen werden auf Linearkombinationen abgebildet)

Eine Abbildung   zwischen zwei  -Vektorräumen   und   ist genau dann eine lineare Abbildung, wenn sie Linearkombinationen erhält. Sprich: Jede lineare Abbildung bildet die Linearkombination von Elementen auf die Linearkombination von den Bildern der Elemente ab. Formal bedeutet das, dass für endlich viele   und   gilt:

 

Wie kommt man auf den Beweis? (Linearkombinationen werden auf Linearkombinationen abgebildet)

Wir wollen zeigen, dass für alle   und   gilt:   ist eine lineare Abbildung.

Wir wissen aus der Definition der linearen Abbildung, dass für diese die Eigenschaften der Additivität und Homogenität gelten, welche wir uns zu Nutze machen.

Für die Richtung von links nach rechts des Beweises wählen wir 2 Linearkombinationen so, dass wir durch Einsetzen in die obige Formel die zwei Eigenschaften erhalten.

Für die Rückrichtung wissen wir, dass   eine lineare Abbildung ist. Wir können durch vollständige Induktion zeigen, dass obige Formel für alle Elemente gilt. Dabei reduzieren wir die Linearkombination auf einzelne Additionen und Skalarmultiplikationen, auf die wir die Additivität und Homogenität anwenden können.

Beweis (Linearkombinationen werden auf Linearkombinationen abgebildet)

Beweisschritt:   ist eine lineare Abbildung.

Seien   und  . Die beiden Terme   und   sind zwei Linearkombinationen in  . Wenn wir diese in die Formel   einsetzen, so erhalten wir

 

Damit erfüllt   die Definition einer linearen Abbildung.

Beweisschritt:   ist eine lineare Abbildung  .

Sei   eine lineare Abbildung. Wir beweisen die Gleichung mit vollständiger Induktion über  :

Aussageform, deren Allgemeingültigkeit für   bewiesen werden soll:

 

1. Induktionsanfang:

Wir fangen die Induktion bei   an und stellen fest, dass hierfür die Eigenschaft der Homogenität ausreicht:

 

2. Induktionsschritt:

2a. Induktionsvoraussetzung:

 

2b. Induktionsbehauptung:

 

2c. Beweis des Induktionsschritts:

Seien   und  . Dann

 


Kompositionen linearer Abbildungen sind linear Bearbeiten

Nehmen wir zwei lineare Abbildungen   und  . Beide vertragen sich mit der Vektorraumstruktur und erhalten Linearkombinationen. Dann sollte dies insbesondere auch für die Hintereinanderausführung beider Abbildungen   mit   gelten. Dies beweist der folgende Satz:

Satz (Komposition linearer Abbildungen)

Seien   und   zwei lineare Abbildungen zwischen den  -Vektorräumen  ,   und  . Dann ist auch die Komposition   dieser beiden Abbildungen mit   für   eine lineare Abbildung.

Wie kommt man auf den Beweis? (Komposition linearer Abbildungen)

Wir wissen, dass die Komposition von zwei Abbildungen wieder eine Abbildung ist. Wir müssen also nur zeigen, dass   linear ist. Dafür müssen wir nachweisen, dass   die Additivität und Homogenität erfüllt, d.h.

  • Für alle   gilt   und
  • Für alle   und   gilt  .

Um das nachzuweisen, nutzen wir die Additivität und Homogenität der einzelnen Abbildungen   und   aus.

Beweis (Komposition linearer Abbildungen)

Seien zunächst   zwei beliebige Vektoren. Es ist

 

Zum Beweis der Homogenität wählen wir ein beliebiges   und ein beliebiges  :

 

Untervektorräume werden auf Untervektorräume abgebildet Bearbeiten

Dass lineare Abbildungen die Vektorraumstruktur erhalten, kann man auch an folgender Eigenschaft sehen: Die Bilder von Untervektorräumen einer linearen Abbildung sind wieder Untervektorräume.

Satz (Bilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume bei linearen Abbildungen)

Sei   eine lineare Abbildung zwischen zwei  -Vektorräumen   und  . Dann ist das Bild   jedes Untervektorraums   ein Untervektorraum in  .

Beweis (Bilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume bei linearen Abbildungen)

Sei   ein Untervektorraum von  . Das Bild   ist die Menge aller Funktionswerte von Argumenten aus   und damit eine Teilmenge des Wertebereichs  . Um zu zeigen, dass   ein Untervektorraum ist, müssen folgende Kriterien gezeigt werden:

  1.  
  2. Für alle   gilt  .
  3. Für alle   und für alle   gilt  .

Beweisschritt:  

Da   ein Untervektorraum von   ist, ist  . Mit   gibt es in   mindestens ein Element und damit ist  .

Beweisschritt: Für alle   gilt  

Nehmen wir zwei beliebige Vektoren  . Weil diese Vektoren im Bild liegen, gibt es mindestens zwei Vektoren   mit   und  . Nun ist

 

Damit ist   das Bild von   (der Vektor   wird auf   abgebildet). Weil   ein Unterraum von   ist, gilt   und damit liegt   in  .

Beweisschritt: Für alle   und für alle   gilt  

Sei   und  . Weil   im Bild von   liegt, gibt es ein   mit  . Nun ist

 

Damit ist   das Bild von   (der Vektor   wird auf   abgebildet). Weil   ein Unterraum von   ist, gilt   und damit liegt   in  .

