Basiswechselmatrizen – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“
In diesem Artikel lernen wir Basiswechselmatrizen kennen. Mithilfe von Basiswechselmatrizen kann man Koordinaten bzgl. einer gegebenen Basis in Koordinaten bzgl. einer anderen Basis umrechnen. Das ist insbesondere nützlich für das Rechnen mit Abbildungsmatrizen.
Wir haben im Artikel Basis gesehen, dass jeder endlichdimensionale Vektorraum eine Basis besitzt. Das heißt, wenn ein -dimensionaler -Vektorraum ist, gibt es eine Basis von . Also lässt sich jeder Vektor eindeutig als Linearkombination der Basisvektoren schreiben, d.h. mit eindeutigen .
Weiter wissen wir, dass Vektorräume mehr als eine Basis haben können. Sei eine zweite Basis von . Dann können wir auch eindeutig als Linearkombination der schreiben, d.h. mit eindeutigen .
Wir haben also zwei Darstellungen des Vektors . Über die Basis bekommen wir die Darstellung und über die Basis erhalten wir .
Wie können wir die Basisdarstellung bezüglich des Vektors in die Darstellung bezüglich überführen?
Diese Frage ist insbesondere interessant im Zusammenhang mit Abbildungsmatrizen, wie wir weiter unten im Abschnitt Anwendung von Basiswechselmatrizen sehen werden. Abbildungsmatrizen erlauben uns, mit Koordinaten statt mit Vektoren von zu rechnen. Die Koordinaten eines Vektors hängen aber immer von der gewählten Basis in ab. Wir wollen eine einfache Möglichkeit, um Koordinaten beliebiger Vektoren bzgl. einer Basis von in Koordinaten bzgl. einer anderen Basis von umzurechnen.
Um diese Frage zu ergründen, starten wir mit einem einfacheren Spezialfall. Als Vektorraum betrachten wir den und setzen als die (geordnete) Standardbasis fest. Sei weiter eine beliebige geordnete Basis des . Weil Abbildungsmatrizen von der Reihenfolge der Basisvektoren abhängen, müssen wir für und geordnete Basen benutzen.
Sei ein Vektor, dessen Koordinaten bezüglich der Standardbasis wir kennen. Der Vektor lässt sich in der Basis schreiben als für eindeutig bestimmte . Wie können wir die Koordinaten von bzgl. einfach aus den Koordinaten von bzgl. der Standardbasis berechnen?
Dafür wollen wir die Abbildung beschreiben, die jeden Vektor auf seinen Koordinatenvektor bzgl. abbildet. Diese Abbildung ist die Koordinatenabbildung, die wir schon aus dem Artikel "Isomorphismus" kennen. Sie ist linear.
Um zu beschreiben, können wir die darstellende Matrix bzgl. der Standardbasis berechnen. Per Definition der darstellenden Matrix im erhalten wir dann den gesuchten Koordinatenvektor , indem wir von links mit multiplizieren.
Um die Matrix zu berechnen, müssen wir bestimmen. Diese bilden dann die Spalten von . Wir suchen also die Koordinaten von bzgl. , müssen diese also als Linearkombination von Vektoren in schreiben. Wir erhalten Gleichungen
wobei die die gesuchten Koordinaten sind.
Die Koeffizienten kann man durch Lösen eines linearen Gleichungssystems bestimmen.
Beispiel (Basiswechsel zur Standardbasis)
Wir untersuchen dieses Vorgehen an einem konkreten Beispiel. Dafür betrachten wir als Vektorraum mit der geordneten Standardbasis
Außerdem wählen wir die geordnete Basis wie folgt:
Jeden Vektor in kann man in der Basis und der Basis darstellen, so erhält man die oben genannten Koeffizienten bzw. . Zum Beispiel sind für den Vektor die Koeffizienten und , denn
Um die Koeffizienten leichter bestimmen zu können, drücken wir die Standardbasis in der Basis aus. Das bedeutet wir wollen die Koeffizienten finden mit
Durch Ausprobieren oder Lösen von linearen Gleichungssystemen können wir die Koeffizienten bestimmen und erhalten:
Dann ist für .
Damit erhalten wir die Abbildungsmatrix
Wir erhalten für alle .
Die gesuchten Vorfaktoren erhalten wir also durch
Beispiel (Basiswechsel zur Standardbasis Teil 2)
Für unser obiges Beispiel können wir auch die Matrix angeben:
Mit dieser Matrix können wir die Koeffizienten des Vektors auch ganz einfach berechnen:
Das heißt , wie wir es auch schon oben berechnet haben.
Verallgemeinerung auf beliebige endlichdimensionale Vektorräume
In einem allgemeinen endlichdimensionalen Vektorraum gibt es anders als im keine Standardbasis. In dieser Situation haben wir zwei geordnete Basen und .
