Dieses Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit der Grammatik der Komparation von Adjektiven; eine Beschreibung der Begriffe findet man unter „Fachbegriffe: Komparation“.
Positiv von Adjektiven
BearbeitenAdjektive beschreiben das Vorhandensein einer Fähigkeit oder Eigenschaft: der Positiv gibt dabei den normalen Besitz einer Fähigkeit (oder Eigenschaft) an (d.h. sie wird als „gegeben“ = positus) betrachtet. Der Positiv kann nicht nur in Aussagesätzen, sondern auch in Fragesätzen benutzt werden; verneint wird er mit non = „nicht“. Zwischen dem Adjektiv und dem beschriebenem Nomen herrscht die sog. KNG-Beziehung; bezieht sich ein Adjektiv inhaltlich auf die Tätigkeit (das Prädikat) des Satzes, so spricht man von einem Prädikativum. Wie der Positiv dekliniert wird, hängt von der Deklination des Adjektivs ab. Bsp.:
- Stilus longus est. = „Der Schreibstift ist lang.“
- Via non longa est. = „Der Weg ist nicht lang.“
Komparativ von Adjektiven
BearbeitenWird eine Eigenschaft (oder Fähigkeit) zweier Personen, Gegenstände oder anderer Objekte miteinander verglichen, so wird der Komparativ benutzt: er gibt an, dass jemand (oder etwas) mehr von einer bestimmten Eigenschaft besitzt, d.h. es ist ein Ungleichgewicht vorhanden. Bei einer Verneinung mit non wird lediglich ausgesagt, dass nicht mehr von dieser Eigenschaft vorhanden ist: die Vergleichsobjekte können aber immer noch gleich viel von dieser Eigenschaft besitzen. Wird ein Objekt mit einem anderen verglichen, so formuliert man den Vergleich mit quam („als“) und dem Vergleichsobjekt. Bsp.e:
- Stilus dexter longior est quam sinister. = „Der rechte Schreibstift ist länger als der linke.“
(direkter Vergleich durch einen Komparativ mit nachgestelltem quam: beide Objekte (stilus dexter und stilus sinister) stehen im gleichen Kasus, weil sie im Satz austauschbar sind)
- Uter stilus longior est? = „Welcher von beiden Schreibstiften ist der längste (längere)?“
(bei zwei Objekten wird im Deutschen oft mit dem Superlativ statt mit dem Komparativ formuliert)
- Viam breviorem video. = „Ich sehe einen kürzeren Weg.“ / „Ich sehe einen ziemlich kurzen Weg.“
(der Vergleich mit quam entfällt hier: dieser „Weg“ (via) ist kürzer als jeder andere, also muss das nicht extra erwähnt werden; ohne ein Vergleichsobjekt kann im Deutschen auch mit „zu“, „allzu“, „ziemlich“ oder „ein wenig“ und dem Positiv übersetzt werden. „einen“ kann man hier ergänzen, da der Weg unbestimmt ist d.h. es gibt keine weitere Ergänzung wie z.B. ein Adjektiv)
- Dives desidior est quam magis strenuus. = „Der Reiche ist eher müßig als fleißig.“
(bei zwei verschiedenen Adjektiven im Komparativ übersetzt man im Deutschen mit „eher ... als“ oder „mehr ... als“ und den Positiven. desidior ist der Komparativ des seltenen Adjektivs deses, desidis; zur Formulierung des Komparativs magis strenuus siehe weiter unten bei der Unregelmäßigen Komparation)
Die Komparative werden gebildet, indem man an die Wurzel des Gen. Sg. statt der normalen Endung ein -ior (bei masc. und fem.) bzw. ein -ius (bei neutr.) hängt und nach der konsonantischen Deklination beugt (s.a. die Abschnitte „Komparative“ und „Unterschiede in den Formen der 3. Deklination“ unter den „Adjektiven der 3. Deklination“). Also wird z.B. in der a/o-Deklination von liber („frei“) wegen dem Gen. Sg. liberi der Komparativ liberior, -ius gebildet, von integer („unversehrt“’) jedoch wegen integri die Form integrior, -ius. Das gilt auch für die Adjektive der 3.Deklination (z.B. wird aus celer („schnell“) celerior, aber aus acer („spitz“) acrior). Ebenfalls kann man die Partizipien Präsens Aktiv (auf -ns, -ntis) steigern, die der 3. Deklination angehören. Bsp. am Wort longus, -a, -um (a/o-Deklination):
Singular:
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Superlativ von Adjektiven
BearbeitenBei mehr als 2 Personen oder Objekten, die man miteinander vergleicht, kann man mit dem Superlativ das Höchstmaß einer Eigenschaft oder Fähigkeit angeben. Oft wird mit dem Superlativ aber nicht der absolute Höchstwert gekennzeichnet: es soll nur auf ein außerordentlich hohes Maß dieser Eigenschaft hingewiesen werden. Diesen sog. Elativ übersetzt man dann im Deutschen mit solchen Formulierungen wie „sehr“, „ziemlich“, „reichlich“, „außerordentlich“ usw., manchmal kann auch das Adjektiv dementsprechend umformuliert werden. Bsp.e:
