Sensorische Systeme/ Gustatorisches System


Einleitung

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Das Gustatorische System oder der Geschmackssinn lässt uns verschieden Geschmacksrichtungen von Substanzen wie Essen, Trinken, Medizin, etc. wahrnehmen. Moleküle, die wir schmecken, oder Geschmacksträger werden von Zellen im Mund wahrgenommen, welche Informationen an das Gehirn senden. Diese spezialisierten Zellen werden Geschmackszellen genannt und können 5 verschiedene Hauptgeschmacksrichtungen schmecken: bitter, salzig, süß, sauer und umami (wohlschmeckend). Die gesamte Vielfalt der bekannten Geschmacksrichtungen besteht aus Kombinationen von Molekülen, die in diese Kategorien fallen.

Man misst den Grad, wie stark eine Substanz eine der grundlegenden Geschmacksrichtungen aufweist, subjektiv, indem man den Geschmack mit dem Geschmack eines Referenzstoffes, gemäß dem relativen Inhalts verschiedener Stoffe, vergleicht. Für bitteren Geschmack wird Quinine (enthalten in Tonic Water) verwendet, um einzuschätzen, wie bitter ein Stoff ist. Salzigkeit kann eingeschätzt werden, indem man mit einer verdünnten Salzlösung vergleicht. Säure wird mit verdünnter Salzsäure (H+Cl-) verglichen. Süße wird relativ zu Saccharose gemessen. Der Wert dieser Referenzstoffe ist als 1 definiert.

(Kaffee, Mate, Bier, Tonic Water etc.)

Bitterer Geschmack wird von vielen als unangenehm empfunden. Im Allgemeinen ist Bitterkeit sehr interessant, weil viele Bitterstoffe giftig sind, deshalb wird der bittere Geschmack als wichtige Schutzfunktion angesehen. Blätter von Pflanzen enthalten oft giftige Stoffe. Pflanzenfresser haben eine Tendenz unreife Blätter zu bevorzugen, die einen höheren Eiweißgehalt haben und geringere Giftstofflevel aufweisen als vollentwickelte Blätter. Obwohl bitterer Geschmack zuerst nicht sehr angenehm ist, scheint es so, dass es eine Tendenz gibt die Abneigung dagegen zu überwinden, da Kaffee und andere Getränke reich an Koffein weitgehend konsumiert werden.

(Kochsalz)

Salziger Geschmack wird hauptsächlich durch die Anwesenheit von Kationen wie etwa Li+ (Lithiumionen), K+ (Kaliumionen) und häufiger Na+ (Natrium) verursacht. Die Salzigkeit von Stoffen wird mit Natriumchlorid (Na+Cl-) verglichen, was üblicherweise als Kochsalz verwendet wird. Kaliumchlorid (K+Cl-) ist der Hauptbestandteil in Salzersatzmitteln und hat einen Wert von 0.6 (siehe unten Kapitel 5) verglichen mit dem Wert von 1 von Na+Cl-.

(Zitrone, Orange, Wein, saure Milch und Süßigkeiten, die Zitronensäure enthalten)

Saurer Geschmack kann leicht angenehm sein und ist verknüpft mit salzigem Geschmack allerdings verschlimmert. Typischerweise sauer sind überreife Früchte, verdorbene Milch, vergammeltes Fleisch und andere verdorbene Lebensmittel, die gefährlich sein können. Säuren (H+ Ionen), die in großen Mengen eingenommen irreversiblen Gewebeschaden anrichten können, werden auch geschmeckt. Saurer Geschmack wird im Vergleich zu Salzsäure (H+Cl-) gemessen, was einen Säuerlichkeitsindex von 1 hat.

(Saccharose (Haushaltszucker), Kuchen, Eiscreme etc.)

Süße wird als angenehme Empfindung angesehen und wird größtenteils von der Anwesenheit von Zuckern erzeugt. Süße Stoffe werden relativ zu Saccharose, was einen Wert von 1 hat, eingeschätzt. Heutzutage sind viele künstliche Süßungsmittel auf dem Markt, unter anderem Saccharin, Aspartam und Sucralose, allerdings ist es noch nicht klar, wie diese Ersatzstoffe Rezeptoren aktivieren.

