Sozialklima von Gruppen: Zusammenhänge zwischen sozialem Klima und Kontextvariablen
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Einführung |
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Im folgenden werden Zusammenhänge zwischen sozialem Klima und Kontextvariablen referiert. Kontextvariablen unterscheiden sich von Individualvariablen dadurch, dass sie für alle Schüler einer Klasse oder der Schule objektiv identisch sind und nicht aus Individualwerten durch Aggregation gebildet werden.
a) Schulfach
BearbeitenDie Frage des Zusammenhanges von Schulfach und sozialem Klima war Gegenstand einiger Untersuchungen von ANDERSON (1971), ASTIN (1965), DREESMANN (1979, 1981 b) . HEARN s1 MOOS (1978), RANDHAHA & MICHAYLUK (1975), LAWRENZ (1976a,b), STEELE, WALBERG & HOUSE (1974), WELCH (1979) sowie YAMAMOTO et al. (1969). Eine Zusammenfassung älterer Untersuchungen ist bei RHANDHANA & FU (1973) zu finden.
Wie MOOS (1979b) zu Recht bemerkt, mangelt es den meisten dieser Arbeiten an einem theoretischen Bezugsrahmen, so dass sie - ähnlich wie die im vorangehenden Kapitel vorgestellten Arbeiten - auf der rein beschreibenden Ebene stehenbleiben. In HOLLANDs (1973) Typologie von Persönlichkeiten und Umwelten sehen HEARN & MOOS (1978) die Möglichkeit eines solches Bezugsrahmens: 207 Klassen aus 'high schools' wurden durch Beurteiler einem der 6 HOLLANDschen Typen zugeordnet (so z.8. Mathematik und Physik dem Typ 'Investigative', Kunst, Musik, Literatur dem Typ 'Artistic' usw.); außerdem wurde die Classroom Environment Scale (CES) eingesetzt. In acht der neun CES-Dimensionen ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen von Klassen. So waren z.B. Klassen des Typs 'Artistic' gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß innovativer Verhaltenweisen auf Seiten der Schüler und des Lehrers und durch ein sehr geringes Maß an Konkurrenz unter den Schülern, Kontrolle durch den Lehrer und Klarheit der Verhaltensregeln. Klassen des Typs 'Investigative' waren dagegen gekennzeichnet durch eine starke Betonung von Aufgabenbezogenheit und Lehrerkontrolle sowie durch eine weitgehende Vernachlässigung der Dimensionen 'Innovation', 'Affiliation' und 'Involvement'.
Die Ergebnisse der Studien sind sehr differenziert und vielfältig, so dass sie hier nicht ausführlich dargestellt werden können. Es läßt sich aber festhalten, dass das Sozialklima zwischen den Fächern variiert, wobei eine Konfundierung Fach/Fachlehrer berücksichtigt werden muß. Es ist eine bisher eine unbeantwortete Frage, ob und welche Dimensionen des Sozialklimas abhängig vom Unterrichtsfach variieren oder konstant bleiben.
b) Größe einer Schule oder Klasse
Derjenige organisatorische Aspekt, der mit Abstand die größte Aufmerksamkeit fand, ist die Größe einer Schule oder Klasse. Versuche, diesen Aspekt mit dem sozialen Klima oder dem Verhalten von Schülern in Beziehung zu bringen, liegen z.B. vor von ANDERSON & WALBERG (1972), ASTIN (1977), BARKER & GUMP (1964), MOOS (1979b), WALBERG (1969a), WALBERG & AHLGREN (1970), WALBERG, HOUSE & STEELE (1973). Die bekannteste Untersuchung in bezug auf' Schulgröße ist dabei die von BARKER & GUMP ('Big School - Small School'), in der sich zeigte, dass Schüler in kleinen Schulen an einer größeren Vielfalt von 'settings' teilnehmen und dass sie insgesamt einem größeren Druck ausgesetzt sind, an Aktivitäten teilzunehmen, eigene Verantwortung auf sich zu nehmen, sich auch sozial in der Schule zu engagieren und die geforderten Leistungen zu erfüllen. Teilweise ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei ASTIN (1977) für amerikanische Colleges.
