1020-2020: Tausend Jahre Dresdner Frauenkirche (2. Auflage)

Dieses Buch steht im Regal Geschichte  sowie im Regal Reisen und Landeskunde.

10% fertig „1020-2020“ ist nach Einschätzung seiner Autoren zu 10 % fertig

Der geplante Geschichtsweg findet sich online unter:

w:wikiversity:de:Kurs:1020-2020: Tausend Jahre Dresdner Frauenkirche

Zusammenfassung des Projekts

Bearbeiten
  • Sind Co-Autoren erwünscht? Ja.

Zielgruppe

Bearbeiten

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Dresdner und an Dresden-Reisende, aber auch an alle historisch Interessierte. Vorkenntnisse zum Thema sind nicht notwendig.

Kurzbeschreibung

Bearbeiten
 
Frauenkirche Dresden, gotischer Vorgängerbau
 
Herzog Oldřich, seine zweite Frau Božena und der trauende Priester, wahrscheinlich der Hofkaplan Přibislav (Miniatur aus der Dalimil chronik)
 
Herzog Oldřich und seine zweite Frau Božena treffen sich - er bei der Jagd, sie als Wäscherin - nach der Trauung nimmt er sie mit auf seine Burg.

Am 8. September 2020 beging die Dresdner Frauenkirche das Millenium ihrer ersten Kirchweihe. Genau tausend Jahre zuvor, am 8. September 1020, wurde diese Weihe durch den Priester Přibislav am Festtag Mariä Geburt vorgenommen. Přibislav war der Hofkaplan des böhmischen Herzogs Oldřich. Der Bau und die Weihe der Frauenkirche erfolgten von Frühjahr bis Spätsommer 1020, zwei Jahre nach dem Frieden (von Bautzen) vom 30. Januar 1018 zwischen dem römisch-deutschen Kaiser Heinrich II. und dem polnischen König Bolesław I. Chrobry.

Noch im September 1017 war die Burg Bresnice (heute Briesnitz, ein Stadtteil von Dresden) im Gau Nisan mit der dort seit 990 angesiedelten kirchenslawischen Böhmischen Akademie von durchziehenden Truppen des römisch-deutschen Kaisers zerstört und die Besatzung niedergemacht worden. Dabei wurde auch der Birkenhain zerstört, der den Nisanern heilig war und in dem bis um 880 der viergesichtige slawische Kriegsgott Swantevit verehrt wurde. Noch bis 1017 wurden die Birken des Heiligen Hains zur Herstellung von Schreibmaterial verwendet. Die Akademie Nisan wurde daraufhin sicherheitshalber gaueinwärts an den wichtigen und befestigten Hafen von Nisan (Nisana) verlegt, der auch böhmische Elb-Zollstelle war.

Im Gegenzug und im Anschluß an die Zerstörungen im Gau Nisan verwüstete das polnische Heer den benachbarten Gau Glomaci (Daleminzien, das Gebiet um die heutige Lommatzscher Pflege) und führte rund 1000 meißnische Hörige über die Elbe als Beute mit sich.

Von September 1017 bis September 1020 benutzte die Akademie statt der zerstörten Burgkapelle Bresnice die Margaretenkapelle der Ikonenschule Nisan. Auch eine kleine Nikolaikirche/-kapelle lag im Bereich des geschützten Hafens und wurde sowohl von Händlern und Reisenden auf der Elbe als auch zu Lande frequentiert und unterhalten. Als der Frieden von Bautzen zwischen dem römisch-deutschen Kaiser und dem polnischen König über zwei Jahre gehalten hatte, begann man mit dem Bau einer hölzernen Kirche. Diese erste Frauenkirche entstand 1020 als Katholikon (Hauptkirche) der kirchenslawischen Akademie Nisan.


Aus diesem Anlaß heraus soll mit diesem Buch die Situation vor tausend Jahren in und um Dresden gewürdigt werden, welche zur Entstehung des mittlerweile weltweit bekannten Gotteshauses führte. Nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau dieses Mahnmals nach der politischen Wende 1989/90 wurde die Dresdner Frauenkirche am 30. Oktober 2005 erneut geweiht.

Vorbemerkung: Antikoloniale Geschichtsschreibung

Bearbeiten

"Also nannte man all diese Menschen östlich von Saale/Elbe einfach Sorben oder Wenden, wie die Römer sie nannten. Sie waren erobert und meist abgemurkst - was hätten sie einwenden können? ... Und jedesmal, wenn ich meinen polnischen Freunden von den Sorben, Obodriten und anderen Völkern erzählte, unterbrachen sie mich und meinten: Das wissen wir. Das hatten wir in der Schule gehabt. Warum bloß hat man uns hier das nicht erzählt? Es gab 400 Kriege in 300 Jahren, zwei vom Papst befohlene Slawenkreuzzüge und ein polnischer Historiker brachte es folgendermaßen auf den Punkt: 'Was mit dem Drang nach Osten Karls des Großen begann, endete in den Verbrennungsöfen von Auschwitz.'" In: Vorgeschichte zu SUDIČKA. ROMAN ÜBER DEN UNTERGANG DER WESTSLAWISCHEN VÖLKER (von Dieter Kalka)

Wilhelm Bartsch schrieb 2018 in der Literaturzeitschrift Ort der Augen[1] über SUDIČKA: "Nach mehr als tausend Jahren hat nun auch Ostelbien ein eigenes Nationalepos".

