Schach: Mittelspiel: Taktik


Formales Teil 1 Teil 2 Teil 3


Allgemeines zur Taktik

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Taktische Glanzleistungen haben sehr häufig etwas heldenhaftes und spektakuläres an sich. Noch heute haben Adolf Andersen, Michail Tal und Viktor Kupreitschik sehr klangvolle Namen. Im Computerzeitalter ist eine taktische Spielweise aber schwer geworden, die Dinger sind einfach besser darin. Wenn man gegen die gewinnen will, dann greift man besser zu strategischen Mitteln. Und weil viele Vereinsspieler zu Hause mit dem einen oder anderen Schachprogramm oder Schachcomputer üben, gewöhnen sie sich eine Spielweise an, die taktische Mittel vermeidet.

Das wesentliche Konzept der Taktik ist die sogenannte Kombination. Damit ist eine Kombination von taktischen Elementen gemeint, und deren Anzahl ist begrenzt. Es sind Die Gabel, Die Fesselung, Der Spieß, Das Ablenkungsopfer, Das Hinlenkungsopfer, Das Beseitigungsopfer, Der Abzug, Der Wartezug, Die Übermacht und Die überlastete Figur.

Die Gabel

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Der weiße Bauer gabelt Turm und Springer, und der schwarze Springer gabelt Dame und Turm.


Die Gabel ist ein einfacher Trick, aber wenn er gelingt, ist er häufig spielentscheidend. Eine Gabel ist die gleichzeitige Bedrohung zweier Punkte (gegnerischer Steine oder Felder) durch einen einzelnen Stein. Da der Gegner häufig nur eine Drohung parieren kann, ist damit in der Regel ein Vorteil (meist Materialgewinn) verbunden.

Jede Figur ist imstande, gegnerische Figuren zu gabeln, aber dem Turm zum Beispiel fällt es schwerer als anderen Figuren.

Als Anfänger sollte man intensiv trainieren, nicht selbst in eine Gabel hineinzugeraten.

Bei Anfängern hat insbesondere die Springergabel verheerende Auswirkungen. Sie sind deshalb oft der Meinung, daß der Springer stärker sei als der Läufer. In Wirklichkeit hat der Springer lediglich eine unorthodoxe Art der Fortbewegung, für die ein Lernender sich erst einmal ein Auge antrainieren muss. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Anfänger der Springergabel nahezu hilflos ausgeliefert, danach relativiert sich die Angelegenheit spürbar.

Die Fesselung

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Die Fesselung ist ausschließlich mit Figuren mit langer Schrittweite, also Läufer, Turm und Dame, möglich. Diese können eine Figur derartig bedrohen, daß diese nicht wegziehen kann, weil die Drohung sonst an eine noch wichtigere Figur weitergeleitet wird.

Man kann verschiedene Formen der Fesselung unterscheiden:

  • Eine echte Fesselung liegt vor, wenn eine Figur wegen Schach nicht mehr ziehen kann. Im Diagramm sind der schwarze Turm auf b6 und der Springer auf g8 echt gefesselt.
  • Eine fast echte Fesselung liegt vor, wenn eine Figur nur noch entlang der Linie der Fesselung ziehen kann. Im Diagramm ist die Dame fast echt gefesselt.
  • Und eine unechte Fesselung liegt vor, wenn die gefesselte Figur nach den Regeln zwar ziehen darf, ihr Zug aber Nachteil (meist Materialverlust) bringt. Im Diagramm würde der schwarze Springer g4 den Weg auf den Turm auf c8 freigeben.

Beispiel

Schwarz am Zug


Hier konnte Schwarz einfach 6. ... Sf6xe4 spielen und einen Bauern gewinnen, weil der freiwerdende Fianchettoläufer jetzt den Bewachungsspringer auf c3 fesselt.

Der Spieß

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In diesem Beispiel muss der schwarze König dem Turmschach ausweichen, und damit die schwarze Dame ihrem grausamen Schicksal preisgeben.


Auch der Spieß ist ausschließlich mit Langschrittlern, also Läufer, Turm und Dame, möglich. Der Spieß wirkt ähnlich wie eine Fesselung. Durch einen Spieß wird eine Figur bedroht, sie muss dieser Bedrohung ausweichen und gibt damit den Weg auf einen wichtigen Punkt frei.