Weiter haben wir einen beliebigen Vektor gegeben als Linearkombination bzgl. der Basis mit . Die Koeffizienten werden auch die Koordinaten von bzgl. genannt.
Entsprechend sind die Koordinaten bzgl. der Basis gewisse Skalare mit .
Wir suchen eine Methode, um die Koordinaten bzgl. eines beliebigen Vektors in die Koordinaten bzgl. umzurechnen. Wir benötigen also eine Abbildung , die auf abbildet.
Wir kennen bereits die Koordinatenabbildungen mit und mit . Wir wollen aus den Vektor erhalten. Die Koordinatenabbildungen sind Isomorphismen. Also schickt den Vektor auf und bildet auf ab. Führen wir erst und anschließend aus, so erhalten wir eine Abbildung, die auf abbildet.
Unsere gewünschte Transformation wird also durch die lineare Abbildung realisiert. Wir können dann, wie oben bei der Situation im , die Abbildungsmatrix von dieser linearen Abbildung im bezüglich der Standardbasis bestimmen. Diese Abbildungsmatrix ist dann . Wenn wir uns an den Artikel Abbildungsmatrizen erinnern, ist dies aber das Gleiche, wie die Abbildungsmatrix , wegen .
Es ergibt auch intuitiv Sinn, dass die Basiswechselmatrix von nach genau durch die darstellende Matrix der Identität bzgl. den Basen und gegeben ist. Denn multiplizieren wir den Koordinatenvektor bzgl. eines Vektors von links mit , so erhalten wir per Definition der darstellenden Matrix genau den Koordinatenvektor bzgl. von . Es gilt also
für alle . Die Matrix rechnet also Koordinaten bzgl. in Koordinaten bzgl. um. Das ist genau, was die Basiswechselmatrix auch macht.
Sei ein endlichdimensionaler Vektorraum und seien und zwei geordnete Basen von . Dann ist die Basiswechselmatrix von nach die Abbildungsmatrix der Identität bzgl. der Basen und , also . Wir nennen diese Matrix .
Die Basiswechselmatrix hat noch viele andere Namen. Sie wird in der Literatur auch als Übergangsmatrix, Basisübergangsmatrix, Transformationsmatrix oder Koordinatenwechselmatrix bezeichnet.
Warnung
Die Namen Transformations- bzw. Übergangsmatrix bezeichnen in der Literatur manchmal auch Matrizen, die keine Basiswechselmatrizen sind.
Motivation für das Problem kürzer/deutlicher: wollen darstellende Matrizen für verschiedene Basen ineinander umrechnen (-> ist der Rückgriff auf die 1-1 Korrespondenz wirklich nötig?)
Lösung des Problems: das Ergebnis (die Formel zum Rechnen) sichtbarer machen
Wir können für jede lineare Abbildung zwischen zwei endlich dimensionalen Vektorräumen eine Abbildungsmatrix finden. Diese hängt aber von der Wahl der geordneten Basen und ab. Wählen wir andere Basen oder , erhalten wir wahrscheinlich eine andere Abbildungsmatrix. Das sehen wir in folgendem Beispiel:
Beispiel (Verschiedene Darstellungsmatrizen einer Abbildung)
Wir betrachten die Abbildung
Sei die Standardbasis des . Wir betrachten außerdem die geordneten Basen und . Dann ist
Da
gilt, sieht die Abbildungsmatrix von bzgl. und wie folgt aus:
Führen wir die gleiche Rechnung mit den Basen und aus, erhalten wir
Damit ist die Abbildungsmatrix von bzgl. der Basen und
Gegeben sind eine Abbildung und geordnete Basen und von sowie und von . Wir stellen uns folgende Frage: Wie können wir die Darstellungsmatrix in die Darstellungsmatrix überführen?
Satz (Basiswechsel und Darstellungsmatrizen)
Sei eine lineare Abbildung und seien geordnete Basen und von sowie und von gegeben. Dann gilt
Die darstellende Matrix von bzgl. und erhält man also aus der darstellenden Matrix von bzgl. und durch Multiplikation von links und von rechts mit den entsprechenden Basiswechselmatrizen.
Wir wollen uns im Folgenden überlegen, warum die Formel aus dem Satz richtig ist und wie man darauf kommt.
Aus der Definition der Darstellungsmatrix wissen wir, dass für alle Vektoren gilt und .
Diese Gleichung können wir einem Diagram veranschaulichen:
Bei diesen beiden Diagrammen ist es egal, welchen Weg man geht. Zum Beispiel ist es egal, ob wir mit von direkt nach gehen oder den Umweg über und einschlagen. Entsteht bei jedem Weg die gleiche Abbildung, spricht man von einem kommutierenden Diagramm.
