Augenheilkunde: Vordere Augenkammer und Linse


Glaukom Bearbeiten

 
Anatomie des vorderen Augenabschnitts.
 
Fluss des Kammerwassers vom Ziliarkörper zum Schlemm Kanal.
 
Histologie des Sehnervenkopfes.
 
Konventionelle chirurgische Glaukombehandlung.

Regulationsstörung im Sehnervenkopf mit Atrophie

Zwei pathophysiologische Komponenten:

  • Mechanischer Faktor: Augeninnendruck
  • Gefäßfaktor: Ischämie des Sehnervenkopfs

Der Augendruck ergibt sich aus Kammerwasserproduktion und Kammerwasserabfluss. Faktoren:

  • Tageszeit: morgens ist der IOP höher
  • Alter: IOP nimmt mit dem Alter zu

Werte:

  • normal 10-21mmHg (individuell!)
  • Glaukomverdacht ab 22mmHg


D.:

  • Ophtalmoskopie – Papillenmorphologie, cup-to-disk-ratio (CDR), Gefäßverluf (Abknickung?)
  • Perimetrie – Diagnose, Verlaufskontrolle (Ausfälle anfangs zentral und bogenförmig)
  • Messung des IOP – Tagesdruckkurven alle 2-3h messen (circadiane Schwankungen, Therapiekontrolle)
    • palpatorisch (Nicht-Augenärzte): Pat. schaut nach unten, mit zwei Fingern durch das Oberlid tasten (mit den Fingerkuppen abwechselnd leicht Drücken), Vergleich mit dem eigenen Auge.
    • Impressionstonometrie
    • Applanationstonometrie
    • Non-contact-Tonometrie mit Luftstoß und Messung der Reflexion und Messwertstreuung
  • Gonioskopie nach Goldmann – Beurteilung der Kammerwinkel

Th.:

  • Ziel: Erhaltung der Restfunktion. Daher:
  • Aufklärung! Zuverlässige Augentropfenapplikation und regelmäßige augenärztliche Kontrollen.
  • Medikamente:
    • β-Blocker (Cave: Asthma, Herzinsuffizienz, AV-Block)
    • Miotika (Cave: Dunkeladaptation, Akkomodationskrämpfe, Kopfschmerzen)
    • Azetazolamid (Cave: Diuresezunahme, K+/Na+ - Verlust, Parästhesien)
  • Laser: Argon-Laser-Trabekuloplastik (ALT), Erfolg hält höchstens ein Jahr an, Narben!

Kongenitales Glaukom Bearbeiten

Buphtalmus, Hydrophtalmus, extreme Hyperopie

Klinik: Augapfelvergrößerung einseitig oder bds. (ungünstiger, da oft erst spät erkannt!), Makrokornea, Epiphora (DD: kindliche Tränengangstenose), Lichtscheu, Blepharospasmus (Lidkrampf), erst später Hornhauttrübung, Schmerzen

Amblyopiegefahr!

Th.: Trabekulotomie

Primäres Glaukom Bearbeiten

Offenwinkelglaukom (Glaucoma chronicum simplex) Bearbeiten

P=20-40mmHg

Klinik: kaum Beschwerden, Atrophie des SNKs, GF-Ausfälle - bezogen auf den Sehnerv Schädigung zuerst der mittleren Netzhautperipherie und Ausbreitung RIchtung Zentrum. Bei Läsion von etwa 70% der Nervenfasern bilden sich bogenförmige Gesichtsfeldeinschränkungen im mittleren Blickfeld aus (Bjerrum-Skotom), "Schatten vor den Augen"

Das Risiko an einem Glaukom zu erkranken und die Behandlungsnotwendigkeit kann vom Augenarzt genauer bestimmt werden. [1]

Th.: Antiglaukomatosa (div. Augentropfen, Acetazolamid auch oral), Laserverfahren (ALTP, SLT), diverse OP-Verfahren (z.B. Trabekulektomie, Kanaloplastik)

Engwinkelglaukom (drohendes Winkelblockglaukom) Bearbeiten

P ~ 22mmHg aufwärts

RF: Hyperopie, flache Vorderkammer, dicke Augenlinse

Klinik: Massive Augen- und Kopfschmerzen, Nebelsehen, gelegentlich wahrnehmung von Farbringen (HHödem)

Cave: Nicht weittropfen!

Akutes Engwinkelblockglaukom (Glaukomanfall) Bearbeiten

Plötzliche Verlegung des engen Kammerwinkels durch die Iriswurzel. Es kommt im Vollbild des Anfalls zur Vorwärtsverlagerung von Iris und Linse mit nachfolgendem Pupillarblock.

