Grenzwert: Konvergenz und Divergenz – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

In diesem Kapitel wird das Konzept des Grenzwerts (auch Limes genannt) bzw. der Konvergenz einer Folge eingeführt. Da Begriffe wie Stetigkeit, Ableitung und Integral mithilfe des Grenzwertbegriffes definiert werden, ist der Grenzwert sehr wichtig. Er bildet damit das Rückgrat der Analysis.

Intuition hinter der Idee der Konvergenz Bearbeiten

Intuition hinter dem Begriff Konvergenz (Youtube-Video von Math-Intuition)
Erklärungsvideo zur Folgenkonvergenz. (YouTube-Video vom Kanal Quatematik)

Um eine mathematische Definition des Grenzwerts zu finden, sollten wir zunächst eine intuitive Idee für diesen Begriff bekommen. Schauen wir uns dafür die harmonische Folge   an. Sie hat die Folgenglieder

 

Diese nähern sich von oben immer mehr der Null an und man kann intuitiv sagen:

  • Die Folge geht beliebig nah an  .
  • Je größer   ist, desto mehr nähert sich   der   an.
  • Die Folge   strebt gegen  .
  • Die Folge   erreicht im Unendlichen die  .

Alle diese Erklärungen beschreiben intuitiv, was wir in der Analysis den Grenzwert einer Folge nennen. In diesem Fall ist   der Grenzwert der harmonischen Folge  .

Herleitung der Definition des Grenzwerts Bearbeiten

Erste Schritte Bearbeiten

Um als Mathematiker mit dem Begriff des Grenzwerts arbeiten zu können, brauchen wir eine klare und exakte Definition. Diese können wir finden, indem wir mit einer intuitiven Idee starten und diese so lange konkretisieren, bis wir eine exakte mathematische Definition haben. Die Konkretisierung erfolgt so lange, bis wir eine Formulierung finden, die nur noch bereits definierte Begriffe enthält. Fangen wir mit der folgenden intuitiven Beschreibung des Grenzwerts an:

„Eine Folge hat einen Grenzwert  , wenn ihre Folgenglieder beliebig nahe an   gehen.”

Was bedeutet „beliebig nahe“ im obigen Satz? Wir können es so übersetzen: Stellen wir uns die Folgenglieder in einem Koordinatensystem vor, wobei auf der  -Achse die Indizes   und auf der  -Achse die Werte der Folgenglieder   stehen. Jedes Folgenglied wird durch einen Punkt in diesem Koordinatensystem dargestellt. Den Grenzwert   veranschaulichen wir durch eine gestrichelte Linie.

 
Folgenglieder im KOSY

Wenn die Folgenglieder nun „beliebig nahe“ an   herangehen, wird der Abstand zum Grenzwert immer kleiner. Nun nehmen wir einen sehr schmalen „Schlauch“ (man kann es sich wie einen Gartenschlauch vorstellen), der den Radius   hat. Diesen „fädeln“ wir von rechts über den Grenzwert. Solange der Abstand der Folgenglieder zum Grenzwert kleiner als der Schlauch dick ist, kann man den Schlauch noch weiter nach links schieben. Alle Punkte befinden sich immer noch innerhalb des Schlauches. Sobald ein Punkt aber einen größeren Abstand zum Grenzwert hat, kann er nicht mehr innerhalb des Schlauches liegen. An dieser Stelle müssen wir aufhören, den Schlauch weiter aufzufädeln.

 
Epsilonschlauch

Der Punkt   ist das Folgenglied, ab dem alle späteren Folgenglieder (also mit Index größer gleich  ) innerhalb des Schlauches liegen. Direkt vor   liegt ein Punkt, der außerhalb des Schlauchs liegt. Wenn wir den Schlauch jetzt dünner machen, können vielleicht nicht mehr alle Punkte innerhalb des Schlauches liegen, die vorher im großen Schlauch lagen. Deshalb kann man den dünnen Schlauch nicht mehr so weit nach links schieben, wenn noch alle Punkte innerhalb des Schlauches liegen sollen. Jedoch ist es auch bei ihm möglich, dass fast alle Folgenglieder „eingefangen“ werden können:

 
Epsilonschlauch klein

Nun ist der Punkt, der nicht mehr in den dünneren Schlauch passt, weiter rechts als im vorherigen Bild. Das neue erste Folgenglied im Schlauch nennen wir  . Alle Folgenglieder mit einem Index größer gleich   liegen in dem dünneren Schlauch.

