Epimorphismus (Lineare Algebra) – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Lineare Abbildungen erhalten Linearkombinationen. Wir lernen nun spezielle lineare Abbildungen kennen, die Erzeugendensysteme erhalten. Diese nennt man Epimorphismen.

Motivation und Herleitung Bearbeiten

Im Artikel über Monomorphismen haben wir lineare Abbildungen betrachtet, welche linear unabhängige Vektoren auf linear unabhängige Vektoren abbilden. Dort haben wir herausgefunden, dass diese Abbildungen genau injektive lineare Abbildungen sind. Injektiven lineare Abbildungen "erhalten" also die lineare Unabhängigkeit.

Mit Hilfe der linearen Unabhängigkeit konnten wir den intuitiven Dimensionsbegriff durch Begriffe der linearen Algebra ausdrücken. Dafür brauchen wir auch den Begriff des Erzeugendensystems. Also fragen wir uns: Welche linearen Abbildungen bildet ein Erzeugendensystem des Urbildraums auf ein Erzeugendensystem des Bildraums ab?

Seien also   zwei  -Vektorräume über demselben Körper   und   ein Erzeugendensystem. Welche Eigenschaften muss eine lineare Abbildung   nun haben, damit   ein Erzeugendensystem vom Vektorraum   ist? Dafür müsste ein beliebiges   als eine Linearkombination der   dargestellt werden können. Das bedeutet, wir müssen   finden, sodass

 

Da die Abbildung   linear ist, ist das äquivalent zu

 

Also muss   im Bild von   liegen. Das soll für jedes   gelten. Somit ist   eine notwendige Bedingung, damit   Erzeugendensysteme erhält.

Ist das auch ein hinreichende Bedingung? Gelte  . Wir überlegen, ob jedes   als Linearkombination der   darstellbar ist. Wegen   gibt es für   einen Vektor   mit  . Da   ein Erzeugendensystem von   ist, gibt es   mit

 

Damit folgt für  :

 

Also liegt   im Erzeugnis der  .

Die lineare Abbildung   erhält somit genau dann Erzeugendensysteme, wenn  . Außerdem erfüllt   genau dann die Bedingung  , wenn   surjektiv ist. Eine lineare Abbildung muss also surjektiv sein, um die Erzeugendeneigenschaft zu erhalten. Surjektive lineare Abbildungen nennen wir Epimorphismen.

Definition Bearbeiten

Definition (Epimorphismus)

Ein Epimorphismus ist eine surjektive lineare Abbildung   zwischen zwei  -Vektorräumen   und  . Das heißt: zu jedem   gibt es ein   derart, dass   ist.

Äquivalente Charakterisierungen von Epimorphismen Bearbeiten

Wir haben uns schon in der Motivation überlegt, dass surjektive lineare Abbildungen genau die Abbildungen sind, die Erzeugendensysteme erhalten. Weil der Fall endlicher Erzeugendensysteme wichtiger als die allgemeine Aussage ist, zeigen wir nun dieses zuerst. Danach überlegen wir, was wir für den allgemeinen Fall ändern müssen:

Satz (Epimorphismen erhalten Erzeugendensysteme – endlichdimensionaler Fall)

Sei   eine lineare Abbildung und sei   ein Erzeugendensystem von  .

Die lineare Abbildung   ist genau dann ein Epimorphismus, wenn   ein Erzeugendensystem von   ist.

Beweis (Epimorphismen erhalten Erzeugendensysteme – endlichdimensionaler Fall)

Beweisschritt:  ist ein Epimorphismus“    ist ein Erzeugendensystem“

Sei   beliebig. Dann gibt es nach Voraussetzung ein Element   mit  . Da   den Vektorraum   erzeugt, gibt es   mit  . Es gilt dann:

 

Also lässt sich   als Linearkombination von   darstellen. Da   beliebig war, ist   ein Erzeugendensystem von  .

Beweisschritt:  ist ein Erzeugendensystem“    ist ein Epimorphismus“

Sei   beliebig. Wir müssen zeigen, dass es ein   mit   gibt. Da   von   erzeugt wird, gibt es Skalare   mit  . Wir setzen nun  . Dann gilt:

 

Das beweist, dass   surjektiv, also ein Epimorphismus ist.

