Dieses Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit der Grammatik der Komparation von Adverbien. Weitere Informationen über den Begriff „Adverb“ und ihre Bildungsmöglichkeiten findet man unter „Fachbegriffe - Adverb“. Wichtig ist, dass nicht immer von allen Adjektiven Adverbien abgeleitet werden können. Andererseits gibt es Adverbien, die nicht von Adjektiven abgeleitet wurden, bei denen die zugehörigen Adjektive unbekannt oder nur noch im Nachhinein sprachwissenschaftlich erschlossen werden können.
Positiv von Adverbien
BearbeitenAdverbien beschreiben die Art und Weise oder den Umstand, wie etwas getan wird; da sich das Adverb auf das Verb bezieht, gibt es hier keinerlei Deklination und keine KNG-Beziehung. Der Positiv der Adverbien wird von den normalen Formen des entsprechenden Adjektivs abgeleitet. Bsp.e:
- Agricolae strenue laborant. = „Die Bauern arbeiten fleißig.“
- Medicus diligenter examinat. = „Der Arzt untersucht gründlich.“
- Rex clementer ducit. = „Der König leitet klug.“
Zur Bildung des Adverbs wird die Wurzel des Gen. Sg. des Adjektivs genommen und statt der normalen Endung bei Adjektiven der a/o-Deklination ein -e angehängt, bei der 3. Deklination jedoch ein -ter. Bei allen Deklinationen kann das -e- in der Wurzel bleiben (also bildet liber („frei“) wegen des Gen. Sg. liberi das Adverb libere und aus celer („schnell“) entsteht über celeris die Form celeriter) oder entfallen (integer („unversehrt“’) bildet also wegen integri die Form integre, aus acer („spitz“) entsteht über acris die Form acriter). Wörter auf -ns, -ntis (dazu gehören auch die Partizipien) enden mit ihren Wurzeln bzw. Stämmen auf -ti; vor der Endung -ter ist jedoch zuerst das Stamm bildende Suffix -i- und dann das 1. -t- ausgefallen, also ist im obigen Beispiel aus clementi-ter über clement-ter die Form clementer entstanden.
Komparativ von Adverbien
BearbeitenAuch die Art und Weise oder der Umstand einer Tätigkeit kann verglichen werden: Adverbien werden gesteigert und können im Komparativ genauso wie Adjektive angeben, ob etwas im Hinblick auf eine bestimmt Art stärker gemacht wird oder nicht. Diese Stärke wird an Personen o.a. Objekten gemessen, die mit quam („als“) verglichen werden; auch hier wird ein Ungleichgewicht beschrieben, mit non verneint wird lediglich ausgesagt, dass etwas nicht stärker auf diese Art geschieht. Bsp.:
- Agricolae durius laborant quam medici. = „Bauern arbeiten härter als Ärzte.“ (bei allgemeinen Aussagen kann man im Deutschen die Artikel („die“) weglassen!)
Die Komparative werden gebildet, indem man von den Adjektiven den Komparativ Neutrum Sg. benutzt (vgl. Komparation der Adjektive), also die Wurzel des Gen. Sg. mit der Endung -ius.
Superlativ von Adverbien
BearbeitenAuch bei den Adverbien kann das Höchstmaß einer Art und Weise angegeben werden: der Superlativ kann auch hier oft mit dem Elativ ein lediglich außerordentlich hohes Maß kennzeichnen (also im Deutschen „sehr“, „ziemlich“, „reichlich“, „außerordentlich“ usw.). Bsp.:
- Medicus diligentissime examinat. = „Der Arzt untersucht äußerst gründlich.“
Die Superlative der Adverbien werden gebildet, indem man an die Wurzel des Gen. Sg. statt der normalen Endung ein -issime anhängt (also der Superlativ der Adjektive auf -e statt auf -us, -a, -um). Bei den Adjektiven der a/o-Deklination und der 3. Deklination auf -er wird jedoch ein -rime an die Wurzel des Nom. Sg. masc. gehängt, also entsteht aus liber („frei“) der Superlativ liberrime und aus acer („spitz“) die Form acerrime. Adjektive der 3. Deklination auf -lis bilden den Superlativ mit -lime an die Wurzel des Nom. Sg. masc. gehängt, also entsteht aus facilis („leicht (zu tun)“) der Superlativ facillime.
Übersicht der regelmäßigen Komparationsbildungen
Bearbeiten
|
|
|
|
Unvollständige Komparation
Bearbeiten- Komparationsformen ohne Positiv
Einige Wörter sind Steigerungsformen, denen der Positiv fehlt oder nur noch sprachwissenschaftlich vermutet werden kann.