Anders als in den früheren Übersichten (z.B. INGENKAMP, 1969; M005, 1976, 1979b) scheinen die Ergebnisse zum Problem Klassengröße mittlerweile recht eindeutig zu sein (GLASS & SMITH, 1978; GLASS et al., 1982). Mit sinkender Schülerzahl verbessern sich zum einen die Schülerleistungen, zum anderen die Einstellungen der Schüler (schulisches Interesse, Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit, Selbstkonzept) und Lehrer (Ausmaß der perzipierten Arbeitsbelastung, positivere Einstellung zu den Schülern). Vor allem die mit sinkenden Schülerzahlen zunehmende Möglichkeit des Lehrers, sich individuell mit einzelnen Schülern zu beschäftigen, scheint hierfür verantwortlich zu sein. Als Gründe für die Leistungsverbesserungen kommen hinzu: die Sicherstellung aufgabenbezoqenen Verhaltens und die Möglichkeit einer gezielten Leistungsrückmeldung durch den Lehrer. Auch deshalb gibt es wohl negative Beziehungen zwischen Klassengröße und Vertrautheit im Unterricht sowie zwischen Klassengröße und Förmlichkeit des Unterrichts (WALBERG & AHLGREN, 1970).
Die Untersuchungen von GLASS und Mitarbeitern sind allerdings einer harten Kritik ausgesetzt, da die methodische Anlage der Arbeiten in keinem Verhältnis zu ihrer Popularität steht (siehe INGENKAMP et al. 1985).
Andere Untersuchungen weisen darauf hin, dass Schüler in kleineren Klassen mehr Kohäsion wahrnehmen und weniger Schwierigkeit empfinden (ANDERSON & WALBERG, 1972). MORACCO (1978) stellt für kleinere Schulen ein 'wärmeres Klima' fest. Mehr Förmlichkeit und Klarheit der Vorschriften in größeren Klassen und weniger Kohäsion und sozialer Anschluß wurden immer wieder festgestellt (ANDERSON & WALBERG, 1972; HOFSTEIN et al. 1982; RANDHAWA & MICHAYLUK, 1975; TRICKETT & QUINLAN, 1979; WALBERG, 1969a; WALBERG & AHLGREN, 1970).
Die Interpretation der Ergebnisse zur Klassengröße ist deshalb schwierig, weil die Beziehungen z.T. nonlinear verlaufen: In kleinen und großen Klassen wird im Gegensatz zu mittelgroßen Klassen mehr Zielgerichtetheit des Unterrichts, aber weniger Abwechslung und Desorganisation wahrgenommen (TRICKETT & QUINLAN, 1979).
Diese Ergebnisse zur Klassengröße veranlaßten die Arbeitsgruppe um WALBERG ein Modell zu konzipieren, das in Abb. 5.2 wiedergegeben ist. Das Modell spricht weitgehend für sich, eine genaue Beschreibung ist bei v.SALDERN (1985b) zu finden.
Eng mit dem Problem der Größe von Schulen und Klassen hängt auch zusammen, was im Rahmen der Umweltpsychologie unter den Bezeichnungen ' density' und ' crowding' untersucht wird. In dem bereits erwähnten Sammelreferat von WEINSTEIN (1979) werden als Konsequenz einer hohen sozialen Dichte Verhaltensweisen von Schülern angegeben, die durchaus in das oben erwähnte Bild passen: größere Unzufriedenheit, verminderte soziale Interaktionen und gesteigerte Aggressivität.
c) Lage der Schule
Es hat sich herausgestellt, dass die Lage der Schule (Stadt-, Vorort-, Landschule), also eine recht 'weite' Kontextvariable, einen Einfluß auf das Sozialklima in Schulklassen hat.
Stadtschulen scheinen stärker aufgabenorientiert zu sein, und ihre Klassen haben zudem eine höhere Kohäsion. Landschulen sind stärker wettbewerbsorientiert, zeichnen sich durch freundlicheres Lehrerverhalten aus und haben eine ausgeprägtere Klarheit ihrer Regeln (RANDHANA ß MICHAYLUK, 1975; TRICKETT, 1978; TRICKETT & QUINLAN, 1979). Zu diesen Untersuchungen muß man allerdings bemerken, dass die Lage der Schule mit der sozialen Schicht weitgehend konfundiert ist.
