Komposition stetiger Funktionen – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Viele Funktionen sind als Verkettungen von anderen Funktionen definiert. Die direkte Überprüfung auf Stetigkeit mit Hilfe des Folgen- oder des Epsilon-Delta-Kriteriums ist bei diesen Funktionen oftmals aufwändig. Jedoch kann man beweisen, dass Verkettungen stetiger Funktionen wieder stetig sind. Diese Verkettungssätze erleichtern den Nachweis der Stetigkeit ungemein.

Die Verkettungssätze Bearbeiten

Die Verkettungssätze für stetige Funktionen lauten:

Satz (Verkettungssätze)

Sei   eine Teilmenge der reellen Zahlen und   eine beliebige reelle Zahl. Seien   reellwertige Funktionen, die in   stetig sind. Es gilt also   und  . Unter diesen Voraussetzungen sind die folgenden Funktionen stetig in  :

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Sei   und seien   sowie   stetig in  . Dann ist die folgende Funktion stetig in  :

 

Sei   eine reellwertige Funktion mit  . Sei   in   stetig, dann ist die Verkettung   stetig in  :

 

Motivation Bearbeiten

Stell dir vor, wir haben die Funktion  ,   gegeben und wollen diese Funktion auf Stetigkeit untersuchen. Sei hierzu   ein beliebiges Argument von   und sei   eine konvergente Folge mit  . Nun können wir die Grenzwertsätze für konvergente Folgen anwenden:

 

Wir durften die Grenzwertsätze anwenden, da alle Subfolgen konvergent waren (dies haben wir am Ende der Umformungen gezeigt). Da   beliebig gewählt wurde, haben wir die Stetigkeit der Funktion   bewiesen. Dieser Beweis ist im Grunde nur eine Anwendung des Folgenkriteriums zusammen mit den Grenzwertsätzen. Weil wir den Limes dank der Grenzwertsätze in die Funktion ziehen können, können wir damit die Stetigkeit beweisen. Dieses Vorgehen kann mit Hilfe der Verkettungssätze verkürzt werden. Nehme hierzu folgende Funktionen:

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Dann können wir   als Verkettung der obigen Funktionen darstellen:

 

Da jede der Funktionen  ,   und   stetig ist, ist nach den obigen Verkettungssätze auch   stetig. Diese Begründung ist kürzer als der Beweis mit dem Folgenkriterium. Wir können also argumentieren:   ist als Verkettung stetiger Funktion stetig.

Beispielaufgabe Bearbeiten

Die folgende Aufgabe zeigt, wie einfach mit Hilfe der Verkettungssätze die Stetigkeit einer Funktion bewiesen werden kann:

Aufgabe (Stetigkeit einer verketteten Wurzelfunktion)

Zeige, dass folgende Funktion stetig ist:

 

Wie kommt man auf den Beweis? (Stetigkeit einer verketteten Wurzelfunktion)

Die gegebene Funktion ist eine Verkettung verschiedener Funktionen. Zunächst müssen wir die Grundfunktionen dieser Verkettung finden. Diese sind:

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Die Funktion   kann dargestellt als:

 

Damit ist   eine Verkettung stetiger Funktionen und somit wieder stetig.

Beweis (Stetigkeit einer verketteten Wurzelfunktion)

Seien folgende Funktionen gegeben:

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Diese Funktionen sind stetig. Es ist außerdem  . Damit ist   eine Verkettung stetiger Funktionen und nach den Verkettungssätzen selbst wieder stetig.

Allgemeine Beweisskizze Bearbeiten

Nach den Verkettungssätzen ist jede Komposition von stetigen Funktion wiederum eine stetige Funktion. Wenn also eine Funktion   als Verkettung stetiger Funktionen dargestellt werden kann, dann ist damit die Stetigkeit von   bewiesen. Ein Beweis dazu könnte folgende Form aufweisen:

Sei   mit  . Die Funktion   ist eine Verkettung der folgenden Funktionen:

...Aufzählung der stetigen Funktionen, aus denen   zusammengesetzt ist...