Dieser Schlauch hat keine nähere mathematische Bedeutung. Wir haben ihn nur verwendet, um zu zeigen, dass die Folgenglieder immer näher an der gestrichtelten Linie liegen. Sie gehen also immer näher an   heran und insbesondere auch nicht mehr weiter weg, da sie ja ab einem bestimmten Index alle innerhalb des Schlauches liegen, egal wie dünn dieser ist. Haben wir das verstanden, brauchen wir den „Schlauch“ nicht mehr. Was bisher unser beliebig dünner Schlauch mit Radius   war, werden wir  -Umgebung nennen.

In jeder Umgebung um den Grenzwert liegen fast alle Folgenglieder Bearbeiten

 
Der Grenzwert ist eine Zahl, so dass für jede  -Umgebung fast alle Folgenglieder in dieser Umgebung um die Zahl liegen.

Wir haben Indizes wie   bzw.   gefunden, ab denen alle nachfolgenden Folgenglieder innerhalb der jeweiligen  -Schläuche liegen. Machen wir den Schlauch noch dünner, finden wir entsprechend ein  , ab dem alle Folgenglieder im Schlauch liegen und so weiter. Egal wie dünn wir den Schlauch machen, es wird immer einen Punkt geben, ab dem alle weiteren Folgenglieder im Schlauch liegen.

Da solche Startindizes wie   natürliche Zahlen sind, kann es nur endlich viele Folgenglieder geben, die außerhalb des Schlauches liegen (nämlich höchstens   Folgenglieder). Alle restlichen Folgenglieder liegen innerhalb des Schlauchs. Da eine Folge unendlich viele Folgenglieder hat, kann man die endlich vielen Glieder, die außerhalb liegen, vernachlässigen und sagen, dass fast alle Glieder innerhalb des Schlauches liegen. Das geht selbst, wenn das   sehr groß ist. Denn in Relation zu unendlich vielen Folgegliedern, die innerhalb des Schlauchs liegen, sind endlich viele Folgeglieder außerhalb des Schlauchs wenig – egal wie groß   ist. Das zu verstehen ist wichtig, um den Grenzwertbegriff zu verstehen.

Wir haben also herausgefunden, dass fast alle Folgenglieder in dem Schlauch liegen, egal wie dünn dieser ist. Das heißt, dass die Folgenglieder immer näher an den Grenzwert   herangehen. Und das ist es, was den Grenzwert ausmacht. Die Folgenglieder   liegen beliebig nah am Grenzwert  , wenn wir hinreichend große   betrachten.

Was ist eine Umgebung einer Zahl? Bearbeiten

Eine Umgebung einer Zahl   lässt sich geometrisch mithilfe eines Kreises konstruieren. Sei dazu   der Mittelpunkt eines Kreises mit dem Radius  . Dann ist zunächst der Punkt   eingezeichnet. Erweitert man den Radius dieses Kreises beliebig weit, so vergrößert sich der Durchmesser ausgehend von dem Mittelpunkt  .

Wir behaupten: Eine Umgebung ist intuitiv gesprochen eine Menge von Zahlen, welche die Zahl   umschließt.

Im Eindimensionalen ist dieser Kreis nichts anderes als ein offenes Intervall. Eine Umgebung einer Zahl   lässt sich mathematisch auch mithilfe eines solchen Intervalls konstruieren. Der Radius des Kreises entspricht dem Abstand zum linken und rechten Rand des Intervalls. Dieser ist eine beliebige positive Zahl  .

Ein solches Intervall ist charakterisiert als die Menge aller Zahlen, die einen Abstand von   kleiner   besitzen. Damit haben sie die Form  .