d) Schulsysteme und -arten
Zu den organisatorischen Aspekten schulischer Umwelt gehören auch die verschiedenen Modelle der Einteilung von Schülern in Lerngruppen ('Differenzierung'). In der bisherigen Dikussion zu diesem Problem dominierte dabei eindeutig die Frage, welche Effekte verschiedene Arten der Differenzierung (2.B. auf bestimmte Schülervariablen haben, wobei diese Frage weitgehend auf Leistungsvariablen eingeengt wurde. Es kann hier nicht Aufgabe sein, die sehr umfangreiche Differenzierungsliteratur aufzuarbeiten (vgl, z.8. zusammenfassend FEND, 1980; HAUSSER, 1980, 1981; HAENISCH & LUKESCH, 1978, 1980), zumal - bei sonst gleichen Bedingungen - ohnehin kaum differenzierungsbedingte Leistungsunterschiede existieren. Es liegen außerdem eine Fülle von Einzelbefunden vor, die zeigen, dass (Leistungs-) Differenzierungsmaßnahmen auch Auswirkungen auf affektives und soziales Verhalten von Schülern haben können (vgl. zusammenfassend KNAPP, 1978; ARBINGER, ICKLER & STOCKMANN, 1978, und SCHLÖMERKEMPER, 1974
Es existiert ein Versuch, organisatorische Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der sog. 'reformierten Oberstufe' (in deren Zentrum ein bestimmtes System der Wahldifferenzierung steht) eingeführt wurden, mit dem sozialen Klima einer Schule in Beziehung zu setzen (SCHREINER, 1973). Ausgehend von STERNs (1970) Untersuchungen zum Schulklima auf dem theoretischen Hintergrund der MURRAYschen (1938i Konzeption von 'need' und 'press' (s.Kap. 2. 2.1.6) - entwickelte SCHREINER seine sog. 'Ökometrix', einen Fragebogen, bei dem die Schüler zu 405 Aussagen über ihre Schule Zustimmung oder Ablehnung äußern sollten ('Ist-Form'), bzw. angeben sollten, ob sie den beschriebenen Sachverhalt wünschen oder nicht ('Soll-Form'). Es stellte sich insgesamt heraus, dass die theoretischen Kategorien des Schulklimas von STERN (1970) für eine Beschreibung der konkret vorgefundenen Verhältnisse an den untersuchten Schulen wenig leisteten. Es wurde deshalb eine Auswertung mit intuitiv gewonnenen inhaltlichen Kategorien vorgenommen. Auf die Fülle der z.T. auf Einzelitems bezogenen Ergebnisse kann hier nicht eingegangen werden.
Der äußere Kontext einer Schule oder Klasse wird nach MOOS (1979b) durch folgende Faktoren bestimmt: Schulart oder Schultyp (z.B. dreigliedriges Schulsystem vs. Gesamtschule), Lage der Schule (z.B. Stadt-Land), zugrundeliegendes Bildungsprogramm (man denke hier an die sog. 'alternativen' Schulen) und Vorgaben inhaltlicher Art (Schulfach). Nach MOOS (1979b) macht sich dieser äußere Kontext unmittelbar in den anderen Aspekten der schulischen Umwelt bemerkbar: Er zieht bestimmte organisatorische Konsequenzen nach sich (vgl. das Problem unterschiedlicher Differenzierungsformen im Zusammenhang mit der Einführung von Gesamtschulen); er hat ferner Auswirkungen auf bestimmte Merkmale der Lehrer (so ist z.B. bekannt, dass in den naturwissenschaftlichen Fächern überwiegend Männer unterrichten); er führt auch zu Maßnahmen baulicher Art (vgl- die vielen im Zuge der 'Gesamtschulbewegung' errichteten Schulneubauten); und er hat schließlich noch Konsequenzen für bestimmte Merkmale der Schülerpopulation (so ist z.B. die Schülerschaft an einer Gesamtschule 'per definationem' bezüglich etwa der Schülermerkmale 'Intelligenz' und 'sozioökonomischer Status' anders zusammengesetzt als beispielsweise die Schülerschaft eines Gymnasiums).
Für den deutschen Sprachraum läßt sich in diesem Zusammenhang vor allem die Untersuchung von FEND (1977) anführen. Der Vergleich 'traditioneller' Schulen mit Gesamtschulen ergab, dass in Gesamtschulen "die traditionellen schulischen Erwartungen an äußere Konformität, Disziplin und Anpassung nicht mehr so betont werden" (FEND, 1977, 136;. Innerhalb des dreigliedrigen Schulsystems ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien bezüglich der Klimadimension 'Leistungsdruck'. Auch zwischen Stadt- und Landschulen ergaben sich Unterschiede im sozialen Klima: In Landschulen herrscht ein höheres Ausmaß an Leistungsdruck und restriktiver Kontrolle.