Das Buch "1020-2020: Tausend Jahre Dresdner Frauenkirche" ist hingegen ein Baustein antikolonialer Geschichtsschreibung für den Bereich der Elbsorben. Hier gilt dasselbe, was kürzlich über die fränkische Kolonisierung Altsachsens unter römisch-katholischem Vorzeichen festgestellt wurde:

  • "Wir waren erstaunt, wie dicht und reichlich die frühchristlichen Bodenfunde in der Harzregion und Thüringen gesät sind. […] Seitens der Archäologie wird jedenfalls eines klar: das bislang gängige, aus fränkisch-lateinischer Sicht verfaßte Geschichtsbild, nachdem östlich ihres Herrschaftsbereiches allein finstere, gottlose Heiden gelebt hätten, ist falsch und hat offensichtlich politischen und ideologischen Zwecken gedient. […] Die bekannte Geschichte, daß die Sachsen allesamt böse und treulose Heiden gewesen seien, war eigentlich nur die propagandistische Begleitmusik zu den fränkischen Kriegszügen, um die eigenen Leute zu mobilisieren." In: "Jahresrückblick 2023", aus: "Klosterbrief 2023" des Deutschen Orthodoxen Dreifaltigkeitskloster Buchhagen (erschienen im Februar 2024), S. 36f.

Ganz adäquat hat sich das ab 843 entwickelnde Ostfrankenreich derselben Masche bedient - und gut hundert Jahre nach Karl dem Großen sich die "östlich ihres Herrschaftsbereiches" liegenden Gebiet mit römisch-katholischer "propagandistischer Begleitmusik zu den [ost]fränkischen Kriegszügen" einverleibt - obwohl die Elbsorben bereits in großmährischer Zeit durch die Mission von Kyrill und Method in der kirchenslawischen Muttersprache missioniert worden waren. Diese byzantinische Mission mußte aber noch dringlicher beseitigt werden als das Heidentum - um ein lateinisches Kirchenregime mit dem bekannten Machtmißbrauch (auch der Schriftlichkeit) aufbauen zu können.

Vorwort zur zweiten Auflage

Bearbeiten

Die erste Auflage wurde behuf des Jubiläums am 8. September 2020 in der Zeit von November 2019 bis März 2020 geschrieben. Voraus gingen jahrzehntelange Recherchen. Wider Erwarten gab es 2020 doch noch mindestens eine weitere Publikation, welche sich dieses Themenkreises angenommen hatte:

  • Nicolina Trunte: "Wege der Methodschüler. Das Schicksal der kyrillomethodianischen Mission nach 885." Im Selbstverlag, Bonn 2020

Die Unzulänglichkeit westlicher Geschichtsschreibung auf der Grundlage römisch-katholischer Schriftlichkeit wurde dadurch noch deutlicher. Da in den mittlerweile mehr als vier Jahren seit Redaktionsschluß eine weitere Fülle an Material zu diesem Themenkreis erschien, macht sich nun eine komplette Neubearbeitung notwendig.

Am 8. September 2020, dem Festtag Mariä Geburt, beging die Dresdner Frauenkirche die Tausendjahrfeier ihrer Kirchweihe durch den böhmischen Hofkaplan Přibislav im Jahre 1020.

Im September 1017 wurde während eines Polenfeldzuges die Burg (Dresden-) Briesnitz an der Eisernen Elb-Furt im Gau Nisan von durchziehenden Truppen des römisch-deutschen Kaisers Heinrich II. zerstört. Im Gegenzug verwüstete das polnische Heer von König Bolesław dem Tapferen den benachbarten Gau Daleminzien und führte rund 1000 meißnische Hörige über die Elbe als Beute mit sich.

Bei diesem Feldzug wurde auch die kirchenslawische Böhmische Akademie zerstört. Diese war 990 nach der polnischen Okkupation des Weichsellandes der Wislanen von Krakau an die Burg Briesnitz mit ihrer durch die hl. Ludmilla gegründeten Kirche verlegt wurden, da in Prag der lateinische Klerus dominierte. Papst Benedikt VI. genehmigte zwar 973 das Bistum Prag, untersagte aber gleichzeitig die slawische Liturgie, was einem Verbot des slawischen Klerus gleichkam. Die Polaner ("[niedriges] Feldbewohner") waren seit etwa 965 römisch-katholisch, die Wislanen ("[obere] Weichselbewohner") waren seit etwa 880 kirchenslawisch.

Die Böhmische Akademie mußte im September 1017 nochmals verlegt werden: gaueinwärts an den befestigten Hafen Nisana (von Nisan) an der Einmündung des Altwasserarmes Gruna-Striesen in die Elbe, der böhmischen Zollstation vor dem deutschen Meißen. Eine weitere böhmische Elb-Zollstation befand sich damals in Ústí nad Labem an der Mündung der Bílina in die Elbe.

Der Hafen lag an der Furt nach Altendresden, der heutigen Dresdner Neustadt, an der sich gleich zwei Altstraßen trafen. Der "Kulmer Steig" kam aus Böhmen über das Erzgebirge und war Teil einer Salzstraße von Halle nach Prag. Die "Frankenstraße" kam von Zwickau und ging nach Bautzen. Sie war Teil des "Frankfurter Gleises" von Nürnberg nach Frankfurt (Oder), einem Abzweig der Via Imperii von Rom über Nürnberg nach Stettin an der Oder. Diese Wege-Leitlinien bestanden in der durch die Natur als Durchgangskorridor vorgezeichneten Elbtalweitung bereits seit der Lausitzer Kultur der Bronzezeit um 1300 vor Christus und führten zu reichem Verkehrsaufkommen.

Zum Hafen gehörte ein Zollgebäude zum Kontrollieren und Wiegen der Waren. Zeittypisch werden sich auch Handwerker hier angesiedelt haben, es gab wahrscheinlich auch einen Hafenkrug mit Ausschank und Übernachtung. Nisana wurde vom Neidhart, einer turmartigen Hafenburg, geschützt.

Im Zusammenhang mit dieser Siedlung wird zu 990 und 1017 eine Wegekapelle des heiligen Nikolai Tschudotworez (Nikolai der Friedensbringer) erwähnt, bei der die Reisenden anhielten, um Gott vor dem Passieren der Gefahren um Hilfe zu bitten oder sich nachher bei Ihm zu bedanken. Bei Nikolai Tschudotworez handelt es sich um Nikolaos (Nikolaus) von Myra. Die Slawen übersetzten Myra, mit Stadt des Friedens aus (kirchenslawisch) Мир = Frieden.

