Musiklehre: Das Problem mit dem Notennamen H

Das Problem mit dem Notennamen H

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Jeder Musiker, der sowohl englischsprachige als auch deutschsprachige Musikstücke spielt, wird früher oder später über ein Problem stolpern. Die Note, die im Violinschlüssel auf der mittleren Linie steht, wird ohne Vorzeichen einmal "H", und einmal "B" genannt. Wenn ein b davor steht, wird sie einmal "B" und ein anderes mal "Bb" genannt. Gitarristen suchen bei einem neu gekauften Satz Saiten vergeblich nach einer H-Saite. Musikschüler finden bei Notationsprogrammen oder bei Stimmgeräten und auf einigen Instrumenten nicht die Bezeichnung "H", etc..

Sie müssen erst einmal lernen, dass ein und dieselbe Note in verschiedenen Ländern anders bezeichnet wird. Zum Leidwesen der Schüler werden in der populären Musikliteratur ein und derselbe Ton bzw. ein und derselbe Akkord mal als B, und mal als H bezeichnet. Der Schüler ist verwundert, dass er den Ton bzw. Akkord "B" in einem Buch einen halben Ton höher spielen soll, als in einem anderen Buch. Und es kommt gar nicht mal so selten vor, dass man in ein und demselben Buch mit "B" zwei völlig unterschiedliche Töne bzw. Akkorde meint.

Wir wollen hier nicht für Musikstudenten in die Feinheiten der Musikgeschichte eingehen, sondern das Thema für Anfänger ohne besondere Notenkenntnisse grob vereinfacht darstellen.

Das "B" in England

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Im englischsprachigen Raum sowie in den Niederlanden und China wird unser deutsches "H", also die Note auf der mittleren Notenlinie, (ohne Vorzeichen!) "B" genannt.

Daraus ergibt sich für alle englischsprachigen Schüler die leicht zu lernende Buchstabenfolge;

 

Diese Reihenfolge ist zum Lernen der Notennamen sehr einprägsam, so dass man sich fragen muss, wie es dazu kommt, dass man so etwas Einleuchtendes wie das Alphabet in Deutschland einfach durchbricht und daraus ein "H" macht. Übrigens auch in Skandinavien,Dänemark, Schweden, Polen, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Kroatien, Serbien und Ungarn, was das H mit Fug und Recht zur internationaleren Schreibweise macht.

Wie dem auch sei, man sieht im englischen Sprachraum, dass 7 Notennamen vollkommen ausreichen, um alle Noten zu bezeichnen. Möchte man höhere Noten oder tiefere Noten haben als die sieben Stammtöne, fängt man einfach wieder mit den gleichen Buchstaben von vorn an. Die Analogie zu den sieben Tagen einer Woche, die ja auch immer wieder von vorne anfangen, kann für das Lernen ganz hilfreich sein.

 

Exkurs: Weshalb beginnt man die Dur-Tonleiter nicht mit A?

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Diese Notenfolge entspricht der natürlichen A-Moll-Tonleiter. Man könnte sich folgende Eselsbrücke bauen: Zur Zeit, als man die Notennamen eingeführt hatte, waren gerade Lieder in Moll populär. Dass später dann Melodien in Dur beliebter geworden sind und man hinterher lieber mit der Note "C" gestartet ist, wäre kein Widerspruch zu dieser Eselsbrücke.

A B ( C D E F G A B C) D E F G A

Wie gesagt, es ist eine Eselsbrücke, aber tatsächlich hat es sich nicht so zugetragen, da zur damaligen Zeit erst acht Kirchentonarten existierten, von denen keine auf dem A als Grundton (damals Finalis genannt) aufbaut war. Unsere heutige natürliche A-Moll- und C-Dur-Tonleiter wurden erst später populät. Daher merken wir uns, dass diese Idee mit der populären Moll-Tonleiter ganz nützlich fürs Erlernen der Notennamen ist, doch historisch gesehen so nicht stimmen kann.

Warum fängt man nicht gleich zu Anfang mit der A-Dur-Tonleiter an. Dann würde man mit dem Alphabet von A bis G starten. Ukulele-Spieler fangen ganz gerne mit Lieder in A-Dur an. Allerdings müssen sie sich sofort mit 3 Vorzeichen abgeben.


 

(Engl. Schreibweise!)

Auf dem Klavier müssten wir uns gleich in der ersten Stunde mit den schwarzen Tasten auf dem Klavier rumschlagen.

Die C-Dur-Tonleiter ist ohne ihre Vorzeichen für den Anfänger einfacher.

