Klassengröße – gestern und heute/ Klassengröße in historischer Sicht


Einleitung Bearbeiten

In diesem Kapitel soll eine Übersicht über die historische Veränderung des Problemkreises Klassengröße gegeben werden. Will man solch einen geschichtlichen Überblick bieten, so stellt sich die Frage, was berichtet werden soll und was nicht. Dies ist ein generelles Problem, wie BAUMGART und ZYMEK betonen: „Wer selbst auf dem Gebiet der Sozialgeschichte der Erziehung zu arbeiten versucht, muß Skrupel bei jeder kritischen Bemerkung haben, bei jeder Forderung nach Mehr an dieser oder Korrektur an jener Stelle eines Buches; denn man weiß, wie schwer der Anspruch einzulösen ist, den komplexen Zusammenhang von Schul- und Gesellschaftsveränderung in den Griff zu bekommen und darzustellen“ (BAUMGART & ZYMEK, 1977, S. 624).

Im Folgenden konzentriert sich die Darstellung auf die zahlenmäßige Veränderung der Klassengrößen. Die Überlieferung dazu ist allerdings recht bruchstückhaft, vor allem je weiter man sie zeitlich zurückverfolgt. Da es eine solche Zusammenstellung von schriftlichen Quellen und Zahlenmaterial für die historischen Phasen des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts noch nicht gibt, kommt allein schon der Materialausbreitung ein gewisser Eigenwert zu. Der jeweilige juristische, allgemein-gesellschaftliche, politische und soziale Hintergrund wird allenfalls nur partiell eingeblendet, was allerdings vertretbar ist, da die Bezüge zur Klassengröße zu vage und meist nur – wenn überhaupt – mittelbar vorhanden sind. Gleichwohl wird versucht, etwaige Verbindungslinien wenn möglich aufzuzeigen, so z. B. zwischen Klassengröße und der Einführung der Schulpflicht bzw. der Jahrgangsklasse. Auch muss nach dem Zusammenhang von Schulfinanzierung und der Veränderung der Klassengröße gefragt werden. Darüber hinaus finden pädagogisch relevante Theorien und Bewegungen (wie z. B. die Reformpädagogik) insoweit Berücksichtigung, als sie das hier zur Diskussion stehende Thema der Klassengröße thematisieren.

Will man die Veränderung der Klassengrößen und der dazugehörigen Rahmenbedingungen über einen längeren Zeitraum schildern, so stellt sich weiterhin die Frage nach der Gliederung auf der Zeitachse. Nach einem kurzen Einführungskapitel über die Zeit vor 1800 schließen sich die Ausführungen über das 19. Jahrhundert (bis 1914) an. Auf Grund der Art der Quellenüberlieferung bietet eine Unterteilung nach systematischen Gesichtspunkten (Bildungspolitik, Gesetzentwicklung, Statistik, Finanzierung) Vorteile. Es folgen Abschnitte über die Zwischenkriegszeit (Weimarer Republik, Drittes Reich), während die Bundesrepublik Deutschland in einem eigenen Kapitel (Kapitel 3) behandelt wird.

Wegen der Quellenlage hat die preußische Schulveränderung in der Darstellung über das 19. Jahrhundert ein Übergewicht. Es wird allerdings verschiedentlich in der Literatur darüber geklagt, dass die Bildungsgeschichte sich allzu sehr auf den Staat Preußen konzentriert habe, ohne die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen (MÜLLER & ZYMEK; 1978, S. 11) oder auf andere Länder des Reiches zu achten. Dadurch seien viele komplexe Zusammenhänge auf Teilkomplexe reduziert worden, und unzulässige Verallgemeinerungen seien die Folge gewesen. Man muss MÜLLER & ZYMEK sicherlich zustimmen. Im Folgenden wird dieses Problem jedoch relativ pragmatisch angegangen, insofern auch die aufgefundenen nicht-preußischen Quellen zur Klassengröße präsentiert werden, ohne dass allerdings die Frage des bildungspolitischen Einflusses Preußens in Bezug auf die Veränderung der Klassengröße gegenüber anderen deutschen Staaten geklärt werden könnte. Zudem ist die im Folgenden weitgehende Konzentration auf Preußen nicht so weit hergeholt. KRAUL (1984, S. 11) spricht von einem „einigenden Band“, welches Preußen für die Staaten des Deutschen Reiches war. HUBER (VI, S. 862 ff.) hat diesen Sachverhalt aus verfassungsrechtlicher Sicht für die Zeit der Weimarer Republik belegen können.