Umami (herzhaft oder wohlschmeckend)

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(Käse, Sojasauce etc.)

Kürzlich wurde Umami als fünfter Geschmack hinzugenommen. Dieser Geschmack signalisiert die Anwesenheit von Glutamat und ist sehr wichtig für die östliche Küche. Mononatriumglutamat wird häufig verwendet, damit Essen umami schmeckt, aber auch verschiedene Pflanzen und Fleischsorten sind Glutamatquellen. Umami wird noch verstärkt, wenn Glutamat zusammen mit den Nukleotiden Inodinmonophosphat und Guanylat auftritt.

Sinnesorgane

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Zunge und Geschmacksknospen

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Menschliche Zunge

Geschmackszellen sind epithelial und kommen gehäuft in den Geschmacksknospen vor, die sich in der Zunge, im Gaumensegel, im Kehldeckel, im Rachen und der Speiseröhre befinden, wobei die Zunge das Hauptorgan des Geschmackssystems ist.

 
Schematische Zeichnung einer Geschmacksknospe

Geschmacksknospen befinden sich in Papillen entlang der Oberfläche der Zunge. Beim Menschen gibt es drei Arten von Papillen: pilzförmige im vorderen Bereich enthalten ungefähr fünf Geschmacksknospen, Wallpapillen, welche grösser und weiter hinten als die vorherigen vorkommen und Blätterpapillen die am hinteren Rand der Zunge sitzen. Wall- und Blätterpapillen enthalten hunderte Geschmacksknospen. In jeder Geschmacksknospe gibt es verschiedene Zelltypen: Basalzellen, Typ-I-, Typ-II- und Typ-III-Zellen. Man geht davon aus, dass Basalzellen die Stammzellen für die anderen Typen sind. Man glaubt, dass die restlichen Zellen verschiedenen Differenzierungsstadien entsprechen, wobei die Typ-II-Zellen der reifste Zelltyp ist. Eine andere Idee ist, dass Typ-I-, Typ-II- und Typ-III-Zellen verschiedenen Zellstammbäumen entsprechen. Geschmackszellen sind kurzlebig und werden ständig erneuert. Sie haben eine Geschmackspore an der Oberfläche des Epithels, wo sich Mikrovilli ausdehnen, der Ort wo Sinnestransduktion stattfindet. Geschmackszellen sind durch Fasern primärer gustatorischer Neuronen innerviert. Sie verbinden sensorische Fasern und diese Verbindungen ähneln chemischen Synapsen. Diese sind mit spannungsgesteuerten Kanälen anregbar: K+, Na+ und Ca+ Kanäle sind fähig Aktionspotentiale zu erzeugen. Obwohl die Reaktion auf verschiedene Geschmacksstoffen variiert, interagieren die Geschmacksstoffe im Allgemeinen mit Rezeptoren oder Ionenkanälen in der Membran der Geschmackszellen. Diese Interaktionen depolarisieren die Zelle direkt oder durch einen sekundären Botenstoff und dadurch erzeugt das Rezeptorpotential Aktionspotentiale innerhalb der Geschmackszelle, die zu Ca2+ Einstrom durch Ca2+ spannungsgesteuerte Kanäle führen, gefolgt von der Ausschüttung von Neurotransmittern an den Synapsen zu den Sinnesfasern.

Zungenkarte

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Die Idee, dass die Zunge in verschiedenen Regionen am sensibelsten für gewisse Geschmacksrichtungen ist, ist ein langjähriger Irrglaube, der als falsch erwiesen wurde. Alle Geschmacksempfindungen kommen aus allen Regionen der Zunge.

Superschmecker

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Ein durchschnittlicher Mensch hat etwa 5000 Geschmacksknospen. Ein „Superschmecker“ ist ein Mensch, dessen Geschmackssinn bedeutend sensibler ist als der Durchschnitt. Man glaubt die Reaktionssteigerung liegt daran, dass sie mehr als 20000 Geschmacksknospen haben oder an einer erhöhten Anzahl Pilzpapillen.