Das Ablenkungsopfer

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Die Annahme eines Ablenkungsopfers verhindert die Abwehr der eigentlichen Attacke.

Ein bekanntes Beispiel für eine Ablenkung ist das sogenannte Seekadettenmatt, das der Operette "Der Seekadett" entstammt.

1. e2-e4 e7-e5

2. Sg1-f3 d7-d6

3. Lf1-c4 Lc8-g4

4. Sb1-c3 a7-a6

5. Sf3xe5 Lg4xDd1?

Schwarz ist zu sehr damit beschäftigt, die weiße Dame zu verschlingen, anstatt Rettungsmaßnahmen gegen das drohende Matt zu ergreifen. Besser wäre gewesen, den Springer zu nehmen.

6. Lc4xf7+ Ke8-e7

7. Sc3-d5#


Praxisbeispiel



In dieser Stellung geschah einfach 11. ... Sf6xe4 mit Bauerngewinn und Bedrohung der Dame.

Weiß glaubte aber nicht, daß der Bauer tatsächlich verloren war, und nahm den Springer mit 12. Sc3xSe4 zurück. Damit wurde aber der wichtige Verteidigungsspringer von der langen Diagonalen a1-h8 abgelenkt.

Es folgte 12. ... Lg7xb2+ mit Hinlenkung des weißen Königs nach b1, gefolgt von dem Abzug 13. ... Lb2-c3+ mit Damengewinn.

Das Hinlenkungsopfer

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Das Hinlenkungsopfer ist eines der anspruchsvolleren taktischen Konzepte. Eine Figur opfert sich, um eine gegnerische Figur auf ein ungünstiges Feld zu locken.

In dieser Stellung lenkt ein Damenopfer auf g8 den Turm auf dieses Feld. Der König kann die Dame dort nicht schlagen, weil sie durch den Springer h6 gedeckt ist. Der schwarze Turm muss die Dame schlagen, weil sein König keine Fluchtmöglichkeit hat. Damit blockiert der Turm das letzte Fluchtfeld seines Königs. Ein Springerschach auf f7 beendet die Partie mit Matt. Ein Matt, bei dem den König all seine Felder durch eigene Figuren blockiert sind, ist das erstickte Matt, das bereits bei den Grundregeln angesprochen wurde.

Aus dieser Position wird es herbeigeführt durch

1. Dd5-g8+ Te8xDg8 (erzwungen)

2. Sh6-f7#

Das Beseitigungsopfer

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Das Beseitigungsopfer hat die Aufgabe, strukturell wichtige Figuren des Gegners aus dem Weg zu räumen. Mitunter kann dieses Ziel auch durch Abtausch ohne Opfer erreicht werden. Die strategischen Auswirkungen dieses Konzepts sind häufig enorm, weil damit die ganze Stellung des Gegners zusammenbrechen kann.

Neshmetdinow - Kasparjan (1955)



1. Dc2xSg6+

Obwohl selbst in großer Gefahr, beseitigt Weiß auf diese Art den einzigen echten Verteidiger des schwarzen Königs. Da die verbleibenden weißen Figuren genug Feuerkraft auf den schwarzen König richten können, ist das Opfer gerechtfertigt. Es folgte noch:

1. ... Kh6xDg6

2. Tf1-f6+ Kg6-g5

3. Tf6-f5+ Kg5-g6

4. Tf7-f6+ Kg6-h7

5. Tf5-h5+ Kh7-g7

6. Th5-g5+ Kg7-h7

7. Lh3-f5#

Der Abzug

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Bei einem Abzug werden zwei Figuren gleichzeitig aktiv.

Im Beispiel zieht der weiße Läufer von e2 nach b5 und bedroht dort die schwarze Dame. Dabei könnte er dort leicht von ihr geschlagen werden, wenn er nicht ...


... dem weißen Turm den Weg zum schwarzen König freigeräumt hätte. Dieser bietet jetzt Schach, und Schwarz muss sich darum kümmern, wobei er die Dame verliert.

Der Abzug ist ein sehr starkes taktisches Motiv. Insbesondere, wenn die enthüllte Figur eine sehr starke Drohung aufstellt, z.B. ein Schachgebot, dann kann die abziehende Figur auch Züge durchführen, die man gewöhnlich nicht in Betracht zieht. Sie kann sich auf ein bedrohtes Feld stellen, und im nächsten Zug von dort die Verteidigungslinie des Gegners durchbrechen. Sie kann aber auch eine gedeckte Figur schlagen.