Man nennt dieses Intervall auch  -Umgebung von  , die so aussieht:

 
Die Epsilon-Umgebung

Eine solche  -Umgebung von   definiert allgemein die Umgebung einer Zahl  . Eine Menge   ist dadurch eine Umgebung von  , wenn es eine  -Umgebung   gibt, so dass   ist. Wir betrachten beispielsweise die folgende Menge  :

 
Menge M mit inneren Punkt a auf der Zahlengeraden

Zunächst finden wir die  -Umgebung von  . Dazu wählen wir ein beliebiges   und legen einen Kreis um  . Genauer gesagt finden wir ein Intervall  . Die Menge   ist ebenfalls eine Menge von Zahlen und somit ein Intervall im Eindimensionalen. Diese umschließt das Intervall  . Sie ist also eine Obermenge der  -Umgebung von  . Deswegen ist   auch eine Umgebung von  .

 
Menge M mit inneren Punkt a und ε-Umgebung um a

Definition (Umgebung)

Eine Menge   ist eine Umgebung der Zahl  , wenn es ein   gibt, so dass   ist.

Was bedeutet „fast alle“? Bearbeiten

Dazu stellen wir uns ein Koordinatensystem vor, auf dem unendlich viele Folgenglieder einer konvergierenden Folge dargestellt sind. Nun nehmen wir einen  -Schlauch und fädeln ihn von rechts über den Grenzwert ein. Dann passt eine endliche Anzahl an Folgengliedern nicht in den Schlauch, weil der Abstand zum Grenzwert   nicht klein genug ist. Jedoch liegen unendlich viele Folgenglieder innerhalb des Intervalls   und damit im  -Schlauch.

Die Anzahl der Folgenglieder, die innerhalb des Intervalls   liegen, ist also überwältigend groß im Vergleich zur Anzahl der Folgenglieder außerhalb dieses Intervalls. Man sagt daher, dass fast alle Folgenglieder im Intervall   liegen.

Wenn „fast alle“ Folgenglieder im Intervall   liegen, so bedeutet es, dass „alle bis auf endlich viele“ Folgenglieder ein Element dieses Intervalls sind.

Verfeinerung der mathematischen Definition Bearbeiten

Insgesamt können wir definieren:

„Eine Folge hat einen Grenzwert  , wenn es für jede  -Umgebung von  , also  , ein Folgenglied gibt, ab dem alle folgenden Folgenglieder Elemente der Umgebung sind.“

Obige Aussage könnten wir als mathematische Definition des Grenzwerts verwenden. Jedoch ist es sinnvoll, diese Definition noch weiter zu formalisieren.

Nun ist ein Folgenglied   genau dann ein Element von  , wenn   ist. Also:

„Eine Folge   hat einen Grenzwert  , wenn es zu jedem   ein Folgenglied   gibt, ab dem für alle folgenden Folgenglieder   die Ungleichung   erfüllt ist.

Den Teil „es gibt ein Folgenglied, ab dem gilt …“ können wir umformulieren zu „es gibt eine natürliche Zahl  , so dass für alle   mit   gilt …“. Somit:

„Eine Folge   hat einen Grenzwert  , wenn es zu jedem   eine natürliche Zahl   gibt, so dass   für alle   ist.

Dies ist dann auch die mathematische Definition des Grenzwerts.

Definition des Grenzwerts Bearbeiten

Definition (Grenzwert)

Eine Folge   besitzt einen Grenzwert  , wenn es zu jedem   einen Folgenindex   gibt, so dass für alle Folgenglieder   mit   die Ungleichung   erfüllt ist. Es ist also genau dann   ein Grenzwert von  , wenn gilt:

 

Kommentiert lautet die prädikatenlogische Definition des Grenzwerts:

 

Es folgen einige Definitionen im Zusammenhang mit dem Grenzwert:

Konvergenz
Eine Folge heißt konvergent, wenn sie einen Grenzwert besitzt. Man sagt auch, dass eine Folge gegen   konvergiert, wenn sie den Grenzwert   besitzt.
Divergenz
Eine Folge nennt man divergent, wenn sie keinen Grenzwert besitzt.
Nullfolge
Eine Nullfolge ist eine konvergente Folge mit dem Grenzwert  .

Wenn eine Folge gegen   konvergiert, schreibt man   oder „  für  “. Man spricht hier „Limes von   für   gegen unendlich ist  “.