Gregorianische Choräle

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Unser heutiges Notensystem fußt auf älteren Traditionen, wie den mittelalterlichen Kirchengesängen (u.a. gregorianische Choräle)

Diese fußen wiederum auf einer von den Griechen übernommenen Tonreihe, welche mit dem tiefen A beginnt und mit dem hohen A endet.

Allerdings hat sich die Musik in der gesamten Zeit enorm weiterentwickelt, so dass unser heutiger Gebrauch der Kirchentonleitern (dorisch, phrygisch, lydisch oder mixolydisch) nur noch wenig mit der antiken Musik gemeinsam hat.

Geblieben ist aber das tiefe A für den Bass und das hohe A für den Tenor, was ungefähr dem Tonumfang eines Mönchs- bzw. Männerchors entspricht bzw. dem Tonumfang einer geschulten Baritonstimme, also der mittleren Männerstimme.

 

Dieses A welches den tiefsten und höchsten Ton markiert, wurde zum späteren Kammerton.

Wie kommt es überhaupt zum Notennamen H?

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Beim Vergleich des Notennamens "H" im deutschsprachigen, skandinavischen und westslawischen Raum mit dem gleich hohen Ton "B" der englischen Tradition muss man die historischen Wurzeln betrachten. Von der Note "B" existierten zu Zeiten Guidos von Arezzo (welcher das Notenliniensystem einführte; *992 - †1050) zwei Varianten: das rund geschriebene "B-rotundum", das einen Halbton tiefer liegt, und das eckig notierte "B-quadratum". In der englischen Tradition wurde das "B-quadratum" zum "B", während man das "B-rotundum" als "Bb" (gesprochen: "B-flat") bezeichnete.

Im Deutschen (und weiteren Sprachen) hingegen wurde das runde "B-rotundum" zum "B" () , während das eckige "B-quadratum" hier nun als "H" (♮) bezeichnet wird, um es leichter vom "B-rotundum" zu unterscheiden. Die Ursache ist also eher im Buchdruck zu suchen. Bei vielen Druckereien fehlte schlicht die Drucktype des B-quadratum (♮) , und man behalf sich mit dem ähnlich aussehenden H.

Die Legende vom Mönch

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Leider bekommt man gelegentlich die Legende von einem Mönch erzählt, der beim Abschreiben von Liedern vergessen habe, beim kleinen "b" unten den Bogen richtig zu schließen, was ein unkundiger Abschreiber dann als ein "h" interpretiert habe. So etwas mag zwar durchaus mal vorgekommen sein; aber mal ehrlich, sollte so ein Abschreibefehler den Gelehrten im Mittelalter wirklich jahrhundertelang nicht aufgefallen sein?

Mittelalterliche Tonleitern

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Wenn man weiter in der Musikgeschichte zurückgeht, wird man feststellen, dass man im frühen Mittelalter tatsächlich nur 8 (!) Stammtöne für die Stimmung von Instrumenten verwendet hat:

A B C D E F G H.

Nur wenige Melodien wurden überhaupt aufgeschrieben. Die notierten mittelalterlichen Melodien waren meist so einfach, dass man nicht mehr als sechs Töne für ein Lied brauchte. Es gab nicht so viele Instrumente, die aufeinander gestimmt werden mussten, so dass man nur wenige Tonleitern brauchte, die zudem mit nur sechs Tönen ausgekommen sind.

Grob vereinfacht, gab es die Tonart C mit den sechs Tönen (genauer, dem Hexacord C)

C D E F G A

Weiterhin gab es die Tonart F mit den sechs Tönen

F G A B C D

Für die dritte Tonart G benötigte man einen weiteren Ton, der zwischen dem B und dem C liegt.

Da man im Mittelalter noch keine Versetzungszeichen kannte (weil die Melodien so einfach waren), nutzte man einfach den nächsten Buchstaben im Alphabet. Also bekam man für die G-Tonart die sechs Töne

G A H C D E.

Wie gesagt, ist dieses nur eine methodisch extrem vereinfachte Darstellung. Solltest du später mal die Absicht haben, Musik zu studieren, wirst du dich noch genauer mit der Musikgeschichte beschäftigen müssen. Dann wirst du aber schon fundierte Kenntnisse der Musiklehre haben, von denen wir uns hier nur die ersten Anfänge aneignen wollen.

Warum ordnet man nicht jedem Halbtonschritt einen Buchstaben zu

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Zum Glück macht man das nicht. Du müsstest für jede der 12 Tonleitern eine unsystematische Buchstabenfolge lernen. Das würde den Anfängerunterricht unnötig komplizierter machen.