Wegen   (Ausdruck mit den aufgezählten Funktionen) ist   eine Verkettung stetiger Funktionen und damit selbst wieder eine stetige Funktion.

Ein solcher Beweis sollte aber nur dann geführt werden, wenn die Verkettungssätze in der Vorlesung bereits bewiesen wurden.

Folgerung: Polynomfunktionen sind stetig Bearbeiten

Jede Polynomfunktion ist eine Verkettung der beiden Funktionen:

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  ist die Identitätsfunktion und   ist die konstante Funktion mit dem Wert  . Diese Funktionen sind stetig und damit ist auch jede Polynomfunktion stetig. Beispielsweise kann die Funktion   folgendermaßen dargestellt werden:

 

Es ist nämlich

 

Vertiefung Bearbeiten

Wie bei den Grenzwertsätzen, wo die Subfolgen konvergent sein müssen, benötigen wir bei den Verkettungssätzen die Stetigkeit der einzelnen Teilfunktionen. Bei Verkettung beliebiger Funktionen wissen wir nicht, ob die verkettete Funktion stetig ist, oder nicht. Sei beispielsweise

 

Die Funktion   ist stetig an der Stelle  , während   dort nicht stetig ist. Das Produkt der beiden Funktionen ist  , denn  . Demnach ist es unstetig an der Stelle  . Umgekehrt kann es vorkommen, dass die Verkettung von unstetigen Funktionen stetig ist. Betrachten wir die Funktion

 

Diese Funktion ist   an den rationalen und   an den irrationalen Stellen. Für die Verknüpfung   ergibt sich:

 

  ist eine konstante Funktion und damit stetig, obwohl   selbst unstetig ist. Die Verkettung unstetiger Funktionen kann also selbst eine stetige Funktion ergeben.

Beweise der Verkettungssätze Bearbeiten

Stetigkeit bei Addition Bearbeiten

Satz (Verkettungssatz für Summen)

Sei   und seien   reellwertige Funktionen, die in   stetig sind. Dann ist   stetig in  .

Beweis (Verkettungssatz für Summen)

Wir beweisen die Additionsregel der Stetigkeit über das Folgenkriterium. Sei hierzu   eine Folge von Argumenten aus   mit Grenzwert  . Es ist:

 

Alternativer Beweis (Verkettungssatz für Summen)

Wir wollen die Stetigkeit von   in   mit Hilfe des Epsilon-Delta-Kriteriums beweisen. Sei also ein   gegeben. Da   stetig bei   ist, gibt es ein  , sodass für alle   mit   die Ungleichung   erfüllt ist. Ebenso gibt es ein  , sodass für alle   mit   die Ungleichung   gilt.

Setzen wir nun  . Damit erfüllen alle   mit   beide Bedingungen   und  . Damit gilt für alle   mit  :

 

Stetigkeit bei skalarer Multiplikation Bearbeiten

Satz (Verkettungssatz für skalare Multiplikationen)

Sei   und  . Sei außerdem   eine reellwertige Funktion, die in   stetig ist. Dann ist   stetig in  .

Beweis (Verkettungssatz für skalare Multiplikationen)

Wir wollen die Stetigkeit von   in   mit Hilfe des Folgenkriteriums beweisen. Sei dazu   eine beliebige Folge mit   für alle   und  . Da   stetig in   ist, existiert damit der Grenzwert  . Es ist:

 

Stetigkeit bei Multiplikation Bearbeiten

Satz (Verkettungssatz für Multiplikationen)

Sei   und seien   reellwertige Funktionen, die in   stetig sind. Dann ist   stetig in  .