Die Zeit vor 1800 Bearbeiten

Zwar muss ein bildungshistorischer Rückblick „nur“ bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückgehen, weil erst seit diesem Zeitpunkt der Problemkreis Klassengröße relevant wird. Dennoch soll wenigstens ein kurzer Einblick in die Jahrhunderte vorher gegeben werden, soweit dies auf Grund der schlechten Datenlage überhaupt möglich ist. Die folgenden Angaben sind demnach eher sporadisch, was verständlich wird, wenn man sich vergegenwärtigt, dass bis zum Ende des 18. Jahrhunderts schulische Bildung Privatsache war.

Konzeptionelle Vorschläge Bearbeiten

COMENIUS, der große Mann mit einem bewegten Leben im Dreißigjährigen Krieg (KRATOCHVIL, 1984), wird gerne in Einleitungen zu Arbeiten im Bereich der Klassengrößenforschung erwähnt, aber meist etwas knapp (zu COMENIUS s. a. KRAUL, 1981, S. 18 ff.). Ihm zufolge sollte die Schule „ein angenehmer Ort sein, der von innen und außen den Augen einen angenehmen Anblick bietet. Im Innern sei sie ein helles, reines, überall mit Bildern geschmücktes Gemach, entweder mit Gemälden berühmter Männer, oder Landkarten, oder Darstellungen geschichtlicher Ereignisse oder sonstigen Ornamenten. Draußen soll sich bei der Schule nicht nur ein freier Platz zum Spazierengehen und Spielen befinden, sondern auch ein Garten, in den man die Schüler bisweilen führt, damit sie ihre Augen an dem Anblicke der Bäume, Blumen und Kräuter erfreuen. Wenn die Sache so eingerichtet ist, werden die Schüler wahrscheinlich mit nicht geringerer Lust zur Schule gehen als sonst zu den Jahrmärkten, wo sie immer etwas Neues zu sehen und zu hören hoffen“ (COMENIUS, bearbeitet von RZESNITZEK, 1909, S. 86 f.). Man vergleiche einmal heutige Schulbauten vor dem Hintergrund dieser Forderungen!

COMENIUS plädierte allerdings im Unterschied zu heutigen Pädagogen und Pädagoginnen für eine große Schülerschar. Er forderte deshalb – und zwar nicht nur aus ökonomischen Gründen –, dass ein Lehrer ungefähr 100 Schüler unterrichten sollte: „Es ist nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, dass ein einziger Lehrer einige hundert Schüler leitet, behaupte ich, weil dies für den Lehrer wie für den Schüler bei weitem zweckmäßiger ist. Jeder wird zweifellos seine Arbeit mit größerer Lust verrichten, je größer die Schar ist, die er vor sich sieht (wie ja auch den Bergleuten in einem Bergwerke die Hände hüpfen); und je begeisterter er selbst ist, desto lebendiger wird er seine Schüler machen. Ebenso wird die größere Zahl den Schülern die Freude und Nutzen vermehren, Freude ist es für alle, Genossen der Arbeit zu haben“ (COMENIUS, 1909, S. 108). Und in seiner Pampaedia schrieb er: „Zweitens kann ein Lehrer leichter viele Schüler auf einmal unterrichten als jeden für sich. Frage einen Offizier, ob er seine Rekruten lieber einzeln auf den Exerzierplatz führen und in den Waffen ausbilden will oder in Gruppen … Drittens lernen auch die Schüler selbst im gemeinsamen Wettstreit leichter als allein. Der Dichter sagt: Ein tüchtiges Pferd läuft hurtiger aus dem Stall, wenn es anderen nachlaufen und sie überholen kann“ (COMENIUS, 1960, S. 135). Er erklärt weiter in seiner Böhmischen Didaktik: „Wie die Sonne am Himmel nicht zu jedem Baum oder Kraut gesondert herabsteigt, sondern in der Ferne steht, allgemein ihr Licht spendet und alles erwärmt, dass jedes für sich Licht und Wärme trinkt, so soll auch der Lehrer niemals mit einem einzelnen Schüler arbeiten, sondern mit allen gemeinsam“ (KOMENSKY, 1970, S. 144; siehe zfd. SCHALLER, 1962, der auch die Böhmische Didakik übersetzte und die Pampaedia mit herausgab; Fischer, 1971).