Unterschiede im sozialen Klima zwischen Stadt- und Landschulen zeigten sich auch in einer Untersuchung von RANDHAWA & MICHAYLUK (1975) bezüglich einiger Dimensionen des 'Learning Environment Inventory' (LEI von ANDERSON, 1971)
Der äußere Kontext hat aber auch - entweder unmittelbar oder vermittelt, über Zusammenhänge der genannten Art - Auswirkungen auf das soziale Klima einer Schule oder Klasse. Hierzu liegen eine Reihe von empirischen Untersuchungen vor. MOOS (1979b) verglich fünf Typen von Schulen (Stadt-, Vorstadt-, Land-, Berufs- und 'alternative' Schulen) im Hinblick auf neun Dimensionen . des sozialen Klimas ('Classroom Environment Scale', CES von MOOS & TRICKETT, 1974). Einfache Varianzanalysen ergaben in allen neun Klimadimensionen signifikante Unterschiede zwischen den Schultypen. Das ausgeprägteste Profil zeigten dabei Klassen aus alternativen Schulen: Sie waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Engagement von Seiten der Schüler für klassenbezogene Aktivitäten ('Involvement'), durch intensive und freundschaftliche Beziehungen der Schüler untereinander ('Affiliation'), durch ein hohes Ausmaß an Zuwendung gegenüber den Schülern von Seiten der hehrer ('Teacher support'), durch eine Vielzahl origineller und wechselnder Lehreraktivitäten ('Innovation'?, aber auch durch ein hohes Maß von Disziplin im Hinblick auf Aktivitäten in de!- Klasse ('Order and Organization'), durch eine ausgesprochen aufgaben bezogene Arbeitshaltung ('Task orientation') und schließlich durch ein sehr geringes Ausmaß an kontrollierendem und disziplinierendem Verhalten von Seiten des Lehrers ('Teacher control'). Ähnliche Ergebnisse zu 'alternativen' und 'offenen' Schulen ergaben sich auch in Untersuchungen von ELLTSON & TRICKETT (1978), EPSTEIN & McPAPTLAND (1975), GREGORY & SMITH (1982), MOOS & DAVID (1981), TRICKETT (1978) und von WALBERG & THOMAS (1972). Auch die populäre (und umstrittene) Studie von RUTTER et al. (1980).belegt die Bedeutung des allgemeinen sozialen Klimas ('Ethos') einer Schule.
e) Abwesenheitsrate
MOOS & MOOS (1978) und MOOS (1979b)stellten Beziehungen zwischen der Abwesenheitsrate und der wahrgenommenen Umwelt, fest: In den Klassen, in denen Wettbewerbsorientierungen und Schwierigkeiten des Unterrichts stark wahrgenommen werden, ist die Abwesenheitsrate höher.
f) Curricula
Besonders in den Arbeitsgruppen um WALBERG und FRASER wurde das Sozialklima eine wesentliche Evaluationshrlfe für neu entwickelte Curricula. Es liegen z.T. widersprüchliche Ergebnisse vor, was aber auf die unterschiedlichen zugrundeliegenden Curricula zurückzuführen ist. Da diese Curricula in ihrem Aufbau in den Veröffentlichungen nicht hinreichend beschrieben sind, hat es wenig Sinn - zumal für den deutschsprachigen Raum - Einzelergebnisse zu referieren. Es scheint sich aber herauszukristallisieren, dass das Sozialklima ein zentrales Evaluationskriterium ist und auch von den Autoren als solches gewertet wird. Außer den Arbeiten um FRASER und WALBERG seien noch die Arbeiten von McPARTLAND & EPSTEIN (1975), TALMAGE & HART (1977), TISHER & POWER (1978), sowie von HOFSTEIN et al. (1982) genannt.
g) Lehrervariablen
SEIFFKE-KRENKE resümiert nach einer Literaturübersicht wie folgt: "Es ist auffällig, wie wenig systematische Untersuchungen es zur Wahrnehmung von Lehrern durch Schüler gibt" (1981, 362). Diese Schlußfolgerung scheint berechtigt. Man nimmt zwar an, dass der Lehrer den stärksten Einfluß auf das Sozialklima hat, die Anzahl der Untersuchungen reicht aber zur Untermauerung dieser These nicht aus.
