Latein/ Fachbegriffe/ Lautlehre
Die Lautlehre beschreibt, wie sich Wörter lautlich ändern können; das geschieht vor allem, wenn bestimmte Kombinationen von Buchstaben auf einander stoßen und so verändert werden, dass die Wörter wieder aussprechbar werden. Zum Erlernen der Grammatik ist die Lautlehre nicht nötig, aber sie hilft zu verstehen, warum sich bestimmte Formen so und nicht anders entwickelt haben. Das hilft auch beim Lernen der Deklinations- und Konjugations-Tabellen.
Hier sollen nur kurz die wichtigsten Regeln zur Lautlehre dargestellt werden. Zur Vertiefung seien die Bücher aus den Literaturhinweisen empfohlen.
Hinweis: Wörter mit * sind Zwischenformen oder sprachwissenschaftlich erschlossene Wurzeln, aber keine richtigen Wörter.
Einteilung der Konsonanten
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Die Kenntnis der Verschlusslaute dieser Tabelle ist nützlich für die konsonantische Deklination im Lateinischen (und auch im Alt-Griechischen). Mit ihr kann man erklären, warum der Nom. Sg. der konsonantischen Stämme anders aussieht als die übrigen Formen.
Ablaut
Bearbeiten(betrifft Vokale; vgl. Umlaut und Vokalschwund)
Ablaut nennt man die Veränderung eines Vokals beim Konjugieren, Deklinieren oder der Änderung der Wortart. Es kann sich dabei der Vokal verändern (Klangfarbe) oder die Vokallänge. Typische Vokaländerungen sind: e zu o (e/o-Ablaut) und a zu o (a/o-Ablaut).
Bsp.e:
- Änderung der Klangfarbe im Lateinischen: tegere („binden“), toga („Toga“)
- Änderung der Vokallänge im Lateinischen: tŏga („Toga“), tēgula („Ziegel“)
- Änderung der Klangfarbe im Deutschen: binden, band, gebunden; Band, Bund
Angleichung
Bearbeiten(betrifft Konsonanten; s. Assimilation)
Assimilation
Bearbeiten(auch: Angleichung; betrifft Konsonanten; vgl. Dissimilation und Konsonantenentwicklung)
Durch schnellere Aussprache können zwei Konsonanten, die durch Kompositabildung aufeinandertreffen, einander lautlich angenähert werden (assimilare = ähnlich machen), oft nimmt dabei einer der Konsonanten vollständig den Laut des anderen an.
Typische Angleichungen sind:
- -b- + -c- wird zu -cc-
- -d- + -f- wird zu -ff-
- -d- + -l- wird zu -ll-
- -d- + -p- wird zu -pp-
- -d- + -s- wird zu -ss-, nach langem Vokal, Konsonant oder Diphthong dann noch zum einfachen -s-
(nicht mit der Konsonantenentwicklung zu verwechseln!)
- -l- + -s- wird zu -ll-
- -n- + -l- wird zu -ll-
- -n- + -m- wird zu -mm-
- -n- + -r- wird zu -rr-
- -r- + -s- wird zu -rr-
- -s- + -f- wird zu -ff-
- -t- + -s- wird zu -ss-, nach langem Vokal, Konsonant oder Diphthong dann noch zu -s-
Bsp.e:
- zu -d- + -s-: prodsum > prosum („ich bin nützlich“)
- zu -l- + -s-: cum + legere > conlegere > colligere („zusammen lesen“) mit Umlaut der offenen Mittelsilbe von -e- zu -i-
Typische Annäherungen sind:
- -b- vor -s- oder -t- wird zu -p-
- -g- vor -s- oder -t- wird zu -c-
- -h- vor -t- wird zu -c-
- -m- vor Dentalen (-d-, -t-, -th-) wird zu -n-
- -n- vor Labialen (-b-, -p-, -ph-) wird zu -m-
Bsp.e:
- zu -g- + -s- bzw. -t-: regsi > recsi > rexi und regtum > rectum („gelenkt“)
- zu -m- + -d-: cum + *dhe > condere („gründen“; *dhe ist eine alte erschlossene Wurzel)
Dissimilation
Bearbeiten(betrifft Konsonanten; vgl. Assimilation und Konsonantenentwicklung)
Zwei gleiche Konsonanten, die in zwei verschiedenen Silben hinter einander stehen, lassen sich nicht gut aussprechen: einer dieser Konsonanten wurde daher lautlich verändert (dissimilis = „unterschiedlich“). Eine typische Lautveränderung ist die von -l- zu -r-, doch es gibt auch weitere Lautveränderungen.
Bsp.e:
- medi-dies > meri-dies ( < medius dies = „die Mitte des Tages“ (prädikativ verwendet), also „der Mittag“)
- mili-ta-lis > mili-ta-ris („soldatisch“; von miles = „der Soldat“)
Konsonantenentwicklung
Bearbeiten(auch Konsonanteneinschub genannt; vgl. Assimilation und Dissimilation)
Ein Konsonant kann unter bestimmten Umständen zusätzlich entstehen. Der Grund hierfür ist:
- zwischen einem m und einem der Laute s, l, t kann zur besseren Aussprache ein -p- entstehen.