COMENIUS (1909, S. 125) zufolge hat die große Zahl von Schülern einen großen Vorteil: Der Lehrer wird nicht mehr mit der Heterogenität der Klasse konfrontiert, er wird sogar eher vor einer individualisierenden Wahrnehmung geschützt. „Comenius muß geahnt haben, dass bei 100 Schülern die Versuchung, einem einzelnen visuelle Aufmerksamkeit zu schenken, gering ist“ (NIEDERBERGER, 1974, S. 128).

COMENIUS schlug allerdings – und dies wird gerne übersehen (so z. B. von GEISSLER, 1969, S. 163) – Zehntschaften vor, die von sog. Zehntmännern geleitet werden sollten.

Insofern plädierte er für eine innere Differenzierung. Offensichtlich hat es tatsächlich solche Organisationsformen gegeben. So ist überliefert (WEIMER & SCHÖLER, 1976, S. 47), dass in einem Gymnasium in Straßburg im 16. Jahrhundert die Schulklassen in Gruppen von je 10 Schülern (Dekurien) eingeteilt wurden, an deren Spitze jeweils ein Dekurio stand, der die Aufsicht über seine Mitschüler führte, – in etwa mit unseren heutigen Tutorien vergleichbar.[1] Johann Gottfried Herder zeigte sich sensibel für Fragen des Lehrer-Schüler-Verhältnisses. So schrieb er 1786: „Fünfzig bis achtzig Schüler hat jetzt eine Klasse: soviel kann ein Hirt wohl weiden, schwerlich aber ein Lehrer tagsüber lehren“ (zit. n. TEWS, 1914, S. 49).

Im 18. Jahrhundert beschäftigte sich auch der Philanthrop Joachim Heinrich CAMPE mit der Klassengröße. CAMPE sieht die Schule als das erste Mittel zur Heilung der sozialen Schäden und zur wirtschaftlichen Hebung des Volkes (SCHMID, Band 4, 2. Abt., 1898, S. 407). CAMPE verfolgte die Verwandlung der Volksschulen in sogenannte Industrieschulen. Für CAMPE waren im Großen und Ganzen die Volksschulen „Schulen der Faulheit, der Stupidität und der Unbrauchbarkeit für das Leben“ (S. 407). Und weiter: „Und nun schildert er (Campe, der Verf.), in drastischer Weise das Treiben in einer solche, da ein einziger Lehrer inmitten einer Schar von 60, 80, 100 Kindern verschiedenen Alters und verschiedenen Geschlechts steht, um einige die Buchstaben, andere das Buchstabieren, einige das Zusammenlesen, andere das Fertiglesen, einige den kleinen, andere den größeren Katechismus, einige das Schreiben, andere das Rechnen, andere wohl gar die lateinischen Deklinationen und Konjugationen zu lehren.“ (S. 407). CAMPE schlägt alternativ dazu vor, dass ein Lehrer stets nur eine kleinere Zahl gleichaltriger Schüler unterrichten soll, wobei die übrigen von einer anderen befähigten Person z. B. Handarbeiten erhalten sollen.

Ernst Christian TRAPP äußerte sich ähnlich kritisch zur Volksschule und den großen Schülerzahlen, die SCHMID (1898, S. 423) zusammenfasst: „Eine Bedingung ist freilich für die Wirksamkeit auch des besten Lehrers unerläßlich: Wenn er auch nach der vernünftigsten Methode verfährt, so wird er doch nie einen großen Haufen von Schülern mit wirklichem Nutzen unterrichten können. Wenn sich finden sollte, dass 10 bis 20 die Höchstzahl der von einem Lehrer zu unterrichtenden Schüler wäre, würde dies der schwierigste Punkt bei der anno 1944 zu erwartenden reellen Schulverbesserung sein.“

Gesetze und Verordnungen Bearbeiten

Die folgende Darstellung relevanter Gesetze und Verordnungen mag etwas zersplittert erscheinen. Dies liegt an der Vielzahl der möglichen Gesetzgeber und dem unterschiedlichen Interesse, Schule zur Angelegenheit des Staates zu machen und einer formellen Regulation zu unterziehen.

Zwar gibt es Sammlungen von Volksschulordnungen für den Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, daraus ergeben sich aber nur sehr spärliche Hinweise zur Frage der Klassengröße (DIETRICH & KLINK, 1964; SCHEIBE, 1965; HETTWER, 1965). Die folgende, zeitlich geordnete Auflistung von Verordnungen, die auf Vollständigkeit keinen Anspruch erhebt, soll einen kleinen Einblick in die rechtliche Schulentwicklung geben.

