Lineare Abbildung und darstellende Matrix – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

In diesem Artikel führen wir Matrizen als eine effiziente Darstellung von linearen Abbildungen ein. Eine Matrix zu einer linearen Abbildung ist eine Anordnung von Elementen aus , die angibt, worauf die Standardbasisvektoren von abbildet.

Herleitung Bearbeiten

Sei   ein Körper und   eine lineare Abbildung. Wir wollen diese auf eine effiziente Art und Weise beschreiben. Da wir aus dem Artikel Raum der linearen Abbildungen wissen, dass der Raum der linearen Abbildungen von   nach   Dimension   hat, und   ein Element dieses Raumes ist, brauchen wir   Daten, um unsere Abbildung zu beschreiben. Wir suchen einen Weg, um diese Daten sinnvoll zu notieren.

Sei   die Standardbasis des  . Dann ist   schon komplett durch die Vektoren   bestimmt: Wenn   ein beliebiger Vektor ist, so können wir ihn als Linearkombination   der Basiselemente schreiben und kennen wegen der Linearität den Wert  .

Wir brauchen also die Daten  . Diese sind Vektoren im  . Das heißt, wir haben:

 

für gewisse  . Das ist eine erste Übersicht über die Daten der Abbildung, jedoch keine effiziente Notation. Daher einigen wir uns darauf, dass wir immer, wenn wir eine Abbildung beschreiben wollen, an der  -ten Position das Bild des  -ten Basisvektors schreiben. So können wir die „ “ weglassen. Wir beschreiben   also durch:

 

Um noch mehr Platz zu sparen, können wir die Einträge dieser Vektoren auch in einer Tabelle zusammenfassen, wobei weiterhin das Bild des  -ten Basisvektors in der  -ten Spalte steht:

 

Diese Tabelle nennen wir eine Matrix. Sie ist die zu   zugeordnete Matrix.

Die Matrix bestimmt   komplett und sie besteht aus   Daten, was mit unseren obigen Überlegungen übereinstimmt.

Definition Bearbeiten

Definition (Matrix)

Sei   ein Körper und  . Seien   für alle   und  . Dann nennen wir

 

eine   Matrix. Die Menge aller   Matrizen bezeichnen wir mit  .

Beispiel (Lineare Abbildung von   nach  )

Wir betrachten die lineare Abbildung

 

Dass   tatsächlich linear ist, können wir in einer Aufgabe sehen.

In der Herleitung haben wir gesehen, dass wir   durch eine Matrix beschreiben können. Diese wollen wir hier berechnen. Dazu müssen wir die Bilder der Standardbasisvektoren

 

berechnen. Für diese gilt

 

Damit beinhalten die drei Vektoren

 

die gesamte Information der Abbildung  . Wenn wir diese nebeneinander in eine Matrix schreiben, erhalten wir, dass die Matrix

 

  darstellt.

Beispiel (Einbettung  )

Betrachten wir nun die Standard-Einbettung des   in den  , das heißt die lineare Abbildung

 

Für die Vektoren der Standardbasis gilt:

 

Wir erhalten als Darstellung der Abbildung   also die Matrix

 

Beispiel (Spiegelung in   entlang einer Achse)

Untersuchen wir noch die Spiegelung des   entlang der x-Achse. Wenn wir einen Vektor   entlang der x-Achse spiegeln, halten wir seine x-Komponente fest und ändern das Vorzeichen seiner y-Komponente. Die Spiegelung ist damit durch

 

gegeben.

Der erste Basisvektor liegt auf der x-Achse und wird somit von der Abbildung nicht beeinflusst. Formal:
 
Der zweite Basisvektor steht senkrecht auf der x-Achse und wird daher auf sein Negatives abgebildet. Formal:
 

Als zu dieser Spiegelung zugehörige Matrix erhalten wir damit:

 

Eine Matrix auf einen Vektor anwenden Bearbeiten

Herleitung Bearbeiten

Eben haben wir gesehen, wie wir alle Informationen über eine lineare Abbildung in einer Matrix darstellen können. Wenn wir nun zu einer linearen Abbildung nicht ihre Abbildungsvorschrift, sondern nur ihre zugehörige Matrix kennen, wissen wir noch nicht, wie wir das Bild eines beliebigen Vektors unter dieser Abbildung berechnen können. Damit werden wir uns jetzt beschäftigen.

Zunächst betrachten wir der Einfachheit halber eine beliebige lineare Abbildung des  . Sei also   eine lineare Abbildung und sei

 

die zu   gehörende Matrix. Das heißt, es gilt

  und  

Wir möchten das Bild eines beliebigen Vektors   unter der Abbildung   berechnen. Wie könnten wir dabei vorgehen, wenn wir das Bild später nur mit Hilfe der Matrix   ausdrücken wollen?

Wir stellen unseren Vektor als Linearkombination der Standardbasisvektoren dar, das heißt

 

Jetzt können wir die Linearität von   ausnutzen und berechnen:

 

Durch diese Berechnung können wir den Effekt der Abbildung   auf einen Vektor allein mit Hilfe der Matrix   beschreiben. Diese Berechnung funktioniert für jeden Vektor und jede  -Matrix. Um die Notation zu vereinfachen, wollen wir aus dieser Berechnung eine Operation von Matrizen und Vektoren definieren:

 

Wir nennen sie die Matrix-Vektor-Multiplikation und schreiben sie als ein Produkt. Den allgemeinen Fall formulieren wir als Aufgabe:

Aufgabe

Sei   eine lineare Abbildung und   die zugehörige Matrix. Finde eine Formel, um mithilfe von   zu einem Vektor   den Wert   zu berechnen.

