Medizinische Biologie: Einführung in die Humangenetik



Grundlagen der Humangenetik

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Begriffe und Symbole

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Begriffe

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  • Genotyp = Gesamtheit aller Erbanlagen eines Organismus; Phänotyp = Summe der äußeren Merkmale eines Organismus (begründet durch Genotyp in Wechselwirkung mit Umwelt)
  • Gen = vererbbare Einheit eines Merkmals
  • Allele = alternative Formen von Genen, nehmen denselben Lokus auf den Schwesterchromatiden und auf homologen Chromosomen ein --> Mutationen eines Gens
    • Homozygotie = an gleichen Loki in homologen Chromosomensegmenten liegen identische Allele vor; Heterozygotie = unterschiedliche Allele an gleichen Loki
  • Dominantes Allel = bei Heterozygotie ist die Wirkung nur dieses Allels phänotypisch erkennbar; rezessives Allel = bei Heterozygotie ist die Wirkung dieses Allels phänotypisch nicht erkennbar (nur bei Homozygotie bemerkbar); Kodominanz = bei Heterozygotie kommen beide Genprodukte unabhängig voneinander vor und manifestieren sich im Phänotyp
  • Penetranz = Häufigkeit, mit dem sich ein Gen oder eine Genkombination im Phänotyp manifestiert; Expressivität = Stärke, mit der ein Gen manifest wird

(Abbildung)

Mendels Vererbungsgesetze

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Mendelsche Gesetze (Wiederentdeckung der Leistungen Mendels durch Correns, Tschermak, De Vries; "Chromosomentheorie der Vererbung" von Sutton und Boveri)

  • Uniformitätsgesetz (1. Mendelsches Gesetz): homozygoten Individuen, die sich in mindestens einem Merkmal unterscheiden, bringen in der Filialgeneration1 heterozygote Nachkommen hervor, die hinsichtlich der Merkmale phänotypisch einheitlich sind --> Aa, Aa, Aa, Aa
  • Spaltungsgesetz (2. Mendelsches Gesetz): Die Nachkommen der heterozygoten Filial1-Individuen spaltet sich phänotypisch in bestimmten Zahlenverhältnissen auf ("herausmendeln"; 1:2:1 im Genotyp, bei intermediärem Erbgang wie Genotyp, bei dominant-rezessivem Erbgang 3:1) --> AA, Aa, Aa, aa; Analyse des Genotyps durch Rückkreuzung mit dem rezessiven Partner
  • Unabhängigkeitsregel (3. Mendelsches Gesetz): Die einzelnen Allele werden unabhängig voneinander vererbt (d. h. nach dem Spaltungsgesetz auf Tochterzellen verteilt); dies gilt nur bei den Allelen, die auf verschiedenen Chromosomen liegen; verschiedene Allele, die sich auf demselben Chromosom befinden, bilden eine Kopplungsgruppe (aber: Crossing-over)

Erbgänge

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Intermediärer Ebgang

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bei Heterozygotie wird eine Mischform exprimiert, bei der beider Allele mitwirken

Codominanter Erbgang

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Heterozygotie ist von Homozygotie unterscheidbar, beide Allele werden gleichberechtigt exprimiert (z. B. AB0-Blutgruppen)

Dominante und rezessive Erbgänge

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Grundlagen
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  • Definition "dominant": die Anwesenheit der genetischen Information reicht bereits in einfacher Dosis aus, um das entsprechende Merkmal voll auszuprägen (Einstufung eines Gens als dominant oder rezessiv abhängig von der Genauigkeit der Untersuchung; aufgrund des Fortpflanzungsnachteils und der Schwere der Krankheiten homozygoter Allelträger kann man Homozygotie oftmals nicht mit Heterozygotie vergleichen)
  • Definition "rezessiv":
  • Begriffe bei Heterozygoten: Haploinsuffizienz (gesundes Allel kann das mutierte nicht kompensieren), dominant-negative Genwirkung (= Aktivierungswirkung: das mutierte Allel beeinträchtigt das gesunde, d. h. es stört es, hebt seine Wirkung auf oder hat eine völlig andere Wirkung)
Autosomale Erbgänge
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Autosomal-dominanter Erbgang

