Das Monotoniekriterium für die Ableitung wird bereits in der Schule behandelt. Ist die Ableitungsfunktion einer differenzierbaren Funktion auf einem Intervall nicht-negativ beziehungsweise nicht-positiv, so ist auf monoton steigend beziehungsweise monoton fallend. Ist sogar echt positiv beziehungsweise echt negativ auf , so ist dort streng monoton steigend beziehungsweise fallend. Im ersten Fall gilt auch die Umkehrung der Aussage. Sprich: Steigt eine differenzierbare Funktion auf monoton, so ist und eine auf fallende und ableitbare Funktion besitzt eine negative Ableitung.
Satz (Monotoniekriterium für differenzierbare Funktionen)
Die Hinrichtungen des Satzes folgen allesamt aus dem Mittelwertsatz. Die Rückrichtungen der ersten beiden Aussagen folgen aus der Differenzierbarkeit der Funktion:
Beweis (Monotoniekriterium für differenzierbare Funktionen)
Wir zeigen zunächst die Hinrichtungen und danach die Rückrichtungen der Aussagen.
Hinrichtung 1: Aus auf folgt, dass monoton steigend auf ist.
Gelte für alle und seien mit . Wir müssen zeigen. Nach Voraussetzung ist auf stetig und auf differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz gibt es ein mit
Nach Voraussetzung ist , und somit . Wegen folgt daraus für den Zähler . Dies ist äquivalent zu , d.h. ist monoton steigend.
Hinrichtung 2: Aus auf folgt, dass monoton fallend auf ist.
Gelte für alle und seien mit . Wir müssen nun zeigen. Nach Voraussetzung ist auf stetig und auf differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz gibt es ein mit
Nun ist , und somit . Wegen folgt daraus . Dies ist äquivalent zu , d.h. ist monoton fallend.
Hinrichtung 3: auf impliziert streng monoton steigend auf
Zeigen wir zur Abwechslung diese Aussage mittels Kontraposition. Sei also nicht streng monoton steigend. Dann gibt es mit und . Wir müssen zeigen, dass es ein mit gibt. Nun ist stetig auf und differenzierbar auf . Nach dem Mittelwertsatz gibt es daher ein mit
Wegen ist der Zähler des Quotienten nicht-positiv, und wegen ist der Nenner positiv. Damit ist der gesamte Bruch nicht-positiv, und daher .
Hinrichtung 4: auf impliziert streng monoton fallend auf
Wieder benutzen wir Kontraposition. Sei also nicht streng monoton fallend. Dann gibt es mit und . Nun müssen wir zeigen, dass es ein mit gibt. Da wieder stetig auf und differenzierbar auf ist, gibt es nach dem Mittelwertsatz ein mit
Wegen ist der Zähler nicht-negativ, und wegen ist der Nenner positiv. Damit ist der gesamte Bruch nicht-negativ, und damit .
Nun wenden wir uns den beiden Rückrichtungen zu:
Rückrichtung 1: monoton steigend auf implizert auf
Seien mit . Wegen der Monotonie gilt dann . Sind weiter mit , dann gilt für den Differenzenquotienten
Ist nämlich , so ist . Zähler und Nenner des Differenzenquotienten sind damit nicht-negativ, und damit auch der gesamte Quotient. Analog sind im Fall und Zähler und Nenner nicht-positiv. Damit ist der gesamte Bruch wieder nicht-negativ. Nun bilden wir den Differentialquotienten, mit dem Grenzübergang . Dieser existiert, da auf differenzierbar ist. Weiter bleibt die Ungleichung wegen der Monotonieregel für Grenzwerte erhalten. Damit haben wir
Da und beliebig waren, folgt die Behauptung auf .
Rückrichtung 2: monoton fallend auf impliziert auf
Seien wieder mit . Wegen der Monotonie gilt nun . Weiter seien wieder mit , dann gilt für den Differenzenquotienten
Ist nämlich , so ist , und damit ist der gesamte Quotient nicht-positiv. Analog auch im Fall und . Durch Bildung des Differentialquotienten erhalten wir nun
Beispiel (Monotonie der quadratischen und kubischen Potenzfunktion)
Für die quadratische Potenzfunktion gilt
Daher ist nach dem Monotoniekriterium auf streng monoton fallend und auf streng monoton steigend.
Für die kubische Potenzfunktion gilt
Somit ist nach dem Monotoniekriterium auf monoton steigend und auf jeweils auf und streng monoton steigend. Man kann sogar zeigen, dass die kubische Funktion auf ganz streng monoton steigend ist.