Frage: Wie lautet die Aussage in Prädikatenlogik dafür, dass eine Folge   konvergiert?

Wie oben besprochen, ist die Aussage dafür, dass eine Folge   den Grenzwert   besitzt, folgende:

 

Wenn man nur die Konvergenz haben will, dann ist die Aussage entsprechend:

 

Frage: Wie lautet die Aussage in Prädikatenlogik dafür, dass eine Folge   divergiert?

Hierzu muss obige gefundene Aussage negiert werden. Wie man das macht, steht im Abschnitt „Aussagen negieren“ aus dem Buch „Grundlagen der Mathematik“. Es werden dabei All- zu Existenzquantoren und umgekehrt. Die negierte Aussage lautet:

 

In Worten: Zu jedem   gibt es eine reelle Zahl  , so dass es für alle   ein   mit   gibt.

Hinweis

Für den Betrag gilt  . Dementsprechend ist

 

Es ist also egal, ob wir   oder   in der Definition verwenden.

Hinweis

Aus der Definition der Konvergenz folgt unmittelbar, dass   genau dann gegen   konvergiert, wenn   eine Nullfolge ist. Wenn nämlich   gegen   konvergiert, dann ist per Definition

 

Dies entspricht aber der Definition dafür, dass   gegen   konvergiert. Konvergiert umgekehrt   gegen  , so gilt per Definition

 

Somit gilt auch   mit gleichen Quantoren und gleicher Variablendeklaration, also konvergiert   gegen  

Warnung

Im Studium begegnet man hin und wieder der Fehlvorstellung „Eine Folge divergiert genau dann, wenn sie unbeschränkt ist.“ Diese Aussage ist falsch!

Der intuitive Denkfehler dahinter ist wahrscheinlich oft der voreilige Schluss: „Das Gegenteil von   ist  , also muss   beliebig groß werden.“ Dies entspricht aber nicht der hergeleiteten Definition für Divergenz von oben!

Zwar ist jede unbeschränkte Folge divergent (siehe hierzu das Kapitel „Unbeschränkte Folgen divergieren“), aber nicht jede divergente Folge muss zwangsläufig unbeschränkt sein. Ein Beispiel hierfür ist die Folge  , welche beschränkt und divergent ist.

Erklärung der Konvergenz Bearbeiten

Neben der obigen Herleitung gibt es eine weitere Intuition für den Grenzwertbegriff: Die Größe   ist der Abstand zwischen dem n-ten Folgenglied und  . Sie ist ein Maß für den Fehler bzw. Unterschied zwischen   und  . Die Ungleichung   bedeutet also, dass der Fehler zwischen   und   garantiert kleiner als der Maximalfehler   ist. Damit kann die Definition des Grenzwerts folgendermaßen gedeutet werden: Egal was für einen Maximalfehler   man vorgibt, fast alle Folgenglieder haben einen Unterschied kleiner als   vom Grenzwert  . Der Fehler   zwischen den Folgengliedern und dem Grenzwert wird also beliebig klein.

Diese Interpretation kann auch durch die Wahl der Variablen gestützt werden. Augustin-Louis Cauchy, auf den obige Definition zurückgeht[1], könnte mit   das französische Wort „erreur“ für „Fehler“ gemeint haben[2].

Beispiel: Konvergenz der harmonischen Folge Bearbeiten

 
Die ersten zehn Folgenglieder der harmonischen Folge

Schauen wir uns das Ganze bei der harmonischen Folge mit dem allgemeinen Glied   an. Diese konvergiert intuitiv gesehen gegen  . Sie müsste also auch die obige Definition für Konvergenz gegen   erfüllen.

Nimm zum Beispiel  . Ab dem dritten Folgenglied   ist der Abstand von   zu   kleiner als  . Damit liegen ab dem dritten Folgenglied alle weiteren Folgenglieder in der  -Umgebung  . Für   ist der Abstand der Folge zu   ab   und für   ab   kleiner als das jeweils gewählte  .