Jetzt schauen wir auf den allgemeinen Fall:

Satz (Epimorphismen erhalten Erzeugendensysteme)

Sei   eine lineare Abbildung und sei   ein Erzeugendensystem von  .

Die lineare Abbildung   ist genau dann ein Epimorphismus, wenn   ein Erzeugendensystem von   ist.

Beweis (Epimorphismen erhalten Erzeugendensysteme)

Wir können den Beweis von oben fast wörtlich übernehmen: Da   ein Erzeugendensystem von   ist, bedeutet das, dass jeder Vektor   eine Darstellung   hat, wobei   Skalare und   aus   sind.

Das einzige, was sich ändert ist, dass die Summen keine feste Anzahl von Summanden mehr haben. Im obigen Beweis konnten wir die Summen immer von   bis   laufen lassen. Hier hängt die Anzahl der Summanden von den Vektoren   bzw.   ab. Aber es ist immer noch eine endliche Anzahl von Summanden. Deshalb ist der Rest des Beweises genauso wie im endlichen Fall.

Wir werden jetzt noch eine zweite (kategorientheoretische) Charakterisierung von Epimorphismen kennen lernen, die "Rechtskürzbarkeit":

Satz (Epimorphismen sind rechtskürzbar)

Sei   ein Homomorphismus. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

  1.   ist ein Epimorphismus.
  2. Für alle Vektorräume   und alle   mit   gilt  . Diese Eigenschaft nennt man rechtskürzbar.

Beweis (Epimorphismen sind rechtskürzbar)

Beweisschritt: 1. 2., durch direkten Beweis

Sei   ein Epimorphismus, d.h.   ist surjektiv. Sei   ein Vektorraum, und  , sodass  . Wir wollen zeigen, dass   gilt. Da   und   Abbildungen mit gleichem Definitionsbereich   und gleichem Zielbereich   sind, müssen wir zeigen, dass   für alle   gilt.

Sei also  . Da   surjektiv ist, existiert ein   mit  . Dann ist  . Da wir   beliebig gewählt haben, folgt  .

Beweisschritt: 2. 1., durch Widerspruch

Sei   ein Homomorphismus. Angenommen,   ist kein Epimorphismus, d.h. nicht surjektiv. Dann gibt es ein   mit  . Insbesondere ist  , da  . Wir erweitern   zu einer Basis   von  .

Wir definieren nun zwei Homomorphismen  . Zunächst setzen wir  . Weiterhin definieren wir   mittels dem Prinzip der linearen Fortsetzung auf der Basis  :   für alle  .

Als nächstes zeigen wir  . Sei dazu  . Dann liegt  , da ja  . Da  , ist  .

Aber  , da  .

Dies ist ein Widerspruch zur Annahme, und es folgt, dass   ein Epimorphismus ist.

Epimorphismen zwischen endlichdimensionalen Vektorräumen Bearbeiten

Die Eigenschaft von Epimorphismen, Erzeugendensysteme zu erhalten führt uns zu folgender Überlegung:

Satz (Existenz von Epimorphismen)

Seien   und   zwei endlich dimensionale Vektorräume. Ein Epimorphismus von   nach   existiert genau dann, wenn  .

Wie kommt man auf den Beweis? (Existenz von Epimorphismen)

Wir wollen die Dimensionen von   und   gegeneinander abschätzen. Die Dimension ist über die Kardinalität einer Basis definiert. Das heißt, wenn   eine Basis von   und   eine Basis von   ist, müssen wir den Fall   charakterisieren. Dafür müssen wir zwei Richtungen zeigen.

Wenn wir nun eine surjektive lineare Abbildung   haben, können wir uns fragen, welche Eigenschaften von Basen   erhält. Im Artikel Epimorphismus, haben wir gesehen, dass eine surjektive lineare Abbildung Erzeugendensysteme erhält. Weil Basen insbesondere Erzeugendensysteme sind, ist somit   ein Erzeugendensystem von  . Nun wissen wir, dass Basen minimale Erzeugendensysteme sind. Es gibt also kein Erzeugendensystem von  , das weniger als   Elemente hat. Somit muss   gelten.