Die Umgebung dieser Wegekapelle war mit Linden bepflanzt, dem Baum der Sorben. Auch in Leipzig war der wichtige Kreuzungspunkt der Via Imperii mit der Via Regni mit Linden bepflanzt, nach denen der zu 1015 erstmals erwähnte Ort "urbs Libzi" (Stadt der Linden) genannt wurde, nach dem sorbischen "lipa" für die Linde. In Dresden-Kaditz gibt es noch heute eine sogenannte "Tausendjährige" Linde. Dieses sorbische Dorf war letzter Zufluchtsort der Böhmischen Akademie vor deren endgültigem Verbot durch den Meißner Bischof Bruno II. am 12. März 1212.

An der Stelle der späteren Brotbänke auf dem Gelände des heutigen Kulturpalastes entwickelte sich ein Wiek, eine Kaufmannssiedlung. Die hochwassersichere Nikolaikapelle im Gebiet der mittelalterlichen Frauenkirche wurde 1020 abgerissen und durch das Katholikon der Akademie Nisan ersetzt. Der Nachfolgebau der Wegekapelle lag sicherlich am Wiek, in ebenfalls hochwassergeschützter Lage am anderen Ufer der Kaitzbaches. Er erhielt möglicherweise im 12. Jahrhundert das Patrozium des heiligen Nikolai (Nikolaus von Myra). Nikolai ist der Patron der Händler, Schiffer und Pilger, welche diese Kirche bauten und unterhielten. Die Verbreitung seines Patroziniums in Europa begann eigentlich erst im 11. Jahrhundert mit der Übertragung seiner Reliquien nach Bari in Italien im Jahre 1087. Süditalienische Kaufleute raubten damals nach der Evakuierung der lykischen Stadt Myra und vor ihrer Eroberung durch seldschuk-türkische Truppen die Reliquien aus der Grabstätte des Heiligen in der St.-Nikolaus-Kirche in Demre und überführten sie ins heimatliche Bari. Für die Unterbringung der Reliquien wurde mit dem Bau der Basilika San Nicola begonnen. Das Patrozinat ist in der Orthodoxie sehr alt und sehr weit verbreitet.

In der sorbischen Frühzeit war der heilige Nikolaus nicht nur der Schutzpatron der Russen, Serben und Kroaten, sondern auch der Sorben, bis die Römifizierung diese Tradition gewaltsam zunichte machte. Heute gilt die Sagenfigur des Zauberers Krabat als Schutzpatron der sorbischen Landbevölkerung.

Die Nikolaikirche an heutiger Stelle wurde wahrscheinlich erst nach der Stadtgründung um 1170 am Rande des damals entstandenen Altmarktes errichtet. Damit wäre die Nikolaikapelle/-kirche zweimal umgezogen: von der Hafensiedlung Nisana an den Wiek und dann an den Altmarkt. Durch den Anbau einer Kreuzkapelle zu Ehren einer Kreuzreliquie im Jahre 1234 übertrug sich das Patrozinium des Heiligen Kreuzes im Jahre 1388 auf das gesamte Bauwerk, heute als Kreuzkirche bekannt.

Erwähnt werden zu 1017 Juden als Sklavenhändler, welche zeittypisch auch den damals einträglichen Salzhandel betrieben. Der Jüdenhof und eine Synagoge wurden bei der Gründung der deutschen Stadt um 1170 von der Stadtmauer mit erfaßt. Ein Bethaus oder eine Synagoge sind auch zu 1017 zu vermuten.

Die Furt wird sehr zeitig durch einen Fährbetrieb ergänzt worden sein. Zum Jahr 990 wird eine Brücke erwähnt, welche wie alle damaligen Slawenbrücken aus Holz gewesen sein dürfte. Sowohl bei den Westslawen als auch bei den Ostslawen sind kilometerlange Brücken überliefert, welche Seen in Mecklenburg oder die Wolga überspannten. Die Elbe war für die slawischen Baumeister kein Problem, noch dazu an einer flachen Furt. Adam Stolze erwähnt einen Brückenneubau von 998, möglicherweise nach einem Hochwasser. Diese Brücke war sicherlich in das System der Zollstation einbezogen und konnte wahrscheinlich je nach Bedarf für den Schiffsverkehr geöffnet oder geschlossen werden.

Ständig wiederkehrende Hochwasser waren nach Chronisten wie Anton Weck damals die Regel, ihre Wirkungen betrafen vor allem die heute Neustädter Seite, das damalige Altendresden. Überschwemmungen sind zu 1002, 1008, 1012 und 1014 überliefert, ein Jahrtausendhochwasser setzte den größten Teil Altendresdens am 13. September 1015 unter Wasser und machte die Fähre unbrauchbar. Hier wird auch ein Krug (sorbische Raststätte mit Ausschank und Übernachtung) an der Gabelung der Wege nach Meißen und Bautzen vermutet. Schon 1020 folgte die nächste Flut. Nach Wilhelm Schäfer zogen deshalb um 1020 etliche Bewohner Altendresdens hinüber in die besser vor den Fluten geschützte Siedlung an der Frauenkirche. Der Kirchbau bot Arbeit, auch die Akademie wurde dort aufgebaut, die 1017 beschädigte Ikonenschule wieder repariert.