Hinweis

Obiger Satz beweist auch, dass das Bild   einer linearen Abbildung   stets ein Vektorraum ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Vektorraum   auch ein Untervektorraum von sich selbst ist. Nach dem obigen Satz ist damit   ein Untervektorraum von  .

Urbilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume Bearbeiten

Dass lineare Abbildungen die Vektorraumstruktur erhalten, kann man auch an folgender Eigenschaft sehen: Die Urbilder von Untervektorräumen einer linearen Abbildung sind wieder Untervektorräume.

Satz (Urbilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume bei linearen Abbildungen)

Sei   eine lineare Abbildung zwischen zwei  -Vektorräumen   und  . Dann ist das Urbild   jedes Untervektorraums   ein Untervektorraum in  .

Beweis (Urbilder von Untervektorräumen sind Untervektorräume bei linearen Abbildungen)

Sei   ein Untervektorraum von  . Das Urbild   ist die Menge aller Vektoren in  , deren Bild in   liegt. Damit ist das Urbild eine Teilmenge des Definitionsbereichs  . Um zu zeigen, dass   ein Untervektorraum ist, müssen folgende Kriterien gezeigt werden:

  1.  
  2. Für alle   gilt  .
  3. Für alle   und für alle   gilt  .

Beweisschritt:  

Da   ein Untervektorraum von   ist, gilt  . Nach Voraussetzung ist   eine lineare Abbildung, also gilt  . Somit  .

Beweisschritt: Für alle   gilt  

Nehmen wir zwei beliebige Vektoren  . Weil diese Vektoren im Urbild liegen, gilt   und  . Da   ein Unterraum von   und   linear ist, gilt auch  . Somit gilt  .

Beweisschritt: Für alle   und für alle   gilt  

Sei   und  . Weil   im Urbild von   liegt, gilt  . Da   ein Unterraum von   und   linear ist, gilt auch  . Somit gilt  .

Hinweis

Dieser Satz beweist auch, dass der Kern   einer linearen Abbildung   stets ein Vektorraum ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Vektorraum   immer ein Untervektorraum von   ist. Nach dem obigen Satz ist damit   ein Untervektorraum von  .

Spanne werden auf Spanne abgebildet Bearbeiten

Nehmen wir nun an, wir haben eine Teilmenge  . Für diese Teilmenge gilt nun, dass es egal ist, ob wir zunächst den Spann berechnen und anschließend die Abbildung anwenden oder umgekehrt.

Dass dem wirklich so ist, zeigen wir mit dem folgenden Satz:

Satz (Spann vom Bild ist Bild vom Spann)

Sei   eine beliebige Teilmenge (nicht zwingend ein Untervektorraum!) des Vektorraumes  , dann gilt für den Spann von  :

 

Wie kommt man auf den Beweis? (Spann vom Bild ist Bild vom Spann)

Da wir die Gleichheit zweier Mengen zeigen wollen, müssen wir zeigen, dass die Mengen jeweils ineinander enthalten sind. Wenn wir dies gezeigt haben, so folgt die Gleichheit beider Mengen.

Um zu zeigen, dass  , wählen wir zuerst einen beliebigen Vektor  . Weil dieser im Spann liegt, lässt er sich als Linearkombination von Elementen aus der Menge   schreiben:

 

wobei  .

Wir wenden danach die lineare Abbildung sowohl auf   als auch auf die Linearkombination der Elemente aus   an. Dies ergibt folgenden Ausdruck:

 

Anschließend formen wir unter Verwendung der Eigenschaften von linearen Abbildungen den Ausdruck so um. Dann erhalten wir einen Ausdruck der folgenden Form:

 

Da die rechte Seite in   enthalten ist, gilt  .

Um danach zu zeigen, dass   gilt, gehen wir ähnlich vor. Nun müssen wir zeigen, dass für ein beliebiges   ein Vektor   existiert mit  . Wir wissen

 

wobei  . Wie können den Ausdruck mit Hilfe der Linearität von   umformen zu:

 

Die rechte Seite ist aber in   und damit gilt das gleiche für  .

Beweis (Spann vom Bild ist Bild vom Spann)

Beweisschritt:  

Wir nehmen zunächst einen beliebigen Vektor  , für den gilt:  .

Da wir wissen, dass der Vektor im Spann von   liegt, gibt es Koeffizienten   und Vektoren  , sodass gilt:

 

Wenden wir nun unsere lineare Abbildung auf diesen Ausdruck an, so erhalten wir:

 

Die rechte Seite dieses Ausdrucks formen wir nun unter Verwendung der Eigenschaften von linearen Abbildungen weiter um:

 

Auf der rechten Seite steht nun  .

Wir haben also gezeigt, dass   und damit  .

Beweisschritt:  

Wir wählen wieder einen beliebigen Vektor   aus. Da dieser im Spann der Abbildung liegt, können wir ihn schreiben als:

 

Wir können nun analog zum vorherigen Beweisschritt mit dem Umformen des Ausdrucks beginnen:

 

Auf der rechten Seite steht nun ein Vektor in  . Wir haben damit gezeigt, dass   gilt.

Zudem haben wir jetzt die Gleichheit der Mengen   und   gezeigt. Dies liegt daran, dass die Mengen ineinander enthalten sind.