  • Merkmale:
    • Der Phänotyp von Heterozygoten entspricht ungefähr dem Phänotyp Homozygoter; der betreffende Genlokus liegt auf einem Autosom;
      • Der übertragende Elternteil ist meist heterozygot (--> Erkrankungswahrscheinlichkeit für die Kinder: 50 %)
    • Meist morphologische Fehlbildungen, ausgedehnte Störungen in der Gewebsstruktur,; meist äußerlich sichtbar (--> es sind nicht Stoffwechselprozesse, sondern Prozesse zum Aufbau von Zell- und Gewebsstrukturen betroffen); oftmals Pleiotropie (d. h. Veränderung mehrerer phänotypischer Merkmale);
  • Häufigkeit: 1/10.000 (vgl. alle Erkrankungen: 7/1000)
  • Viele dominante Mutationen korrelieren mit dem Alter des Vaters (erhöhte Genmutationsrate aufgrund vieler Zellteilungen in der Spermatogenese)
  • Auftreten: Eigentlich sollte sich das Gen aus dem Genpool eliminieren (Fortpflanzungsnachteil!); es tritt dennoch auf, aufgrund
    • Neumutation: oftmals treten Leiden, für die ein autosomal-dominanter Erbgang erwiesen ist, sporadisch auf
    • Unvollständiger Penetranz: beim Elternteil, das das mutierte Allel trägt, kam die Erkrankung aus irgendwelchen Gründen nicht voll zur Ausprägung, s** dass es das Allel weitergeben konnte
  • Beispiel: AB0-Blutgruppensystem (3 Allele --> genetischer Polymorphismus = multiple Allelie) als Mischform zwischen codominantem (AB) und autosomal-dominantem (A0, B0) Erbgang
    • Biochemische Eigenschaften:
Blutgruppe 0 (in Europa 40 %): H-Substanz besteht aus GlcNAc + D-Galactose + L-Fucose; kein Anti-H vorhanden
Blutgruppe A (40 %): Anheftung von GalNAc an die D-Galactose durch Transferase --> Tetrasaccharid; Anit-A
Blutgruppe B (16 %): Anheftung von D-Galactose an die D-Galactose durch Transferase --> Tetrasaccharid; Anti-B
Blutgruppe AB (4 %): die Erythrocyten tragen beide Sorten der Tetrasaccharide; Anti-A und Anti-B
  • Klinische Bedeutung: Bluttransfusionen, Vaterschaftsgutachten
  • Klinik: Achondroplasie (entsteht durch Neumutation)

Autosomal-rezessiver Erbgang

Nur Homozygote weisen das entsprechende Merkmal auf

  • Bei den Eltern ist das Merkmal meist nicht ausgeprägt, d. h. sie sind für das Merkmal heterozygot --> Aufspaltung 1:2:1 (Genotyp) bzw. 3:1 (Phänotyp); Pseudodominanz bei Homozygoter x Heterozygoter (Ausprägung 1:1)
  • Meist Stoffwechselstörungen, v. a. Enzymdefekte (--> nur 50 % der normalen Enzymaktivität; genügt zum Leben): Beispiele (alle im Phenylalanin-Tyrosin-Stoffwechsel --> komplementäre Polygenie):
    • Phenylketonurie (Phenylalanin-Hydroxylase fehlt, Phenylalanin staut sich an und wird zu Phenylketonen umgewandelt): Gehirnschädigungen; Therapie durch strenge phenylalaninarme Diät
    • Alkaptonurie: kein Abbau der Homogentisinsäure möglich --> sich dunkel färbender Urin (Homogentisat oxidiert zu p-Chinon, das dann polymerisiert)
    • Albinismus: aus Tyrosin kann kein Melanin gebildet werden
  • Häufigkeit der rezessiven Gene: 1/100 bis 1/1000
Gonosomale Erbänge: X-chromosomale Erbgänge
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X-chromosomal-rezessiver Erbgang

phänotypisch fast nur Männer betroffen;

