Leere Menge und Allklasse – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“
Leere Menge
BearbeitenDefinition
BearbeitenDie leere Menge ist diejenige Menge, die keine Elemente enthält. Für die leere Menge werden die Symbole oder oder die Schreibweise verwendet. Dabei ist die leere Menge nicht „nichts“. Sie ist ein existentes Objekt, nämlich diejenige Menge, die nichts enthält.
Stellen wir uns vor, man trinkt ein Glas leer. Nachdem das Glas ganz ausgetrunken wurde, verbleibt keine Flüssigkeit mehr darin – das Glas ist also leer. Dem Inhalt des leeren Glases entspricht die leere Menge. Sie ist eine Menge, welche nichts umfasst und damit den leeren Inhalt repräsentiert.
Definition (leere Menge)
Die leere Menge ist die Menge, die keine Elemente enthält. Sie wird definiert durch:
Beispiele
BearbeitenBeispiel (leere Menge)
Anmerkungen zu den Beispielen:
- Es kann kein geben, welches die definierende Bedingung erfüllt und sich von sich selbst unterscheidet. Anders ausgedrückt: ist immer oder Ich bin immer Ich.
- Die Nullstellenmenge der Polynomfunktion ist leer in , da der Ausdruck innerhalb der reellen Zahlen unlösbar ist.
- Die Menge ist die einelementige Menge der leeren Menge (also eine Menge, die die leere Menge beinhaltet und damit nicht leer ist!). Im Gegensatz dazu besitzt keine Elemente.
Verständnisfrage: Gilt für jede Menge , dass ? Ist es also so, dass jede Teilmenge der leeren Menge gleich der leeren Menge sein muss?
Ja, dem ist so. Sei eine Menge mit . Dann ist jedes Element von auch Element der leeren Menge. Nun enthält aber die leere Menge keine Elemente. Damit kann aber auch keine Elemente enthalten, womit diese Menge selbst die leere Menge ist.
Eigenschaften der leeren Menge
BearbeitenFür die leere Menge gelten folgende Eigenschaften:
- Die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge, das heißt für jede Menge ist .
- Die einzige Teilmenge der leeren Menge ist die leere Menge: .
- Jede Existenzaussage über der leeren Menge ist falsch. Dies bedeutet, dass jede Aussage der Form und der Form falsch ist, denn es gibt kein Objekt in der leeren Menge, welches erfüllen würde.
- Jede Allaussage über der leeren Menge ist wahr. Dies bedeutet, dass jede Aussage der Form wahr ist, weil es kein Objekt in der leeren Menge gibt, für das man überprüfen müsste.
- Nach dem Extensionalitätsprinzip gibt es nur eine leere Menge. Zwei Mengen sind nämlich identisch, wenn sie dieselben Elemente besitzen. Zwei leere Mengen besitzen dieselben Elemente (nämlich keine) und müssen deswegen ein- und dasselbe Objekt sein. Es ist also , da beide Mengen leer sind.
Anmerkungen zu den Eigenschaften:
Eigenschaft 3 & 4: Um die Eigenschaften zu verstehen, müssen die Symbole (Allquantor) und (Existenzquantor) verstanden sein. So lautet etwa die Aussage ausgesprochen: Es gibt mindestens ein aus der leeren Menge, für welches die Aussage wahr ist.
Verständnisfragen: Sind die folgenden Aussagen richtig oder falsch?
Lösungen:
- Richtig, denn die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge, also auch von sich selbst.
- Richtig, denn die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge.
- Falsch, denn es gilt und .
- Falsch, denn die leere Menge enthält keine Elemente.
- Richtig, denn die Menge enthält als Element.
- Richtig, dies ist die Kontraposition zur Aussage .
- Richtig. Zunächst ist stets . Wenn zusätzlich nicht leer ist, ist die leere Menge eine echte Teilmenge von .
- Richtig, denn .
Allklasse
BearbeitenDefinition
BearbeitenDas Gegenstück zur leeren Menge ist die Allklasse. Sie enthält alle Elemente des betrachteten Grundbereiches. Sie wird oft mit bezeichnet, weil sie der Wertebereich der Variablen ist. Sie kann durch eine beliebige Aussage oder Aussageform definiert werden, die immer wahr ist. Wir nehmen hier die Aussageform .
Definition (Allklasse)
Die Allklasse ist definiert über . Statt Allklassen sagt man auch Variablenbereich, denn es ist für alle Objekte des betrachteten Grundbereiches:
Die Allklasse hat folgende Eigenschaften:
- Jede Menge ist Teilmenge der Allklasse, d.h. für jede Menge gilt .
- Die einzige Oberklasse der Allklasse ist sie selbst: .
- Es gibt nur eine Allklasse, denn eine zweite Allklasse müsste ebenfalls alle Elemente enthalten und nach dem Extensionalitätsprinzip gilt dann .
Ausblick: Warum ist die Allklasse keine Menge?
BearbeitenWarum heißt die Allklasse nicht Allmenge? Weil wir nicht sicher sind, dass sie wirklich eine Menge ist! Von Mengen erwarten wir bestimmte Eigenschaften, die wir im Kapitel „Axiomatische Mengenlehre“ näher kennen lernen werden. Eines können wir aber hier schon sagen: wäre eine komische Menge! Wir erinnern uns an das Abstraktionsprinzip, das wir im Zusammenhang mit der beschreibenden Mengenschreibweise formuliert haben. Danach gilt für beliebige . Das wenden wir auf die Allklasse an. Die definierende Bedingung ist und es gilt sicherlich auch . Also erfüllt die definierende Bedingung und ist daher selbst ein Element von , es gälte also . Diese Eigenschaft erwarten wir aber eigentlich nicht von Mengen. Deswegen wird die Allklasse auch nicht als Menge, sondern als sogenannte Klasse definiert, die wir später kennen lernen werden.