Geschmackstransduktion

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Wie zuvor erwähnt unterscheidet man zwischen 5 Arten fundamentaler Geschmäcker: bitter, salzig, sauer, süß und umami. Für jede bekannte Geschmacksrichtung gibt es eine Art Geschmacksrezeptor und jede Art von Geschmacksreiz wird durch einen anderen Mechanismus weitergeleitet. Im Allgemeinen werden bitter, süß und umami von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren wahrgenommen und salzig und sauer via Ionenkanälen.

Bitterstoffe wirken durch G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (engl. GPCRs), auch bekannt unter dem Namen Sieben-Transmembrandomänen-Rezeptoren, die sich in den Wänden der Geschmackszellen befinden. Man glaubt, dass Typ-II-Geschmacksrezeptoren (T2Rs), die eine Gruppe von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren bilden, auf bittere Reize reagieren. Wenn sich der bitterschmeckende Ligand an den G-Protein-gekoppelten Rezeptor bindet, wird das G-Protein Gustducin freigesetzt, dessen drei Untereinheiten auseinanderbrechen und Phosphodiesterase aktivieren, die wiederum ein Vorprodukt innerhalb der Zelle in einen sekundären Botenstoff umwandelt und die K+ Kanäle schließt. Dieser sekundäre Botenstoff regt die Freisetzung von Ca2+ an, was zur Depolarisierung beiträgt, gefolgt von der Ausschüttung von Neurotransmittern. Es ist möglich, dass Bitterstoffe, die die Membran durchdringen können, durch andere Mechanismen, die keine G-Proteine beinhalten, wahrgenommen werden.

Der Amilorid-sensible epitheliale Natriumkanal (ENaC), eine Art Ionenkanal in der Geschmackszellwand, lässt Na+ Ionen entlang eines elektrochemischen Gradientengefälles in die Zelle eindringen, was zu einer Veränderung des Membranpotentials führt, indem die Zelle depolarisiert wird. Dies führt zu einer Öffnung der spannungsgesteuerten Ca2+ Kanäle, gefolgt von der Ausschüttung von Neurotransmittern.

Saurer Geschmack signalisiert die Anwesenheit von sauren Verbindungen (H+ Ionen) und es gibt drei Rezeptoren: 1) Der ENaC (dasselbe Protein, dass auch am salzigen Geschmack beteiligt ist). 2) Es gibt auch H+ gesteuerte Kanäle; einer ist der K+ Kanal, der K+ Ausstrom aus der Zelle zulässt. H+ Ionen blockieren diese, sodass K+ in der Zelle bleibt. 3) Ein dritter Kanal erfährt eine Konfigurationsänderung (Strukturänderung) wenn H+ sich anlagert, was zu einer Öffnung des Kanals führt und Na+ entlang des Konzentrationsgefälles in die Zelle fließen lässt. Dies führt zu einer Öffnung der spannungsgesteuerten Ca2+ Kanäle. Diese drei Rezeptoren arbeiten gleichzeitig und führen zu einer Depolarisierung der Zelle gefolgt von der Ausschüttung von Neurotransmittern.

Süßetransduktion wird durch die Bindung von einem süßen Geschmacksstoff an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die sich in der Apikalmembran der Zelle befinden, geregelt. Saccharid aktiviert den G-Protein-gekoppelten Rezeptor, der Gustducin freisetzt, was wiederum cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat) aktiviert. cAMP aktiviert die cAMP-Kinase die die K+ Kanäle phosphoryliert und diese schließlich deaktiviert, was zur Depolarisierung der Zelle führt, gefolgt von der Ausschüttung von Neurotransmittern.

Umami (Wohlschmeckend)

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Umamirezeptoren umfassen auch G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, auf dieselbe Weise wie Bitter- und Süßrezeptoren. Glutamat bindet einen Typ des metabotropen Glutamatrezeptors mGlurR4 was dazu führt, dass ein G-Proteinkomplex einen sekundären Rezeptor aktiviert, was schlussendlich zur Ausschüttung von Neurotransmittern führt. Es ist derzeit nicht bekannt, wie die Zwischenschritte im Einzelnen funktionieren.

