Das Prinzip der linearen Fortsetzung besagt, dass jede lineare Abbildung genau durch die Bilder der Basisvektoren bestimmt ist. Es liefert eine alternative Möglichkeit eine lineare Abbildung zu charakterisieren.
Statt Prinzip der linearen Fortsetzung sagt man auch Prinzip der linearen Ausdehnung.
Bisher haben wir lineare Abbildungen meist durch eine Abbildungsvorschrift angegeben. Wir suchen nun nach weiteren Möglichkeiten, eine lineare Abbildung darzustellen.
Wir müssen für jeden Vektor unseres Startvektorraums die Information bereitstellen, auf welchen Vektor des Zielvektorraums er abgebildet werden soll. Nun stellt sich die Frage, wie wir unsere Startvektoren charakterisieren können und wie wir ihre Bilder unter der Abbildung notieren möchten.
Eine Möglichkeit zur Darstellung eines Vektors ist diejenige bezüglich einer Basis. Dazu müssen wir eine Linearkombination des Vektors in den Basisvektoren angeben. Ist
ein
-Vektorraum mit der Basis
und
, so gibt es eindeutig bestimmte Koeffizienten
so, dass
gilt.
Nun könnten wir versuchen, die Werte der linearen Abbildung
in einen anderen
-Vektorraum
nur für die Basisvektoren von
anzugeben. Es seien also
festgelegt. Dann können wir auch
berechnen, wenn wir fordern, dass
linear ist. Es gilt dann nämlich:
Wir haben also nur die Bilder der Vektoren einer Basis von
unter der Abbildung
notiert und konnten für jeden beliebigen Vektor
sein Bild unter
berechnen. Dass wir auf diese Weise zuverlässig lineare Abbildungen notieren können, garantiert uns der nächste Satz. Er ist damit eine wichtige Grundlage dafür, lineare Abbildungen als Matrizen darzustellen.
Satz (Satz von der linearen Fortsetzung)
Es seien
ein Körper,
und
zwei
-Vektorräume und
eine Basis von
. Weiter seinen
beliebige Vektoren aus
. Dann gibt es genau eine lineare Abbildung
mit
für alle
.
Wie kommt man auf den Beweis?
Zuerst müssen wir eine geeignete Abbildung
finden und definieren. Eine Idee dazu könnte der Abschnitt Motivation liefern. Ist unsere Abbildung tatsächlich wohldefiniert?
Sobald wir eine Abbildung gewählt haben, sollten wir nachrechnen, dass sie tatsächlich linear ist und die Forderung
erfüllt. Damit existiert eine geeignete Abbildung.
Zuletzt müssen wir zeigen, dass die Abbildung mit diesen Eigenschaften eindeutig bestimmt ist. Dazu nehmen wir an, dass es eine weitere Abbildung mit den gleichen Eigenschaften gibt. Dann müssen wir zeigen, dass diese mit
identisch ist.
Beweis
Sei
. Da
eine Basis von
bilden, gibt es eindeutig bestimmte Koeffizienten
, so, dass
ist. Nun setzen wir
Weil die Koeffizienten
eindeutig bestimmt sind, ist die Abbildung
wohldefiniert.
Weiter folgt sofort, dass
die Forderung
für jedes
erfüllt, denn für jedes
gilt:
Nun zeigen wir, dass
linear ist. Dazu seien
mit
und
sowie
. Dann gilt:
Aktuelles Ziel: Additivität
Aktuelles Ziel: Homogenität
Zuletzt möchten wir zeigen, dass
eindeutig bestimmt ist mit den Eigenschaften, linear zu sein und für jedes
den Basisvektor
auf
abzubilden. Dazu nehmen wir an, es gibt eine zweite Abbildung
mit diesen beiden Eigenschaften. Wir zeigen, dass
ist. Sei dazu
beliebig. Es gilt:
Wir haben gezeigt, dass
und
für jeden Vektor
denselben Wert annehmen. Also sind beide Abbildungen gleich und wegen unserer Annahmen an
kann es keine von
verschiedene Funktion geben, die die gewünschten Eigenschaften hat.
Beispiel
Wir betrachten den
-Vektorraum
mit der Basis
wobei
und
. Dass dies tatsächlich eine Basis ist, kann man einfach nachprüfen.
Seien
und
zwei Vektoren.
Sei
die eindeutige lineare Abbildung gegeben durch
und
. Durch den Satz des Prinzips der linearen Fortsetzung existiert eine solche lineare Abbildung und ist eindeutig.
Wir suchen nun die Abbildungsvorschrift von
für einen allgemeinen Vektor
.
Wir gehen vor wie im Satz zum Prinzip der linearen Fortsetzung: Sei
ein Vektor in
. Zuerst stellen wir
als Linearkombination der Basisvektoren
dar. Wir suchen also
, sodass
. Es muss gelten
Wir müssen nun das Gleichungssystem
nach
und
auflösen. Ziehen wir die zweite Gleichung von der ersten ab, erhalten wir
. Um
zu erhalten, setzen wir dieses Ergebnis in die zweite Gleichung ein:
Wenn wir nach
auflösen, bekommen wir
.
Folglich lautet die gesuchte Linearkombination
.
Durch den Beweis des Satzes wissen wir wie
auf
wirkt:
Die Abbildungsvorschrift von
lautet also
Beispiel
Wir betrachten die Abbildung
mit
und versuchen, eine andere Darstellung dafür zu finden.
Als Basis des
wählen wir
. Dann ist
Wir könnten die lineare Abbildung
also auch dadurch angeben, dass
abgebildet wird auf
und
auf
.
Beispiel
Gibt es eine lineare Abbildung
mit
und
?
Angenommen, es gäbe eine solche Abbildung, dann müsste gelten:
Das ist ein Widerspruch, daher kann eine solche lineare Abbildung
nicht existieren.
Verständnisfrage: Woran liegt das?
Die Vektoren
und
sind linear abhängig, die Funktionswerte, die wir ihnen zugewiesen haben, sind jedoch keine Vielfachen voneinander. Daher kommt der Widerspruch. Das steht jedoch nicht im Widerspruch zum Satz von der linearen Fortsetzung. Denn dort werden die Funktionswerte für eine Basis angegeben.
Im Folgenden sind
und
zwei
-Vektorräume,
eine Basis von
und
sind Vektoren in
. Sei
eine lineare Abbildung mit
für alle
. Wegen des obigen Satzes existiert eine solche lineare Abbildung und diese ist sogar eindeutig.
Satz (Eigenschaften der linearen Fortsetzung)
Insbesondere gilt:
ist genau dann surjektiv, wenn
ein Erzeugendensystem von
ist.
Wie kommt man auf den Beweis?
Wir wollen die erste Aussage beweisen, indem wir die Mengengleichheit zeigen. Wir weisen also nach, dass
und
gilt.
Für die erste Inklusion betrachten wir ein Element
. Also existiert ein
, sodass
gilt. Dieses
können wir als Linearkombination der Basiselemente
von
darstellen. Zusammen mit der Linearität von
lässt sich dann zeigen, dass wir
als Linearkombination der
schreiben können.
Für die andere Inklusion „
“ betrachten wir nun ein
. Dann können wir
als Linearkombination von
schreiben. Da
gilt, ist
als Linearkombination von
darstellbar. Da
linear ist, können wir nun zeigen, dass
in
liegt.
Damit können wir leicht beweisen, dass
genau dann surjektiv ist, wenn
ein Erzeugendensystem von
ist, indem wir folgende Aussagen benutzen:
ist genau dann surjektiv, wenn
gilt.
ist genau dann ein Erzeugendensystem von
, wenn
gilt.
(unsere bereits bewiesene Aussage)
Beweis
Beweisschritt: 
: Sei
. Dann gibt es ein
mit der Eigenschaft
. Weil
eine Basis von
ist, gibt es Koeffizienten
, sodass
ist. Nun gilt:
Wir konnten
als Linearkombination der
darstellen, daher gilt
.
: Sei
, dann gibt es Koeffizienten
so, dass
ist. Nach Definition von
gilt:
Hieraus folgt insbesondere die zweite Aussage:
Beweisschritt:
ist genau dann surjektiv, wenn
ein Erzeugendensystem von
ist.
Wenn
surjektiv ist, dann gilt:
(nach der Aussage oben).
Daher ist
ein Erzeugendensystem von
.
Ist andererseits
ein Erzeugendensystem, dann gilt
, und
ist surjektiv.
