Lehren, Lernen und Bildung metaphorisch verstehen/ Analysen
Exemplarische Reflexionen
BearbeitenWarum eine Auseinandersetzung mit (erziehungs-)wissenschaftlichen Modellen und Theorien für angehende Lehrer im Speziellen und Menschen mit besonderem Interesse an pädagogischen und didaktischen Handlungsfeldern im Allgemeinen relevant sind, wurde mit zwei Argumenten bereits in der Einleitung des vorherigen Kapitels skizziert: Die Ermöglichung eines planvollen und systematischen Unterrichtens (oder die Verhinderung von beliebiger Lehre) sowie die Fähigkeit pädagogisch denken zu lernen, um eigene (Berufs-)Erfahrungen analytisch wahrnehmen und pädagogisch beurteilen zu können. Damit werden zugleich Normen sichtbar, welche aus didaktischer bzw. erziehungswissenschaftlicher Sicht an Lehrer gestellt werden. So formuliert Peterßen (2001), dass von Lehrern erwartet wird, “dass er begründen kann, was er zu tun beabsichtigt bzw. was er getan hat, und dass er sein Handeln nicht nur dumpfen Stimmungen und Außenansprüchen überlässt” (S. 232). Die Frage, warum sich (angehende) Lehrer mit (erziehungs-)wissenschaftlichen Modellen auseinandersetzen sollten, begründet Peterßen (2001, S. 232) in diesem Kontext wie folgt:
- “Ohne didaktische Theorie ist wohl keine professionelle Bewältigung didaktischer Aufgabe durch Lehrer möglich!”
- “Didaktische Theorien helfen Lehrern bei der rationalen Begründbarkeit ihrer professionellen Aufgaben!”
Inwiefern didaktische Theorien eine entsprechende Hilfe darstellen, lässt sich zunächst abstrakt anhand der drei von Peterßen (2001) vorgeschlagenen Grundfunktionen didaktischer Theorie skizzieren:
- Orientierungsfunktion
- Strukturierungsfunktion
- Legitimationsfunktion
“Wer nicht weiß, was Schule und Unterricht sind, wird sie nicht als Berufsfeld ausmachen und seine beruflichen Aufgaben darin erkennen können” (Peterßen 2001, S. 234). Die Annahme, angehender Lehrer wissen nicht, was Unterricht sei, vermag mit Blick auf die Ausführungen zum Alltagswissen und der jahrelangen Erfahrung als Schüler zunächst irritieren. Doch es ist eben diese Differenz, die Differenz zwischen der Anschauung von Schule und Unterricht aus der Perspektive eines Schülers und einem pädagogischen bzw. didaktischen Begriff der Schule und des Unterrichts, welche den Unterschied macht. Zugespitzt formuliert: Wer keinen pädagogischen oder didaktischen Begriff von Unterricht hat, wird nicht in der Lage sein pädagogisch oder didaktisch im Unterricht handeln zu können. Didaktische Theorien bieten in diesem Zusammenhang Orientierung, indem sie Lehrer, so Peterßen (2001, S. 233) über das “Wo und Was ihres Berufes” aufklären können. Dazu gehören u. a. Begriffe, normative Leitbilder sowie spezifische Sichtweisen auf Schule und Unterricht. Die Orientierungsfunktion didaktischer Theorien nach Peterßen (2001) ist in diesem Sinne vergleichbar mit der normativen Dimension wissenschaftlicher Modelle nach Terhart (2009), insbesondere hinsichtlich des Aufgabenbereiches für Lehrer.
Wenn Peterßen (2001) von einer Strukturierungsfunktion schreibt, versteht er didaktische Theorien vor allem als Strukturierungshilfen zur Bewältigung und Bearbeitung des komplexen didaktischen Alltages. Beispiele für sind nach Peterßen (2001) das Analyse- und Planungsmodell von der Lehr-/Lerntheoretischen Didaktik [Links] sowie das Perspektivschema zur Unterrichtsplanung in der Bildungstheoretischen Didaktik [Links]. Bei entsprechenden Strukturierungshilfen erhält das komplexe didaktische Handlungsfeld durch begründete Reduktionen eine Struktur bzw. eine Form, welche bearbeitbar wird. Entsprechende Strukturierungshilfen sind vergleichbar mit dem, was Terhart (2009) unter der analytischen Dimension von didaktischen Modellen versteht. So bietet beispielsweise das Perspektivschema zur Unterrichtsplanung in der Bildungstheoretischen Didaktik eine Orientierung, wie der Bildungsgehalt von einem Bildungsinhalt des Lehrplans bestimmt werden kann oder das Hamburger Modell eine Orientierung dafür, welche Handlungsmöglichkeiten sich für Lehrer bei der Planung und Durchführung von Unterricht eröffnen.
Als dritte heuristische Funktion didaktischer Theorien benennt Peterßen (2001) die Legitimationsfunktion. Didaktisches (und damit auch pädagogisches) Handeln ist für ihn zielgerichtet und “stets auf die Veränderung von Menschen, besonders von Heranwachsenden, bezogen und bedarf einer grundsätzlichen auch immer wieder erneuter Rechtfertigung gegenüber den von diesem Handeln unmittelbar Betroffenen” (S. 239). Die Begründung für ein entsprechendes Handeln bzw. eine entsprechende Zielorientierung findet sich für Peterßen (2001) in der Regel in den “zentralen (und zentrierenden) Begriffen”. Bildung kann entsprechend als zentrales Ziel der bildungstheoretischen Didaktik verstanden werden, während in Lerntheoretischen Ansätzen das Lernen der Schüler als zentrales Ziel markiert wird. Über entsprechende (normative) Zielbestimmungen kann das eigene didaktische Denken und Handeln begründet (oder kritisch hinterfragt) werden.
Um diese verschiedenen Funktionen erfahrbar werden zu lassen, werden mithilfe der erziehungswissenschaftlichen Denkwerkzeuge die entwickelten Metaphern erneut in den Blick genommen. So kann auf Basis der exemplarischen Analysen und Reflexionen der unterschiedlichen Metaphern sichtbar werden (a) inwiefern die diskutierten erziehungswissenschaftliche Modelle die von Peterßen (2001) vorgeschlagenen Funktionen erfüllen können und (b) inwiefern die eigenen (Normalitäts-)Vorstellungen über Lehren und Lernen in Form von Metaphern den intersubjektiven Maßstäben und Normen erziehungswissenschaftliche Modelle entsprechen.