In diesem Kapitel werden wir dir erklären, wie du mathematische Aussagen und Aussageformen negieren kannst. Hierzu werden wir den Weg über die formale Schreibweise gehen, weil Ausdrücke dieser Schreibweise leichter zu negieren sind. Das liegt daran, dass Aussagen in der formalen Schreibweise durch einfache Umformungsregeln negiert werden können. Dies ist deutlich einfacher als Ausdrücke intuitiv zu negieren.
Du kannst ja einmal versuchen, folgende Beispiele zu negieren. Du wirst sehen, dass die intuitive Negation nicht einfach ist (an dieser Stelle wird nicht erwartet, dass du bereits die folgenden Ausdrücke negieren kannst). Die ersten beiden Aussageformen stammen im Übrigen aus der Analysis 1 und werden dir damit im weiteren Studium durchaus begegnen. Versuche also mal folgende Ausdrücke zu negieren:
- Zu jedem gibt es ein , sodass für alle die Ungleichung erfüllt ist.
- Zu jedem und gibt es ein , sodass für alle mit .
- Für jeden Menschen gibt es einen anderen, der ihn liebt.
Die Negation dieser Ausdrücke findest du später im Abschnitt „Beispiele“.
Um nun eine in natürlicher Sprache gegebene Aussage zu negieren, kannst du folgendermaßen vorgehen:
Sollte die Aussage in formaler Schreibweise vorliegen, dann entfallen der erste und der letzte Schritt. Diese beiden Schritte, also die Übersetzung von natürlicher in formale Schreibweise und umgekehrt, erklären wir dir im Kapitel „Aussagen formalisieren“.
Wie wir bereits gesagt haben, gelten Regeln zur Negation von Aussagen in formaler Schreibweise. Diese sind:
Form der Negation |
umgeformte Aussage |
Bedeutung
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Nicht oder nicht .
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Nicht und nicht .
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Obwohl , gilt nicht .
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Entweder oder (aber nicht beides gleichzeitig).
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Genau dann , wenn nicht .
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Genau dann nicht , wenn .
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Es gibt ein mit nicht .
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Es gibt ein mit nicht .
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Für alle ist nicht .
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Für alle ist nicht .
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Für jedes gilt: hat nicht die Eigenschaft oder es gibt ein von verschiedenes mit der Eigenschaft .
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Es gibt kein oder mindestens zwei mit .
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Wieso sind die Umformungsregeln so? Das liegt daran, dass die Aussagen der ersten Spalte äquivalent zu den Aussagen der zweiten Spalte sind. Dies bedeutet, dass die Aussagen der ersten Spalte genau dann wahr sind, wenn die entsprechenden Aussagen der zweiten Spalte wahr sind. Wenn du dir die umgeformten Aussagen anschaust, dann siehst du, dass die Negation in den Teilaussagen weitergereicht wird. So können die Ausdrücke schrittweise durch die Umformungsregeln negiert werden, bis am Ende die Negationszeichen ganz innen stehen.
Bei der Negation der Äquivalenz kannst du dir im Übrigen aussuchen, ob du diese Aussage zu oder zu oder zu umformst. Die erste Umformung ist einfacher, verwendet aber die Kontravalenz . Diese wird in der Mathematik nicht häufig verwendet und möglicherweise wurde sie nicht in deiner Vorlesung besprochen.
Zur Regel mit dem eindeutigen Existenzquantor
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Bei der Regel mit dem eindeutigen Existenzquantor haben wir ausgenutzt, dass wir auch folgendermaßen schreiben können:
Diese Aussage kann nun mit den anderen Umformungsregeln negiert werden, sodass man dann am Ende erhält:
Man kann auch einen anderen Weg gehen: Man fängt mit der Aussage
„Es gibt genau ein mit .“
an und negiert diese intuitiv zu
„Es gibt kein oder mindestens zwei mit .“
Diese Aussage in der Prädikatenlogik formalisiert lautet
Dies ist dann die zweite Möglichkeit, um einen Ausdruck mit einem eindeutigen Existenzquantor zu negieren.
Betrachten wir zunächst folgende Aussage
Diese lässt sich mit den Methoden aus dem Kapitel „Aussagen formalisieren“ umschreiben. Die formalisierte Aussage lautet
Diese lässt sich nun schrittweise negieren, indem die obigen Umformungsregeln verwendet werden:
Das Ergebnis ist damit die Aussage . Die Negation der obigen wahren Aussage führt damit zu der falschen Aussage:
Betrachten wir nun das erste Beispiel aus der Einleitung:
Zum Negieren der Aussage gehen wir schrittweise wie im ersten Beispiel vor:
Lösung
Erste Aussage:
Zweite Aussage:
Dritte Aussage:
Vierte Aussage: