Klinische Humangenetik: Imprinting-Fehler
Imprinting-Fehler
BearbeitenEtwa 2-8 % der Gene werden zwar nach den Mendelschen Regeln vererbt, sind aber im Organismus unterschiedlich aktiv, je nachdem ob sie von Mutter oder Vater stammen. Diese elterliche Prägung von Genaktivitäten nennt man genomisches Imprinting. Biochemisch geschieht dies durch reversible Modifikation von Genen via Methylierung von Cytosin oder Histon-Acetylierung. Die "Formatierung" der DNA und Eneuerung des Imprintings erfolgt in der Keimzellbildung.
Störungsquellen:
- Methylierungsdefekt
- Mutation/Mikrodeletion im mütterlichen oder väterlichen Gen
- Uniparentale Disomie (UPD, zwei homologe Chromosomen stammen von nur einem Elternteil) - Ursache: Trisomie in der Zygote und Ausschleusung eines überzähligen Chromosoms. Formen:
- Heterodisomie (die zwei verschiedenen Chromosomen vom Elternteil)
- Isodisomie (zwei identische Chromosomen, dann Homozygotie allere Gene dieses Chromosoms!)
Den folgenden Erkrankungen kann (muss aber nicht) ein Imprintingfehler zugrunde liegen.
Ep.: 1:20.000
Genetik: Das nur bei Männern aktive Gen SNRPN (15q11) fehlt entweder strukturell: 70-75 % Mikrodeletion auf dem paternalen Chromosom 15q11 (Mikrodeletionssyndrom, s.o.) oder funktionell: 20-25 % maternale UPD 15 (SNRPN auf beiden Chromosomen mütterlicherseits abgeschaltet; Imprintingfehler). Selten Punkt- und Imprintingmutationen.
Klinik: Muskelhypotonie (floppy infant) mit Trinkschwäche, Hypogenitalismus, Hodenhochstand, verzögerte Pubertätsentwicklung, Augen mandelförmig, evtl. Strabismus, Kurzsichtigkeit. Schon im Kleinkindalter ungebändigter Essdrang -> schwere Adipositas. Minderwuchs, Entwicklungsverzögerung, geistig mäßige Retardierung.
Weblinks: OMIM - Prader-Willi syndrome
Sozusagen das Gegenstück zum Prader-Willi-Syndrom (gleiches Chromosom, anderes Gen, dies beim weibl. statt männl. Geschlecht aktiv)
Genetik: Das nur bei Frauen aktive Gen UBE3A (15q11) fehlt entweder strukturell: 65-75 % Mikrodeletion 15q11 auf dem maternalen Chromosom (s.o.) oder funktionell: 25 % Punkt- und Imprintingmutationen. In 2 % paternale UPD 15.
Klinik: Charakteristische Facies, schwere Retardierung, kaum Sprachentwicklung, „Lachanfälle“.
Weblinks: OMIM - Angelman syndrome
Syn.: Exomphalos-Makroglossie-Gigantismus-Syndrom (EMG-Syndrom)
Ep.: 1:15.000 bis 1:8.000
Genetik: betroffen ist eine Gengruppe auf 11p15.5
Klinik: Mikrozephalie, Exophtalmus, Mittelgesichtshypoplasie, Kerbenohren, Organomegalie, Makroglossie, Gigantismus, Fehlbildungen von Bauchwand (Exomphalos), Nierenauffälligkeiten, ggf. gehäuft embryonale Tumore (Wilmstumor).
Weblinks: OMIM - Beckwith-Wiedemann syndrome
Ep.: Selten
Genetik: Genetisch heterogen, 10 % maternale UPD 7
Klinik: intrauteriner Kleinwuchs, ansonsten Symptomatik sehr variabel
Weblinks: OMIM - Silver-Russell syndrome