P bis 80mmHg

Klinik: Akute, rasche, schmerzhafte, einseitige Sehverschlechterung, Sehen von Farbringen um Lichter, Doppeltsehen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, steinharter Bulbus (Vgl. mit dem eigenen Auge), seichte Augenvorderkammer, Hornhautepithelödem, rotes Auge (hochgradige ziliare Injektion mit Chemosis), Pupille übermittelweit, etwas entrundet, lichtstarr, Iris bombata = Napfkuchenkonfiguration (Vorwölbung der Iris in die Vorderkammer) durch Pupillarblock

Th.: Pilocarpin 1% AT, Diamox zur Senkung der Kammerwasserproduktion, Laser-Iridotomie nach Drucknormalisierung Osmotisch wirksame Infusion (Osmofundin i.v.) zur Durchbrechung des Anfalls, kombiniert mit Diamox i.v. (im Anfall können Tabletten wegen starker Übelkeit oft nicht genommen werden). Pilocarpin ist im Anfall nicht mehr sehr wirksam (wird aber trotzdem oft noch benutzt), da das gesamete Iris-Linsen-Diaphgrama nach vorne verlagert ist und sich ein pupillärer Block ausgebildet hat. Nach Durchbrechen des Anfalls ist eine chirurgische Iridektomie zu empfehlen, ggf. ab interno mit 23G-Vitrektom. Laser-Iridotomie zur Anfallsprophylaxe am Partnerauge.

Niederdruckglaukom Bearbeiten

Zunehmende Gesichtsausfälle bei normalem Augendruck durch vaskuläre Faktoren am SNK.

Th.: P-Senkung unter den Normalwert

Sekundäres Glaukom Bearbeiten

Phakolytisches Glaukom Bearbeiten

Ät.: Linsenkapselruptur -> Linseneiweiß ins Kammerwasser -> Verstopfung der Kammerwinkel

Hämolytisches Glaukom Bearbeiten

Ät.: Blutung in die vordere Augenkammer traumatisch, postoperativ -> Verstopfung der Kammerwinkel

ca. 10 Tage nach dem Hit!

entzündlich bedingtes Glaukom Bearbeiten

Ät.: Hypopyon (Leukos, Fibrin)

Kompl.: Wenn die Pupille zu spät erweitert wird -> Verklebungen -> Iris bombata (napfkuchenartig)

Pigmentglaukom (primär) Bearbeiten

Ausschwemmung von Pigmenten ins Kammerwasser

D.: Gonioskopie

Kortisonglaukom Bearbeiten

Ät.: erhöhte Proteoglykansynthese -> Trabekelwerkverdichtung

Pseudoexfoliatio lentis (PEX)= Kapselhäutchenglaukom Bearbeiten

Feine membranartige Linsenkapselauflagerung. Beim Pseudoexfoliations-Syndrom (PEX) bildet das Ziliarepithel feinfibrilläre Proteine, die auf allen vom Kammerwasser umspülten Augenstrukturen abgelagert werden und schliesslich das Trabekelwerk verstopfen. Rund jeder sechste PEX-Patient erleidet deswegen ein Glaukom. Das PEX ist in skandinavischen Ländern am häufigsten. Aufgrund der pathologischen Proteine sind auch die Linsenkapsel und die Zonulafasern fragiler und können während einer Augenoperation (z.B. Kataraktoperation) leichter einreissen.

Neovaskularisationsglaukom Bearbeiten

Ät.: hypoxämische Erkrankungen (Carotisstenose, Diabetes)

Glaukom bei Diabetes Bearbeiten

Ep.: 7% der Diabetiker

Linse Bearbeiten

Histologie: Kapsel - Rinde - Kern, keine Gefäße, keine Nerven, keine Zellabstoßung -> Größenzunahme der Linse lebenslang, Wachstum geht aus von der äquatorialen Epithelschicht

Funktion: Lichtbrechung, Akkomodation, UV-Filter

Aphakie Bearbeiten

Fehlen der Augenlinse

Ät.: angeboren, unfallbedingt, nach Star-Operation

Klinik: tiefe vordere Augenkammer, Irisschlottern, tiefschwarze Pupille (nicht bei Nachstar), Aphakenhyperopie (10–11 dpt). Gefahr der Netzhautablösung (Aphakie-Amotio), v.a. bei postoperativer Glaskörperverflüssigung, -schrumpfung.

Th.: Korrektur durch Kontaktlinse, Starglas (wenn beidseits) oder Implantation einer künstlichen Linse (mit Abstützung im Kammerwinkel oder an Iris fixiert).