- dem Komparativ ocius („schneller“) und dem Superlativ ocissime („am schnellsten“) liegt wohl wie bei den Adjektiven ocius und ocissimus das Wort acer („spitz, scharf“) zu Grunde
- *potis („vermögend, mächtig“) gibt es nur im Altlateinischen; wie bei den Adjektiven existieren auch hier nur der Komparativ potius („lieber, eher, vielmehr“) und der Superlativ potissimum („vornehmlich, vorzugsweise“) (s.a. unter „Unregelmäßige Komparation“)
- Komparationsformen ohne Komparativ
Einige Wörter bilden keinen Komparativ, wohl aber den Superlativ:
- merito („verdientermaßen“): meritissimo („am verdientesten“)
- nuper („neulich, jüngst“): nuperrime („vor ganz kurzem“) (s.a. unter „Unregelmäßige Komparation“)
- Komparationsformen ohne Superlativ
Einige Wörter bilden zwar den Komparativ, aber keinen Superlativ. Zu ihnen gehören u.a.:
- satis („genug, hinreichend“): satius („hinlänglicher, besser“)
- secus („anders“): setius (auch secius oder sequius) („weniger“ zusammen mit Verneinungen, z.B. nihilo setius = „nichtsdestoweniger“, wörtlich: „um nichts weniger“)
Unregelmäßige Komparation
BearbeitenIm Prinzip gilt das unter der Komparation der Adjektive Gesagte auch für die davon abgeleiteten Adverbien, also:
- Komparation bei Adverbien auf Vokal + -e
Der Komparativ wird mit magis + Positiv formuliert, der Superlativ mit maxime + Positiv, also:
- von strenuus („fleißig“) bildet man: magis strenue („fleißiger“), maxime strenue („am fleißigsten“)
- von idoneus („geeignet“) wird jedoch die ungekürzte Form idonee gebildet (also nicht idone!)
- Komparation bei Adverbien auf -dicus, -ficus, -volus
Der Komparativ wird mit -dicentius, -ficentius bzw. -volentius gebildet, der Superlativ mit -dicentissime, -ficentissime bzw. -volentissime, z.B.:
- von benevolus („wohlwollend“): benevolentius („wohlwollender“), benevolentissime („am wohlwollendsten“)
- Es gibt noch eine ganze Reihe von Adverbien, die anders als erwartet gebildet werden oder eine Nebenform entwickelt haben, z.B.
- von alius („ein anderer“) bildet man das Adverb aliter (ali-ter stammt eigentlich von einer Nebenform *alis)
- von audax („kühn“) bildet man das Adverb audacter ( < audaciter, das selten benutzt wird)
- von difficilis („schwierig“) bildet man das Adverb difficulter (nicht difficili-ter!)
- von facilis („leicht (zu tun)“) bildet man das Adverb facile (nicht facili-ter!)
- von parvus („klein“) bildet man das Adverb non multum („wenig“, wörtlich „nicht viel“), die Komparationsformen aber wieder wie von parvus (s.u. „Komparation gebildet aus verschiedenen Stämmen“)
Einige weitere Adverbien, die unregelmäßig gesteigert werden:
|
|
|
- Komparationen gebildet aus verschiedenen Stämmen
Folgende Wörter bilden die Komparationsstufen mit anderen Wörtern (wie z.B. auch im Deutschen „gut, besser, am besten“):
|
|
|
Komparationsformen, die von Präpositionen abstammen
BearbeitenWie unter den Adjektiven erläutert, können Präpositionen nicht gesteigert werden! Einige Komparationsstufen kann man auf Präpositionen zurück führen, aber auch hier ist nicht jede Form sinnvoll, die man grammatisch bilden könnte. Beispiel für so ein Adverb:
- von de („von“) bzw. dessen Steigerungsstufen stammen der Komparativ deterius („schlechter“) und der Superlativ deterrime („am schlechtesten“) ab
- von prae („vor“) bildet man prius („eher, früher“), primo und primum („zuerst“) (eine genauere Unterscheidung zwischen primo und primum steht unter „Zahlen - Besonderheiten“)
- von prope („nahe bei“) bildet man propius („näher“) und proxime („am nächsten“)
Adverbien, die aus erstarrten Fällen oder durch Zusammensetzungen entstanden sind
BearbeitenAußer von Adjektiven oder Präpositionen können Adverbien auch auf andere Art abgeleitet werden. In den nachfolgenden Punkten werden ein paar typische Beispiele erläutert.