Bsp.: exemplum < *exemlom („Beispiel“; stammt von eximere = „herausstellen“ ab)
- zwischen zwei Dentallauten (d, t) entstand zu erst ein -s-. Die Kombinationen -dst- und -tst- wurden durch Assimilation der Dentallaute zu -ss-; hinter einem langen Vokal und Konsonanten wurde daraus ein -s-, hinter einem kurzen Vokal blieb es ein -ss-.
Dies ist nicht mit der Assimilation von -d- + -s- zu -ss- zu verwechseln!
Bsp.:
- hinter einem kurzen Vokal entstand sessum < *sedstum < *sed-tum (von sedere = „sitzen“)
- hinter einem langen Vokal entstand visum < *vissum < *vidstum < *vid-tum (von videre = „sehen“)
Konsonantenschwund
BearbeitenEin Konsonant kann ersatzlos ausfallen; der Grund ist dann:
- es handelt sich um den schwach gesprochenen Konsonanten h (so wohl als 1. Buchstabe als auch mitten im Wort)
- es handelt sich um den schwach gesprochenen Konsonanten v zwischen 2 Vokalen
- bei mehreren Konsonanten hintereinander fällt ein Konsonant heraus
- am Wortende stand ein -d hinter einem langen Vokal
Bsp.e: arena < harena („Sand, Arena“); pro < *prod („vor, für“; vgl. prod-esse = „für etwas oder jemanden da sein = nützen“)
Rhotazismus
Bearbeiten(betrifft Konsonanten; abgeleitet vom griechischen Buchstaben ρ = rho = r)
Rhotazismus nennt man die Veränderung, bei der ein -s- zwischen 2 Vokalen zu einem -r- wird.
Bsp.: von esse („sein“) lautet die 3. Pers. Sg. Präs. Ind. Akt. est („ist“), die gleiche Form im Impf. erat < *esat. Im Deutschen gibt es genau so den Rhotazismus: „sein“, „ist“, „war“ (Plattdeutsch „was“!)
Synkope
Bearbeiten(s. Vokalschwund)
Umlaut
Bearbeiten(auch: Vokalschwächung; betrifft Vokale; vgl. Ablaut und Vokalschwund)
Da früher die 1. Silbe (Anfangssilbe) betont wurde, sind die so genannten Mittelsilben geschwächt worden, so dass man diese Änderung Umlaut nennt. Genau genommen unterscheidet man zwischen Mittelsilben, die auf Vokalen enden (sog. offene Silben), und solche, die auf Konsonanten enden (sog. geschlossene Silben).
- in offenen Silben werden die Vokale (a, e, i, o, u) vor einem r zu einem e, sonst zu einem i.
- in geschlossenen Silben bleiben die Vokale e, i, u; der Vokal a wird zu einem e, der Vokal o zu einem u.
- -o- wird (vor allem in der letzten Silbe) zu -u- (hortus lautete früher hortos)
- ein kurzer Vokal + -r- wird zu -er-
- -ae- wird zu -i-
- -au- wird zu -u- (causa = „der Grund“, aber accusare = „anklagen“)
Bsp.e für offene Mittelsilben: no-men, Gen. no-mi-nis („Name“); se-de-re, aber ob-si-de-re („sitzen“, „besetzen“)
Bsp. für geschlossene Mittelsilben: cap-tum, aber ac-cep-tum („genommen“, „an genommen“)
Vokalkürzung
BearbeitenDie Vokalkürzung ist wie die Vokallängung aus dem Text nicht ersichtlich, da normalerweise keine Betonungen und Längen angegeben werden. Ein Vokal kann kurz werden, wenn
- ihm unmittelbar ein 2. Vokal folgt
- er in Endsilben vor einem auslautenden Konsonanten steht
- er in der 2. Silbe einer iambischen Silbenfolge (ein Versmaß) steht
Bsp. für 2 Vokale: dēlēre, aber delĕo („zerstören“, „ich zerstöre“)
Vokallängung
BearbeitenDie Vokallängung ist wie die Vokalkürzung aus dem Text nicht ersichtlich, da normalerweise keine Betonungen und Längen angegeben werden. Ein Vokal kann lang werden, wenn
- ein s-Laut (wie s, x usw.) hinter ihm ausgefallen ist
- ein Verb, dessen Wurzel auf eine Media ausgeht (g, b, d: vgl. die Tabelle oben), ein P.P.P. bildet
- zwei Vokale (u.U. mit einem -h- zwischen ihnen) zu einem Vokal zusammengezogen wurden (sog. Kontraktion)
Bsp. für eine Wurzel mit Media: ăgo, aber āctum („ich betreibe“, „betrieben“)
Bsp. für die Kontraktion zweier Vokale: cōgō < *co-agō („zusammen treiben“)
Vokalschwächung
Bearbeiten(s. Umlaut)
Vokalschwund
Bearbeiten(auch: Synkope; vgl. auch Umlaut)
Gelegentlich wird ein kurzer Vokal zwischen 2 Konsonanten ausgestoßen: man spricht dann von Vokalschwund oder Synkope (gr. συγκοπτω = synkopto: „ich schlage zusammen“). Die Ursache dafür ist meistens, dass die Anfangssilbe stark ist.
Bsp.e:
- pellere („stoßen“), Perf. pepuli, aber: *re-pepuli > reppuli („zurückstoßen“)
- extra („außerhalb“), aber: exterus („auswärtig“)
- avidus („begierig“), aber: audere („Lust haben“)
(hier ist noch das av- zu au- ab geschwächt worden: s.o. Konsonantenschwund)