Das Gebäude der Böhmischen Akademie befand sich an der Stelle des späteren Maternihospitals. Von diesem zeugt nur noch eine kreisförmige metallene Abdeckung des Brunnens mit etwa 1,5 m Durchmesser rund vier Meter vor der Treppe zu Eingang G der Frauenkirche und damit etwa sieben Meter vom neuen Kirchbau entfernt. Diese Abdeckung zeigt einen alten Stadtplan von Dresden aus der Zeit vor dem Bau der Bährschen Frauenkirche ab 1726. Deutlich zu erkennen sind im Schnittpunkt zweier Linien das Maternihospital, welches an den Frauenkirchhof grenzte, sowie der kleine, heute verlandete Gondelhafen neben der Brühlschen Terrasse (in Richtung Neuer Synagoge) als damaliger Überrest des Hafens Nisana.

Der am 15. Februar 1288 verstorbene Meißner Markgraf Heinrich der Erlauchte überließ die Kirche "Unserer lieben Frau" sowie das Maternispital dem Klarissenkloster Seußlitz. Dessen Witwe Markgräfin Elisabeth plante, das Maternihospital als ein Gegenstück zum Dresdner Franziskanerkloster in ein Klarissenkloster umzuwandeln, da die Räumlichkeiten der klosterähnlichen Böhmischen Akademie hierfür als geeignet erschienen. Die Akademie war zu Ostern 1169 samt der Ikonenschule nach Kaditz verlegt worden, nachdem der Gau Nisan 1142 vom böhmischen an den deutschen König wegen einer militärischen Beihilfe abgetreten worden war.

Die Klostergründung scheiterte aber am energischen Widerstand der Stadt. Ein gegenüber dem Dresdner Franziskanerkloster aufgebautes Klarissenkloster wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts sogar gewaltsam von der Stadtbevölkerung abgerissen. 1329 ging auch das Maternispital an die Stadt Dresden über. Der ehemalige Neidhart wird ebenfalls am Ort des Maternispitals vermutet. Dies würde bedeuten, daß sich die Böhmische Akademie 1017 in diese alte Befestigung zurückzog. Einen Nachweis darüber gibt es allerdings nicht.

Ein Fischersdorf ist auf der langgestreckten Landzunge zwischen der Elbe und dem Gruna-Striesener Altwasserarm überliefert, des Weiteren eine Große wie auch Kleine Fischergasse von der Frauenkirche Richtung Furt und Fähre. Die Große Fischergasse wurde 1849 in Münzgasse umbenannt, die Kleine 1882 in Brühlsche Gasse.

Von September 1017 bis Anfang September 1020 nutzte die Böhmische Akademie die Margaretenkapelle der 990 gegründeten Ikonenschule Nisan. Diese befand sich etwa in der Mitte der Münzgasse auf dem Gelände des heutigen Hotels Hilton und stand unter der Leitung der heiligen Tatiana von Nisan. Die Kapelle war am 22. Mai 998 vom Archimandriten Ignatios (Hatto) von Krakau der Margareta von Antiochia geweiht worden und besaß ein Stück der Hand, mit welcher Margareta im Leib des Drachens das Kreuzzeichen geschlagen haben soll sowie eine Flasche von dem Öl, in welchem sie der Legende nach gebraten wurde.

In der klosterähnlichen Ikonenschule wurde besonders Maria, die Gottesgebärerin, durch zahlreiche verschiedene Ikonen verehrt. Hier entstand auch das "wächserne Muttergottesbild" ("Schwarze Madonna"), welches später Grundlage der römisch-katholischen Wallfahrt zur Frauenkirche wurde. Eine katholische Legende ließ das Bild von der Elbe in Dresden anschwemmen. Die Polen verehren eine ähnliche wundertätige orthodoxe "Schwarze Madonna" byzantinischen Ursprungs auf dem Jasna Góra (Heiligen Berg) von Częstochowa symbolisch als "Königin Polens".

 
Queckbrunnen
 
Ansicht 1878
 
Storchenfigur auf dem Brunnen

Die Wallfahrt zur Frauenkirche wurde besonders von "preßhafften Personen" (Schwangeren) oder kinderlosen Frauen genutzt, womit die Kontinuität zur Margareten-Verehrung als Schutzpatronin bei Schwangerschaft und Geburt, der Jungfrauen, Ammen und der Gebärenden erhalten blieb. 1512 wurde einem weiteren wundertätigen Marienbilde beim noch heute bestehenden "Queckbrunnen" vor dem Wilsdruffer Tor (heute Postplatz) eine Wallfahrtskapelle erbaut. Zu diesem Brunnen (heute in der Hertha-Lindner-Straße) wallfahrten selbst nach der Reformation und Entfernung der orthodoxen Ikone viele Frauen, denn nach einer Legende sollte das Wasser kinderlosen Frauen zur Fruchtbarkeit verhelfen. Der Storch mit insgesamt vier Wickelkindern auf dem Dach des 1461 erstmals urkundlich erwähnten Brunnens wurde 1735 gefertigt.

Auch die unversehrten Reliquien der heiligen Aquilina von Nisan ruhten in der Margaretenkapelle sowie die Gebeine des Drachens, den sie besiegt haben soll. Aquilina erlitt das Martyrium durch die Lateiner am 15. Juni 929, wobei nach ihrer Vita durch ein Wunder ihre Kleider mit Pech am Körper festklebten und so ihre Jungfräulichkeit bewahrten. Ihr unversehrter Zustand könnte durch Mumifizierung entstanden sein. Die Drachenknochen waren möglicherweise Mammutknochen, die häufiger im Elbtalkessel gefunden werden. Das sorbische Dorf Trachau geht auf einen Drachen zurück, der in der Drachenschlucht von Trachenberge gehaust haben soll. Zudem sind in Dresden der Drache Meix im Meixgrund, der Eiswurm im Eiswurmlager des Plauenschen Grundes und der Lindwurm im Nesselgrund von Klotzsche mythologisch überliefert.