Häufig ist für diesen Zeitraum überliefert, dass eine Schule nur über einen Schulraum verfügte, in dem alle Kinder gleichzeitig unterrichtet wurden. Lange Zeit galt die Regel: "Eine Schule – ein Schulmeister – ein Schulraum" (LANGE, 1967). Einige der Quellen zeigen jedoch, dass schon damals in Klassen oder in Lehrer-Schüler-Relationen gedacht wurde, und dass sich dieses Denken in Gesetzen bzw. Verordnungen niederschlug:[2]

  • In der Weimarischen Schulordnung aus dem Jahre 1619 (abgedruckt in DIETRICH & KLINK, 1964, S. 26 f.) heißt es: „Dazu, so ist ja leicht zu erachten, daß wenn ein Receptor in den öffentlichen Schulen bei 20, 30 oder mehr Knaben hat (wie ihrer denn viel mehr an den meisten Orten sein werden, wenn sie alle in die Schule gehen sollen), daß er nicht einem jeglichen die Lektion ein- oder zweimal vorsagen kann, denn er hat nicht genug Zeit dazu … Ebenso geht es auch mit dem Reposcieren (= Antworten) und Aufsagen der Kinder. Sind ihre an der Anzahl in etwas viel, als bei 20, 30 und mehr, so ist es nicht wohl möglich, daß sie der Präzeptor in einer Stunde alle und jeden verhöre und aufsagen lasse. Geht also dann manche Stunde, ja wohl der ganze Vormittag (will nicht sagen ganzer Tag und Woche) dahin, und lernt ein und der andere Knabe nichts.“
  • In der Schulordnung des Pädagogicums zu Glaucha aus dem Jahre 1702 ist zu lesen: „Wenn eine Classe zu starck wird, und zu befürchten ist, daß die Menge der Lernenden die profectus hindern möchte, so wird dieselbe getheilet, und also noch einem die Information aufgetragen“ (zit. n. HETTWER, 1965, S. 151).
  • Es gab offensichtlich auch auf den Schullehrer bezogene Begründungen dafür, warum die Größe einer Klasse (Schule) nach oben hin begrenzt werden sollte: „Damit kein Schullehrer sich durch Habsucht verleiten laße, mehr Schulkinder anzunehmen, als er in den ordnungsgemäßen Schulstunden unterrichten könne, so sollte keinem derselben für mehr als 60 Schulkinder Schulgeld gezahlt werden“ – so im Jahre 1783 im Fürstentum Lippe-Detmold erlassen (HEPPE, 1971, Band 3, S. 309).
  • Im Herzogtum Sachsen-Gotha wurde 1784 das Privatschulwesen zum ersten Mal geregelt. Darin heißt es, dass keine der Schulen mehr als 30 Kinder aufnehmen dürfe (HEPPE, 1971, Band 2, S. 253), woraus man auf relativ kleine Schulgruppeneinheiten schließen kann.
  • Johann Gottfried GROß, Professor an der Ritter-Akademie in Erlangen, veröffentlichte 1740 einen Entwurf zur Schulorganisation, dessen Titel so lang ist, dass er hier nicht referiert werden soll.[3]

Darin heißt es: „Ist es nicht möglich, daß an einer Schule, wo 40, 50 und mehr ganz unterschiedliche Kinder von ungleichem Alter, Geschlecht und Lektionen untereinander sitzen, ein jegliches nach Würdigkeit könnte recht gewartet werden … auf den Dörfern will sich dies fast wohl nicht ändern lassen, weil da selbst nicht mehr als ein einziger Lehrmeister zu finden ist; aber in Städten, da deren eine so große Menge vorhanden, könnte man einer solchen Plackerei gar nicht los werden und ordentliche Klassen machen, da jedes Kind nach seiner Art die rechte Versorgung fände.“ Zur Größe der Klassen schreibt er: „Anbei ist noch zu erinnern, daß die Anzahl der Scholaren, so in eine Klasse genommen werden möchten, nicht viel werden über noch unter Zwölfe sein dürfen …“ (MAASSEN, 1959, S. 36).