Im Verteidigungssinne ist es eine gute Idee, dem Gegner keinen starken Abzug zu gestatten. Also immer Augen auf!

Praxisbeispiel

Herbert Ahues - K.
1932

Mit gleich zwei Abzugsangriffen siegte Weiß in der nebenstehenden Stellung.

Weiß hat am Königsflügel einen Angriff gestartet, aber scheint nun nicht mehr weiterzukommen, da der schwarze Läufer einen Damenzug erzwingt. 1.Sh4-g6 dürfte nun schnell gewinnen, aber Ahues fand eine elegante Kombination.

Es geschah

1. Dh5xh7+ Kg8xh7

2. Sh4-g6+ Kh7-g8

3. Th3-h8+ Kg8-f7

4. Th8-f8+ Dd6xf8

5. d5-d6#

Der Bauer selbst bietet kein Schach, sondern macht dem Läufer b3 den Weg frei.

Der Wartezug

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Befindet sich der Gegner in einer Zugzwangstellung, d. h. jeder Zug von ihm verschlechtert seine Position, so kann mit einem Wartezug die eigene Stellung indirekt verbessert werden. Wartezüge tauchen regelmäßig im Endspiel auf, denn dort ist mitunter die Anzahl der nützlichen Züge sehr begrenzt.

Im Mittelspiel sind Wartezüge dagegen selten zu finden, und dann meist auf der Seite des Verteidigers. Seine Figuren stehen bereits optimal, um dem Angriff des Gegners zu begegnen, aber der Angriff hat noch nicht begonnen. Dann bietet sich häufig ein Königszug oder ein Turmzug an, weil diese sich bevorzugt im Hintergrund aufhalten und noch nicht vollständig in die Verteidigung eingebunden sind. Solche Züge können außerdem rückgängig gemacht werden.

Gelegentlich kommt es bereits im Mittelspiel zur Einschnürung, und dem Verteidiger steht nur noch eine kleine und überschaubare Anzahl an Zügen zur Verfügung. Ist in einer solchen Lage jeder einzelne Zug für den Verteidiger nachteilig, liegt wiederum Zugzwang vor und ein Wartezug des Angreifers hat Sinn.

Reti (1922)


In dieser bekannten Studie von Richard Réti, erschienen in der Hastings and St. Leonards Post 1922, gewinnt Weiß, indem er zuerst mit 1.Sc2-d4+! Kc6-c5 eine Zugzwangstellung herbeiführt, und dann mit 2.Kg2-h1!! einfach abwartet. Schwarz hat keinen vernünftigen Zug mehr. Falls er mit dem Läufer zieht, wird er durch eine Gabel auf e6 oder b3 erobert und falls er den weißen Springer schlägt, wandelt sich der Bauer a5 in drei Zügen in eine Dame um.

Sämisch - Nimzowitsch


In dieser Stellung zwischen Friedrich Sämisch und Aaron Nimzowitsch machte Nimzowitsch nur noch einen einzigen Zug, woraufhin Sämisch über eine Stunde lang überlegte und dann aufgab. Nach dem Wartezug 25. ... h7-h6 war eine seltsame Zugzwangstellung entstanden. Mögliche weiße Züge, die nicht sofort eine Figur einstellen, waren 26.Te1-d1 oder 26.Te1-c1, wonach 26. ... Tf2-e2 die Dame gewinnt. Genauso schlecht ist 26.Lg2-f1 Tf2-f3 oder 26.Kh1-h2 Tf5-f3. Es bleiben noch die Bauernzüge. Am Damenflügel kann Schwarz nach 26.a2-a3 oder 26.b2-b3 einfach a6-a5 spielen und abwarten. Am Königsflügel kann Schwarz auf einen Zug des h-Bauern auch abwarten, Lg2-h3 würde dann mit Tf5-f3 beantwortet. Der einzige sinnvolle Zug ist also 26.g3-g4, aber daraufhin folgt dennoch 26. ... Tf5-f3! 27.Lg2xf3 Tf2-h2#.

Die Übermacht

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Hierbei handelt es sich um ein recht einfaches Konzept. Es gewinnt derjenige, der ein Feld am häufigsten kontrolliert. Es ist lediglich darauf zu achten, das beim Tausch nicht wertvolleres Material eingesetzt wird als beim Gegner.