- Roma urbs clarissima est. = „Rom ist die berühmteste Stadt.“ / „Rom ist eine ziemlich berühmte Stadt.“
(da man nicht sagen kann, ob Rom nur die berühmteste Stadt Italiens oder gar die der ganzen Welt ist, übersetzt man besser mit dem Elativ: Rom ist auf jeden Fall „ziemlich berühmt“)
- provincia permagna = „eine sehr große Provinz“
(auch die Vorsilbe per- kann zu einem Adjektiv den Elativ bilden)
- vir clarissimus = „ein berühmter Mann“
(Lob und Tadel wird oft im Superlativ ausgedrückt, wo im Deutschen der Positiv ausreicht)
- quam pulcherrima femina = „eine möglichst schöne Frau“
(quam mit nachgestelltem Superlativ übersetzt man mit „möglichst“, „so ... wie möglich“ und dem Positiv, also wird der Superlativ angestrebt, aber nicht unbedingt erreicht)
Die Superlative werden gebildet, indem man an die Wurzel des Gen. Sg. statt der normalen Endung ein -issimus, -a, -um anhängt und nach der a/o-Deklination beugt. Also wird in der a/o-Deklination von clarus („berühmt“’) der Superlativ clarissimus, -a, -um gebildet. Bei den Adjektiven der a/o-Deklination und der 3. Deklination auf -er wird jedoch ein -rimus, -a, -um an den Nom. Sg. masc. gehängt, also entsteht aus liber („frei“) der Superlativ liberrimus, -a, -um (Grund ist die Assimilation -r + simus > -rimus) und aus acer („spitz“) die Form acerrimus, -a, -um. Adjektive der 3. Deklination auf -lis bilden den Superlativ mit -limus, -a, -um an die Wurzel des Nom. Sg. masc. gehängt, also entsteht aus facilis („leicht (zu tun)“) der Superlativ facillimus, -a, -um (hier ist der Grund ähnlich, nämlich die Assimilation -l + simus > -limus). Bsp. am Wort clarissimus, -a, -um der a/o-Deklination:
Singular:
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Plural:
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Übersicht der regelmäßigen Komparationsbildungen
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Unvollständige Komparation
Bearbeiten- Komparationsformen ohne Positiv
Einige Wörter sind Steigerungsformen, denen der Positiv fehlt oder nur noch sprachwissenschaftlich vermutet werden kann.- dem Komparativ ocior, ocius („schneller“) und dem Superlativ ocissimus, -a, -um („schnellste“) liegt ὠκύς zu Grunde
- potis* („vermögend, mächtig“) gibt es nur im Altlateinischen, später existieren nur noch der Komparativ potior, potius („wichtiger“) und der Superlativ potissimus, -a, -um („wichtigste“)
- Folgende 2 Adjektive bilden nur den Komparativ:
- iuvenis („jung“): Komparativ iunior, iunius („jünger“)
- senex („alt“): Komparativ senior, senius („älter“)
- Komparationsformen ohne Komparativ
Einige Wörter bilden keinen Komparativ, wohl aber wieder den Superlativ:- falsus, -a, -um („falsch“): falsissimus, -a, -um („falscheste/r/s“)
- novus, -a, -um („neu“): novissimus, -a, -um („neueste/r/s“)
- sacer, -cra, -crum („heilig“): sacerrimus, -a, -um („heiligste/r/s“)
- Komparationsformen ohne Superlativ
Einige Wörter bilden zwar den Komparativ, aber keinen Superlativ. Zu ihnen gehören u.a.:- alacer, -cris, -cre („lebhaft“): alacrior, -ius („lebhaftere/r/s“)
- serus, -a, -um („spät“): serior, -ius („spätere/r/s“)
- vicinus, -a, -um („benachbart; (zeitlich) nahe“): vicinior, -ius („nähere/r/s“)
Unregelmäßige Komparation
BearbeitenUnter bestimmten Umständen (meist durch die Lautlehre begründet) weicht die oben beschriebene Bildung von Komparativen und Superlativen ab. Es gibt u. a. folgende Ausnahmen:
- Komparation bei Adjektiven auf Vokal + -us, -a, -um
Solche Wörter wie strenuus Gen. Sg. masc. strenui bilden nicht die Form strenuior (weil das wegen dieser Folge von Vokalen schlecht auszusprechen ist); statt dessen wird als Komparativ die Formulierung magis + Positiv benutzt, also magis strenuus, -a, -um („fleißiger(-e/-er/-es)“, wörtlich: „mehr fleißig“); genau so lautet der Superlativ nicht strenuissimus, sondern er wird mit maxime + Positiv umschrieben, also maxime strenuus, -a, -um („fleißigste/-er/-es“, wörtlich: „am meisten fleißig“). Adjektive mit Halbvokalen wie -qu- zählen aber nicht dazu (z. B. antiquus, antiquior, antiquissimus).