Machen wir das nun ganz allgemein und denken uns ein beliebiges  . Aus dem archimedischen Axiom folgt, dass es ein   gibt, so dass   für alle   ist. (Siehe Archimedisches Axiom mit der Wahl von   und  .) Ab diesem   liegen alle folgenden Folgenglieder in der  -Umgebung  . Dementsprechend ist der Grenzwert der harmonischen Folge gleich  .

Der Grenzwert ist eindeutig Bearbeiten

Satz (Eindeutigkeit des Grenzwerts)

Jede konvergente Folge besitzt nur einen einzigen Grenzwert.

Dieser Satz macht Ausdrücke wie   erst sinnvoll. Stell dir vor, es gäbe eine Folge   mit mehr als einem Grenzwert. Dann könntest du dem Ausdruck   keine eindeutige Zahl zuordnen, weil du nicht weißt, welchen der Grenzwerte   bezeichnen soll. Weil nun aber   maximal einen Grenzwert besitzt, ist stets klar, dass   diesen eindeutigen Grenzwert bezeichnen soll (unter der Voraussetzung natürlich, dass   konvergiert). Dank des obigen Satzes kann man von „dem Grenzwert“ und nicht nur von „einem Grenzwert“ sprechen.

Wie kommt man auf den Beweis? (Eindeutigkeit des Grenzwerts)

Den Satz werden wir indirekt über einen Widerspruchsbeweis zeigen. Hierzu gehen wir davon aus, dass es eine konvergente Folge   mit zwei verschiedenen Grenzwerten gibt. Diese Annahme müssen wir nun zum Widerspruch führen.

Nennen wir die beiden Grenzwerte   und  . Um den Widerspruch zu finden, können wir folgende Methode verwenden: Wir können versuchen, den Gegensatz von dem, was wir eigentlich zeigen wollen, zu beweisen. Dieser Versuch ist natürlich zum Scheitern verurteilt. Wenn wir aber verstehen, warum der Versuch scheitert, dann gibt uns das Hinweise, wie wir den eigentlichen Beweis zu führen haben. Versuchen wir also zu beweisen, dass es eine Folge mit zwei verschiedenen Grenzwerten gibt.

Nimm also ein Blatt Papier und zeichne eine Zahlengerade ein. Markiere nun zwei verschiedene Zahlen auf der Zahlengerade, die unsere zwei Grenzwerte   und   darstellen sollen. Versuche nun eine reelle Folge auf der Zahlengeraden zu finden, die gleichzeitig gegen beide Zahlen konvergiert (Denk daran, dass deine Zahlenfolge ab einem bestimmten Folgenglied in jeder noch so kleinen Umgebung um   beziehungsweise um   sein muss). Für Umgebungen von   und  , welche sich nicht überlappen, ist es unmöglich, dass sich dort fast alle Folgenglieder befinden. Die folgende Zeichnung verdeutlicht das Problem.

 
Zahlengerade mit zwei Zahlen und disjunkten ε-Umgebungen

Wenn man also   so klein wählt, dass sich   und   nicht überschneiden, dann sollte sich ein Widerspruch ergeben. Wir wählen  . Wir wissen, dass es ein   geben muss, welches sowohl in   als auch   liegt. Ein solches   kann es aber nicht geben, weil sich die beiden Umgebungen für   nicht überschneiden. Einen Widerspruch erhalten wir dann über die Dreiecksungleichung:

 

Nach Kürzung beider Seiten mit   haben wir den Widerspruch  .

Beweis (Eindeutigkeit des Grenzwerts)

Widerspruchsbeweis: Sei   eine Folge mit mindestens zwei verschiedenen Grenzwerten   und   . Damit ist  . Per Definition des Grenzwertes gibt es zwei natürliche Zahlen   und   mit

 

und

 

Dies folgt aus der Definition des Grenzwerts mit  . Damit gilt für alle Folgenglieder   mit  , dass gleichzeitig   und   ist. In diesem Fall wäre also

 

Wegen   ist   und wir können beide Seiten der obigen Ungleichung durch   dividieren. So erhalten wir den Widerspruch

 

Beachte, wie wichtig es für den Beweis ist, dass   und damit   ist. Sonst hätten wir nicht beide Seiten durch   dividieren können und wir hätten nicht   wählen können.