Signalverarbeitung

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Beim Menschen wird der Geschmackssinn durch drei Hirnnerven ans Gehirn übermittelt. Der VII. Hirnnerv übermittelt Informationen von den hinteren zwei Drittel der Zunge und vom Gaumensegel. Der IX. Nerv oder Nervus glossopharyngeus übermittelt Geschmacksempfindungen vom vorderen Drittel der Zunge und der X. Nerv oder Nervus vagus überträgt Informationen von der Rückseite der Mundhöhle und des Kehldeckels. Der gustatorische Cortex ist eine Hirnstruktur, die für die Geschmackswahrnehmung zuständig ist. Sie besteht aus der anterioren Insula der Inselrinde und dem Operculum frontale auf dem Gyrus frontalis inferior des Frontallappen. Neuronen im gustatorischen Cortex reagieren auf die fünf grundlegenden Geschmäcker.

Geschmackszellen bilden Synapsen mit primären Sinnesaxonen der vorher erwähnten Hirnnerven. Die zentralen Axone dieser Neuronen in den entsprechenden Hirnnervganglien projizieren auf die rostralen und lateralen Regionen des Nucleus tractus solitarii in der Medulla. Axonen des rostralen (Geschmacks-)Teils des Nucleus solitarius projizieren zum Nucleus ventralis posterior thalami, wo sie in der medialen Hälfte des Nucleus ventralis posteromedialis enden. Dieser Nukleus projiziert in mehrere Regionen des Neocortex, die den gustatorischen Cortex beinhalten.

Neuronen des gustatorischen Cortex weisen komplexe Reaktionen auf Veränderungen der Konzentration von Geschmacksstoffen auf. Dasselbe Neuron kann für einen Geschmacksstoff sein Feuern erhöhen und für einen anderen Geschmacksstoff kann es nur auf eine mittlere Konzentration reagieren.

Geschmack und andere Sinne

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Im Allgemeinen arbeitet das Geschmackssystem nicht alleine. Während des Essens werden die Konsistenz und die Beschaffenheit von den Mechanorezeptoren des somatosensorischen Systems wahrgenommen. Der Geschmackssinn hängt auch mit dem olfaktorischen System zusammen, da ein Fehlen des Geruchssinns die Unterscheidung von Geschmacksrichtungen erschwert.

Scharfes Essen

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(Schwarzer Pfeffer, Chili, etc.) Ist keine grundlegende Geschmacksrichtung, da die Empfindung nicht von Geschmacksknospen stammt. Der Wirkstoff in scharfem Essen ist Capsaicin und verursacht beim Essen „Schärfe“ oder „Hitze“. Es regt Temperaturfasern und Nozizeptoren (Schmerz) in der Zunge an. In den Nozizeptoren regt es die Ausschüttung von Substanz P an, was zu Gefäßerweiterung und der Ausschüttung von Histaminen führt, was Hyperalgesie (erhöhte Schmerzempfindlichkeit) verursacht.

Im Allgemeinen können die grundlegenden Geschmacksrichtungen appetitlich oder aversiv sein, abhängig von der Wirkung, dass das Essen auf uns hat, aber für das Geschmackserlebnis auch wesentlich sind die Präsentation des Essens, Farbe, Konsistenz, Geruch, frühere Erlebnisse, Erwartungen, Temperatur und Sattheit.

Erkrankungen des Geschmackssinns

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Ageusie (vollständiger Geschmacksverlust)

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Ageusie ist der teilweise oder vollständige Verlust des Geschmackssinns und kann manchmal vom Verlust des Geruchssinns begleitet werden.

Dysgeusie (Geschmacksstörung)

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Dysgeusie ist eine Veränderung der Wahrnehmung des Geschmackssinns. Der Geschmack von Speisen und Getränken ändert sich stark und manchmal wird der Geschmack als abstoßend empfunden. Ursache für Dysgeusie sind neurologische Erkrankungen.