Das Geschlecht des Lehrers scheint geringen Einfluß auf die Wahrnehmung der Umwelt durch die Schüler zu haben (ANDERSON, 1971; RANDHAWA & MICHAYLUK, 1975; OLSON, 1971), wenn auch Lehrerinnen allgemein als strenger wahrgenommen werden (MASENDORF et al., 1973) und außerdem formaleren und zielgerichteteren Unterricht durchführen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen wird der Unterricht im naturwissenschaftlichen Bereich als weniger schwierig empfunden (LAHRENZ & WELCH, 1983).
Es scheint eine Wechselwirkung zwischen Geschlecht und Alter zu geben (ENGSTROM, 1981b): Jüngere Lehrerinnen werden positiver wahrgenommen als ihre älteren Kolleginnen. Die Wechselwirkung zwischen dem Geschlecht des Lehrers und Unterrichtsfach beeinflußt das Klima nicht (ANDERSON, 1971; vgl. YAMAMOTO et al., 1969). Es liegen bisher noch keine spezifischen Auswertungen unter Berücksichtigung des Geschlechts des Schülers vor. MOOS (1979b) berichtet, dass Lehrerinnen ebenso wie Schülerinnen ein mehr innovationsorientiertes und weniger durch Kontrolle gekennzeichnetes Klima bevorzugen. Die Frage, ob die Wechselwirkung zwischen Geschlecht des Schülers und dem des Lehrers einen Einfluß auf die individuelle Wahrnehmung der Umwelt hat, ist noch offen (vgl. RANDHAWA & FU, 1973).
Eine weitere Variable, die vermutlich wichtiger als die beiden letztgenannten ist, wurde besonders von FEND (1977) untersucht: Bestimmte Autoritätsvorstellungen von Lehrern, die sich auf ein umfassendes Syndrom der 'Progressivität' bzw, des 'Konservatismus' zurückführen lassen, standen in einem signifikanten Zusammenhang mit bestimmten Dimensionen des Schulklimas. So war z. B. das Schulklima für progressive' Lehrer (im 'traditionellen' Schulsystem) durch folgende Merkmale bestimmt: geringere Konformitätsanforderung, mehr Selbstbestimmung der Schüler, geringerer Leistungsdruck, mehr Mitbestimmung, geringeres Ausmaß an restriktiver Kontrolle und geringerer Anpassungsdruck (vgl. FEND, 1977, 179).
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt McINTYRE et al. (1982). Zwischen der Erfahrenheit des Lehrers und dem sozialen Klima konnten im allgemeinen keine Zusammenhänge festgestellt werden (MOOS, 1979b). ANDERSON et al. (1969) berichten allerdings, dass bei unerfahrenen Lehrern innerhalb der Klasse mehr Demokratie und Kohäsion, aber weniger Cliquenbildung, Bevorzugung einzelner Schüler und Konflikte zwischen den Schülern wahrgenommen werden. Das Verhalten des Lehrers selbst ist in unzähligen Untersuchungen erforscht worden, nicht aber dessen subjektive Wahrnehmung durch den Schüler. Es gibt Hinweise darauf, dass dem Lehrer doch eine relativ starke Fähigkeit zugeschrieben werden muß, das Klima positiv zu beeinflussen. So glauben z.B. DOBSON & DOBSON (1979), den Lehrer als wichtigsten Einflußfaktor für das Sozialklima sehen zu können. Insbesondere seine etwaige Fähigkeit zur Empathie und Sensibilität sind dabei entscheidende Merkmale.
Schon TAUSCH & TAUSCH (1973) und DUNKIN & BIDDLE (1974) haben hinsichtlich des Lehrerverhaltens die zentrale Bedeutung der Dimensionen Lenkung und Wertschätzung erkannt. Es ist deshalb gerechtfertigt, diesen beiden Variablen einen hohen Stellenwert als Beeinflussungsfaktoren für das Soziaklima zuzuschreiben. Nach TONELSON (1981) und ROSCOE & PETERSEN (1982) sind folgende Merkmale für die Ausprägung des Sozialklimas von entscheidender Bedeutung:
- Akzeptierung des Schülers,
- Verstehen des Schülers,
- emotionale Wärme,
- Respekt,
- schulischer Erfolg und
- Freiheit im Handeln.