Die Böhmische Akademie war 990 nach der Besetzung Krakaus durch die Polaner gewaltsam vertrieben worden und hatte sich in die Böhmische Akademie Nisan und die Geistliche Akademie Sandomierz geteilt. Sie ging auf die kirchenslawische Großmährische Akademie zurück, die 863 von den byzantinischen Lehrern Kyrill und Method gegründet, bereits 886 durch die Lateiner vernichtet wurde. Ihr Standort wird in der Burg Devin bei Bratislava vermutet, auf dem Felsmassiv am Zusammenfluß von March und Donau. Der großmährische Fürst Svatopluk I. lieferte alle kirchenslawischen Christen dem lateinischen Klerus unter Bischof Wiching aus und ermächtigte diesem, nach Belieben mit ihren Gegnern zu verfahren. Alle, die an der slawischen Liturgie festhielten, wurden gefangengenommen, darunter allein 200 Geistliche. Jüngere wurden in die Sklaverei verkauft, Ältere zu Tode gefoltert. Unzählige wurden verbannt oder suchten ihr Heil in der Flucht. Nur auf diese gewaltsame Weise konnte sich der lateinische Klerus in Großmähren durchsetzen. Die Lateiner vernichteten das Andenken an die kirchenslawische Tradition, wo sie nur konnten. Nachdem alles nichts fruchtete, wurden die ehedem Verfolgten als Patrone Europas vereinnahmt.

Ein ähnliches Schicksal erfuhr Jeanne d’Arc. Verurteilt und als Ketzerin verbrannt von einem römisch-katholischen Gericht unter dem Vorsitz des Bischofs von Beauvais, Pierre Gauchon, vereinnahmte sie die römisch-katholische Kirche als Patronin Frankreichs, als ihre Beliebtheit nicht zu unterdrücken war.

Natürlich findet sich in der auf römisch-katholischer Schriftlichkeit fußenden mittelalterlichen Geschichtsschreibung kein Wort zur kirchenslawischen Vorgeschichte bei den Sorben. Auch der Dresdner Elbtalkessel war ursprünglich sorbisches Siedlungsgebiet, wie die sorbischen Ortsnamen einschließlich Dresden noch heute deutlich vor Augen führen. Dresden läßt sich aus dem altsorbischen Begriff für Sumpf- und Auwaldbewohner herleiten, Nisan ist ebenfalls altsorbisch und heißt (im Verhältnis zu Böhmen) „niedrig liegendes Land“.

Bei den Westslawen entstanden nach der Vernichtung der kirchenslawischen Großmährischen Akademie 886 neben der Akademie Krakau die Böhmische Akademie und die sorbische Geistliche Akademie Dubzk (Bernburg), nach deren Vernichtung durch die Lateiner am 10. Mai 927 dann die sorbischen Geistlichen Akademien Posa (Zeitz) und Pratau (Wittenberg). Die Böhmische Akademie (sicherlich in der Hauptstadt Prag gelegen) wurde nach der Ermordung von Wenzel von Böhmen am 28. September 929 (nach anderer Meinung am 28. September 935) geschlossen. Nach der böhmischen Eroberung von Krakau um 950 ging der Name Böhmische Akademie auf die Akademie Krakau über. Mehrfach wurde auch die Akademie Nisan als Böhmische Akademie bezeichnet, zuletzt bei der Schließung 1212, um den Gegensatz zwischen Slawen und Lateinern zu betonen.

Bei den Südslawen entstanden durch verfolgte Schüler Methods 886 die Schulen von Pliska und Devol, 893 die von Preslaw und Ochrid im damals Ersten (Groß)Bulgarischen Reich. Dessen Osthälfte mit Pliska und Preslaw wurde 971, die Westhälfte 1018 vom Byzantinischen Reich erobert. 1020 bestand bei den Südslawen nur noch die kirchenslawische Schule von Ochrid im neuen byzantinischen Erzbistum Ochrid.

Als der Frieden von Bautzen vom 30. Januar 1018 zwischen dem römisch-deutschen Kaiser und dem polnischen König über zwei Jahre gehalten hatte, begann die Akademie im Frühjahr 1020 mit dem Bau eines eigenen Katholikons aus Holz. An Marien-Reliquien besaß diese Hauptkirche ein Stück vom Mantel und ein Fläschchen mit Muttermilch der Gottesgebärerin. Diese stammten aus Krakau und dienten zuvor der Marienverehrung in der Margaretenkapelle der Ikonenschule. Das "wahrhafte Maaß des Fußes unserer lieben Frauen" verblieb dort und wurde im Spätmittelalter in der Altendresdner Pfarrkirche „Zu den Heiligen Drei Königen“ verehrt, der heutigen Dreikönigskirche in der Dresdner Neustadt. Auch die Aquilina-Reliquien wurden von der Margaretenkapelle in die neue Kirche gebracht, die am 8. September 1020 durch den böhmischen Hofkaplan Přibislav geweiht wurde.

Einleitung

Bearbeiten

Es gehört zu den üblichen Gedankenlosigkeiten, die Gründung der heute sächsische Festung Königstein den sächsischen Königen zuzuschreiben. Tatsächlich aber ist des Königs Stein eine böhmische Gründung. Sächsische Könige gab es nämlich erst ab 1806, während erste urkundliche Erwähnung des Königsteins (1233) auf die Zeit des Böhmenkönigs Wenzel I. zurückgehen, der dort am am 7. Mai 1241 die Oberlausitzer Grenzurkunde siegelte. Die ältesten steinernen Zeugnisse auf der Burg werden auf die Jahre um 1200 datiert, eine hölzerne Vorgängerburg bestand wahrscheinlich bereits in der Zeit des böhmischen Königs Vladislav II., der von 1140 bis 1172 regierte und 1142 die nahe gelegene Burg Dohna an den deutschen König Konrad III. abtreten mußte.