3 Szenarien:

  • Mutter normal, Vater hemizygot krank (hemizygot: Gen kommt nur einmal im gesamten Genotyp vor (X!)) --> Alle Söhne normal, alle Töchter Konduktorinnen
  • Mutter heterozygot, Vater normal --> die Hälfte der Söhne krank, die Hälfte der Töchter Konduktorinnen
  • Mutter homozygot, Vater normal --> Alle Söhne krank, alle Töchter Konduktorinnen

Krankheiten:

    • Hämophilie: A (Faktor VIII mutiert), B (Faktor IX mutiert); Therapie: Zuführen des fehlenden Faktors
    • Muskeldystrophie Typ Duchenne: 1:3000 Jungen; zunächst unauffällig, dann zunehmende Schwächung (z. B. Gower-Zeichen), schließlich Ateminsuffizienz mit Infekten der Atmungsorgane; molekulare Ursache: Mutation im Dystrophingen quergestreifter Muskelfasern

X-chromosomal-dominanter Erbgang

phänotypisch sowohl Männer als auch Frauen betroffen;

2 Szenarien:

  • Mutter krank, Vater gesund --> die Hälfte der Söhne krank, die Hälfte der Töchter krank (1:1-Aufspaltung wie beim autosomal-dominanten Erbgang)
  • Mutter gesund, Vater krank --> alle Söhne gesund, alle Töchter krank

Besondere Aspekte der Vererbung

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Genomische Prägung (genomic imprinting)

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Expression bestimmter Merkmale sind abhängig von der elterlichen Herkunft (d. h. sie mendeln nicht)

  • Eigenschaften
    • Prägung kommt durch Methylierungsunterschiede der DNA während der Keimzellentwicklung zustande!
    • Prägungen können in den folgenden Generationen hergestellt oder ausgelöscht werden (der geprägte Lokus mendelt, die Expression ist aber von der elterlichen Herkunft abhängig)
    • Prägung bewirkt meist Verlust oder Verminderung der Aktivität ==> unterschiedliche Aktivität der beiden Allele (austarierte Gendosis ist oftmals Voraussetzung für einen normalen Phänotyp)
  • Auswirkungen
    • Klinische Auswirkungen von Deletionen etc. sind oft von der elterlichen Herkunft abhängig (z. B. myotone Dystrophie)
    • Gestörte elterliche Herkunft der Chromosomen: uniparentale Disomie, Isodisomie, Heterodisomie
    • Blasenförmige Mole, Teratome

Mitochondriale Vererbung

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maternale Vererbung; damit sich mutierte mtDNA phänotypisch manifestiert, muss ihr Anteil einen bestimmten Schwellenwert überschreiten

  • Genprodukte der mtDNA: 13 Komponenten der Atmungskette (Rest (ca. 70): nucleäre Produkten), 22 tRNAs, 2 rRNAs
  • Mitochondriale Erkrankungen: können basieren auf
    • Mutationen der mtDNA (hohe Mutationsrate!), Störungen der Transkription oder Translation
    • Veränderungen in der nucleären DNA, Störungen von Transkription, Translation oder Processing

Multifaktorielle Vererbung

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Kontinuierliche Variabilität bestimmter Merkmale in einer gewissen Bandbreite beruht auf (1) Zusammenspiel vieler Gene (= polygene Vererbung; die einzelnen Gene werden natürlich nach den mendelschen Gesetzen vererbt) + (2) Gen-Umwelt-Interaktion ==> multifaktorielle Vererbung (Anteil von genetischen Faktoren und Umweltfaktoren ist je nach Merkmal unterschiedlich; Prädisposition), d. h. jedes Gen hat je nach Umwelteinfluss Anteil an der Gesamtexpression eines Merkmals/einer Erkrankung (oftmals Bevorzugung eines Geschlechts)