  • In der allgemeinen Schulordnung über die Einrichtung der hochfürstlichen anhalt-dessauischen Schulen (1785) findet sich folgende Regelung: „Damit der Lehrer seine Schulkinder gehörig übersehen und ihnen durch seinen Unterricht recht nützlich werden könne, so dürfen in den einzelnen Klassen der Hauptschule ohne Not nicht über 30, in den niederen Stadt- und Landschulen aber etwa 40 Schüler zusammensitzen“ (abgedruckt in MAASSEN, 1959, S. 60, Band 1).
  • Zwei Jahre später, 1787, folgte eine zweite Ordnung, die Allgemeine Schulordnung für die sämtlichen Stadt- und Landschulen des Fürstentums Anhalt-Dessau. Dort findet sich folgende Angabe zur Klassenmesszahl: „Das aber ist ihr vor vielen andern, auch guten Schulen, eigen, daß es verordnungsgemäßig ist, in eine Klasse nicht ohne die dringendste Noth über 30 Schüler aufzunehmen …“ (abgedruckt in MAASSEN, 1959, S. 60 f., Band 1).
  • Der Kurfürst EMMERICH-JOSEF (Kurfürstentum Mainz, 1763–1774) reformierte das Schulwesen in dem Kurfürstentum Mainz und legte fest: „Eine jede Knabenschule wird mit so vielen in der kurfürstlichen Schullehrer-Akademie befähigten Lehrern bestellt, daß auf 100 Kinder ein Lehrer angeordnet wird. Ein jeder Lehrer wird einen Tag wie den anderen (die Sonntage und die nicht-verlegten Feiertage) sechs Stunden hindurch Schule halten und ein jedes Kind wird einen täglichen Unterricht von zwei Stunden empfangen, ausschließlich der Zeit, welche täglich zur andächtigen Anhörung der heiligen Messe in der Pfarrkirche und zu den in der Schule zu verfertigenden Aufgaben und stillen Übungen noch außer der gedachten zwei Stunden erforderlich ist. Der Lehrer teilt also die ihm anvertrauten 100 Kinder in drei Gesellschaften, jede von etlichen und 30 Köpfen und hat niemals mehr als diesen dritten Teil zugleich unter seiner Aufsicht und mündlichen Belehrung.“ (HEPPE, 1971, Band 2, S. 84)
  • In der ehemaligen freien Reichsstadt Nürnberg wurde 1792 durch die Industrie-Gesellschaft eine Industrieschule für Mädchen eingerichtet, die „wegen der Beschränktheit des Raumes, des Lehr- und Arbeitszimmers“ nicht über 25 Schüler haben sollte (HEPPE, 1971, Band 4, S. 169). Diese Schule – bezüglich der Klassengröße fast modern – wurde 1808 jedoch schon aufgelöst.
  • Herder rechnete im Durchschnitt mit 50 Schülern auf jede niedere Klasse, wobei – seiner Meinung nach – im Gymnasium in der Sexta die Zahl bis gegen 100 steigen konnte (aus der Eingabe von 1785 zur Reform des Gymnasiums, abgedruckt in REBLE, 1971, S. 292).


Die Quellenauswahl zeigt, dass im Prinzip bereits damals das Problem der Klassengröße erkannt und thematisiert wurde. Die Richtlinien schwankten zwischen 20 und 60 Schülern pro Lehrer bzw. Klasse, wobei auffallend ist, dass in relativ vielen Äußerungen die Einrichtung eher kleinerer Klassen gefordert wird.

Ergänzungen Bearbeiten

  1. Über ein weiteres Beispiel, dass der Konzeption von COMENIUS nahekommt, wird in der Veröffentlichung von ALT (1960, S. 351) berichtet. Demnach hat es um ca. 1600 eine Stadtschule gegeben, in der der Unterricht in einer Klasse in mehreren Gruppen in ein und demselben Raum stattfand.
  2. In der Braunschweiger Schulordnung aus dem Jahre 1528 (abgedruckt in DIETRICH & KLINK, 1964, S. 5 f.) heißt es für die lateinischen Jungenschulen: „In diese Schule sollen die Bürgerkinder aus dem Hagane und der Neustadt gesandt werden. Mit weniger als den vorher beschriebenen sieben Personen kann man die beiden Schulen nicht einrichten, um der Schularbeit und des Regierens (= Disziplin) Willen.“ (kursiv = Anmerkung des Autors)
  3. Dieser Entwurf ist abgedruckt in MAASSEN (1959, S. 31, Band 1)