Thema in dieser Stellung mit Weiß am Zug ist der schwarze Bauer auf d5. Dieser wird verteidigt von seinem Bruder auf c6 und dem Läufer auf e6. Insgesamt wird der Bauer also nur zweimal verteidigt.

Angegriffen wird er aber durch den Bauern auf e4, den Läufer auf b3, den Springer auf c3 und den Turm auf d1. Eigentlich auch noch von der Dame auf f3, aber bei dem gleich folgenden Gemetzel wird der Weg zwischen dem schwarzen Turm auf e8 und dem Läufer auf e3 freigeräumt, und die Dame muss diesen bewachen. Sie darf deshalb zur Berechnung nicht herangezogen werden. Der Bauer wird folglich effektiv viermal angegriffen.

Es gibt noch einen Faktor: Weiß kann nicht sofort mit dem Austausch beginnen, weil dann der Springer auf f5 schutzlos dem Läufer e6 ausgeliefert ist. Der Springer darf auch nicht einfach wegziehen, weil sonst Schwarz die Situation auflöst, indem er seinen Bauern abtauscht. Ein Springerzug sollte also eine Drohung aufstellen, die Schwarz zu parieren hat. Auf den Partiezug 15. Sf5xLe7+ folgt 15. ... Sg6xSe7, und der schwarze Bauer ist ein weiteres Mal verteidigt.

Dadurch ergibt sich ein neues Angriffs-Verteidigungsverhältnis für den schwarzen Bauern auf d5. Dieses beträgt somit 4:3, Weiß hat eine Übermacht, und gewinnt folglich den schwarzen Bauern.

16. e4xd5 c6xd5
17. Lb3xd5 Le6xLd5
18. Sc3xLd5 Se7xSd5
19. Td1xSd5 und der Bauer ist gewonnen.

Die überlastete Figur

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Eine Figur, der mehrere Aufgaben zukommen, kann in die unangenehme Situation geraten, nicht mehr alle Aufgaben erfüllen zu können.


Diese Stellung, in der Schwarz am Zug ist, ist recht unübersichtlich. Schwarz droht, seinen Bauern in wenigen Zügen umzuwandeln. Weiß dagegen droht in der für ihn nachteiligen Stellung mit Remis durch Dauerschach: 44. Sf6xh7+ Kf8-e8 45. Sh7-f6+ Ke8-f8 (keine andere Möglichkeit) 46. Sf6-h7+ Kf8-g8 47. Sh7-f6+ und da 47. ... Kg8-h8 zum Matt 48. Td7-h7# führt, muss der König wieder nach f8.

43. ... Tc5-f5

Mit diesem Zug unterbindet Schwarz die Drohung von Weiß. Nach 44. Sf6xh7+ kann der weiße Springer nicht wieder auf das Feld f6 zurückkehren, weil er dort einfach geschlagen wird.

Außerdem ist Weiß gezwungen, sich um den bedrohten Springer zu kümmern, und verliert ein wichtiges Tempo. Wenn Weiß den Springer einfach nur wegzieht, dann gewinnt Schwarz mit einer kleinen, gemeinen taktischen Wendung, z. B. 44. Sf6-e4 c3-c2 45. Td7-c7 (um den Bauern aufzuhalten) Sb2-d3 (überwacht das Umwandlungsfeld) 46. Tc7xc2 Sd3-e1+ 47. K~ Se1xTc2

44. Sf6xh7+



Auf diese Weise holt sich Weiß das Tempo wieder zurück, aber zu einem teuren Preis. Der Springer benötigt zumindest für ein paar Züge den Schutz seines Turms, welcher aber auch die Umwandlung des schwarzen Bauern zu verhindern hat.

44. ... Kf8-g8

45. Td7-c7

Jetzt geht der eben angesprochene taktische Trick nicht mehr, weil der weiße Turm zu schnell ist, also

45. ... Sb2xa4

und der schwarze Bauer ist wieder bewacht.

46. h2-h4

um dem weißen Springer aus seiner misslichen Lage zu helfen, aber es ist schon zu spät:

46. ... Tf5-f7 (Turmgabel)

47. Tc7-c4 b7-b5


und da Weiß in dieser Situation weiteren massiven Materialverlust nicht vermeiden konnte, gab er auf.