Wir können die beiden Diagramme zusammenfügen:
Auch dieses Diagramm kommutiert wieder. Das heißt, wenn man einen festen Start- und Endpunkt hat, ist es immer noch egal, welchen Weg man im Diagramm geht. Es kommt immer die gleiche Abbildung heraus.
Wenn wir links oben bei starten, ist es also egal, welchen Weg wir nutzen, um zum unten links zu kommen.
Wir können über von nach gelangen oder zuerst , dann und schließlich ausführen.
Folglich ist die Abbildung gleich der Verknüpfung der Abbildungen , und .
Wir haben nun gesehen, dass die Abbildung in die Abbildung überführt werden kann.
Ursprünglich wollten wir aber die Matrix in die Matrix überführen.
Wie kommen wir von der Abbildung wieder zu der Matrix ?
Die Matrix sieht kompliziert aus. Deshalb überlegen wir uns, wie wir diese Frage für eine allgemeine Matrix beantworten können. Wir betrachten die zu zugehörige lineare Abbildung . Die Darstellungsmatrix der linearen Abbildung bezüglich den Standardbasen des und ist wieder .
Setzen wir nun die Matrix für ein. Die Darstellungsmatrix der Abbildung bezüglich den Standardbasen ist genau .
Wie wir schon gesehen haben, ist die Abbildung gleich der Verknüpfung der Abbildungen , und .
Also stimmt die Darstellungsmatrix der Verknüpfung von , und bzgl. der Standardbasen mit überein.
Wir können die Darstellungsmatrix der Verknüpfung aber auch anders ermitteln.
Im Artikel Matrizenmultiplikation haben wir gesehen, dass Verknüpfungen von Abbildungen genau der Multiplikation der jeweiligen Darstellungsmatrizen entsprechen.
Deshalb schreiben wir die Darstellungsmatrizen der verknüpften Abbildungen einzeln auf und multiplizieren sie dann.
Wie wir für schon gesehen haben, ist die Darstellungsmatrix von bezüglich der Standardbasen von und wieder .
Die Darstellungsmatrix von haben wir bereits oben hergeleitet, sie ist . Das ist genau die Basiswechselmatrix .
Genauso ist die Darstellungsmatrix von gegeben durch die Basiswechselmatrix .
Multiplizieren wir diese drei Matrizen, erhalten wir die Matrix . Also gilt
Das heißt, dass sich aus durch Linksmultiplikation mit und Rechtsmultiplikation mit berechnen lässt.
Wir wissen nun, wie wir Darstellungsmatrizen einer linearen Abbildung zu verschiedenen Basen ineinander überführen können.
Betrachten wir noch einmal das obige Beispiel.
Wir haben die lineare Abbildung
und die geordneten Basen , und .
Die Matrix haben wir bereits berechnet:
Wir wollen durch Matrizenmultiplikation bestimmen, also durch .
Wir müssen und bestimmen. Es gilt , denn die Basis ändert sich nicht.
Nun zur Berechnung der Basiswechselmatrix :
Wir wissen . Um diese Matrix zu bestimmen, müssen wir die Basisvektoren von in der Basis ausdrücken:
Also ist
Daraus folgt
Überzeuge dich davon, dass dieses Ergebnis mit dem von oben übereinstimmt.
von gegeben.
Sei eine Abbildung mit der folgenden Abbildungsmatrix bzgl. und :
Wir wollen die Abbildungsmatrix von bzgl. den Basen und bestimmen.
Das machen wir mit Matrizenmultiplikation
.
Dafür müssen wir zunächst die Basiswechselmatrizen und berechnen.
Beispiel (Basiswechsel im )
Wir haben zwei Basen
im .
Um die Übergangsmatrix von nach zu bestimmen, gehen wir wie folgt vor:
1. Wir stellen die Basisvektoren von als Linearkombination der Vektoren von dar:
2. Wir schreiben die ermittelten Vorfaktoren der Linearkombinationen als Spaltenvektoren in eine Matrix. Sie ist genau die gesuchte Übergangsmatrix:
Beispiel (Basiswechsel im )
Wir betrachten die Basen
im .
Wir wollen die Basiswechselmatrix von nach berechnen.
Dafür stellen wir die Basisvektoren von als Linearkombination der Vektoren von dar:
Wie oben erhalten wir die Übergangsmatrix , indem wir die Vorfaktoren der Linearkombinationen als Spalten in eine Matrix schreiben:
Beispiel (Basiswechsel einer Darstellungsmatrix)
Wir haben die Basen und von und und Basen von .
Sei eine Abbildung mit der folgenden Abbildungsmatrix bzgl. und :
Wir wollen die Abbildungsmatrix von bzgl. den Basen und bestimmen.
Das machen wir mit Matrizenmultiplikation
.
In den vorherigen Beispielen haben wir und bereits bestimmt. Also können wir einfach rechnen:
Die Abbildungsmatrix von bzgl. den Basen und ist also