Wenzel I. war der Vater von Ottokar II. Přemysl, dem Gründer von Königsberg in Ostpreußen. Somit gibt es eher einen Zusammenhang zwischen Königstein und Königsberg als einen mit Moritzburg oder Augustusburg. Der Königstein wie auch die Pflege Pirna und andere benachbarte Landschaften gingen dem Königreich Böhmen erst nach 1400 durch militärische Eroberung seitens der Markgrafen von Meißen als Besitz verloren, blieben aber auch Jahrhunderte danach noch böhmische Lehen und damit böhmisches Eigentum.

Eine genauso weit verbreitete Gedankenlosigkeit und auch deutsche Überheblichkeit ist die Annahme, der Dresdner Elbtalkessel sei bereits 929 durch den "ersten" ostfränkischen König Heinrich I. "erobert" worden. Tatsächlich wurde diese Landschaft, der damalige Gau Nisan, erst 1142 von dem böhmischen König Vladislav II. gegen militärischen Beistand dem deutschen König Konrad III. abgetreten. Hinzu kommt, dass die Burg Meißen wie die Liudolfinger-Burgen Magdeburg und Merseburg eine vorgelagerte Grenzburg war und demzufolge den Elbtalkessel strategisch nicht erfaßte. Des Weiteren ging die Burg Meißen nach dem Tod König Heinrichs I. im Jahre 936 gleich wieder verloren und fand erst ab 965 wieder Erwähnung, um dann 984 wieder verlorenzugehen. Und obendrein wurden selbst die Gebiete westlich von Meißen nicht territoriell "erobert", sondern lediglich einer losen Tributherrschaft unterworfen, welche sich danach noch mehrfach lockerte. Selbst in Anhalt, den askanischen Stammlanden, gab es noch bis 1115 Slawenaufstände.

Siehe auch: Vladislav II. von Böhmen 1158–1173, Brakteat Münzstätte Bautzen oder Görlitz.

Noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts waren die Markgrafen von Meißen als Vasallen der mächtigen böhmischen Krone zu finden. Und ab dem 13. Juli 1346 bis zum 9. Dezember 1437 stellten die böhmischen Könige aus dem Haus Limburg-Luxemburg für fast ein Jahrhundert auch die deutschen Könige und Kaiser. Die Geschichte der Dresdner Elbtalweitung vor 1142 ist demnach in erster Linie eine böhmische, also slawische Geschichte, und selbst danach kommen über Jahrhunderte noch wesentliche Impulse aus Böhmen in den Elbtalkessel, ein Umstand, den der deutsche Germanozentrismus bislang beflissentlich ignoriert hat und auch noch weiterhin ignoriert. Nur so konnte es kommen, dass 1990 das Millenium der Böhmischen Akademie Nisan, einer der ältesten Hochschulen Europas, am Ort des ehemaligen Bestehens völlig ignoriert wurde. Und nur so kann es sein, dass die Verantwortung für das Millenium der Dresdner Frauenkirche im Jahre 2020 nur wegschoben wird: von der örtlich zuständigen evangelischen Kirche, seit 1539 Eigentümerin der Frauenkirche, an die angeblich zeitlich zuständige römisch-katholische Kirche, von dort wegen örtlicher Unzuständigkeit und größerer Bedeutung an die Stadt Dresden und von dort aus Haushaltsgründen an das Land Sachsen und von dort wieder zurück in die kirchliche Zuständigkeit. Es ist ja bekannt, dass die beiden großen Volks-Kirchen oft nur Aktivitäten entfalten, wenn diese mit Steuermitteln großzügig finanziert werden - demzufolge verwundert dieses Verhalten nicht wirklich, zumal mit dem Jubiläum ja auch noch die Richtigkeit des eigenen Geschichtsbildes hinterfragt würde. Hinzu kommen natürlich auch die immer ungünstiger werdenden Globalfaktoren. In Zeiten des Globalismus, wo auch Bildung und Forschung immer mehr der Profitmaximierung zu dienen haben, ist das Interesse an einem Kirchweih-Millenium natürlich entsprechend geringer als an einem Stadtjubiläum mit Eventcharakter wie die 800-Jahr-Feier Dresdens im Jahre 2006, zu welcher auch eine dreibändige neue Geschichte der Stadt Dresden veröffentlicht wurde.[2]

Mit diesem Buch soll wenigstens in bescheidenem Rahmen des Kirchweih-Milleniums der Dresdner Frauenkirche gedacht werden.

Übersichtskarte: Römisch-Deutsches Reich und Byzanz 1020

Bearbeiten

Als Skizze erstellt - vgl. Festschrift.

Die Gründung des Römisch-Deutschen Reiches 962

Am 2. Februar 962 salbte und krönte Papst Johannes XII. den ostfränkischen und italienischen König Otto I. und dessen Gemahlin Adelheid von Burgund zu Kaiser und Kaiserin und übertrug damit zugleich die römische Kaiserwürde auf das Ostfränkische Reich. Hierdurch wurde das Römisch-Deutsche Reich mit eindeutiger Anlehnung an das ehemalige Römische Reich begründet. Kaiser Otto erreichte dadurch auch einen Ausgleich mit dem byzantinischen Kaiser Johannes Tzimiskes und die Verehelichung seines Sohnes Otto II. mit dessen Nichte Theophanu. Vor allem die Polarität zwischen Westrom (Rom) und Ostrom (Byzanz) lebte so wie seit der Reichsteilung von 395 weiter fort.

Die Akademie Nisan im System der kirchenslawischen Akademien

Nicht nur politisch, auch geistlich kämpfte der westliche Teil des ehemaligen Imperiums Romanum gegen den östlichen. Im Jahre 990 wurde die letzte der seit 886 bestehenden sekundären kirchenslawischen Akademien durch die Lateiner aus Krakau vertrieben.

Die erste große Vertreibungswelle der kirchenslawischen Christen fand nach dem Tod des Method von Saloniki († 6. April 885) aus Moravia (Großmähren) statt, wodurch die Sekundärakademien notwendig wurden.

