In diesem Abschnitt sollen Abbildungen zwischen topologischen Räumen betrachtet werden. Von besonderem Interesse sind die "stetigen" Abbildungen. Die Stetigkeit soll die Eigenschaft ausdrücken, daß die Werte einer Abbildung direkt aneinander angrenzen und es keine abrupten Änderungen gibt. Nimmt man zum Beispiel ein Blatt Papier und zeichnet eine Kurve darauf, so bedeutet die Stetigkeit der Kurve, daß sie in einem Zug ohne den Stift abzusetzen gemalt werden kann. Um diese vage Formulierung zu präzisieren, muß man erst einmal klären, was es heißt, daß die Werte einer Abbildung "direkt aneinander angrenzen" und sich nicht "abrupt ändern". Anders gesagt muß man wissen, wann Punkte nah beieinander liegen oder weit voneinander entfernt sind. Nun kann man in topologischen Räumen zwar keine Abstände messen oder berechnen, aber man kann stattdessen die Umgebungen für einen Entfernungsbegriff nutzen. Nimmt man einen festen Punkt und eine Umgebung von , so kann man sagen, daß die Punkte innerhalb der Umgebung näher an sind als die Punkte außerhalb der Umgebung . Mit Hilfe der Umgebungen kann man nun die Stetigkeit von Abbildungen definieren.
Definition: Stetigkeit
Seien topologische Räume und ein Punkt in . Eine Abbildung heißt stetig in , wenn für jede Umgebung von eine Umgebung von existiert, so daß . heißt stetig, wenn für alle stetig ist.
Ist eine bijektive stetige Abbildung, so muß die Umkehrabbildung nicht notwendig stetig sein.
Falls jedoch stetig ist, nennt man einen Homöomorphismus. Topologische Räume heißen
homöomorph, wenn es einen Homöomorphismus gibt.
Falls eine stetige Abbildung ein Homöomorphismus des topologischen Raumes auf das Bild versehen mit der Unterraumtopologie von ist, nennt man eine Einbettung von in .
Die Stetigkeit von Abbildungen topologischer Räume kann man auch durch die Topologie, d.h. durch die offenen bzw. abgeschlossenen Mengen
charakterisieren. Es gilt folgender
Satz: Seien topologische Räume und eine Abbildung. Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
ist stetig,
die Urbilder offener Mengen sind offen, d.h. für jede offene Menge ist offen,
die Urbilder abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen, d.h. für jede abgeschlossene Menge ist abgeschlossen,
Beweis: 1 => 2:
Sei zunächst stetig und offen in . Sei weiter und damit . Nun ist offen und damit eine Umgebung von . Wegen der Stetigkeit existiert eine Umgebung von mit und daher . enthält also mit jedem Punkt noch eine Umgebung des Punktes und ist daher offen.
2 => 3:
Seien nun die Urbilder offener Mengen offen und abgeschlossen in . ist offen und damit auch nach Voraussetzung. Dann ist aber als Komplement der offenen Menge abgeschlossen.
3 => 1:
Seien jetzt die Urbilder abgeschlossener Mengen abgeschlossen. Sei weiter ein beliebiger Punkt von und eine Umgebung von . Nach Definition enthält eine offene Menge mit . Das Komplement ist dann abgeschlossen und nach Voraussetzung ebenso . Dann ist wie vorher als Komplement der abgeschlossenen Menge offen. Wegen der Offenheit ist eine Umgebung von mit und das bedeutet die Stetigkeit von in .
Korollar: Eine Abbildung ist stetig, wenn die diskrete oder die indiskrete Topologie trägt.
Beweis: Falls die diskrete Topologie trägt, d.h. alle Teilmengen von sind offen, so sind insbesondere die Urbilder offener Mengen offen und ist stetig. Hat die indiskrete Topologie, so sind nur und offen. Deren Urbilder sind und , also ebenfalls offen, und ist stetig.
Unter stetigen Abbildungen sind nach obigem Satz die Urbilder offener Mengen offen. Man kann daher auch sagen, daß die stetigen Abbildungen mit der topologischen Struktur verträglich sind. Sie sind in diesem Sinn die strukturerhaltenden Abbildungen der topologischen Räume. Als solche sind sie das Analogon zu den linearen Abbildungen der Linearen Algebra oder den Homomorphismen der Gruppen, die mit den Rechenoperationen verträglich sind.