Wenn umgekehrt   gilt, müssen wir eine surjektive lineare Abbildung   konstruieren. Nach dem Prinzip der linearen Fortsetzung können wir die lineare Abbildung   konstruieren, indem wir angeben, was   auf einer Basis von   macht. Dafür brauchen wir Elemente von  , auf die wir   schicken können. Wir haben oben schon eine Basis von   gewählt, daher bietet es sich an,   wie folgt zu definieren:

 

Dann wir das Bild von   durch die Vektoren   aufgespannt. Dies spannt jedoch ganz   auf und somit ist   surjektiv.

Beweis (Existenz von Epimorphismen)

Beweisschritt: Es gibt einen Epimorphismus  

Sei   ein Epimorphismus und   eine Basis von  . Dann ist   insbesondere ein Erzeugendensystem von   und daher   ein Erzeugendensystem von  . Es folgt also, dass   ist. Somit ist   ein notwendiges Kriterium für die Existenz eines Epimorphismus von   nach  .

Beweisschritt:   es gibt einen Epimorphismus

Umgekehrt können wir im Fall   einen Epimorphismus konstruieren: Sei   eine Basis von   und   eine Basis von  , wobei  . Wir definieren eine lineare Abbildung  , indem wir

 

definieren. Nach dem Prinzip der linearen Fortsetzung existiert eine solche lineare Abbildung und ist durch diese Vorschrift schon eindeutig bestimmt. Sie ist außerdem surjektiv, da jedes Element einer Basis von   im Bild von   ist und deshalb ein Erzeugendensystem von   auf ein Erzeugendensystem von   abgebildet wird:

 

Beispiele Bearbeiten

Beispiel

Wir betrachten die Vektorräume   und   mit  , sowie die lineare Abbildung

 

Bei dieser Abbildung schneiden wir einfach die letzten   Komponenten ab. Damit ist klar, warum wir   fordern müssen (falls   ist, ist die Abbildung einfach die Identität). Diese Abbildung ist ein Epimorphismus: Sei  . Dann gilt  .

Beispiel

Für einen Körper   und zwei  -Vektorräume   ist die Abbildung

 

ein Epimorphismus. Hier bezeichnet   die äußere direkte Summe.

Wir zeigen dafür zunächst, dass die Abbildung   linear ist. Seien dafür  , sowie   beliebig. Dann ist   und  . Das zeigt die Linearität.

Sei jetzt   beliebig. Dann ist   für jedes  . Das heißt, dass   ein Urbild von   unter   ist. Also ist   ein Epimorphismus. Ist   nicht der Nullraum, so gibt es sogar mehrere (vielleicht sogar unendlich viele) Urbilder.

Aufgaben Bearbeiten

Aufgabe

Wir betrachten den  . Wir schreiben   für die Standardbasis. Sei   die nach dem Prinzip der linearen Fortsetzung eindeutig bestimmte lineare Abbildung  , die

 

erfüllt. Zeige, dass   ein Epimorphismus ist.

Lösung

Nach Konstruktion ist   eine lineare Abbildung. Wir wollen zeigen, dass   ein Erzeugendensystem des   ist. Dann folgt mit dem oberen Satz, dass   ein Epimorphismus ist. Wir müssen also jedes   als eine Linearkombination der Vektoren   darstellen. Entsprechend suchen wir  , so dass

 

Daraus erhalten wir das lineare Gleichungssystem

 

welches durch   und   gelöst wird. Wir haben also   für alle  . Also ist   ein Erzeugendensystem. Damit ist bewiesen, dass   ein Epimorphismus ist.

Aufgabe

Betrachte den Funktionenraum   aller Funktionen von   nach  , sowie die Abbildung

 

Zeige, dass   ein Epimorphismus ist.

Lösung

Die Verknüpfungen auf dem Funktionenraum sind jeweils elementweise definiert. Das bedeutet: für  ,   und   gilt, dass   und  . Insbesondere trifft das für   zu, woraus

 

und

 

folgt. Damit haben wir die Linearität gezeigt.

Um die Surjektivität nachzuweisen, sei   beliebig. Wir müssen zeigen, dass es ein   mit   gibt. Eine solche Abbildung existiert, da z.B. die konstante Funktion

 

die geforderten Eigenschaften hat. Jedes   besitzt damit ein Urbild, also ist   ein Epimorphismus.