Leukokorie (amaurotisches Katzenauge) Bearbeiten

Weißes Aufleuchten der Pupille. Mögliche Ursachen: Katarakt, Retinoblastom, Ablatio retinae.

Linsenkolobom Bearbeiten

kleine Kerbe in der Linse nasal am unteren Lidrand, Sehschärfe kaum beeinträchtigt

Linsenverlagerungen Bearbeiten

Ät.: z.B. bei Marfan-Syndrom

  • Subluxatio lentis
  • Luxatio lentis
  • Ectopia lentis

Katarakt (grauer Star) Bearbeiten

 
Gesichtsfeld bei Katarakt.

alle optischen Inhomogenitäten der Linse (häufigste Augen-OP!)

Unterscheidung nach:

  • Reifegrad: incipiens, provectra, immatura, matura, hypermatura -> Ruptur, phakolytische Entzündung
  • Ursache
  • Morphologie
  • angeboren/erworben

Klinik: Nebel sehen, verzerrt und unscharf sehen, Verlust von Kontrast, Farbempfindung, Zunahme der Blendempfindlichkeit, gelegentlich Doppel/Mehrfachbilder

 
Cataracta congenita bei Congenitalem Rubella-Syndrom.
  • Kataraktformen nach Ätiologie:
    • Cataracta senilis - Alterskatarakt
      • corticalis
      • subcorticalis
      • subcapsularis posterior (bei Kortikoidinduzierter Katarakt)
    • Cataracta diabetica
      • Typ I: bilateral, subkapsulär, punktförmig-schneeflockenähnlich
      • Typ II: früher und häufiger Alterskatarakt
    • Galactosämiekatarakt - erste Lebenstage, reversibel
    • Cataracta mytonica - i.R. einer myotonen Muskeldystrophie
    • Katarakt als Begleiterkrankung bei:
      • Neurodermitis disseminata - Cataracta neurodermica
      • Morbus Wilson
      • Morbus Down
      • Hämodialyse
    • Cataracta tetanica - Hypocalzämie (Tetanie), Hypoparathyreoidismus
    • Cataracta complicata - nach/bei Uveitis, Glaukomanfall, höherer Myopie
    • Cataracta traumatica
      • Perfusionskatarakt
      • Kontusionskatarakt - rosettenartig
    • Infrarotkatarakt
    • Cataracta radiationis
    • Cataracta electrica
    • Cataracta secundaria (Nachstar) - Trübung der verbliebenen Linsenkapsel hinter der Kunstlinse nach extrakapsulärere Linsenextraktion. Dieser entsteht aufgrund einer Narbenbildung, der im Auge belassenene ursprünglich klaren Linsenhülle. Wahrscheinlichkeit ca. 25 bis 30% innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Operation. Th.: Ambulante Laserbehandlung .
    • Cataracta congenita - Folge: Deprivationsamblyopie, Augenzittern (Blindennystagmus, irreversibel)
      • erblich
      • erworben: Infekt, Röntgen, Strahlen, Medikamante, Alkohol, Tabak, Röteln-Katarakt (1.Trimenon)
    • Medikamentös bedingter Katarakt: Glucokortikoide (hintere subkapsuläre Katarakt), Chlorpromazin, Miotika, Busulfan


Kataraktformen nach Morphologie:

  • Cataracta totalis
  • Cataracta zonularis
  • Cataracta anularis
  • Cataracta nuclearis
  • Cataracta pyramidalis
  • Spindelstar
  • Cataracta coronaria (Kranzstar), 25%
  • Cataracta coerulea


Therapie des Katarakts:

  • Starstich (historisch)
  • Starbrille
  • Ridley-Linse (1945)
  • Vorderkammerlinse (1952)
  • Irisfixierte Linse (1957)
  • Hinterkammerlinse (1975)


Katarakt-OP:

  • Vorbereitung: OP-Fähigkeit abklären, Mydriasis, Retrobulbäre Anästhesie/Vollnarkose
  • OP-Verfahren:
    • Kapsulorhexis
    • Phakektomie oder Phakemulsifikation (Verflüssigung mit Ultraschall und absaugen)
    • Einbringen der Intraokularlinse (IOL)


Intraokularlinse (IOL):

  • Bestandteile: optischer Teil und haptischer Teil
  • Formen:
    • herkömmliche Linse mit Fixierdrähten
    • rollbare Linse
    • Multifokal-Linsen
    • Akkomodative Linsen (kein Langzeiterfolg!)

Quellen Bearbeiten

  1. http://aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=25172




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