Satz: Seien topologische Räume und stetige Abbildungen. Dann ist stetig.
Beweis: Sei offen in . Wegen der Stetigkeit von ist dann offen in . Da stetig ist, ist offen in , aber .
Satz: Seien topologische Räume, eine Abbildung und abgeschlossene Teilmengen von , die den Raum überdecken, für die also ist. Dann ist genau dann stetig, wenn die Einschränkungen von auf die Teilräume für alle stetig sind.
Beweis: Sei zunächst stetig und . Sei weiter irgendeine abgeschlossene Teilmenge von . Wegen der Stetigkeit von ist abgeschlossen in . ist dann nach Definition der Teilraumtopologie abgeschlossen in . Die Urbilder abgeschlossener Mengen aus unter der Abbildung sind also abgeschlossen in , und das bedeutet, daß die Abbildung stetig ist.
Jetzt seien die stetig für alle . Sei wieder irgendeine abgeschlossene Teilmenge von . Wegen ist . Die Mengen sind abgeschlossen in den Teilräumen . Nach Definition der Teilraumtopologie gibt es in abgeschlossene Mengen mit . Dann ist , und ist als endliche Vereinigung in abgeschlossener Mengen selbst abgeschlossen in . Das bedeutet aber, daß stetig ist.
Satz: Seien topologische Räume, eine Abbildung und eine Familie offener Teilmengen von , die den Raum überdecken, für die also ist. Dann ist genau dann stetig, wenn die Einschränkungen von auf die Teilräume für alle stetig sind.
Beweis: Sei zunächst stetig und . Sei weiter irgendeine offene Teilmenge von . Wegen der Stetigkeit von ist offen in . ist dann nach Definition der Teilraumtopologie offen in . Die Urbilder offener Mengen aus unter der Abbildung sind also offen in , und das bedeutet, daß die Abbildung stetig ist.
Jetzt seien die stetig für alle . Sei wieder irgendeine offene Teilmenge von . Wegen ist . Die Mengen sind offen in den Teilräumen . Nach Definition der Teilraumtopologie gibt es in offene Mengen mit . Dann ist , und ist als Vereinigung in offener Mengen selbst offen in . Das bedeutet aber, daß stetig ist.
Das Konzept der Stetigkeit kann man auch nutzen, um auf beliebigen Mengen eine Topologie zu definieren. Sei dazu irgendeine Menge. Ist eine Abbildung in einen topologischen Raum , so wird durch die Urbilder der in offenen Mengen eine Topologie auf definiert. Mit dieser Topologie wird die Abbildung gerade stetig. Wenn bezüglich irgendeiner anderen Topologie auf stetig sein soll, so muß diese Topologie mindestens die Mengen enthalten. Die Topologie ist also die gröbste Topologie auf , für die stetig ist. Sie heißt auch das reziproke Bild der Topologie bezüglich .
Ist andererseits eine Abbildung von einem topologischen Raum in die Menge gegeben, so bilden die Mengen , für die das Urbild offen in ist, ebenfalls eine Topologie . Auch hier ist die Topologie gerade so definiert, daß die Abbildung stetig ist. Nimmt man zu dieser Topologie noch weitere offene Mengen hinzu, so geht die Stetigkeit von verloren. Die Topologie ist also die feinste Topologie auf , für die stetig ist. Sie heißt auch Identifizierungstopologie bezüglich .
Diese Vorgehensweise kann man auf den Fall von ganzen Familien von Abbildungen verallgemeinern. Das führt zu der
Definition: Initial- und Finaltopologie
Sei eine Menge und eine Familie topologischer Räume. Seien weiter und Familien von Abbildungen. Die Initialtopologie auf bezüglich der Familie ist die gröbste Topologie auf , für die alle Abbildungen stetig sind. Die Finaltopologie auf bezüglich der Familie ist die feinste Topologie auf , für die die Abbildungen stetig sind.
Satz: Seien, und wie in obiger Definition. Die folgenden Eigenschaften sind äquivalent:
ist die Initialtopologie auf bezüglich .
Die Urbilder für alle und alle in offenen Mengen bilden eine Subbasis der Topologie .
Eine Abbildung ist genau dann stetig, wenn alle stetig sind.