Eine weitere Vertreibung der kirchenslawischen Akademie aus Dubzk (Bernburg) im Jahr 927 führte zu Tertiärakademien.

Die Vertreibung aus Krakau war bereits die dritte Vertreibung der kirchenslawischen Akademie durch die Lateiner.

Die 893 neu entstandenen Akademien im Großbulgarischen Reich sind auf einen Regierungswechsel mit Verlegung der Hauptstadt zurückzuführen. Diese Verlegungen war infolge einer paganen Reaktion auf das noch junge Staats-Christentum der Bulgaren notwendig geworden.

Primärakademie (862 oder 863):

  • Großmährische Akademie (vermutlich in der Burg Devin bei Bratislawa) bis 886

Sekundärakademien (ab 886)

  • Schule von Pliska mindestens bis 893
  • Schule von Devol mindestens bis 893
  • Akademie Dubzk (heute Bernburg [Bergstadt]) bis 927
    • liezkau (Leitzkau) ab 890 bis ?
  • Böhmische Akademie (Prag ?) bis ?
  • Akademie Krakau bis 990, ab etwa 950 Böhmische Akademie

Tertiärakademien

  • Schule von Preslaw ab 893
  • Schule von Ochrid ab 893
  • Akademie Posa (heute zu Zeitz) ab 927
  • Akademie Pratau (heute zu Wittenberg) ab 927
  • Akademie Sandomierz ab 990
  • Akademie Nisan ab 990


Grenze zwischen sächsischem Markengebiet und Slawen

Diese verlief im Norden an der Grenze zwischen ehedem großmährischem Einflußgebiet zu den nördlichen Elbslawen (südlich Brandenburg und Lebus) - zeichnete also den vom großmährischen Reich kirchenslawisch christianisierten Bereich ab, den Sachsen militärisch übernommen hatte, wobei nicht nur die weltliche, sondern zunächst auch die geistliche Elite ausgetauscht wurde (Einsatz des lateinischen Kirchensystems und des lateinischen Klerus) - insgesamt war der Unterschied zwischen christianisierten ("zivilisierten") Slawen und nicht-christianisierten "unzivilisierten") Slawen aber so eklatant, daß nach dem großen Slawenaufstand von 983 alle Slawengebiete für bald zwei Jahrhunderte verlorengingen, welche nicht bereits kirchenslawisch "zivilisiert" gewesen waren.

Im Umkehrschluß ist zu bemerken, daß die lateinische "Christianisierung" der nördlichen Slawen mit Waffengewalt und Tributherrschaft trotz der Dauer eines guten halben Jahrhunderts von 928 bis 983 nichts fruchtete (außer einem Aufstand mit der Zerstörung des ottonischen Kirchensystems), während die muttersprachliche kirchenslawische Mission weiter südlich im slawischen Bereich in den wenigen Jahren um 880/890 auf fruchtbaren Boden fiel. Dies paßt der römisch-katholisch dominierten Geschichtsschreibung natürlich überhaupt nicht.

Die gängige Erklärung, das südliche Markengebiet wäre schon lange über den Limes Sorabicus in das ostfränkische Markengebiet eingebunden gewesen, weswegen es dort zu keinen Aufständen 983 kam, ist so nicht haltbar

  • erstens wurde das Gebiet der Nordmark als erstes 928 militärisch angegriffen und zur Tributherrschaft gezwungen - das Gebiet der Daleminzier erst im Jahr darauf, das Gebiet der Milzener um Bautzen erst Jahre später und
  • zweitens gab es für das Fehlen eines Großen Slawenaufstandes im Gebiet des Markgrafen von Meißen gegen die ostfränkische (frühdeutsche) Herrschaft eine simple Erklärung (weil diese dort keinen Bestand hatte und damals nicht gesichert war): 984 übernahm der slawische Herzog Boleslav II. von Böhmen im Einvernehmen mit dem bayerischen Herzog und Thronanwärter Heinrich dem Zänker die Burg Meißen und vertrieb nicht nur den sächsischen Markgrafen Rikdag, sondern auch den frühdeutschen Bischof Volkold und dessen Klerus - die Slawen hatten gar keinen Grund, gegen sich selbst zu rebellieren!

Die Bischöfe von Brandenburg hingegen mußten ab 983 über 150 Jahre lang im Exil leben und hatten keinen Zugang zum Bistumsgebiet, erst Bischof Wigger konnte nach 1138 in Leitzkau erstmals wieder im Bistum östlich der Elbe residieren, und erst Bischof Wilmar verlegte den Sitz 1161 wieder an den Dom in Brandenburg - nach 178 Jahren! Bezeichnenderweise nutzte auch hier die römisch-katholische Kirche eine Struktur im Slawengebiet, welche bereits auf die kirchenslawische Christianisierung zurückgeht: Leitzkau mit der Akademie ab 890.

Grenze zwischen sächsischem Markengebiet und Polen

Diese wird in etlichen Geschichtsatlanten in der Elbe - unter Ausschluß von Meißen - gesehen, andere stellen eine Grenzlinie etwas nördlich der Elbe dar.

Grenze zwischen sächsischem Markengebiet und Böhmen

Viel zu wenig Beachtung findet der Umstand, daß Meißen eine vorgelagerte Grenzburg war und die Gebiete östlich von Meißen (bis auf wenige Kilometer direkter Burggrafschaft mit z.B. Brockwitz [1013]) nicht zum Einflußbereich des Markgrafen gehörten - so auch Nisan.