Satz (Injektive Abbildungen bilden Basen auf linear unabhängige Vektoren ab)
ist genau dann injektiv, wenn
linear unabhängig ist.
Wie kommt man auf den Beweis? (Injektive Abbildungen bilden Basen auf linear unabhängige Vektoren ab)
Für die Äquivalenz zeigen wir die beiden Implikationen. Im Beweis der Hinrichtung möchten wir zeigen, dass die Vektoren
linear unabhängig sind, falls
injektiv ist. Wir nehmen an, dass
injektiv ist und betrachten wir den Nullvektor als eine Linearkombination von
, d.h.
mit
.
Wir möchten nun nachweisen, dass alle Koeffizienten
verschwinden.
Ersetzen wir in unserer Linearkombination
jeweils mit
und nutzen die Linearität von
, erhalten wir

.
Wir wissen
, weil
linear ist. Also

.
Mit der Injektivität von
, folgt
. Da die Basis
linear unabhängig ist, folgt
für alle
.
Im Beweis der Rückrichtung ist unser Ziel zu zeigen, dass
injektiv ist, falls
linear unabhängig sind. Dazu betrachten wir zwei Vektoren
mit
. Wir möchten zeigen, dass
.
Da
eine Basis von
bildet, können wir
und
als Linearkombination von ihnen darstellen:

und

mit
Um
nachzuweisen, reicht es zu zeigen, dass
für
gilt. Mit
und der Linearität von
erhalten wir
Wegen
erhalten wir die Darstellung
Wegen der linearen Unabhängigkeit von
sind ihre Linearkombinationen eindeutig und es muss
für alle
gelten.
Beweis (Injektive Abbildungen bilden Basen auf linear unabhängige Vektoren ab)
Wir müssen zwei Richtungen zweigen.
Beweisschritt: Wenn
injektiv ist, dann sind die
linear unabhängig.
Seien
und sei
Für jede lineare Abbildung gilt außerdem
. Da
injektiv ist, folgt
Weiter folgt, da
eine Basis von
ist,
Damit sind die
linear unabhängig.
Beweisschritt: Wenn die
linear unabhängig sind, dann ist
injektiv.
Seien
mit
. Dann gibt es
mit
und
. Es gilt:
Wenn
linear unabhängig sind, ist die Darstellung eindeutig, also
. Damit ist
injektiv.
Satz (Bijektive Abbildungen bilden Basen auf Basen ab)
ist genau dann bijektiv, wenn
eine Basis von
ist.
Wie kommt man auf den Beweis? (Bijektive Abbildungen bilden Basen auf Basen ab)
Wir kombinieren einfach die Aussagen der letzten beiden Sätze.
Beweis (Bijektive Abbildungen bilden Basen auf Basen ab)
Beweisschritt: Wenn
eine Basis von
ist, dann ist
bijektiv.
Angenommen,
ist eine Basis - insbesondere also linear unabhängig und ein Erzeugendensystem. Dann folgt nach den beiden letzten Sätzen, dass
injektiv und surjektiv ist - also insbesondere bijektiv.
Aufgabe (Lineare Abbildungen mit vorgegebenen Bedingungen)
Seien
und
.
Gibt es eine
-lineare Abbildung
, die den Bedingungen
genügt?
Wie kommt man auf den Beweis? (Lineare Abbildungen mit vorgegebenen Bedingungen)
Als erstes sollte man überprüfen, ob die Vektoren
linear unabhängig sind. Ist das nämlich der Fall, so bildet
, wegen
eine Basis des
. Mit dem Prinzip der linearen Fortsetzung würde die Existenz einer solchen linearen Abbildung
folgen. Seien also
, mit
Dann müssen aber auch
und damit
erfüllt sein. Diese Gleichung hat allerdings nicht nur die "triviale" Lösung
. Tatsächlich ist die obere Gleichung für
erfüllt. Man erhält also
Für eine solche Abbildung
müsste dann aber
gelten, was aber
widerspricht.
Lösung (Lineare Abbildungen mit vorgegebenen Bedingungen)
Nehmen wir zunächst an eine solche lineare Abbildung
würde existieren. Durch die folgende Rechnung
sieht man, dass
gelten müsste. Das ist aber ein Widerspruch zu den anderen Bedingungen, weil mit diesen
gilt. Es gibt also kein solches
.