Lehrer scheinen also das Sozialklima sehr stark zu beeinflussen (SCHULTZ, 1982). Eine Chance der Klimaverbesserung liegt nun darin, den Lehrer für Klimaaspekte zu sensitivieren. Dies ist nicht einfach, weshalb einige Autoren Lehrerfortbildungsmaßnahmen vorschlagen, die dem Lehrer ermöglichen sollen, die Gruppe seiner Schüler kennenzulernen. WASHBURN & HAMMOND (1982) sehen z. B. einen Weg darin, gemeinsame, längere Heimaufenthalte zu verbringen.
SAGOR (1981) schlägt vor, dass Lehrer die Rolle des Schülers einnehmen und versuchen sollten, das Sozialklima aus dieser Perspektive zu beobachten, einfach deshalb, um den eigenen heimlichen Lehrplan kennenzulernen.
Lehrer selbst sehen ihre eigene Rolle nicht als so zentral an. Der Grund mag zum einen darin liegen, dass eine desinteressierte Haltung vorliegt (YOUNG & MILLER, 19?9: "It's not my job"), oder die Möglichkeiten der Lehrer sind durch rein organisatorische Maßnahmen zu eingeschränkt. Gerade der letzte Aspekt wird sehr deutlich in der Notiz einer Lehrerin, die an einer später zu beschreibenden Untersuchung mitgemacht hat: "Dem Klassenlehrer wird eine zu große Einflußnahme zugedacht. Durch das derzeitige Fachlehrersystem sind die Schüler nicht mehr ausschließlich auf ihn fixiert, denn in der Praxis sieht es oft so aus, dass der Klassenlehrer viel zu wenig Unterricht in seiner Klasse hat."
Es gibt z.B. in Rheinland-Pfalz ab der 7. Klasse auch keine Verfügungsstunden; Zeit zur Besprechung von Problemen oder zur Lösung von Konflikten ist wegen der Stoffülle der Lehrpläne kaum möglich. Bleibt nur das persönliche Engagement des Klassenlehrers und seine Bereitschaft, diese Probleme in seiner Freizeit aufzuarbeiten.
i) Sitzordnung
Auf einen letzten Aspekt von Organisation in der Schule, der sich eher auf die 'Feinorganisation' im Unterricht bezieht, sei noch verwiesen, da hierzu viele Untersuchungen vorliegen: die Sitzordnung in der Klasse. Als relativ durchgängiges Ergebnis zeigt sich dabei das Phänomen der sog. 'Aktionszone' des Lehrers (s. TOTUSEK & STATON-SPICER, 1982), d.h die überwiegende Konzentration auf Schüler in der vorderen Mitte des Klassenzimmers (was anscheinend besonders für ängstliche Lehrer gilt (DALY & SUITE, 1981)). Für Schüler, die diese Plätze innehaben, wurden verbesserte Leistungen, höhere Unterrichtsbeteiligung und positivere Einstellungen nachgewiesen (vgl. zusammenfassend DREESMANN, 1983; WEINSTEIN, 1979).
Es gibt Hinweise darauf, dass Schüler in der Aktionszone auch ihre Umwelt verschieden von ihren Mitschülern außerhalb der Aktionszone wahrnehmen; genauere Untersuchungen liegen jedoch bisher nicht vor.
Bei der Durchsicht der Literatur zu den acht genannten Variablen fällt auf, dass der Stellenwert des Klimas sehr verschieden ist: Einmal soll es erklärt werden, das. andere Mal wird es selbst als Erklärung herangezogen. Dies ist an sich nicht ungewöhnlich, aber wird nur sehr ,auf' 1heoretische Bezüge zurückgeführt. Die dargestellten Ergebnisse zeigen trotz ihrer mangelhaften methodischen Basis, wie zentral das Sozialklimakonzept bei der Erklärung des menschlichen Verhaltens sein kann. Alle Ausführungen bezogen sich dabei weitgehend auf das tatsächliche Sozialklima. Es gibt daneben noch einen anderen Weg Man erfragt von den Individuen, wie die Umwelt, in der sie leben, gestaltet sein sollte. Dieses wird Therna des nächsten Abschnittes sein.