Beweis (Verkettungssatz für Multiplikationen)

Wir beweisen die Stetigkeit von   mit Hilfe des Folgenkriteriums. Sei dazu   eine beliebige Folge mit   für alle   und  . Da sowohl   als auch   stetig in   sind, existieren damit die Grenzwerte   und  . Es ist:

 

Stetigkeit bei Division Bearbeiten

Satz (Verkettungssatz für Divisionen)

Sei   und seien   und   zwei reellwertige Funktionen. Sei   und seien   sowie   stetig in  . Dann ist auch   stetig in  .

Beweis (Verkettungssatz für Divisionen)

Den Beweis werden wir mit Hilfe des Folgenkriteriums und dem Quotientenregel für Grenzwerte führen. Sei also   eine beliebige Folge mit   für alle   und  . Da sowohl die Funktion   als auch die Funktion   stetig an der Stelle   sind, folgt   und  . Außerdem gilt  , sodass   für alle   wohldefiniert ist. Nun gilt:

 

Stetigkeit bei Komposition Bearbeiten

Satz (Verkettungssatz für Kompositionen)

Sei   und   eine Funktionen, die in   stetig ist. Sei zusätzlich   mit  , die in   stetig ist. Dann ist auch   stetig in  .

Beweis (Verkettungssatz für Kompositionen)

Wir wollen die Stetigkeit von   in   mit Hilfe des Folgenkriteriums beweisen. Sei dazu   eine beliebige Folge mit   für alle   und  . Dann ist   eine Folge mit   für alle   (da  ) und   (da   stetig). Somit gilt:

 

Vergleich zum Epsilon-Delta-Kriterium Bearbeiten

Zu Beginn dieses Artikels haben wir mit Hilfe der Verkettungssätze gezeigt, dass die Funkion stetig ist. Zum Vergleich wollen wir versuchen dies mit Hilfe des Epsilon-Delta-Kriteriums „von Hand“ zu zeigen. Der sich so ergebende Satz ist umfangreicher als der über die Verkettungssätze.

Aufgabe (Epsilon-Delta-Beweis für Stetigkeit einer Wurzelfunktion)

Beweise mit der Epsilon-Delta-Definition der Stetigkeit, dass folgende Funktion stetig ist:

 

Wie kommt man auf den Beweis? (Epsilon-Delta-Beweis für Stetigkeit einer Wurzelfunktion)

Wir müssen zeigen, dass für jedes   ein   existiert, so dass alle   mit   die Ungleichung   erfüllen. Hierzu betrachten wir zunächst die Zielungleichung   und schätzen den Betrag   geschickt nach oben ab. Da wir den Term   kontrollieren können, schätzen wir   so nach oben ab, dass wir den Betrag   erhalten. Wir suchen also eine Ungleichung der Form

 

Dabei ist   irgendein von   und   abhängiger Term. Der zweite Faktor ist kleiner als   und kann damit durch eine geschickte Wahl von   beliebig klein gemacht werden. Eine solche Abschätzung ist folgende:

 

Wegen   ist:

 

Wenn wir   so klein wählen, dass   ist, folgt die Zielungleichung  . Jedoch hängt   von   ab und diese Abhängigkeit würde sich auf   vererben und wir dürfen   nicht in Abhängigkeit von   wählen. Deswegen müssen wir die Abhängigkeit des ersten Faktors von   eliminieren. Dies erreichen wir, indem wir den ersten Faktor nach oben so abschätzen, dass wir eine Ungleichung der Form   erreichen. Eine solche Umformung ist:

 

Wir haben sogar   unabhängig von   gemacht, was nicht nötig gewesen wäre. Somit haben wir die Ungleichung

 

Wir brauchen nun die Abschätzung  , damit die Zielungleichung   erfüllt ist. Die Wahl von   ist hierfür ausreichend.

Beweis (Epsilon-Delta-Beweis für Stetigkeit einer Wurzelfunktion)

Sei   mit  . Sei   und   beliebig. Wir wählen  . Für alle   mit   gilt:

 

Damit ist   eine stetige Funktion.