Mutationen

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Arten von Genmutationen

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  • Arten
    • Substitution und Folgen
      • Substitution (Austausch einer einzigen Base): Transversion (Purinbase <-> Pyrimidinbase), Transition (Purinbase <-> Purinbase; Pyrimidinbase <-> Pyrimidinbase)
      • Purinbase = Adenin und Guanin, Pyrimidinbase = Thymin und Cytosin
      • Mehrere Folgen aufgrund Wobbel-Hypothese: (1) Keine Veränderung in der AS-Sequenz (same-sense-Mutation) (2) Austausch einer AS in der AS-Sequenz; Klinik: Sichelzellanämie, (3) Veränderungen in der Promotorregion (--> Pseudogene) und in Stoppcodons (Neubildung oder Entfernung von Stoppcodons)
    • Deletion
      • Verlust mindestens eines Tripletts --> Ausfall von AS aus der Polypeptidkette
      • Verlust eines oder zweier Basenpaare --> Leserasterverschiebung (frame-shift-Mutation), z. B. Becker (leichter) oder Duchenne-Muskeldystrophie (gravierender)
    • Insertion: Einfügen eines Tripletts oder eines oder zweier Basenpaare
    • Duplikation: Aufgrund illegitimem oder nicht homologem Crossing-over, wobei das duplizierte Segment ein Gen(-Teil) ist; Motor der Evolution (Duplikation + Veränderung durch Punktmutationen)!
    • Trinukleotidwiederholungen: Fortschreitende Vermehrung eines Tripletts; Antizipation (immer frühere Manifestation in späteren Generationen), Korrelation zwischen Lebensalter und Krankheitsschwere; Klinik: fragiles X-Syndrom, myotone Dystrophie, Chorea Huntington
      • Entstehung: Fehlpaarung gegeneinander verschobener DNA-Stränge --> kurze Repetitionen; ungleiches Crossing-over --> lange Wiederholungen; Stammschleifestrukturen
      • Arten der repetitiven Sequenzen: meist (CAG)n
      • Folgen: Störung der Chromatinstruktur, Entstehung fragiler Chromosmenbereiche
    • Andere Genmutationen:
      • Neubildung eines Stoppcodons (--> vorzeitiger Kettenabbruch)
      • Verlust des Stoppcodons (--> Nonsense-Mutation)
      • Mutation in Promotorregionen (--> Bildung von Pseudogenen)
      • Punktmutationen in Introns (--> Fehler im Splicing)
      • Mutation durch nicht-homologes Crossing-over
      • Integration eines Retrotransposons
      • Auftreten:
    • Spontane Neumutation (verschiedene Mutationsraten in verschiedenen Loci), die den Reparatursystemen entgangen sind
    • Induzierte Mutationen wegen (1) Strahlen (physikalische Einwirkungen), (2) chemischen Mutagenen (chemische Einwirkungen) --> Überlastung von Reparaturmechanismen ==> Spontanaborte, Fehlbildungen; Tumore, Entartungen