Für die 7 Töne jeder Tonleiter brauchst du nur die ersten 7 Buchstaben des Alphabets, die in der englischen Schreibweise immer die gleiche Reihenfolge haben und sich wie Wochentage immer wiederholen.

Welche Vorzeichen du zu den 7 Stammtönen beifügen musst, lernst du mit dem Quintenzirkel. Du wirst feststellen, dass dieser in der englischen Form viel einfacher und systematischer ist, und sich mit nur einem Merksatz viel einfacher lernen lässt.

Musik der Neuzeit

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Später, als die Musik immer komplexer wurde, reichten die 8 Töne nicht mehr aus. Man brauchte noch mehr Zwischentöne. Also führte man die Versetzungszeichen (bund #) ein. Es ist offensichtlich, dass sich das b analog zum mittelalterlichen "B-rotundum" entwickelte, und das # aus dem eckigen "B-quadratum".

Allerspätestens seit dem Wohltemperierten Klavier zu Zeiten Johann Sebastian Bachs war die Notwendigkeit des Notennamens H überflüssig geworden.

Die harmonischen Möglichkeiten und Fähigkeiten in der heutigen Musikpraxis haben sich durch die gleichstufige Stimmung so erweitert, dass die geschichtliche Herleitung der beiden Notennamen H und B praktisch keine Rolle mehr spielt.

Dennoch wird man als deutschsprachiger Musiker immer beide Bezeichnungen vorfinden. Da sich viele Musiker (entgegen aller Systematik und Logik) der Tradition verpflichtet fühlen, und sich keine "Rechtschreibreform" in der Musik abzeichnet, muss man beide Varianten kennen und können.

Wie dem auch sei, im deutschsprachigen Raum lauten die Namen der sieben Stammtöne

C D E F G A H

Der Notenname "B" taucht im deutschen bei so genannten B-Tonarten (wie in der Tonart F-Dur) auf (siehe Vorzeichen).

F G A B C D E F

Wegen der Popularität englischsprachiger Lieder muss man leider mit beiden Bezeichnungen rechnen, und daher beide Bezeichnungen lernen. Als Faustformal kann man sich zwar merken, dass englische Lieder meist das "B" verwenden, und die deutschen Lieder das "H".

Allerdings kann man sich auch darauf nicht zu 100% verlassen, da einige handelsübliche Notationsprogramme nur die englische Variante anbieten.

Unser deutsches "B" wird im englischen "Bb" bezeichnet. Ausgesprochen wird es "B-flat". Würde man sich in Deutschland, Norwegen, Finnland, Polen, Tschechien und weiteren Ländern einmal für das B anstelle des H entscheiden, so würde man das Bb analog zu den anderen Tönen mit "b" als Vorzeichen als "Bes" bezeichnen. In den Niederlanden ist dieses längst Praxis.

Semi-deutsche Notation

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Ein Musiker hat bei der Bezeichnung "B" immer das Problem, dass er nicht genau weiß, um welchen Ton es sich eigentlich handelt. Gerade bei englischen Liedern findet man gerade bei Akkordbezeichnungen immer wieder B oder B7 anstelle von H und H7.

In der populären Musikliteratur gibt es keinen einheitlichen Standard. Es kommt sogar vor, dass die Bezeichnung in einem einzigen Buch uneinheitlich ist.

Um eine Verwechslung zwischen dem englischen "B" und dem deutschen "B" zu vermeiden, hat sich in der deutschsprachigen populären Musikliteratur bei einigen Liederbüchern die "semi-deutsche Notation" eingebürgert. Diese wird beispielsweise bei dem Notationsprogramm Lilipond als Option angeboten. Über den Sinn und Unsinn einer solchen Notation lässt sich sicherlich streiten, sie zeigt aber das Problem auf, wenn mehrsprachige Texte mit Akkorden nebeneinander in einem Buch auftauchen und mal die englische, mal die deutsche Notation verwendet wird. Um eine Verwechslung auszuschließen, wird gelegentlich H und Bb kombiniert. Mit H ist dann immer das deutsche H gemeint, mit Bb immer das englische "B-flat" bzw. der Halbton unter dem H. Damit sind Verwechslungen beim Ton "B" praktisch ausgeschlossen. …

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Literatur

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  • Joseph Franz Schwanenberg: Gründliche Abhandlung über die Unnütz- und Unschicklichkeit des H im musikalischen Alphabete nebst e. Anmerkung, die künstlichen Töne betreffend. Wappler, Wien 1797 (Digitalisat)
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