Beweis: Zunächst wird 1 => 2 gezeigt:
Sei also die Initialtopologie auf. Sei weiter die Menge aller Urbilder offen in. Sei weiter die Topologie auf, die aus den Mengen aus und deren endlichen Durchschnitten und beliebigen Vereinigungen gebildet wird. Bezüglich dieser Topologie sind also alle Abbildungen stetig. Weiter hat die Menge als Subbasis. Wegen der Stetigkeit der bezüglich der Initialtopologie müssen nun alle Mengen aus auch in enthalten sein. Damit gehören dann auch alle Mengen aus zu . Das bedeutet aber gerade, daß gröber als ist. Da die Initialtopologie die gröbste Topologie ist, für die die stetig sind, ist . Die Initialtopologie hat also als Subbasis.
Jetzt 2 => 3:
Sei stetig und sei offen in. Da die Urbilder offen in eine Subbasis der Topologie auf bilden, ist insbesondere auch offen in. Wegen der Stetigkeit von ist dann offen in. Aber , und das bedeutet die Stetigkeit von . Sei nun andererseits stetig für alle und sei offen in. Nach Voraussetzung ist eine Vereinigung von endlichen Durchschnitten von Urbildern offener Mengen. Dann ist . Wegen der Stetigkeit der ist dann offen in, und das bedeutet gerade die Stetigkeit von.
Zuletzt noch 3 => 1:
Sei nun eine Topologie auf mit Eigenschaft 3. Dann sei der topologische Raum mit der Initialtopologie und sei die Identität . Weil die Initialtopologie auf ist, sind die Abbildungen stetig für alle . Wegen Eigenschaft 3 ist dann auch die Abbildung stetig. Für alle in offenen Mengen ist dann offen in . Das bedeutet, daß gröber ist als . Sei nun der topologische Raum und sei die Identität . Jetzt ist die Identität stetig, und wegen Eigenschaft 3 ist auch stetig. Aber , also ist stetig. Damit ist nun eine Topologie, für die einerseits die Abbildungen stetig sind, und die andererseits gröber als die Initialtopologie ist. Nun ist aber die Initialtopologie die gröbste Topologie, für die die stetig sind, und das bedeutet. Eine Topologie mit Eigenschaft 3 ist also die Initialtopologie.
Satz: Seien, und wie in obiger Definition. Die folgenden Eigenschaften sind äquivalent:
ist die Finaltopologie auf bezüglich .
Eine Menge ist genau dann offen in, wenn alle ihre Urbilder in den offen sind.
Eine Abbildung ist genau dann stetig, wenn alle stetig sind.
Beweis: Zunächst wird 1 => 2 gezeigt:
Sei offen in. Nach Voraussetzung sind die stetig, also sind auch die Urbilder offen in den . Sei nun andersherum eine offene Menge, deren Urbilder offen sind. Dann definiere als diejenige Topologie, die alle offenen Mengen der Finaltopologie sowie alle Vereinigungen und alle endlichen Durchschnitte von Mengen aus mit der Menge enthält. Bezüglich der Topologie sind die Abbildungen ebenfalls stetig, denn die Urbilder der Mengen aus sowie die Urbilder von sind nach Voraussetzung stetig, und für die endlichen Durchschnitte und beliebigen Vereinigungen gilt und . Die Urbilder dieser Durchschnitte und Vereinigungen sind also ebenfalls offen. Damit ist eine Topologie, für die die Abbildungen stetig sind, und die feiner ist als . muß also mit identisch sein, und das bedeutet, daß die Menge offen ist.
Dann 2 => 3:
Sei stetig und. Sei weiter offen in. Dann ist offen in. Nach Voraussetzung ist dann aber auch offen in . Das ist aber gerade die Stetigkeit von . Sei nun andererseits stetig für alle und sei offen in. Dann ist offen in für alle . Nach Voraussetzung ist dann aber auch offen in, und das ist die Stetigkeit von .
Jetzt 3 => 1:
Sei dazu eine Topologie auf mit der Eigenschaft 3. Betrachte die Abbildung anstelle der Abbildung aus Eigenschaft 3. Da die Finaltopologie ist, sind die Abbildungen stetig. Dann ist auch die Abbildung stetig. Dann sind aber die offenen Mengen aus offen in , und damit ist feiner als die Finaltopologie. Betrachte nun die stetige Abbildung . Nach Eigenschaft 3 sind dann die Abbildungen stetig für alle . Damit ist eine Topologie auf , die feiner als die Finaltopologie ist, und für die alle stetig sind. Da die Finaltopologie aber die feinste Topologie ist, für die die stetig sind, muß die Finaltopologie sein.