Strukturelle Mutationen

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  • Deletion: ein Teil des Chromosoms geht verloren
    • Terminale Deletion: 1 Bruchereignis; bei Verlust des Telomerbereichs wird das Chromosom instabil und geht verloren
    • Interstitielle Deletion: 2 Bruchereignisse; die Bruchenden können verschmelzen --> Ringchromosom (gehen verloren)
      • Zentromerbereich nicht eingeschlossen
      • Zentromerbereich mit eingeschlossen: --> zentrisches Chromosom + azentrisches Chromosom (geht verloren)
  • Translokation: Chromosomensegment wird verlagert
    • Innerhalb desselben Chromosoms
    • Übertrag auf ein anderes Chromosom;
      • Nicht-reziproke Translokation
      • Reziproke Translokation: gegenseitiger Austausch zwischen zwei Chromosomen
        • Stabilität
          • Stabil
          • Instabil: es entstehen 1 azentrisches Chromosom (--> geht verloren) + 1 dizentrisches Chromosom (--> zerreißt bei der Mitose/Meiose) ==> Zelle ist nicht stabil; meist letal
        • Sonderform: zentrische Fusion, d. h. aus zwei akrozentrischen Chromosomen entstehen 1 Chromosom mit zwei kurzen Armen (nicht mehr auffindbar) + 1 Chromosom mit zwei langen Armen (Translokationschromosom) --> phänotypisch normal (Informationsgehalt der kurzen Arme ist gering); bei der Meiose lagert sich das Translokationschromsom mit 2 Homologen zusammen (--> Trivalente) ==> balancierter Chromosomensatz oder nichtbalancierter Chromosomensatz (Monosomien, Trisomien)
  • Duplikation: zweimaliges Auftreten desselben Chromosomensegments im haploiden Chromosomensatz; Ursache: u. a. illegitimes Crossing-over; ==> unbalancierter Chromosomensatz
  • Inversion: 2 Bruchereignisse im Chromosom, dann Drehung des herausgebrochenen Fragments um 180°, Wiedereinbau; bei parazentrischen Inversionen keine klinischen Folgen, bei perizentrischen Inversionen verschiedene Anomalien

Numerische Mutationen (Genommutationen)

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  • Ursachen: Hohes Alter der Mutter (Risik** steigt von 1:2000 (20-jährige) auf 1:30 (45-jährige Frau)): Lockerung der Chiasmata (hohes Alter des Vaters vernachlässigbar)
  • Auswirkungen: unbalancierte Chromosomenverteilungen, Strukturveränderungen --> Störungen des Gesamtgleichgewichts ==> gleichartige morphologische Veränderungen trotz verschiedener Ursachen
  • Arten von Fehlverteilungen
    • Polyploidie: Vervielfachung des gesamten Chromosomensatzes
    • Aneuploidie: Non-disjunction --> aneuploide Keimzellen (==> Trisomie bzw. Monosomie)
      • Fehlverteilung gonosomaler Chromosomen: keine schwerwiegenden Erkrankungen
        • Ullrich-Turner-Syndrom (45,X oder 46,X,anomales X): Häufigkeit 1:10000; Symptome: Lymphödeme, Flügelbildung am Hals, Nackenfalte, leichte Fehlbildungen innerer Organe; verursacht wahrscheinlich u. a. durch ribosomales Proteingen; vgl. Noonan-Syndrom, Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen)
        • Triple-X-Syndrom (47,XXX oder mehr X): Häufigkeit 1:1000; Symptome: sekundäre Amenorrhoe, leichte geistige Störungen; je mehr X-Chromosomen, dest** größer die klinischen Auffälligkeiten
        • Klinefelter-Syndrom (47,XXY oder mehr X): Häufigkeit 1:1000; Symptome: Ausbleiben der sekundären Geschlechtsmerkmale, Fertilitätsstörung, Hypogonadismus, unproportionierter Hochwuchs; je mehr X-Chromosomen, dest** schwerer die klinischen Symptome
        • XYY-Syndrom (47,XYY) : Häufigkeit 1:1000; Symptome: v.a. Kontaktschwäche und Anpassungsschwierigkeiten;
        • Andere Fehlverteilungen
      • Fehlverteilung autosomaler Chromosomen
        • Monosomie: freie Monosomie, partielle Monosomie (Chromosomenabschnitt fehlt)
        • Trisomie: freie Trisomie, partielle Trisomie (Chromosomenabschnitt zusätzlich vorhanden)
          • Trisomie 21 (meist freie Trisomie (v.a. wegen Non-disjunction (Alter der Mutter!), seltener Translationstrisomie oder Mosaikbefund), selten partielle Trisomie)
            • Häufigkeit 1:700, häufigste Ursache geistiger Retardierung;
            • Symptome: äußerlich: brachyzephaler Kopf, kurzer Hals, überflüssige Nackenhaut; "Sandalenlücke"; innere Organfehlbildungen: v. a. angeborener Herzfehler; geistige Retardierung: selten IQ über 50; außerdem: infektanfällig, anfällig für Leukämien; männliche Patienten infertil
            • Molekulare Ursachen: Erhöhung der Superoxiddismutase-Konzentration, vermehrte Expression des Amyloid-Prekursor-Protein-Gens (Alzheimer!)
          • Trisomie 13 (Pätau-Syndrom)
          • Trisomie 18 (Edwards-Syndrom)
          • Andere Trisomien: embryonal letal
      • Andere Fehlverteilungen