- Komparation bei Adjektiven auf -er
Entgegen der Regel bildet dexter („rechts“) über dextri den Komparativ dexterior und sinister („links“) über sinistri die Form sinisterior!
- Komparation bei Adjektiven auf -dicus, -ficus, -volus
Diese Adjektive sind ursprünglich aus den Partizipien dicens („sprechend“; von dicere), faciens („machend“; von facere) bzw. volens („wollend“; von velle) zusammen gesetzt worden. Daher wird der Komparativ mit -dicentior, -ius, -ficentior, -ius bzw. -volentior, -ius gebildet, der Superlativ mit -dicentssimus, -a, -um, -ficentssimus, -a, -um bzw. -volentssimus, -a, -um (z. B. benevolus; benevolentior, -ius; benevolentissimus).
- dives, -vitis („reich“) bildet je 2 Komparationsformen: im Komparativ neben divitior, -ius auch ditior, -ius und im Superlativ außer divitissimus, -a, -um noch ditissimus, -a, -um.
- Folgende 2 Adjektive sind undeklinierbar (eigentlich erstarrte Ausdrücke), bilden aber dennoch Komparationsstufen:
- frugi („brav“): Komparativ frugalior, -ius; Superlativ frugalissimus, -a, -um
- nequam („nichtsnutzig“): Komparativ nequior, -ius; Superlativ nequissimus, -a, -um
- vetus, -teris („alt“) bildet den Komparativ vetustior, vetustius.
Es gibt aber noch zu weiteren einzelnen Wörtern Ausnahmeregeln!
- Komparationen gebildet aus verschiedenen Stämmen
Folgende Wörter bilden die Komparationsstufen mit anderen Wörtern (wie z. B. auch im Deutschen „gut, besser, beste“ oder im Englischen „good, better, best“):
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Obwohl multi ein Plural ist, gibt es auch den Singular multus, -a, -um („viel“) und somit versubstantiviert als Neutrum das Nomen multum, -i („ein grosser Teil, ein großes Stück“): dementsprechend gibt es auch plus Gen. pluris (ein Nomen im Neutrum: „ein grösserer Teil, ein grösseres Stück“) und plurimum, -i (neutr.: „das größte Teil, das größte Stück“). Davon muss man das Adverb multum unterscheiden.
Komparationsformen, die von Präpositionen abstammen
BearbeitenPräpositionen können nicht gesteigert werden! Dennoch gibt es Komparationsstufen, die auf Präpositionen zurückzuführen sind. Der Grund ist folgender: Präpositionen geben das räumliche oder zeitliche Verhältnis von Objekten (Personen, Gegenständen u.a.) zu anderen an. Wird mehr als ein Objekt angesprochen, so kann es von diesem Verhältnis mehr oder weniger stark betroffen sein: es gibt also Steigerungsformen. Bsp.:
- arbor prope urbem = „der Baum nahe bei der Stadt“
(offensichtlich gibt es nur einen Baum und eine Stadt, bei der er sich befindet)
- arbor propior = „der nähere Baum“
(offensichtlich gibt es zwei Bäume: mit dem „näheren Baum“ ist derjenige gemeint, der näher beim Erzähler steht)
- arbor ad urbem propior = „der bei der Stadt nähere Baum“
(ist ein anderer Bezugspunkt als der Erzähler gemeint, muss er auch genannt werden; Achtung: der „zur Stadt hin nähere Baum“ muss nicht unbedingt auch derjenige sein, der dem Erzähler näher steht!)
- arbor proxima / arbor ad urbem proxima = „der nächste Baum / der der Stadt nächste Baum o. der Baum, der der Stadt am nächsten ist“
(offensichtlich gibt es mindestens 3 Bäume: auch hier ist ohne weitere Angabe der Erzähler der Bezugspunkt für die Eigenschaft „Nähe“, mit ad urbem ist es jedoch „die Stadt“)
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spezielle Wendungen
Bearbeiten- etiam + Komparativ = „noch ...“ + Komparativ (z.B. etiam maior = „noch größer“)
- longe + Superlativ = „bei weitem“ + Komparativ (z.B. longe maior = „noch größer“)
- multo + Komparativ = „viel, um vieles, weit“ + Komparativ (z.B. multo maior = „viel größer“)
- multo + Superlativ = „bei weitem, weitaus“ + Superlativ (z.B. multo pulcherrima = „weitaus schönste“)
- paulo + Komparativ = „ein wenig, etwas“ + Komparativ (z.B. paulo minor = „etwas kleiner“)
- vel + Superlativ = „sogar, selbst“ + Superlativ (z.B. vel simplicissimus = „selbst der einfachste“)
- Komparativ + quam + Komparativ = „eher ... als ...“ + Positive (Bsp. s.o. „Komparativ von Adjektiven“)
- quam + Superlativ: „möglichst“ , „so ... wie möglich“ + Positiv (Bsp. s.o. „Superlativ von Adjektiven“)