- erstarrte Akkusative als Adverbien
Manchmal erstarren Nomina im Akk. Sg. zu einem Adverb; von der Bedeutung her ist eine Steigerung oft nicht sinnvoll. Manchmal ist dieses Adverb selbst schon eine Steigerungsform. Bsp.e:
- facile („leicht (zu tun)“) ist ein erstarrter Akk. Sg. neutr. des Adjektivs facilis („leicht“), daher facil-e statt facil-iter
- partim („zum Teil“) ist die Nebenform zu partem, dem Akk. Sg. des Substantivs pars („der Teil“)
- plurimum („am meisten“) ist ein erstarrter Akk. Sg. des Substantivs plurimum („der grösste Teil“), daher plurim-um statt plurim-e; da „der grösste Teil“ schon ein Maximum darstellt, stellt plurimum den Superlativ von multum („viel“) dar, kann also nicht mehr gesteigert werden.
- secundum („zweitens, hinter her“) ist ein erstarrter Akk. Sg. masc. des Adjektivs secundus („der zweite“), daher secund-um statt secund-e
- erstarrte Ablative als Adverbien
Manchmal erstarren Nomina im Abl. Sg. zu einem Adverb; auch hier ist eine Steigerung oft nicht sinnvoll. Bsp.e:
- crebro („häufig“) ist der erstarrte Abl. Sg. masc. bzw. neutr. des Adjektivs creber, crebra, crebrum („gedrängt; häufig“), daher crebr-o statt crebr-e
- magnopere („sehr“) ist der zusammen gezogene, erstarrte Abl. Sg. magno opere = „durch grosse Mühe“
- postremo („zuletzt“) ist der erstarrte Abl. Sg. masc. bzw. neutr. des Adjektivs postremus, -a, -um („der/die/das hinterste/letzte“), daher postrem-o statt postrem-e
- primo („zuerst, anfangs“) ist der erstarrte Abl. Sg. masc. des Adjektivs primus, -a, -um („der/die/das erste“), daher prim-o statt prim-e
- erstarrte Partizipien bzw. Supina als Adverbien
Einige Adverbien sind von den Stämmen des Partizip Perfekt Passivs (gleichlautend mit den Stämmen des Supinums) abgeleitet, indem als Endung -im benutzt wurde. Bsp.e:
- passim („ringsumher“) ist entstanden aus dem Verb pandere („ausbreiten“), dessen Part. Perf. Pass. passum zu pass-im wurde (also bedeutet passim Sinn gemäss „überall ausgebreitet“)
- carptim („stückweise“) stammt von carpere („pflücken“) und seinem P.P.P. carptum, bedeutet also eigentlich „Stück für Stück wie beim Pflücken“
- Zusammensetzungen als Adverbien
Oft ist eine präpositionale Wendung zu einem Wort verschmolzen und wird als Adverb benutzt. Dieses Phänomen kann man im Deutschen gut nach vollziehen, da die deutsche Übersetzung oft genauso entstanden ist. Bsp.e:
- antea ist entstanden aus ante ea = „vor diesen (sc. Dingen)“ (ea ist der Neutr. Pl. von is, ea, id = „der, die, das“) und bedeutet „vorher“
- extemplo entstand aus ex templo = „aus dem Tempel“, „vom Platze weg“ und bedeutet „sofort“: im Deutschen gibt es die ähnliche Redewendung „aus dem Stand heraus“
- hodie lautete ursprünglich hoc die (beides Abl.) = „an diesem Tag“ und bedeutet daher „heute“
- obviam war die präpositionale Wendung ob viam = „gegen den Weg“, also: „entgegen“
- propterea entstand aus propter ea „wegen diesen (sc. Dingen)“ (ähnlich antea weiter oben!) und bedeutet „deswegen“. „wegen“ ist ausser dem eine deutsche Präposition, die eigentlich den deutschen Genitiv verlangt: „deswegen“ bedeutet also ebenfalls „wegen diesen (sc. Dingen)“
- -per ist ein Suffix mit der Bedeutung „hindurch“ (ähnlich der Präposition per). Damit zusammengesetzt sind solche Wörter wie nuper („neulich“) oder semper („immer“), in dem sich die Silbe sem- aus semel („einmal“) befindet, also „in einem Stück hindurch, in einem fort“.
- -tus bzw. -itus ist ebenfalls ein typisches Suffix zur Bildung von Adverbien. So bedeutet z.B. intus „drinnen“ und penitus „von innen her“