Am 19. Juli 1013 wurde erstmals eine Ortschaft im Gau Nisan erwähnt. Heinrich II. schenkte nach sehr schädigenden feindlichen Verwüstungen dem Bistum Meißen, das nahezu alles verloren hatte[3], sechs Dörfer, darunter Brochotina cethla[4] (Brockwitz) in Niseni.[5] Die Ortsnamen wurden offenbar in dafür in dem Diplom gelassene Lücken später nachgetragen.[6] Hierbei handelt es sich um die einzige Erwähnung von Brockwitz als dem Gau Nisan zugehörig. Siedlungsgeographisch und nach den slawischen Quellen gehörte Brockwitz ursprünglich und auch später wieder zu Glomaci (Daleminzien). Das Dorf liegt westlich des Flaschenhalses, welcher durch frühgeschichtliche Wälder und frühgeschichtliche Rodungsflächen die Gaue Nisan und Glomaci voneinander trennte, aber leicht östlich von Meißen. Offenbar hatte die Gründung der frühdeutschen Grenzburg Meißen hier eine neue Grenzsituation geschaffen. 1013 scheint Heinrich II. nur über das kleine Gebiet westlich des Flaschenhalses in unmittelbarer Nähe der Burg Meißen verfügt zu haben. Gerhard Billig geht von einer (Rück)Verschiebung der Gaugrenze von Sörnewitz/Batzdorf in Richtung Südosten bis nach Kötitz/Gauernitz bereits im 11. Jahrhundert aus.[7]

Nach der Karte 6 in der Geschichte Dresdens (Herrschaft und Christianisierung im Dresdner Elbtalraum)[8] verlief die Westgrenze des Archidiakonats Nisan wie folgt:

  • vom Erzgebirgkamm die Wilde Weißeritz entlang
  • einschließlich Schönfeld (ersterwähnt 1336)
  • ausschließlich Frauenstein
  • einschließlich Hennersdorf (ersterwähnt 1332)
  • einschließlich Reichstädt (ersterwähnt 1319)
  • einschließlich Ruppendorf (ersterwähnt 1350)
  • einschließlich Höckendorf (ersterwähnt 1235)
  • bis Tharandt, wo sich die Grenze Nisans von der Weißeritz löst und weiter strikt nach Norden verläuft
  • einschließlich Kesselsdorf (ersterwähnt am 9. Februar 1223)
  • nach Wilsdruff, wo die Wilde Sau nach Westen läuft
  • einschließlich Weistropp
  • einschließlich Gauernitz
  • die Elbe zwischen Gauernitz und Kötitz (ersterwähnt 1203) ein Stück westwärts
  • ausschließlich Brockwitz
  • einschließlich Coswig

Im Unterschied zum Codex diplomaticus Saxoniae regiae (CDSR) wird hier das wichtige Frauenstein mit Burg Frauenstein ausgeschlossen. Der Ausschluss von Brockwitz hingegen ist hier wie auch beim CDSR zu finden, die Zugehörigkeit dieses Ortes zu Nisan war nur temporär. Brockwitz war nach den altsorbischen Quellen Teil von Glomaci (Daleminzien), fiel aber durch den Charakter Meißens als Grenzburg nach 965 zu Nisan. Der Ort war offenbar auch nie Teil des Archidiakonats Nisan, gehörte 1351 zum Districtus Großenhain und wurde ab 1547 wieder direkt vom Kreisamt Meißen verwaltet.

Anmerkungen

Bearbeiten
  1. Wilhelm Bartsch: "Ein ziemlich aktuelles Nationalepos." Ort der Augen, Blätter für Literatur aus Sachsen-Anhalt, Heft 2–3/2018, Magdeburg am 23.10.2018.
  2. Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Hrsg. v. Karlheinz Blaschke. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1906-0. Bd. 2: Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Reichsgründung (1648–1871). Hrsg. v. Reiner Groß. Theiss, Stuttgart 2006, ISBN 3-8062-1927-3. Bd. 3: Von der Reichsgründung bis zur Gegenwart (1871–2006). Hrsg. v. Holger Starke. Theiss, Stuttgart 2006, ISBN 3-8062-1928-1.
  3. Heinrich schenkt der bischöflichen Kirche von Meissen auf Klagen des Bischofs Eiko hin, daß seine Kirche durch feindliche Einfälle schweren Schaden erlitten und nahezu alles verloren habe, die Orte Glossen (Kr. Oschatz, Bz. Leipzig), Daubnitz, Schänitz, Mertitz (alle Kr. Meissen, Bz. Dresden) im Gau Dalaminci, ferner Golencizacethla (?) im Gau Gudici und Brockwitz (Kr. Meissen, Bz. Dresden) im Gau Niseni mit allem Zubehör und zu freiem Verfügungsrecht zum Nutzen der Kirche. RI II,4 n. 1786, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1013-07-19_1_0_2_4_1_551_1786 (Abgerufen am 1. November 2018).
  4. CDS II 1, Nr. 11, Anm. a): Setle, cethla wahrscheinlich verwandt mit dem slawischen sedlak, Dorfbewohner, Bauer, dürfte eine Niederlassung Ackerbau treibender Menschen bezeichnen.
  5. CDS II 1, Nr. 19 vom 19. Juli 1013: K. Heinrich eignet dem durch feindliche Verwüstungen in seinen Einnahmen sehr geschädigten Stift sechs Ortschaften in den Gauen Dalaminci, Gudici und Niseni […] Ideo eidem praefatae ecclesiae sex villas nostrae proprietatis concedimus, quatuor in pago Dalaminci Glupp, Difnouuocetla, Zenizi, Miratina cethla, V tam in pago Gudici nomine Golenciza cethla, VI tam in Niseni Brochotina cethla cum mancipiis utriusque sexus, silvis, venationibus, aquis aquarumve decursibus, piscationibus, molendinis, pratis, pascuis, aedificiis, viis et inviis, exitibus et reditibus ac cum omnibus appertinentiis inquisitis seu inquirendis.
  6. MG. DD. 3, 319 no. 269.
  7. Billig: Die Burgwardorganisation im obersächsisch-meissnischen Raum. S. 71.
  8. Autor: Manfred Kobuch