Mosaikbildung: Bildung aneuploider Zellen bei der Mitose von Somazellen (z. B. in der Blastocyste) --> Problemfälle in der vorgeburtlichen Diagnostik Chimären: i. e. S. Individuen, die aus Mischpopulationen zweier Verschiedener Individuen hervorgehen (--> 2 Väter und 2 Mütter); i. w. S. Lebewesen oder Gewebe verschiedenen Genotyps; Aggregationschimären, Blutgruppenchimären (bei der Entwicklung von zweieiigen Zwillingen) Mutationen in Somazellen, somatische Mutationen:

  • Zelltod
  • Vermehrung der bereffenden Zelle --> Tumor, Dysplasien; z. B. Retinoblastom, Burkitt-Lymphom

Mutationsraten:

  • Genmutationen: zwischen 1:10.000 und 1:100.000 und geringer; bei dominanten Erbleiden natürlich häufiger
  • strukturelle und numerische Mutationen: bei ca. jedem 200. geborenen Kind

Berechnung der Häufigkeits-Verteilung von Allelen

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Hardy-Weinberg-Gesetz:

p und q sind die relativen Häufigkeiten der entsprechenden Allele A(p) und a(q). Es gilt:

  1. p + q = 1
  2. p2 + 2 pq + q2 = 1 (leitet sich aus 1. ab, da auch (p + q)2 = 1 x 1 = 1. Binomische Formel!)

Genotypfrequenzen F sind dann:

  • F(AA) = p2 -> homozygot A, Phänotyp A
  • F(Aa) = 2 pq -> heterozygot Aa, Phänotyp a bei rez. Erbgang, Phänotyp A bei dom. Erbgang (bei 100% Pentranz)
  • F(aa) = q2 -> homozygot a, Phänotyp a

Beispiel: Die Erkrankung Mukoviszidose (Phänotyp A) ist autosomal-rezessiv (Erkrankung nur bei Genotyp AA) und betrifft in Deutschland eins von 2500 Kindern. Die Häufigkeit des Genotyps AA beträgt daher F(AA)= 1:2500 = 0,0004. Daraus lässt sich nun die Häufigkeit des defekten Allels in der Bevölkerung (p) und die Häufigkeit der gesunden Träger des defekten Gens (Heterozygote Aa) berechnen:

  • Berechnung von p: p2 = F(AA) = 0,0004 <=> Wurzel aus p2 = p = 0,02 (d.h. 2 % der Allele in der Bevölkerung sind defekt)
  • Berechnung von q: q = 1 - p = 1 - 0,02 = 0,98 (d.h. 98 % der Allele sind gesund)
  • Berechnung der Heterozygotenfequenz: F(Aa) = 2 pq = 2 x 0,02 x 0,98 = 0,0392 (d.h. ca. 4 % der Bevölkerung sind gesunde Träger des defekten Gens).
  • Häufigkeit homozygot Gesunder F(aa): F(aa) = q2 = 0,982 = 0,9604