Dass die Funktion mit streng monoton steigend ist, obwohl „nur“ und nicht gilt, hängt damit zusammen, dass die Ableitung in nur einem einzigen Punkt verschwindet. Ein interessantes (notwendiges und hinreichendes) Kriterium hierzu behandeln wir in der Übungsaufgabe am Ende des Abschnitts.
Verständnisfrage: Warum ist auf streng monoton steigend?
Wir müssen zeigen: Aus mit folgt . Für die Fälle und haben wir dies schon mit dem Monotoniekriterium gezeigt. Wir müssen also nur noch den Fall betrachten. Hier gilt mit den Anordnungsaxiomen:
Also ist auf streng monoton steigend.
Warnung
An dem Beispiel haben wir gesehen, dass die Rückrichtung der Monotonieaussage „ impliziert strenge Monotonie“ nicht gilt. Das heißt, dass aus der Tatsache, dass streng monoton steigt, im Allgemeinen nicht folgt. Am Beispiel der Funktion kann man ebenso sehen, dass die Rückrichtung von der Aussage „ impliziert streng monotones Fallen“ nicht gilt.
Aufgabe (Monotonieintervalle und Nachweis einer Nullstelle)
Untersuche die Monotonieintervalle der Polynomfunktion
Zeige außerdem, dass genau eine Nullstelle besitzt.
Lösung (Monotonieintervalle und Nachweis einer Nullstelle)
Monotonieintervalle:
És gilt: ist auf ganz differenzierbar, mit
Damit ist
Nach dem Monotoniekriterium ist auf und auf streng monoton steigend. Weiter gilt
Nach dem Monotoniekriterium ist auf streng monoton fallend.
besitzt genau eine Nullstelle:
Für gilt die folgende Wertetabelle
Auf Grund der zuvor untersuchten Monotonieeigenschaften und der Stetigkeit von können wir damit ablesen:
Auf ist streng monoton steigend. Wegen gilt für alle .
Auf ist dann streng monoton fallend. Also gilt auch für alle .
Anschließend steigt auf wieder streng monoton. Wegen und , muss es nach dem Zwischenwertsatz ein geben mit . Wegen der strengen Monotonie kann in keine weiteren Nullstellen haben.
Notwendiges und hinreichendes Kriterium für strenge Monotonie
Aufgabe (Notwendiges und hinreichendes Kriterium für strenge Monotonie)
Beweise: Eine stetige Funktion , die auf differenzierbar ist, ist genau dann streng monoton steigend, wenn gilt
für alle
Die Nullstellenmenge von enthält kein offenes Intervall.
Als Anwendung: Zeige, dass die Funktion auf ganz streng monoton wächst.
Beweis (Notwendiges und hinreichendes Kriterium für strenge Monotonie)
Aus dem Monotoniekriterium wissen wir bereits, dass genau dann monoton steigend ist, wenn . Wir müssen also nur noch zeigen, dass genau dann streng monoton steigt, wenn die zweite Bedingung zusätzlich erfüllt ist.
Hinrichtung: streng monoton steigend Nullstellenmenge von enthält kein offenes Intervall
Wir führen eine Kontraposition durch. Sprich, wir zeigen: Wenn die Nullstellenmenge von ein offenes Intervall enthält, ist nicht streng monoton steigend- Angenommen es gibt mit für alle . Nach dem Mittelwertsatz gibt es ein mit
Also ist . Gilt nun , so gilt, da monoton steigend ist
Also ist für alle . Also ist nicht streng monoton steigend.
Rückrichtung: Nullstellenmenge von enthällt kein offenes Intervall streng monoton steigend
Wir führen einen Beweis durch Kontraposition. Wir müssen zeigen: Wenn monoton, aber nicht streng monoton steigend ist, dann enthält die Nullstellenmenge von ein offenes Intervall. Angenommen es gibt mit mit . Wegen der Monotonie von gilt
Also ist für alle . Das heißt ist konstant auf . Daher gilt für alle :
Also enthält die Nullstellenmenge von ein offenes Intervall.
Anwendungsaufgabe: ist streng monoton steigend
ist für alle differenzierbar mit
Denn für alle . Damit ist monoton steigend. Weiter gilt
Also enthällt die Nullstellenmenge von nur isolierte Punkte, und damit kein offenes Intervall. Daher ist auf streng monoton steigend.