Lösung

Wir schreiben   als Linearkombination der Standardbasisvektoren: Seien  , sodass   gilt. Dass   die zu   zugehörige Matrix ist, bedeutet, dass   für alle   erfüllt ist. Somit folgt für  , dass

 

Wenn wir die Summennotation verwenden, können wir das Ergebnis als

 

schreiben.

Die Lösung der Aufgabe liefert uns eine Formel, um den Wert eines Vektors unter einer Abbildung mit Hilfe der zugehörigen Matrix zu berechnen. Wir definieren nun, den Wert   als die in der Lösung berechnete Formel.

Definition Bearbeiten

Definition (Matrix-Vektor-Multiplikation)

Sei   ein Körper,   und  . Dann definieren wir

 

Aus einem anderen Blickwinkel bedeutet das: Betrachtet wir die Matrix   als Sammlung von Spaltenvektoren

 

so ist das Produkt   eine Linearkombination der Spalten von   mit den Koeffizienten in  :  .

Wie kannst du dir am besten merken, wie das Anwenden einer Abbildungsmatrix auf einen Vektor funktioniert? Bearbeiten

 
Um eine Abbildungsmatrix auf einen Vektor anzuwenden, rechnest du „Zeile mal Spalte“.

Dabei hilft dir die Regel „Zeile mal Spalte“: Der erste Eintrag des Ergebnisses ist die erste Zeile der Matrix mal dem Spaltenvektor, der zweite Eintrag ist die zweite Zeile der Matrix mal dem Spaltenvektor, usw. bei größeren Matrizen. Bei jedem Produkt „Zeile mal Spalte“ multiplizierst du die zusammengehörigen Einträge (erster mal erster, zweiter mal zweiter usw.) und addierst die Ergebnisse.

Dabei ist es wichtig, dass der Typ der Matrix und der Typ des Vektors zusammenpassen. Wenn du bisher alles richtig aufgestellt hast, sollte das aber immer der Fall sein, denn zu einer linearen Abbildung   gehört eine  -Matrix. Diese kannst du auf Vektoren des  , des Startvektorraums der Abbildung, anwenden.

Umkehrung: Die induzierte Abbildung Bearbeiten

Wir haben gesehen, dass jede lineare Abbildung eine zugehörige Matrix besitzt. Gegeben eine lineare Abbildung  , haben wir eine Matrix   konstruiert, sodass  . Das heißt, einige Matrizen definieren eine lineare Abbildung. Aber tun das alle Matrizen? Und wie sieht dann die entsprechende Abbildung aus?

Wenn eine Matrix   von einer linearen Abbildung   kommt, so können wir   aus   wiederbekommen, indem wir die Abbildung   bilden. Diese Vorschrift können wir aber auch für eine beliebige Matrix definieren, unabhängig davon, ob sie von einer linearen Abbildung kommt.

Sei also   eine   Matrix. Wir betrachten  . Wir rechnen nach, dass diese Abbildung linear ist:

 

Das heißt, jede Matrix definiert eine lineare Abbildung.

Definition (Induzierte Abbildung)

Sei   eine Matrix über dem Körper  . Dann heißt die Abbildung:

 

die von der Matrix   induzierte lineare Abbildung.

Somit wissen wir jetzt, dass es sowohl für eine lineare Abbildung eine zugehörige Matrix gibt, als auch für eine Matrix eine zugehörige lineare Abbildung. Für eine Abbildung  , nennen wir die zugehörige Matrix  . Unsere Konstruktion der induzierten Abbildung, ist so gebaut, dass   gilt. Das bedeutet, dass die induzierte Abbildung der zu der Abbildung   zugehörigen Matrix, die Abbildung   selbst ist. Wir können noch die umgekehrte Frage stellen: Also, ob die zugehörige Matrix einer induzierten Abbildung, wieder die ursprüngliche Matrix ist, d.h. ob jede Matrix   genau die gleichen Einträge hat wie die Matrix  . Der folgende Satz bejaht diese Frage:

Satz (Bijektion zwischen linearen Abbildungen und Matrizen)

Die Zuordnungen   und   sind zueinander inverse Bijektionen. Insbesondere ist für jede Matrix   schon  .

Beweis (Bijektion zwischen linearen Abbildungen und Matrizen)

Um zu zeigen, dass die beiden Abbildungen zueinander inverse Bijektionen sind, genügt es zu zeigen, dass die Hintereinanderausführung der beiden Abbildungen (in jeglicher Reihenfolge) die Identität liefert. Das heißt, es genügt zu zeigen, dass einerseits   und andererseits   gilt. Dass die erste Gleichung gilt, wissen wir schon. Es bleibt also nur, die Zweite zu zeigen. Sei   eine beliebige   Matrix. Sei   der Eintrag in der  -ten Zeile und  -ten Spalte von   und sei   der entsprechende Eintrag der Matrix  .

Per Definition von   gilt

 

Somit ist der  -te Eintrag des Vektors   gleich  , das heißt  

Per Definition der zu   zugehörigen Matrix   ist die  -te Spalte von   gleich dem Bild von   unter  . Das heißt, es gilt

 

Insbesondere folgt für den  -ten Eintrag von   dass  

Insgesamt erhalten wir   Da   und   beliebig gewählt waren, sind alle Einträge der beiden Matrizen gleich und es gilt  

Wir haben jetzt gesehen, dass jede Matrix von einer linearen Abbildung kommt.